[Habitatio] Centurio Aulus Iunius Avianus

  • Zitat

    Original von Beroe
    „Es geht um Narseh,“ begann sie. „Du weißt sicher noch, der Perser aus der Taberna.“ Sie stockte kurz , hielt dabei aber weiter Augenkontakt.


    „Ich sah also, wie er sich heute mit einigen Brüdern traf. Ich folgte ihnen, bis zur Werkstatt des Persers. Sie verschwanden ins Innere, doch es gelang mir, sie zu belauschen. Sie planen etwas! Sie planen etwas Schlimmes!“ Sarahs Stimme klang sehr besorgt. Nun da sie darüber sprach und ihr wieder bewusst wurde, in welcher Gefahr die Gemeinde schwebte, empfand sie ihr Hiersein wieder als gerechtfertigt. Das Gute vom Schlechten trennen. Genau das erhoffte sie sich von dem Centurio. Leuten wie Narseh und alle, die mit ihm gemeinsame Sache machten und dadurch das Überleben aller Gemeindemitglieder gefährdeten, musste Einhalt geboten werden. Deshalb war sie jetzt hier. Diese Einsicht gab ihr das Vertrauen wieder zurück, welches sie zuvor verloren geglaubt hatte.


    Während Sarah sprach, trank Avianus ebenfalls etwas Posca und runzelte leicht die Stirn.
    "Der, den ich mit dir gemeinsam gehen ließ …", stellte er kurz fest. Er glaubte ja, damals recht umgänglich mit den Leuten in der Taberna umgesprungen zu sein. Den Perser hatte er sogar wieder freigelassen, obwohl er zuvor mit den beiden Frauen verschwinden wollte. Sinnlose Gewalt war eigentlich nur von dem einen Christianer ausgegangen und selbst jetzt gab es auf deren Seite noch Unruhe. Wer hier also das wirkliche Problem war, stand für den Iunier längst fest.
    "Ich bin dir dankbar, dass du mit diesen Informationen zu mir gekommen bist. Sei unbesorgt, wir werden uns darum kümmern", sprach er ihr dann ermutigend zu. Dafür würde er aber auch ein paar Informationen mehr brauchen, die er selbstverständlich auch selbst auftreiben könnte. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass das, was Sarah ihm eben erzählt hatte, alles war, was sie gehört hatte.
    "Aber weißt du denn noch mehr darüber…?", fragte er deshalb, "Oder zumindest, wo sich dieser Narseh aufhält, damit ich ihn beschatten lassen kann?"

  • Sibel wollte es ihm auf irgendeine Weise danken, denn niemals zuvor hatte sich jemand so für sie eingesetzt. Andere hätten sicher nicht wegen einer Sklavin so viel riskiert, wie es Avianus getan hatte. Vor Varus hatte er sich zu ihr bekannt und um sie gekämpft. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er 500 Sesterzen sie gezahlt, um sie bei sich haben zu können. Also musste sich irgendetwas finden, was sie ihm zurückgeben konnte. Vorerst aber wollte sich der Iunier mit ihrem Lächeln zufrieden geben. „Öfter lächeln…oder sogar lachen…hmm ja, das könnte ich,“ meinte sie nachdenklich begann dann aber zu grinsen. Ihr war bewusst, vieles war geschehen, was sich nicht einfach so beiseiteschieben ließ. Doch sie war zuversichtlich, wieder die zu werden, die sie war, als sie sich kennengelernt hatten. Voller Erwartungen und voller Träume. Nun war sie bei dem Menschen, der sie jeden Tag aufs Neue glücklich machte, weil er einfach da war.


    Dann nahm er sie wieder bei der Hand, um seine kleine Führung durch seine Habitatio fortzusetzen. Zunächst ließ er sie einen Blick in sein Arbeitszimmer werfen, dann wies er auf zwei Lagerräume hin. Sie hatte sich wirklich nicht getäuscht! Seine Unterkunft war groß! Vielleicht nicht so groß, wie der Platz, der ihm in der Casa seiner Familie zur Verfügung stehen mochte, doch weitaus größer, als sie es je für möglich gehalten hatte. Und das war noch lange nicht alles!


    Schließlich führte er sie in den Wohnbereich. Sogleich fiel ihr die Feuerstelle ins Auge. Aber auch eine Kline. Ansonsten war der Raum noch etwas spärlich und auch recht nüchtern eingerichtet. Mit der Zeit, so nahm sie sich vor, würde sie hier ihre Akzente setzen und somit ihr neues Heim etwas wohnlicher zu gestalten.


    Dann aber wies er sie auf zwei weitere Türen hin: Das Cubiculum und eine kleine Kammer… von der er dachte, sie könne sie haben? Mit einem fragenden Blick schaute Sibel ihn an. Wollte er sie denn nicht auch nachts bei sich haben? Nein, sie hätte deswegen bestimmt nicht protestiert. Sie hätte es hingenommen. Doch dann führte er seinen Satz zu Ende und sie sah, dass ihre Befürchtungen unbegründet waren. „Wenn du mich in deinem Bett haben willst, dann muss ich ja auch nicht da rein,“ entgegnete sie grinsend und küsste ihn keck auf die Backe.
    „Aber eine Frage hätte ich doch noch, Dominus,“ begann sie kichernd. „Wo kann ich mich denn waschen?“ Es war ja ausgeschlossen, dass sie als Frau die Lagerthermen betrat.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah



    „Ja, genau der!“, erwiderte Sarah. Im Nachhinein erinnerte sie sich nun auch, dass sie den Perser schon früher zusammen mit Evander gesehen hatte. Womöglich hatte er ihn auch dazu angestiftet, Gegenwehr zu leisten, als die Urbaner damals in die Taberna gekommen waren. Armer Evander! Was aus ihm in der Zwischenzeit geworden war? Es war kein Geheimnis, dass die Urbaner mit Unruhestiftern nicht gerade zimperlich umgingen.


    Der Centurio dankte und versicherte ihr, sich um den Perser zu kümmern. War es das schon, war ihr erster Gedanke. In gewisser Weise wäre das für sie eine Erleichterung gewesen, denn obwohl sie bisher nur den Anstifter ans Messer geliefert hatte, konnte so trotzdem vielleicht noch das Schlimmste abgewendet werden.
    Der Centurio aber wollte sich damit noch nicht zufrieden geben. Er fragte weiter und Sarah sah sich gezwungen, noch mehr zu erzählen.
    „Narseh findet ihr in seinem Haus oder in seiner Werkstatt. Aber er misstraut jedem Römer, selbst dann, wenn er sich zu unserem Glauben bekennt. Er und seine Mitstreiter wollen versuchen, an Waffen zu kommen. An Messer und Dolche. Und Narseh sprach auch davon, dass er versuchen wolle, an Schwerter zu kommen. Außerdem suchen sie noch nach mehr Unterstützern, die genauso denken, wie sie.. Nächste Woche wollen sie sich wieder treffen.“

  • "Ich seh' schon, du weißt genau, was ich meine", kommentierte Avianus, nachdem sie ihn auf die Wange geküsst hatte. Er wäre doch verrückt, seine Liebste nicht in seinem Bett haben zu wollen und sie stattdessen in eine kleine Kammer zu sperren. Auf ihre nächste Frage hin kratzte er sich allerdings nachdenklich den Nacken.
    "Hier im Lager wird wohl nicht mehr als eine Katzenwäsche drin sein", stellte er fest, "Bleiben aber immer noch die öffentlichen Thermen oder die Casa Iunia. Ich kann ja mit dir mal dorthin gehen, damit dich der Ianitor kennt und regeln, dass du dort in Ruhe baden könntest, wenn du möchtest." Daran hatte er tatsächlich noch gar nicht gedacht. Den Luxus eines eigenen Balneums konnte er leider nicht aufbieten. Folglich musste sie sich wohl oder übel irgendwo außerhalb der Castra waschen. Keine Tragödie, dennoch etwas ungünstig, nur konnte er daran, selbst wenn er wollte, nichts ändern.
    "Demnächst hat meine Centurie mal ein paar Tage frei, jetzt wo wir unseren neuen Kaiser haben… dann wird sich dein … Dominus …" Himmel, klang das bescheuert. Gespielt gequält verzog er das Gesicht. "… darum kümmern."
    Ausgezeichnet, besser hätte er es gar nicht treffen können. Und wenn seine Männer demnächst auch mal aus dem Lager raus kämen, um sich zu vergnügen, wäre Sibel vorerst auch sicher vor allzu vielen anzüglichen Blicken, und früher oder später würde sich jeder an ihre Anwesenheit gewöhnt haben.
    "Wie sieht's aus? Sollen wir ein wenig hier bleiben?", fragte er lächelnd, küsste ihren Nacken, wo Schulter und Hals ineinander übergingen, und spürte, wie sie ihn einmal mehr fast schon magisch anzog. Ruhig Blut, Aulus. Dafür war am Abend noch genug Zeit, oder all die anderen Abende danach. Wie ungewohnt es doch war, dass keine Eile herrschte, und zugegebenermaßen hatte er ein schlechtes Gewissen - zumindest ein klein wenig - denn er vergnügte sich hier mit seiner Geliebten, während irgendwo da draußen sein Optio solange für zwei arbeitete und alle anderen ebenso ihren Beitrag leisteten. Er räusperte sich leise, löste sich wieder soweit von ihr, um ihr in die Augen sehen zu können, allerding noch immer mit durch und durch glücklichem Ausdruck in den Zügen. "Oder willst du dir das Lager noch genauer ansehen? Hast du Hunger? Brauchst du vielleicht noch etwas und willst zu den Märkten? Oder wenn du jetzt schon zur Casa Iunia möchtest …" Wie auch immer sie den heutigen Tag noch verbringen wollte, er wäre ohnehin schon jetzt perfekt.

  • Sibel hatte sich so etwas bereits gedacht. Normalerweise gingen hier im Lager die Damen ja auch nicht ein und aus. „Ach das macht nichts. Ich wollte sowieso schon immer mal in die Thermen.“ Einmal hatte sie mit der Domina Auria die Thermen besuchen dürfen. Damals war sie knapp dreizehn Jahre alt gewesen und schrecklich ungeschickt. Als sie die Domina mit ihrem Lieblingsöl einreiben sollte, hatte sie die Phiole mit dem teuren Öl fallen lassen. Das hatte ihr eine Ohrfeige eingebracht und den Entschluss, sie zukünftig daheim zu lassen. Sein Vorschlag allerdings, sie mit in die Casa Iunia zu nehmen, nahm sie eher mit gemischten Gefühlen auf. Würde er seine Verwandten über sie aufklären? Und was noch wichtiger war, wie würden sie darauf reagieren? Sibel fürchtete sich vor dieser Konfrontation, auch wenn sie dies Avianus gegenüber nicht erwähnte. Sie wusste aber auch, dass es sich wahrscheinlich nicht ewig aufschieben lassen konnte. Sie hoffte nur, dass die Konsequenz daraus nicht das Ende ihrer Beziehung bedeutete.


    Fast nebenbei erwähnte Avianus dann die freien Tage, die er demnächst haben würde. Sie begann zu strahlen, als sie das hörte. Eine paar ganze Tage nur mit ihm! Sie träumte davon, mit ihm etwas zu unternehmen. Vielleicht konnten sie ja auch gemeinsam die Stadt verlassen. Sie wusste kaum noch, wie es draußen auf dem Land war oder wie schön die Sonnenuntergänge am Meer sein konnten. Natürlich aber würde sie ihn darum nie bitten. Sie hatte nie gelernt, Bedürfnisse zu haben oder sie sogar vor einem anderen zu äußern. Im Grunde reichte es ihr eigentlich schon, mit ihm zusammen zu sein. Und auch für ihn schien dies im Moment das schönste zu sein, was ihm passieren konnte.
    Er begann, sie im Nacken zu küssen, und es schien, als wolle er damit seine Frage selbst beantworten. Er war völlig verrückt nach ihr und auch sie erlebte dieses kribbelnde Gefühl im Bauch, als er sie küsste. Dann aber schien er sich selbst zur Räson zu rufen. Sie hatten ja nun alle Zeit der Welt… fast.
    „Ja, wenn du willst, kannst du mir gerne das Lager etwas genauer zeigen. Schließlich muss ich mich hier ja nun auch zurechtfinden. Und später kann ich für uns noch etwas leckeres kochen,“ schlug sie vor.

  • Sie zog wohl die Gesellschaft der Thermen der Ruhe eines privaten Balneums vor. Oder wollte ihn vielleicht mit solcherlei Angelegenheiten nicht belasten? Wie auch immer, wenn er sie einmal in das Haus seiner Gens mitnahm, könnte sie ihre Meinung schließlich noch immer ändern. Er nickte also.
    Bevor Avianus sie allerdings, wie sie es sich gewünscht hatte, durchs Lager führen würde, hielt er noch einmal inne. Ein paar Dinge, so fand er, galt es noch zu klären.
    "Ach ja, du erinnerst dich vielleicht daran, dass einer meiner Verwandten, Seneca, schon länger über uns Bescheid weiß. Ich werde ihm demnächst einen Brief schicken. Er wurde nach Mantua versetzt und hat abgesehen von unserem Briefwechsel wohl nicht viel Kontakt zur Familie. Wie auch immer … diese Frau im "Aedes iste Laetitia", Morrigan … ihr seid wohl … befreundet? Soll ich dann auch gleich einen an sie schicken?"
    Wie fröhlich sie gewirkt hatte, als er auf seine freien Tage zu sprechen gekommen war, war ihm außerdem nicht entgangen, aber da gab es noch etwas, das er ihr sagen wollte. Nicht, weil er glaubte, dass es eine besonders große Sache war, sondern einfach nur damit sie Bescheid wusste. Und weil sie vielleicht nicht unbedingt begeistert davon sein würde, selbst wenn sie es nicht offen zeigen würde, und er wollte sie nicht erst auf den letzten Drücker damit überraschen.
    "Und dann wäre da noch etwas … der Abend vor unserem ersten freien Tag … also mein erster freier Abend … ich dachte daran, mit meinen Soldaten etwas trinken zu gehen, sie mal auf einen Becher einzuladen. Wir hatten in letzter Zeit durch den Tod des Corneliers und die Kaiserwahlen viel Arbeit und kaum Ausgang. Sie haben es sich verdient … aber die restliche Zeit könnten wir für uns nutzen."
    Da war es wieder, das Dilemma, sich nicht teilen zu können. Aber er hielt seinen Vorschlag ja durchaus für in Ordnung, um alles unter einen Hut zu bringen.

  • Glücklicherweise ließ er es bei dem Thema bewenden und bestand nicht darauf, sie gleich jetzt zum Haus seiner Verwandten zu schleppen. Doch bevor er sie nun durchs Lager führte, fielen ihm noch ein paar weitere Dinge ein, die er Sibel noch mitteilen wollte.
    „Seneca, ja an den Namen erinnere ich mich.“ Wie lange war das schon her? Es war zu der Zeit, als sie sich heimlich trafen. Damals hatte er ihr von einem Verwandten namens Seneca erzahlt. Und auch, dass er ihn über sie eingeweiht hatte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie damals nie daran geglaubt, diesem Seneca vielleicht einmal zu begegnen. Nun aber war die Chance, ihn einmal zu treffen, sprunghaft angestiegen. „Wie steht er eigentlich zu uns?“ Eigentlich konnte sie nicht so recht daran glauben, dass er ihre Beziehung zueinander gutheißen konnte.


    „Es wäre schön, wenn du Morrigan benachrichtigen könntest. Ich habe ihr so viel zu verdanken. Meinst du, ich könnte sie auch einmal besuchen?“ Die arme Morrigan! Ihr war so viel Schlimmes widerfahren. Hoffentlich fand auch sie irgendwann einmal denjenigen, der sie richtig glücklich machte. Vielleicht würde sie ihm beim Briefeschreiben über die Schulter schauen, wenn er das zuließ. Dann konnte dies vielleicht auch gleich ihre erste Lektion im Schreiben sein.


    Dann war da noch etwas. Er begann ganz behutsam, wohl um ihre Freude nicht zu sehr zu schmälern. Es ging um den Abend vor seinen freien Tagen. Sibel hörte ihm ruhig zu und war deswegen auch nicht enttäuscht. Schließlich ging es ja nur um einen einzigen Abend und natüerlich hatte sie Verständnis dafür, dass er gegenüber seinen Männern auch Verpflichtungen hatte. „Aber das ist doch kein Problem! Geh ruhig mit ihnen aus. Nur weil ich jetzt hier bin musst du dich deswegen nicht zurückhalten.“ Sie fand es ja schon irgendwie süß, dass er sich darüber Gedanken machte, ob es sie störte, wenn er mal einen Abend nicht bei ihr sein konnte.

  • Zitat

    Original von Beroe
    Der Centurio aber wollte sich damit noch nicht zufrieden geben. Er fragte weiter und Sarah sah sich gezwungen, noch mehr zu erzählen.
    „Narseh findet ihr in seinem Haus oder in seiner Werkstatt. Aber er misstraut jedem Römer, selbst dann, wenn er sich zu unserem Glauben bekennt. Er und seine Mitstreiter wollen versuchen, an Waffen zu kommen. An Messer und Dolche. Und Narseh sprach auch davon, dass er versuchen wolle, an Schwerter zu kommen. Außerdem suchen sie noch nach mehr Unterstützern, die genauso denken, wie sie.. Nächste Woche wollen sie sich wieder treffen.“


    "Du sprichst ständig von anderen, die bei ihm sind. Wie viele sind sie? Eine grobe Schätzung wäre gut genug", fragte Avianus schon etwas besorgter als noch zuvor. Dass sich hinter dem Rücken der Cohortes Urbanae eine kleine Armee verrückter Christianer aufstellte, konnte er sich zwar kaum vorstellen, aber unmöglich war es ja nicht.
    Vollkommen egal, wie es auf der Seite der Christianer aussah, sie hatten einen bedeutenden Vorteil, und der saß ihm direkt gegenüber.
    Wenn sich diese Leute demnächst also wieder träfen, wäre es sicherlich das Beste, gleich zuzuschlagen, bevor sie mehr Anhänger fanden oder Wind davon bekämen, dass man ihnen auf der Spur war. Nur wie er mit Sarah umgehen sollte, da war er noch nicht ganz sicher. Immerhin war sie ein Risikofaktor, sie könnte genauso zur Gefahr werden, wenn sie plötzlich doch wieder die Seiten wechselte oder ein schlechtes Gewissen bekam. Groß war die Versuchung, sie hier und jetzt festnehmen zu lassen, allerdings so hatte er zumindest zu Beginn gesagt, sollte doch jenen, die mit den Urbanern kooperierten nichts geschehen, zwar immer mit dem Hintergedanken, schlussendlich doch noch einen endgültigen Schlussstrich unter den ganzen Ärger mit der Sekte zu ziehen, aber sein Zorn, den er damals noch gegen sie gehegt hatte, war zumindest ein wenig abgeklungen.
    "Könntest du meine Soldaten zu dieser Werkstatt, oder wo auch immer sie sich treffen, hinführen?"

  • "Ich weiß es nicht genau, aber bisher hat er mir zumindest nie Vorwürfe gemacht, im Gegenteil, ich habe das Gefühl, er ist … neugierig", erklärte Avianus, "Ich weiß zwar nicht was er davon halten wird, dass du jetzt bei mir lebst, aber bei ihm stehen die Chancen wohl vergleichsweise gut, dass er es nachvollziehen kann." So ganz sicher war er sich allerdings nicht, wo bei Seneca die Grenzen lagen. Er hatte seinen Vetter noch nie wirklich wütend erlebt und folglich keine Ahnung wie weit er gehen konnte bis dessen Geduld ein Ende fand. Aber seine jüngste fragwürdige Aktion zu verheimlichen würde sowieso nicht gelingen. Am besten machte er Seneca gegenüber also kein Geheimnis daraus und hoffte, bei ihm auf Verständnis zu stoßen.
    Was Morrigan betraf hatte er tatsächlich richtig getippt, und er wüsste nicht, was gegen einen Besuch sprechen könnte. Er war ja ohnehin froh, dass sie inzwischen auch noch jemand anderes in Rom hatte, als nur ihn.
    "Warum nicht? Du brauchst ja nicht immer hier zu bleiben", meinte er. Wo er doch oft den ganzen Tag Dienst hatte erst recht nicht. Er wollte schließlich nicht, dass sie sich hier zu Tode langweilte. Sie konnte ja durchaus mal etwas unternehmen, in die Stadt gehen, Freundinnen besuchen, einkaufen, was auch immer Frauen sonst so taten oder wozu auch immer sie Lust hatte. Und sich ein wenig unter andere Leute zu wagen, konnte ihr nur gut tun.
    Wie sie dann auf seine Erklärung antwortete, dass er mit seiner Centuria einen heben gehen würde, lachte er erst leise.
    "Natürlich nicht... kein Problem", stimmte er ihr nur zu, verzog leicht belustigt die Brauen und ging bereits voraus zur Eingangstür. Vollkommen umsonst machte er sich Sorgen, in jeglicher Hinsicht, denn wie es schien brauchte er seine früher allzu empfindliche, teilweise klammernde Sibel nicht mehr in Watte zu packen, was ihm das Leben durchaus um einiges leichter machen würde. Dass er es trotzdem tat, fand er irgendwie unterhaltsam.

  • Neugierig… Was immer das auch heißen mochte. Avianus‘ Antwort trug nicht wirklich viel dazu bei, Sibels Bedenken komplett zu zerstreuen. Das beunruhigte sie. Allerdings versuchte sie, sich nichts davon anmerken zu lassen. Doch immerzu musste sie daran denken, was Avianus tun würde, wenn sich sein Verwandter gegen sie aussprach. Wegen ihr würde er wohl kaum ein Zerwürfnis mit seiner Familie in Kauf nehmen.
    Erst als die Sprache auf Morrigan kam, konnte sie ihre Zweifel zumindest für einen Augenblick zur Seite schieben. Vielleicht würde sie das dann auch auf andere Gedanken bringen. Außerdem freute sie sich immer, wenn sie die Perserin besuchen konnte. Und dass Avianus sie nun von der glücklichen Wendung ihres Schicksals informieren wollte, freute sie noch mehr. Hoffentlich blieb alles so, dachte sie bei sich. Noch einmal eine Trennung von ihm konnte sie nicht verkraften. Plötzlich bekam alles wieder einen fahlen Beigeschmack, als würde alles wieder auf der Kippe stehen. Hätte er sie erst gefragt, ob es ihr etwas ausmachte, einen Abend allein zu bleiben, nachdem er von Seneca angefangen hatte, hätte sie wohl anders reagiert. Doch nun war es zu spät und sie wollte ihm deswegen auch nicht zur Last fallen.
    So folgte sie ihm nun, nachdem mehr oder weniger alles geklärt war, hinaus. Seine Führung durchs Lager ,das gemeinsame Essen später und der Abend danach ließen sie ihre Bedenken kurzzeitig vergessen. Doch sie waren noch lange nicht aus der Welt geschafft...

  • Sibel war am Morgen mit einem Lächeln aufgewacht. Neben ihr lag immer noch der schlafende Avianus. Sein gleichmäßiger Atem ließ seine Brust in einem immer gleichen Rhythmus anheben und wieder senken. Sanft küsste sie ihn auf die Wange. Sie musste sich erst einmal kneifen, um festzustellen, dass dies kein Traum war. Denn sie konnte es immer noch gar nicht richtig fassen, dass es von nun an jeden Morgen so wäre.


    Später dann, nachdem sie aufgestanden waren, ein kleines gemeinsames Frühstück eingenommen hatten und er dann gegangen war, blieb sie allein in der Habitatio zurück.
    Sie wusch sich notdürftig mit dem Wasser, welches sie zuvor an einem Brunnen geholt hatte, dann zog sie sich eine einfache Tunika über und überlegt, was sie heute, am Tag 2 nach Varus , tun könnte.
    Als sie so da saß und ihr Blick die Räumlichkeiten streifte, fasste sie den Entschluss, es könnte doch vielleicht eine gute Idee sein, alles zu putzen und anschließend das eine oder andere im Wohnbereich anders zu arrangieren.


    Um putzen zu können, bedurfte es natürlich auch einiger Utensilien. Ein Eimer und ein Besen, eventuell auch eine Bürste, machten sich gut. Vielleicht auch ein Schwamm oder ein Lappen. Nachdem Sibel eine kleine Expedition zu den Lagerräumen gestartet hatte, war sie dort auch recht bald fündig geworden. Der Eimer war schnell mit Wasser gefüllt. Doch zunächst fegte sie erst einmal alle Räume aus und wischte den Staub.
    Um etwas Frischluft in die fensterlosen Räume zu bringen, öffnete sie alle Türen. Jetzt, am Morgen war die Luft frisch noch nicht zu sehr von der Sonne aufgeheizt.
    Schließlich begann sie, den Fußboden zu schruppen. Dass diese Arbeit sie auf die Knie zwang, machte ihr wenig aus. Im Grunde tat sie das ja auch für sich, damit sie es danach wohnlicher hatte. Und irgendjemand musste die Arbeit ja schließlich auch machen.


    So vergingen einige Stunden, bis sie endlich zufrieden das Resultat ihrer Arbeit bewundern konnte. Lediglich der Eimer mit dem Schmutzwasser störte noch die Harmonie. Doch dem konnte Abhilfe geschafft werden! Sie nahm also den Eimer, ging damit zur Tür und schüttete ihn achtlos aus. Da sie vom Sonnenlicht geblendet worden war, hatte sie natürlich nicht erkennen können, ob sie mit dem schmutzigen Nass irrtümlicherweise jemanden getroffen hatte…

  • Noch immer erfrischt von der Nachmittagsrasur und beflügelt von der positiven Nachricht, die ihn eben in seinem Scriptorium erreicht hatte, stiefelte Antias ausgesprochen guter Dinge zur Habitatio des Centurios hinüber. Wirt Rufo hatte ihn durch eine kurze Botschaft wissen lassen, dass für die Feier alles soweit vorbereitet sei und er dem Besuch der Dritten Centurie mit gespannter Vorfreude entgegensehe. Wunderbar. Alles geritzt. Der Centurio würde sich auch um diese Angelegenheit nicht persönlich kümmern müssen.
    Höchste Zeit für den ersehnte Ausgang war es allemal. Obwohl die Atmosphäre unter den Milites angesichts der bevorstehenden Festvität ausgesprochen gelöst schien, wurden die Männer dennoch Tag für Tag unkonzentrierter. Antias war völlig klar, dass die Stimmung früher oder später kippen würde, wenn der Ankündigung nicht baldmöglichst Taten folgten. Nun denn, mit Rufo’s abgeschlossenen Vorbereitungen stand diesen Taten nun nichts mehr im Wege.


    Natürlich würde sich die Dankbarkeit der Centurie wieder einmal allein über dem Centurio entladen, aber das kratzte Antias nicht im geringsten, daran hatte er sich längst gewöhnt. Hauptsache, die Soldaten kamen hier raus, und ihm selbst würde diese Abwechslung ebenso gut tun wie den Mannschaften. In einem Anflug wohlwollender Inkonsequenz hatte er sich sogar dazu durchgerungen, die Urlaubssperre des passionierten Wachtelzüchters Tubero und seines Contuberniums auf die nächsten Kalenden zu verschieben. Immerhin hatte der alte Veteran die anstregende Zeit des consularischen Interregnums ebenso klaglos durchgestanden wie seine Stubenkameraden. Bis auf drei krank gemeldeten Milites würde also die gesamte Centurie in zwei Tagen ihrem iunischen Leittier zur Tränke folgen.


    Äußerst gut gelaunt betrachtete sich Antias den sonnigen Frühlingshimmel, hob die Hand zu höflichem Klopfen und klopfte. In's Leere. Verwundert fuhr er herum, sah als erstes eine offene Tür und sofort anschließend einen graubraunen Wasserschwall, der alles an ihm – mit Ausnahme seiner kurzgeschorenen Haare – in ein schmutziges triefendes Elend verwandelte. Prustend wischte er sich mit dem Handrücken über die brennenden Augen und blinzelte schließlich in die nebulös undeutliches Scheme eines blassen Gesichtes. "Centurio? Es gibt .. also .. ich bins .." Aber Avianus sagte nichts, und Antias sah nichts. Fluchend packte er sein Focale und fummelte sich damit im Gesicht herum. "Vergebung, Centurio .. ich hab's gleich.." Äußerst peinlich! Aber andererseits war das verdammt nochmal auch keine Art und Weise, mit seinem Untergeben umzuspringen! Bei aller Sympathie!

  • Sibel hatte ich bereits schon wieder umgewandt, um die letzten Spuren ihrer Putzaktion zu beseitigen. Doch plötzlich hörte sie ein Prusten, dann eine Stimme, die eindeutig vom Eingang der Habitatio herrührte. Erschrocken blieb sie auf der Stelle stehen, ließ den Eimer fallen, der ja inzwischen zum Glück leer war und fuhr dann entsetzt um. Schnell trat sie zur Tür und entdeckte dort ihr Opfer.
    Der arme Tropf hatte so ziemlich die ganze Ladung abbekommen und triefte nun von ihrem Schmutzwasser. Mit seinem Schal trocknete er sich notdürftig sein Gesicht. Man konnte beobachten, wie sie ganz plötzlich weiß um die Nase wurde. Gleich am zweiten Tag begann sie schon damit, wieder in Schwierigkeiten zu geraten. Avianus würde begeistert sein! Sie sah sich bereits wieder im Carcer sitzen. Wie nannte man das noch? Widerstand gegen die Staatsgewalt?
    „Oh bitte, das… das tut mir furchtbar leid! Das... das wollte ich nicht! Wirklich!“, begann sie zu stammeln. Was sollte sie denn jetzt machen?
    Ein Tuch! Sie brauchte ein Tuch, um ihm beim Säubern zu helfen. Aber nicht hier draußen!
    „Aber bitte, komm doch herein.“ Hier draußen konnte sie ihn ja unmöglich stehen lassen, so nass und schmutzig, wie er war.

  • „Was zum ..“ Weit mehr als nur ein bisschen verdutzt ließ Antias das Focale sinken. Die zierliche Gestalt, die sich langsam vor seinen brennenden Augen abzuzeichnen begann, hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit Centurio Avianus, soviel war schon mal sicher. Ein Weib stand da vor ihm, ein ausgesprochen ansehnliches Weib wie er zugeben musste, eines, das ihm zudem irgendwie bekannt vorkam, das hier aber dennoch rein gar nichts zu suchen hatte. Er brauchte ein paar Atemzüge, um zu realisieren, was sie sagte. Ach, leid tat es ihr? Oh ja, daran hatte er nicht den kleinsten Zweifel. Es würde ihr im Verlauf der nächsten Minuten noch viel mehr leid tun. Reinkommen sollte er? Das war ja wohl der Gipfel der Unverfrorenheit! Fehlte nur noch, dass sie ihn aufforderte, sich ganz wie zuhause zu fühlen. Der einzige Umstand, der Antias davon abhielt, die hübsche junge Attentäterin an den Ohren aus der Habitatio zu zerren, war die unschuldige Selbstverständlichkeit, mit der sie in der Tür stand. Da er außerdem keinen gesteigerten Wert darauf legte, tropfend und dreckig wie eine Latrinenratte von einem seiner Männer erspäht zu werden, trat er schließlich an der Übeltäterin vorbei, zog sie am Arm mit sich in’s Halbdunkel und knallte die Tür hinter ihnen zu.


    Noch immer leicht blinzelnd sah er sich um. Alles ordentlich und sauber, sehr sauber sogar. Keine offenen Truhen, keine durchwühlten Kleidungsstücke, nichts davon. Ebenso erleichtert wie verwirrt ließ er endlich ihren Arm los und starrte sie forschend an. Allmählich stiegen vertraute Bilder in ihm hoch: Trans Tiberim. Ein observiertes Wirtshaus. Eine junge Frau stürzt aufgelöst heraus, eilt schluchzend die Gasse hinauf. Kurz darauf hastet ein nicht minder aufgelöster Optio aus der Taberna, verfolgt die Flüchtige, kehrt aber am Ende ohne sie zurück. Antias hatte also von Anfang an richtig vermutet. Sie und Avianus kannten sich. Schön und gut. Ihre Anwesenheit in der Castra erklärte das aber noch lange nicht.
    „Das ist die Habitatio von Centurio Iunius Avianus ..“ begann er mit einem vorwurfsvollen Seitenblick auf den nunmehr leeren Putzeimer, „Was zum Orcus machst du hier?“

  • „Bitte, tritt doch ein,“ forderte sie den Soldaten noch einmal auf. Wenigstens kam er ihrem Angebot dann auch nach, wenn auch etwas zögerlich. Derweil suchte sie noch immer völlig aufgelöst nach einem Tuch oder etwa ähnlichem, womit er sich abtrocknen konnte. „Der Centurio ist gerade nicht hier!“, rief sie aus irgendeiner Ecke, während sie noch weiter suchte. In einem der Lagerräume, die scheinbar eine nicht versiegen wollende Quelle von allerhand nützlichem und nutzlosem Zeug war, wurde sie schließlich fündig. Endlich kam sie zu ihm zurück, mit einem Stück Stoff in der Hand, das in einem anderen Leben einmal eine verschlissene Tunika gewesen sein musste. Aber ganz egal, wozu der Stoff einmal gedient hatte. Hauptsache er war jetzt nützlich. Deshalb reichte sie ihm schnell ihr Fundstück.


    Der Soldat war richtig sauer. Und das zu Recht! Seine skeptischen Blicke galten natürlich ihr, aber auch dem Inneren der Habitatio.
    „Bitte. fühl dich doch wie zu Hause! Kann ich dir etwas zu trinken bringen?“ Sie bot ihm einen Stuhl an, der im Eingangsbereich der Habitatio stand. „Ich werde dir natürlich deine Kleidung waschen,“ versprach sie, um ihn etwas zu besänftigen. „Das ist ja das Mindeste, was ich für dich tun kann.“ Natürlich war es dann allerdings notwendig, dass er sich zuerst der nassen Sachen entledigte. Das schien dem Soldaten aber nicht ganz klar zu sein. Ihn interessierte zunächst, was sie hier machte. Als ob das nicht offensichtlich war! Leerer Eimer, Schmutzwasser… nach was sah das denn aus?
    „Ich habe geputzt!“, stellte sie fest. „Sieht man das nicht?“

  • Mit deutlichem Bedauern in der Stimme, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, als sei sie eben bei Schändlichem ertappt worden, erklärte die junge Frau den Centurio für abwesend und verschwand dann durch eine Seitentür. Dass Avianus nicht da war, sah Antias selber. Die Abwesenheit des Centurio beschäftigte ihn allerdings ungleich weniger als ihre Anwesenheit in dessen Habitatio. Leise folgte er ihr ein paar Schritte, hörte sie in einem der Nebenräume rumoren und wunderte sich einfach nur. Besonders gut auszukennen schien sie sich hier nicht, bewegte sich aber durch Avianus’ Räumlichkeiten, als seien es die ihren. Das sprach eindeutig dafür, dass sie mit dem Einverständnis des Centurios hier war. Fragte sich nur, in welcher Position. „Ach, was solls.“ sagte er sich, ging zur Eingangstür zurück, stellte den fallengelassenen Eimer wieder aufrecht und begann, die Zipfel seiner topfenden Tunika auszuwringen.
    Schließlich kam sie mit einem großen Stück Stoff zurück und hielt es ihm unter die Nase. Er nahm es brummend entgegen. Was sollte er damit? Den Dreck auf der Tunika gleichmäßiger verteilen? Mehr ihr zu liebe als in der Hoffnung irgend einen reinigenden Effekt damit zu erzielen tupfte er sich mit dem Fetzen auf der durchweichten Tunika herum.


    Nun kam es tatsächlich: Er solle sich hier wie zuhause fühlen. Antias quittierte das Angebot mit einem heiseren Auflachen. Der Scherz war gelungen. Zuhause. Mochte sie damit den mit löchrigen Tüchern abgegrenzten Winkel im Legionslupanar meinen? Die dunstgeschwängerte Barracke des Fünften Contuberniums? Oder das unaufgeräumte Loch der Principales, in das er nach seiner Beförderung hatte umziehen müssen? Zuhause. Das war vielleicht was für die höheren Dienstgrade, und immerhin, wie es schien war der Centurio gerade dabei, sich etwas derartiges aufzubauen. Das nächste Angebot, seine Kleidung zu waschen, war auch nicht gerade dazu angetan, die der Situation eigentlich angemessene gereizte Ernsthaftigkeit aufrecht zu erhalten. Das fehlte noch. Die Vorstellung, hier im Subligaculum herum zu stehen, während eine hübsche Unbekannte den Badezuber seines vorgesetzten Offiziers dazu nutzte, seine dreckige Tunika durchzuwalken, hatte zwar durchaus seinen Reiz, erschien aber weder der dienstlichen noch der menschlichen Beziehung zu Centurio Avianus besonders förderlich.


    „Danke, aber das ist nicht nötig.“ lehnte er ihre amüsanten Vorschläge kategorisch ab. Am besten, er machte sich hier schleunigst aus dem Staub. Nur war seine Neugier noch nicht ansatzweise befriedigt, zudem erinnerte ihn die junge Frau mit ihrer Mischung aus Unsicherheit und Trotz irgendwie an Apolonia. So, geputzt hatte sie? Ach, nein. Schmunzelnd zog Antias den ihm dargebotenen Stuhl heran und setzte sich. „Ich bin übrigens Optio Germanicus. Und du bist also .. wie soll ich es nennen .. der dienstbare Geist des Centurios?“

  • Alles, was Sibel ihm angeboten hatte, lehnte er kategorisch ab. Selbst das Waschen der Tunika. Natürlich hätte sie nicht hier und jetzt den Waschzuber herausgeholt und vor ihm mit waschen und schruppen begonnen. Zumal sie gar nicht wusste, ob und wo es einen solchen Zuber überhaupt in der Habitatio gab. In diesen Dingen hatte Avianus eine ganz eigene Ordnung entwickelt, die sie allerdings noch nicht völlig durchschaut hatte. Aber das war ja auch erst ihr zweiter Tag. Und gerade jetzt hoffte sie, dass noch viele folgen mochten.


    Immerhin nahm er aber dann doch den angebotenen Stuhl in Anspruch und setzte sich. Irrte sie sich, oder hatte sie auf seinem Antlitz ein Schmunzeln entdecken können? Dann war es vielleicht doch nicht so schlimm und das alles hätte auch kein böses Nachspiel für sie. Was ja schon an sich sehr beruhigend gewesen wäre. Aber auch so war inzwischen ein Teil ihrer Nervosität abgefallen und sie zappelte nicht mehr so aufgeregt vor ihm herum, wie ein aufgescheuchtes Huhn.


    Er nannte ihr dann auch seinen Namen, denn schließlich war es ja ganz gut zu wissen, wen sie nass gemacht hatte. Aber natürlich wollte auch er den Namen der Übeltäterin erfahren und, was ja noch wichtiger war, was sie hier eigentlich machte.
    „Schön dich kennenzulernen, Optio Germanicus. Vielleicht nicht unbedingt unter diesen Umständen… aber…. schön. Ich bin übrigens Sibel,“ entgegnete sie ihm lächelnd. Aber wie hatte er sie gerade bezeichnet, als dienstbaren Geist? So hatte das ihr gegenüber noch niemand ausgedrückt. „Äh was? Ah ja, ich bin seine Sklavin, wenn du das meinst. Und heute ist erst mein zweiter Tag hier,“ fügte sie fast entschuldigend mit einem Schulterzucken noch hinzu. Aber wenn sie eines aus der Sache gelernt hatte, dann dass sie zukünftig zuerst aus der Habitation heraustrat und dann das Schmutzwasser wegkippte. Wenn sie dann noch darauf achtete, dass sich niemand unmittelbar im Gefahrenbereich aufhielt, konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.
    „Und du bist ganz sicher, dass ich deine Tunika nicht waschen soll? Wenn sie trocken ist, musst du sie auch gar nicht hier abholen kommen. Ich würde sie dir dann vorbei bringen.“

  • Ah ja. Sibel. Die Sklavin des Centurio. Antias lehnte sich zunehmend entspannt in seinem Stuhl zurück, lauschte schweigend ihren Worten und versuchte gar nicht erst, sein Schmunzeln weiter zu unterdrücken. Natürlich glaubte er kein Wort davon. Sie hatte ihn damals nicht gesehen, er sie schon. Vor allem hatte er Avianus und seine augenscheinliche Erregung noch deutlich in Erinnerung. Zwar konnte er nach wie vor nur vermuten, welchen Stellenwert Sibel im Leben des Centurios einnahm, aber seine Sklavin war sie ganz sicher nicht, so viel war ihm klar. Ebenso klar war andererseits, dass ihre Version die einzig denkbare war, um den Centurio nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Avianus hatte einen Weg gefunden, nach dem Antias noch immer verzweifelt suchte. Schon allein deshalb war er gerne bereit, das aus der Not geborene Spiel mitzuspielen. Zudem war er Optio und hatte damit ohnedies die Aufgabe, dem Centurio in allen Belangen den Rücken frei zu halten.


    Das mit der versauten Tunika hatte sie sich offensichtlich noch immer nicht verziehen. Überhaupt schien sie die ganze Sache weit tragischer zu sehen als sie wirklich war. Schlussendlich hatte sie ja nur ihn erwischt und keinen Tribunus. Das allerdings hätte schon böse enden können.
    „Nun, da habt ihr beide großes Glück gehabt, Sibel.“ sagte er schließlich im Brustton der Überzeugung. „Centurio Avianus scheint mit dir eine ausgezeichnete Wahl getroffen zu haben, und du hättest es auch kaum besser erwischen können.“ Mit einem freundlichen Lächeln gab er ihr das Stück Stoff zurück, stand langsam auf und löste sein Cingulum. „Der Centurio ist ein außergewöhnlicher Mann, musst du wissen ..“ Er konnte es sich nicht verkneifen. Wollte es auch gar nicht. „.. auf junge Frauen wie dich, könnte ich mir vorstellen, macht er sicher einen ganz besonders nachhaltigen Eindruck.“


    Betont beiläufig legte er das Cingulum über die Stuhllehne, zog sich flink die Tunika über den Kopf und trat dann mit amüsiertem Blick vor sie hin. „Er wird wohl nichts dagegen haben, wenn ich mir kurzfristig etwas borge, was ihm gehört .. und du möchtest sicher deine Fähigkeiten als dienstbarer Geist unter Beweis stellen, nicht wahr?“ Er sah sie lange an. Sie hatte tiefbraune Augen, eine kleine wohlgeformte Nase und ein verlockend dunkles Lippenpaar darunter, das ihm aus dem blassen Oval ihres Gesichtes entgegen funkelte wie eine taubesprengte Frühlingsrose. Antias zog das Schweigen noch ein klein wenig hinaus, betrachtete sie, schnupperte ihren Duft, eine aromatische Mischung aus Schweiß, feuchter Wolle und Frau. Der Centurio musste ein glücklicher Mann sein.
    „Nun gut. Wenn du mir also einen alten Mantel von ihm besorgen könntest, kannst du dein Gewissen gerne beruhigen und meine Tunika waschen.“

  • Mit kraftvoll in sich ruhenden Schritten stapfte ein Prätorianersoldat über die Lagerstraße, bog ab zur Behausung des Urbanercenturios Iunius Avianus, wo er mit seinen schwieligen Fingerknöcheln gut vernehmbar an die Türe pochte.
    "Centurio Iunius Avianus?" ertönte die resonante Stimme. "Eine Nachricht."



  • Auch der letzte Rest Anspannung fiel nun endgültig von Sibel ab. Sie hatte den Optio zum Schmunzeln gebracht und so glaubte sie nun, sie habe vor ihm nichts mehr zu befürchten. Zufrieden saß er nun vor ihr und hörte ihr weiter zu. Wahrscheinlich war es ihr überstürztes Verhalten gewesen, was ihn so belustigt hatte. Aber auch die Tatsache, dass sie seinem Centurio gehörte. Sibel konnte sich sehr gut vorstellen, dass der Optio genau wusste, zu welchen Diensten sein Centurio seine Sklavin noch heranzog. Vielleicht war er deshalb sogar auch etwas neidisch auf Avianus. Von Anfang an hatte sie ja damit gerechnet, innerhalb der Castra für Aufsehen zu sorgen, denn nicht jeder Soldat hier konnte seine ganz private Sklavin halten.
    Natürlich hatte sie keine Ahnung davon, dass es ganz anders war. Dass der Optio sie wiedererkannt hatte und das er sie dadurch durchschaut hatte. Und dennoch hätte er sie nicht der Lüge bezichtigen können, denn sie war ja ganz offiziell Avianus' Sklavin. Allein schon in ihrem Interesse hatte Sibel sich vorgenommen, in der Öffentlichkeit oder gegenüber einem der Soldaten keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, das es nicht so war. Bei dem Optio schien das ja schon mal ganz gut zu klappen, dachte sie sich. Inzwischen wurde er auch etwas gesprächiger und redete davon, wie viel Glück sie beide doch gehabt hatten.


    „Ja. das finde ich auch,“ antwortete Sibel grinsend. Sie selbst konnte ihr Glück immer noch kaum fassen! Und ja, sie beide hätten es nicht besser erwischen können.
    Sie nahm den Stoff, der ihr der Optio reichte. Danach begann er, seinen Gürtel zu lösen. Offenbar wollte er nun doch ihr Angebot annehmen, was Sibels Gewissen natürlich endgültig beruhigte, denn nun konnte sie ihr Missgeschick wieder gut machen.
    Doch dann schien plötzlich irgendetwas anders zu sein. Er begann plötzlich solche seltsamen Bemerkungen zu machen, dass der Centurio ein außergewöhnlicher Mann sei und er auf sie sicher einen nachhaltigen Eindruck mache. Dann zog er sich die nasse Tunika über den Kopf und trat ganz nah an sie heran. Das Grinsen war ihr längst vergangen. Böse Erinnerungen kamen wieder auf. Das letzte Mal, als sie sich gewehrt hatte, war sie anschließend im Carcer gelandet. Mit einem ängstlichen Ausdruck im Gesicht machte sie einen Schritt zurück, da sie jeden Augenblick damit rechnete, von ihm angefasst zu werden. Noch musterte er sie genau und sog dabei ihren Geruch auf. Ob sie losschreien sollte oder lieber darum betteln sollte, damit er ihr nichts antat?
    Doch wie es schien, hatte sich der Germanicus nur einen Scherz mit ihr erlaubt. Denn nicht sie war es, was er sich ausborgen wollte. Es war lediglich ein alter Mantel, nach dem er verlangte. Ihr fiel ein Stein vom Herzen und allmählich stellte sich auch wieder ihr Lächeln ein. „Ah ein Mantel, ja natürlich!“ schnell verschwand sie hinter einer Tür und kam wenig später mit einem wollenen Mantel zurück, den sie ihm reichte. „Bis morgen… deine Tunika. Sie wird bestimmt bis morgen fertig sein,“ versicherte sie ihm.


    Plötzlich wurde sie durch ein Klopfen an der Tür aufgeschreckt. Das war der erdenklich ungünstigste Augenblick, wenn man sie hier mit dem halbnackten Optio erwischte. "Es hat geklopft," bemerkte sie folgerichtig. Niemand durfte den Optio hier so sehen! "Du musst hier verschwinden! Sofort!", meinte sie nur, als sie bereits zu Tür schritt und diese nur einen Spalt weit öffnete.
    "Der Centurio ist nicht da!", meinte sie resolut. "Aber du kannst mir die Nachricht gerne überreichen. Ich bin seine Sklavin und werde sie ihm dann aushändigen, sobald er wieder da ist."

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