[Habitatio] Centurio Aulus Iunius Avianus

  • Platz... viel zu viel Platz. Ein Vorraum, ein Officium, Wohnräume... mal abgesehen davon, dass er weder das Mobiliar noch genügend andere Habseligkeiten hatte, um seine neue Baracke angemessen zu füllen, wusste Avianus gar nicht, was er mit all den Räumen anfangen sollte. Da erklärte sich ja schon von selbst, wie er seinen nun höheren Sold investieren würde, obwohl er in den letzten Jahren nie mehr als ein Bett, eine Truhe und vielleicht ein Tischchen zum schreiben benötigt hatte.
    Noch saß er auf einem der Stühle, die bereits in der Unterkunft standen, und ließ die letzten Geschehnisse sacken. Verdammt nochmal, eine ganze Centuria hörte nun auf sein Wort. Und wenn er daran dachte, dass manche von ihnen vielleicht genauso zu ihm aufsehen würden, wie er zu seinen Offizieren für gewöhnlich aufgesehen hatte, insbesondere natürlich zu Seneca, unter welchem er am längsten von allen gedient hatte, bekam er fast einen Kloß im Hals.
    Jetzt aber Schluss mit den Sentimentalitäten. Es gab andere Dinge, um die es sich zu kümmern galt. Außerdem hatte er inzwischen einen verdammt guten Grund, einen Brief nach Mantua zu schicken. Und der wollte erst noch geschrieben werden.

  • Noch vor dem Morgenappell war Antias zur neuen Unterkunft seines ehemaligen Optios hinübermarschiert. Wieder einmal lag eine schlaflose Nacht hinter ihm. Keine zwei Tage hatte sein Ausgang gedauert, und doch hatte sich im Laufe der letzten Paardutzend Stunden so vieles verändert, dass ihm fast schwindelig geworden war. All die einzelnen Eindrücke zu sortieren würde wohl noch ein paar Tage dauern. Seine neuer Bruder Ferox, sein weiser Ratgeber Sedulus, seine große Liebe Apolonia, sein toter Kaiser Palma, die Beförderung seines Optios, die anstehende Beförderung seiner Kameraden, der Ausnahmezustand, die Sondereinsätze – da sollte noch einer sagen, das Soldatenleben sei eintönig. In jedem Fall verlangte es klare Prioritäten, und so stand er nun also vor der Habitatio seines frischgebacken Centurios, um Avianus die Ehre zu erweisen und natürlich seines Bruders und vor allem dessen Maultiers wegen. Heute war Ferox’ großer Tag, und bevor er mit Vespa am Tor eintraf, musste deren Verbleib geregelt werden. Irgendwie. Noch einmal fuhr er mit der Mantelspitze über seine ohnehin schon tadellos glänzende Lorica, klemmte dann den Helm unter den linken Arm und klopfte.

  • Als Centurio war er, schon wie zuvor als Optio, ein ganzes Stück vor dem Apell auf den Beinen. Allerdings ging Avianus nicht unbedingt davon aus, dass andere dasselbe taten und schon unter ihren Decken hervorgekrochen waren, ein wenig verwundert blickte er deshalb auf, als es an der Tür seiner Habitatio klopfte, während er noch den letzten Bissen Brot seines verfrühten Ientaculums hinunterschluckte und sich die Brösel von den Fingern wischte.
    "Herein", antwortete er gleich darauf, und erkannte schließlich Antias, der sich sogar bereits in Schale geworfen hatte. "Gibt es etwas zu besprechen, Miles?"

  • Das erste, was Antias nach dem Eintreten in’s Auge stach, war natürlich die strahlend auf einem Ständer ruhende Crista. Eine ebenso ehrenvolle wie beeindruckende Zier, die Avianus zweifellos blendend stehen würde. Mit einem kaum merklichen Lächeln im Gesicht nahm Antias rasselnd Haltung an und salutierte. „Salve, Opt ...“ Ach, Götter. „Salve, Centurio Iunius Avianus! Miles Germanicus Antias möchte dir seine Glückwünsche zum neuen Amt aussprechen!“ Dann - in etwas moderaterem Ton: „Nichts offizielles, Centurio. Eher ein Anliegen. An sich wohl keine große Sache, allerdings etwas speziell .. wenn ich dir ein, zwei Minuten deiner sicher knapp bemessenen Zeit stehlen dürfte?“

  • "Danke, Miles Germanicus", entgegnete Avianus, ebenfalls mit einem leichten Lächeln, auch weil ihn Antias' kleiner Versprecher amüsierte, und machte sich nicht die Mühe, sich nur wegen seinem neuen Posten ernsthafter und strenger zu verhalten, wenn man nicht gerade im Einsatz war oder auf dem Exerzierplatz stand. Im Grunde sah er sich schließlich immer noch als Teil der Truppe, und war es auch noch immer, selbst wenn jetzt ihn gut zwei oder drei Türen mehr vom Rest der Mannschaft trennten.
    "Nun, wenn du sofort anfängst, könnte sich das ausgehen", machte er deshalb einen kleinen Scherz und deutete anschließend auf einen anderen der Stühle. "Willst du dich setzen? Worum geht es?"
    Ganz so sehr eilte es noch nicht. Zumindest lief sein Schreibtisch nicht vor Tabulae und Papyrusrollen über, dafür war er schlicht noch nicht lange genug in Verwendung, und seinen Magen hatte er ebenfalls bereits zum Schweigen gebracht.

  • „Danke, Centurio Iunius Avianus .. es wird nicht lange dauern.“ lächelte Antias, setzte sich mit knirschender Lorica auf einen Stuhl und packte sich den Cassis auf den Schoß. Noch einmal kurz durchgeatmet und raus damit: „Es ist so, Centurio .. mein Bruder Ferox wird sich heute zu den CU melden. Ein guter Junge, der unsere Reihen ohne Frage bereichern wird, motiviert und anspruchslos. Einzig an seinem treuen Maultier hängt er sehr. Nun ...“ Antias kratzte sich am Kinn. Avianus fragte sich gerade sicher, ob da tatsächlich ein Miles vor ihm angetreten war, um sich zu frühmorgendlicher Stunde über so elementarmilitärische Dinge wie treue Maultiere auszulassen. Ganz genau. Dem war so.


    „.. da wir hier ja ohnehin über ein gewisses Kontingent an Lasttieren verfügen, dachte ich, es wäre vielleicht möglich, auch das Maultier meines Bruders in den Dienst zu übernehmen.“ Die meisten Offiziere hätten ihn nun wahrscheinlich belustigt des Raumes verwiesen, aber er war mit seinem Ansinnen auch nicht zu irgendeinem Offizier gegangen, sondern zu seinem vertrauenswürdigen ehemaligen Ausbilder. „Das Tier ist noch jung, kräftig und kerngesund, Centurio.“

  • "Das Maultier deines Bruders?", fragte Avianus gleichzeitig überrascht und interessiert zurück, wobei sein Interesse weniger dem Maultier galt als vielmehr der Tatsache weshalb Antias ausgerechnet mit einer solchen Bitte zu ihm kam. Nur eine Antwort kam ihm in den Sinn: Dieser Ferox musste wohl wirklich an dem Vieh hängen. Der Iunius selbst konnte es allerdings nicht wirklich verstehen, er war auf einem Pferd nach Germania und wieder zurück geritten und konnte nicht behaupten, dass er das Tier seitdem vermisste. Aber gut, sei's drum. Weshalb genau wer sein Maultier mit in die Castra nehmen wollte, war eher nebensächlich und eigentlich nicht sein Problem.
    "Rein theoretisch… ja", begann er vage, "Gehen wir einmal davon aus, wir würden, sagen wir mal… für unsere eigene Centuria… ein neues Lasttier anschaffen… Das Tier würde nicht mehr deinem Bruder gehören, sondern der Truppe, und außerdem würde sich ein Knecht darum kümmern." Es konnte ja schlecht jeder Tiro einfach so seine Haustiere mitbringen, wenn er sich beim Exercitus meldete. Und dann war da noch etwas, das Avianus auf der Zunge lag, und das gesagt sein sollte.
    "Wenn sich dein Bruder für den Dienst bei den Cohortes Urbanae allerdings nicht einmal von seinem Maultier trennen will, dann sollte er sich das mit dem Militär vielleicht nochmal überlegen, Germanicus." Er sprach die Worte sachlich aus, weder gereizt noch verärgert, sie waren mehr ein gut gemeinter Ratschlag an den Miles und seinen Bruder. Denn bekanntermaßen ließ man mit dem Leisten des Eids, zumindest auf bestimmte Zeit, mehr als nur ein Maultier zurück, ganz zu schweigen davon dass man selbst und ein ganzer Haufen Freunde täglich den Kopf hinhielt, und es nicht selten passierte, dass es mal einen erwischte. Da war ein Maultier, das man zu Hause lassen musste, das kleinste Problem.

  • Antias entspannte sich. Der Centurio sah die Angelegenheit so sachlich wie erhofft. Natürlich hatte Avianus recht, spätestens mit Ablegen des Eides hatten die persönliche Präferenzen eines Urbaners hintan zu stehen. Andererseits hatten sie wohl alle, vom Tiro bis zum Praefectus, ihre intimen kleinen Nischen in den Soldatenherzen, sei es die zurückgelassene Familie, eine Geliebte, die Leidenschaft für Pferderennen oder eben die Zuneigung zu einem treuen Weggefährten. „Das sehe ich nicht anders, Centurio Avianus. Ich denke, Ferox ist sich dessen völlig bewusst. Er möchte das Tier einfach gut versorgt wissen.“


    Wenn Vespa erst einmal in der Castra untergebracht war, mochte es Ferox bei Bedarf ein klein wenig Trost spenden, zu wissen, dass er sie dort finden konnte. Weder bei der Tauglichkeitsprüfung noch beim täglichen Drill konnte Antias dem Bruder eine große Hilfe sein, aber wenigstens diese kleine Freude wollte er ihm machen, und wenn es einen Offizier gab, der noch Fühlung zu den Mannschaften hatte, war das Centurio Iunius Avianus. „Sei versichert, Centurio Avianus, die Anwesenheit des Maultiers wird meinen Bruder bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten eben so wenig beeinflussen wie mich die Anwesenheit meines Bruders.“

  • Noch immer etwas skeptisch grübelte Avianus, wie er die Angelegenheit am besten regeln sollte. Er kannte den Germanicus inzwischen gut genug, um sagen zu können, dass er mit Sicherheit nicht der übelste Kerl der Einheit und ein guter Soldat war, der nicht wegen jeder Kleinigkeit seine Vorgesetzten belästigte. Andererseits war das mit den Ausnahmen immer so eine Sache. Als Vollblutcenturio hätte er schon längst abwinken müssen. Doch Antias hatte zuvor gesagt, es ginge um etwas rein privates, wieso sollte er die Entscheidung dann nicht auch privat treffen? Und nach außen hin besorgte er sowieso nur ein Maultier für seine Leute.
    "Ich will, dass hier alles mit rechten Dingen abläuft. Ich werde alles regeln, damit wir für unsere Einheit neues Tragtier anschaffen können, und wir werden ihm das Tier für die Mannschaft abkaufen, falls alles mit dem Tier in Ordnung ist. Am besten bringt er es mal vorbei, damit einer der Maultiertreiber es sich ansehen kann", beschloss er also, und Antias erklärte seinem Bruder hoffentlich, dass der Exercitus für gewöhnlich kein Wunschkonzert war. "Wenn er es irgendwann wiederhaben will, soll er uns das Geld zurückzahlen."

  • Es verlangte Antias einiges an Selbstkontrolle ab, seine Züge nicht in ein glückliches Grinsen entgleisen zu lassen. Der Centurio war nichts geringeres als ein verdammter Prachtkerl. Ferox würde ein Stein vom Herzen fallen und für die Tauglichkeitsprüfung stellte Avianus’ angebotener Kompromiss ein willkommen gutes Omen dar. Dafür, dass sich Ferox nicht in jeder freien Minute in’s Stabulum stahl, würde Antias schon sorgen.


    „Centurio Iunius Avianus!“ schmetterte er mit respektvollem Tonfall, sprang zackig auf und nahm Haltung an. „Ich danke und versichere dir meine unverbrüchliche Treue! Wir werden einen guten Tiro bekommen, davon bin ich überzeugt.“ Mochte sich der Centurio auch in allen künftigen Entscheidungen ein derart weises Händchen bewahren. Den leichten Anflug eines Lächelns gestattete sich Antias dann doch. „Nochmals danke und entschuldige die frühe Störung. Miles Germanicus Antias fertig zum Abtreten! Jetzt nichts wie raus an’s Tor. In Kürze würden die Tagesbefehle ausgegeben werden, und bis dahin hatte er gefasst und konzentriert im Glied zu stehen.

  • Selbst wenn sich Antias' Gesicht nicht zu einem breiten Grinsen verzog, konnte sich Avianus aus dessen Reaktion selbst zusammenreimen, wie sehr sich der Soldat über seine Entscheidung freute. Und natürlich konnte auch er sich ein angedeutetes Lächeln nicht verkneifen, er war ja kein Unmensch.
    "Ich bin davon ausgegangen, dass ich die schon seit jeher hatte", kommentierte er dezent amüsiert Antias' Ausruf dessen Treue betreffend, womit er sich natürlich erneut einen Spaß erlaubte., obwohl es sicherlich Soldaten innerhalb der Centuria gab, die einen recht jungen Offizier wie ihn mit Skepsis beäugten. Immerhin fragte er sich sogar selbst hin und wieder, ob er für seinen Posten der richtige war. Doch wäre dem nicht so, wären Beförderungen und Auszeichnungen ausgeblieben.
    "Abi, Miles. Dein Dienst beginnt bald", ließ er den Germanicus wegtreten.

  • ... der im neu eingerichteten Officium auf seinem Schreibtisch landete, war sowohl zur Überraschung als auch zur Freude des Iuniers der einer ganz bestimmten Tiberia. Schon beim Öffnen der Rolle hatte er ein schiefes Lächeln im Gesicht und fragte sich, womit sie ihn wohl dieses Mal würde aufziehen wollen, oder was sie ihm in ihrer neuesten Botschaft zu berichten hatte. Zu seiner noch größeren Überraschung allerdings... gar nichts, stellte er fest, als er die Zeilen überflog.
    Fragen. Ein ganzer Brief voller Fragen, zu allen möglichen Dingen. Und dennoch musste Avianus noch immer Grinsen, als sie die alte Geschichte mit dem Fächer wieder hoch holte und auf ihre anscheinend ach so unangebrachten Durchsuchungen anspielte. Typisch Tiberia. Noch immer sah sie sich mit ihrer Reaktion auf das vollkommen standardmäßige Prozedere vor dem Betreten des Palastes im Recht. Aber etwas anderes hatte er ohnehin nicht erwartet. Selbst wenn sie inzwischen wusste, dass er und seine Kameraden im Grunde nur ihre Arbeit gemacht hatten, von ein paar blöden Sprüchen mal abgesehen, niemals würde sie es zugeben. Und noch breiter wurde das Grinsen, als der Rest des Briefes nur noch aus leeren Blättern bestand. Dabei hatte er die gar nicht – oder gar nicht mehr – nötig. Wann auch immer er Zeit fände, wie immer, würde er eine Antwort verfassen.

  • Am liebsten wäre er wieder umgekehrt, als er auf seinem Rückweg vom Lupanar das Tor der Castra erblickt hatte. Der Helvetius würde Sibel doch sicherlich nicht den gesamten restlichen Abend beanspruchen, hatte er gedacht. Zerknirscht war Avianus dennoch weitergegangen, denn im Grunde wusste er ja nicht, was sich gerade im Lupanar abspielte, und versuchte sich seither damit zu trösten, am heutigen Abend zumindest etwas Zeit mit ihr verbracht zu haben und sie hoffentlich schon bald wiederzusehen. Damit hatte er schon weit mehr Gründe glücklich zu sein als an vielen anderen Tagen.
    Nicht sicher, was er mit dem Rest des Abends anfangen sollte, kehrte er in seine Habitatio zurück, setzte sich an den Tisch im Eingangsbereich, lehnte sich zurück und wusste nichts mit sich anzufangen. Der Papierkram war abgearbeitet, jeglicher Hunger war ihm vergangen und an Schlaf war nicht zu denken. Kaum hatte er sich hingesetzt, stand er also wieder auf, tigerte durch seine Habitatio und endete in einem der Nebenräume.
    Er dort öffnete er die Truhe, in der er unter anderem sein Erspartes aufbewahrte, schob sie zu seinem Schreibtisch und begann zu zählen. Lange hatte er sich nicht mehr darum geschert, wie viel sich inzwischen in der Truhe angesammelt hatte. Als er noch Miles gewesen war, hätte er für die paar angesparten Münzen nicht einmal eine Truhe benötigt und sie zu zählen hätte sich nicht wirklich gelohnt, und inzwischen verdiente er genug, um sich nicht mehr groß darum zu scheren, wie viel übrig blieb, denn sein Lebensstil hatte sich, von der neuen Baracke abgesehen, kaum geändert. Jetzt allerdings, wo das Geld tatsächlich einen Nutzen haben könnte, wo er es gebrauchen könnte, um Sibel einen großen Gefallen zu tun – selbst wenn sie sein Geschenk vermutlich nicht würde annehmen wollen – interessierte es ihn mehr als je zuvor, aus wie vielen Sesterzen, Denaren und Aurei der ansehnliche Haufen wohl bestand.
    Genug, stellte Avianus nach einer Weile fest. Mehr als genug. Und verdammt nochmal, wenn der gierige Sack von einem Helvetius seine 25 Aurei unbedingt haben wollte, sollte er sie kriegen, selbst wenn ihm der Kerl ein kleines Rätsel war. Dieser Varus hatte nie für Sibel bezahlt, sie kostete ihn rein gar nichts, er verdiente an ihr, er hatte sie zu seiner Sklavin gemacht und nun verlangte er noch ein kleines Vermögen für ihre Freiheit. Ihn als dreist zu bezeichnen, wäre noch milde ausgedrückt. Aber welche Sorte Mensch auch immer dieser Varus war, er würde Sibel helfen – ob sie es denn wollte oder nicht, irgendwann würde sie ihm dankbar sein, und er würde wiedergutmachen, einst tatenlos herumgesessen zu haben als sie ihn am meisten gebraucht hatte.

  • Strammen Schrittes eilte Anitas die Lagergasse hinauf. Ganz wohl war ihm nicht in seiner Haut, was allerdings weniger der Order, sich beim Centurio zu melden, geschuldet war, sondern vielmehr dem Umstand, dass diese Order eigegangen war, als er sich gerade erst aus der Lorica geschält hatte. Nach einem langen anstrengenden Tag am Stadttor hätte ein kurzer Besuch in den Lagerthermen mehr als Not getan, nur hieß „umgehend“ bei den CU „jetzt sofort“ und nicht „bei Gelegenheit“. So hatte er sich also umgehend auf den Weg gemacht, in einer Tunika, die an Brust und Rücken mir großen dunklen Schweißflecken bedeckt war und nicht gerade nach Narzissen duftete. Gerne wäre er dem Centurio in ansehnlicherem Allgemeinzustand gegenüber getreten, aber je nach dem, was Avianus dazu bewogen hatte, den Miles zu sich zu beordern, würde er entweder soldatisch über die strenge Dunstglocke hinwegsehen oder ihn für Dinge zusammenstauchen, die mir Körperhygiene nicht das geringste zu tun hatten.


    Natürlich fragte er sich, was genau auf ihn zukommen würde, war sich aber bereits sicher, dass es nur mit dem Wachdienst am Stadttor zusammenhängen konnte. Sicher waren beim Praefectus mittlerweile verschiedenste Beschwerden von Reisenden eingegangen, die meinten, von den Urbaniciani zu harsch behandelt worden zu sein. Was das betraf, hatte sich Antias nichts vorzuwerfen. Vielleicht hatte sich auch einer der Kameraden beim Centurio darüber beschwert, dass er vor dem Tor vorübergehend das Kommando übernommen hatte, wenn ja, hatte garantiert der Cluvier seine Finger im Spiel. So oder so nütze alle Grübelei nichts, in wenigen Augenblicken würde er schlauer sein. An der Habitatio des Centurios angekommen, unternahm er einen letzen Versuch, die verschwitzte Tunika in Form zu zupfen und klopfte schließlich.

  • Vor kurzem erst hatte seine Empfehlung beim Praefectus Früchte getragen und ihn die Nachricht erreicht, dass der Germanicus seine Beförderung erhalten hatte. Nur wusste der vermutlich noch nichts davon, dass er von heute an der Stellvertreter des Centurios war. Wahrscheinlich würde sich Antias im Anschluss genauso freuen wie er selbst. Immerhin hatte der Iunius von jetzt an jemanden, auf den Verlass war, wenn er ihm die lästigeren Augaben rüberschob, wenn er sich mal einen Tag frei nehmen wollte oder auch wenn ihm bei seiner neuesten Truppe Tirones die Stimme ausging.
    Avianus trug gerade zwei Becher und einen Krug guten, verdünnten Wein in den Raum, als es an der Tür seiner Habitatio klopfte. Das war dann wohl sein neuer Optio, und vermutlich ebenso ahnungslos, wie bei seiner letzten Beförderung. Avianus fragte sich bereits, ob es nicht lustig wäre, seinen Soldaten wie beim letzten Mal erst ein wenig auf den Arm zu nehmen. Immerhin hatte er absichtlich noch dem Miles befohlen, sich bei ihm einzufinden. Andererseits wurde der Witz langsam alt.
    "Herein", sagte er kurz über die Schulter, während er Becher und Krug auf dem Tisch abstellte, schenkte den Wein ein, und entschied sich, als er Tür hinter sich hörte, es einfach kurz und schmerzlos zu machen. "Setz dich, Optio."

  • Auf die knappe Aufforderung des Centurios hin betrat Antias zackig dessen Habitatio, wo ihm erstmal nur der breite Rücken des Iuniers entgegen ragte . Etwas durcheinander hielt Antias inne, vernahm die nicht unfreundliche Anweisung, sich zu setzten und folgte ihr schließlich verdutzt. Kaum mit dem Hintern im Sessel fuhr er erschrocken wieder auf. Optio? Verwirrt blickte er sich um, nur er und Avianus waren zugegen.


    Götter! Der Centurio hatte augenscheinlich jemand anderen erwartet. Das war jetzt peinlich. „Ähem .. Centurio Avianus?“ fragte er zunächst so verlegen wie unmilitärisch in den Raum, wurde sich aber sofort seiner unwürdigen Darbietung bewusst und salutierte energisch. „Centurio Iunius Avianus! Miles Germanicus Antias wie befohlen angetreten!“

  • Avianus nahm seinen Becher, wandte sich seelenruhig an den verdutzten Germanicus und trank erst einmal einen Schluck. Den nicht gerade glanzvollen Anblick seines Optios über den Becherrand hinweg musternd, stellte er fest, dass es keine schlechte Idee war, nicht lange um den heißen Brei herumzureden, und gleichzeitig breitete sich auf seinen Zügen ein amüsiertes Grinsen aus, sowie der Germanicus ihn verwirrt anblickte. Um Antias aus dem Konzept zu bringen, brauchte man sich wirklich nicht anzustrengen. Vorwerfen konnte er es ihm nicht, ihm selbst ging es hin und wieder nicht anders.
    Er ließ seinen eigenen Becher wieder sinken, griff nach dem zweiten und reichte ihn dem Germanicus.
    "Nicht Miles… Optio. Steh nicht blöd 'rum. Setzen", forderte er ihn kurzerhand erneut auf. Ob Antias es ihm gleich tat oder nicht, Avianus jedenfalls setzte sich an den Tisch. Man war schließlich vor Dienstschluss schon genug auf den Beinen, da konnte man danach ruhig auch mal selbige hochlegen, oder sie zumindest ein wenig entlasten.
    "Aber wenn du deine Beförderung nicht willst… ein anderer freut sich bestimmt drüber. Allerdings kann ich garantieren, so ein Hastile hat was. Und ich stehe nur ungern blöd da. Immerhin habe ich dich für den Posten vorgeschlagen.", scherzte er. Fragend blickte er dann sein Gegenüber an, ob der dazu etwas Sinnvolles sagen wollte.

  • Schwül war es hier drin. Perplex griff er nach dem Becher, glotze ihn an, als hätte er noch nie zuvor einen gesehen, und setzte sich dann doch. Er wusste durchaus, dass sein Centurio mit einem schon fast spitzbübischen Sinn für kleine Späße gesegnet war, aber so perfide, Antias derart unverfroren eine Beförderung vorzugaukeln, war er nicht, nicht der Avianus, den er kannte.


    Noch immer blöde in den Becher starrend entwich ihm ein unwillkürliches „Zu Befehl, Centurio. Danke, Centurio.“ Als er aber zu Avianus aufsah, begann er sich recht schnell zu entspannen. Optio. Das Hastile. Verantwortung! Es war also kein Zufall, sondern eine Vorahnung, dass ihn dieser Begriff in den letzten Tagen so penetrant verfolgt hatte. War er dazu bereit? Ja, beim Iuppiter, das war er! „Du hast mich vorgeschlagen, Centurio?“ Was für eine saudumme Frage! Das hatte Avianus doch gerade gesagt, oder nicht? Ein Optio sollte verdammt nochmal etwas weniger rumeiern! „Wenn es sich so verhält, ist es mir eine ganz besondere Ehre, Centurio Iunius Avianus. Ich .. kann mich nur für dein Vertrauen bedanken und dir versichern, dass ich mich ihm würdig erweisen werde.“

  • Nach und nach schien Antias durchzublicken, doch anstatt sich einen Schluck guten Wein zu gönnen, starrte er den Becher lediglich noch blöder an als seinen Centurio zuvor. Im Großen und Ganzen war Antias Verhalten allerdings keine wirkliche Überraschung, so wie immer eben, führte er sich auf. Als würde er nicht damit rechnen, dass jemand jemals seine Leistungen anerkannte, und als würde er keine Beförderung jemals erwarten. Gut so... irgendwie. Einen eingebildeten Sack, der glaubte, über allem und jedem zu stehen, konnte er ohnehin nicht gebrauchen.
    "Klar doch wirst du das, sonst bist du auch ganz schnell wieder Miles", kommentierte er Antias Versprechen erneut mit einem Scherz und wurde daraufhin endlich etwas ernster, "Aber du hast Recht, ich brauche einen Optio dem ich vertrauen kann, und der sich selbst dann, wenn er andere herumkommandieren kann, nicht davor scheut, dennoch selbst genauso mit anzupacken." Leute wie Sulca mochten nämlich als Milites akteptabel ihren Dienst tun, damit war es dann aber auch schon vorbei. "Ab morgen wirst du mich also bei der Ausbildung der Tirones unterstützen und einen Teil der organisatorischen Arbeit übernehmen. Außerdem kriegst du deine eigene kleine Schreibstube. Für heute hast du von mir aus frei."
    Das wichtigste hatte er damit dann wohl abgeklärt. Alles weitere hing mehr oder weniger davon ab, ob Antias noch Fragen hatte, sofern ihm nicht noch etwas wichtiges einfiel. Zuvor deutete er aber noch mit einer flüchtigen kleinen Geste auf den Becher in Antias' Händen.
    "Trink …?", meinte Avianus mit leicht fragendem Ton, "Jetzt komm schon, ich muss wissen ob der Wein sein Geld wert war. Ich schmeck da nämlich nie einen Unterschied."

  • Antias nickte ernst. Er hatte begriffen. Künftig würde sich seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Befindlichkeiten innerhalb seines eigenen Contuberniums beschränken können. Als Optio hatte er den Entwicklungsstand und das Wohl und Wehe von achtzig Männern im Auge zu behalten. Er würde das Bindeglied zwischen Mannschaften und Kommandeur der Centurie sein, der linke Arm der Milites und der Rechte Arm des Centurios. Für etwaige Entscheidungen hatte er sich in Zukunft sowohl bei Avianus als auch bei den Kameraden zu verantworten. Persönliche Sympathien und Antipathien mussten vom heutigen Tage an in den Hintergrund treten. Weder konnte er sich erlauben, einen Kleinkrieg mit unverbesserlichen Quertreibern wie Sulca zu führen, noch durfte er seinen Bruder oder seine Freunde auf irgendeine Weise bevorteilen, zumindest nicht im Dienst. Dass es unter den achtzig Soldaten durchaus so einige gab, die ihm nicht sonderlich gewogen waren und es ihm nicht gerade leicht machen würden, musste er hinnehmen. Auch Avianus hatte nicht nur Freunde unter den Männern. Wie auch? Eine Centurie ist immer nur so stark wie ihre Offiziere. Hier ging es nicht um Zuneigung, sondern um Respekt. Völlig richtig, Avianus brauchte einen verlässlichen vernunftbegabten Optio, Antias wiederum brauchte einen verlässlichen vernunftbegabten Centurio, und den hatte er. Die Centurie war in guten Händen und das sollte sie auch bleiben. Und Hispo würde ihm den Schädel abreißen.


    „Verstanden, Centurio Iunius Avianus.“ sagte Antias schließlich, besann sich auf den Becher, den er in Händen hielt, und hob ihn lächelnd in die Höhe. „Auf dich, Centurio, auf die Zukunft und die Männer der Dritten Centurie!“ Alle Achtung. Das war schon ein anderer Tropfen als die ätzende Beize aus Fimbrias’ Beständen. Ob Avianus sich nun mit Wein auskannte oder nicht, zumindest hatte er ein glückliches Händchen bei der Auswahl. „Ich bin auch kein ausgewiesener Weinkenner, Centurio ..“ schmunzelte Antias anerkennend, „.. aber da hat man dir keinen Mist angedreht, so viel ist sicher.“


    Genießerisch ließ es sich einen weiteren Schluck auf der Zunge zergehen. An diesen Saft sollte man sich besser nicht gewöhnen. „Eine Frage, Centurio.“ beendete Antias für’s erste die schweigende Verkostung und wurde wieder etwas ernster „Was denkst du, wird auf uns zukommen? Die Aufhebung der Torsperren hat die Männer für den Augenblick zwar etwas beruhigt, aber von Normalität ist die Urbs wohl noch meilenweit entfernt. Keiner weiß, was draußen wirklich vorgeht. Meinst du, es wir nötig werden, die Einheiten verstärkt marschfähig zu machen?“

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