"Die Lex Mercatus lernen! Welch sinnentlehrte Aufgabe!"
, lamentierte der junge Flavius, als er durch das Vestibulum ins Atrium trat, flankiert von seinem Sklaven Patrokolos, über die Obliegenheiten, die Quinctius ihnen am heutigen Tage aufgetragen hatte.
"Dies mag eine Necessität für Winkeladvokaten sein, diesen arroganten Ollius oder die übrigen Studenten niederen Standes! Aber wann werde ich jemals genötigt sein, aus dem Stegreif über die Lex Mercatus zu referieren?"
Wie für gewöhnlich wirkte der Diener indessen kalmierend, während er zugleich die Toga entgegennahm, die sein Herr im Gehen von seinem Leib schlang:
"Man weiß nie, Domine. Womöglich musst auch du eines Tages einen Klienten vor Gericht verteidigen. Oder gar dich selbst?"
Atrium | Frater sororque
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Es gab Tage, an denen Flamma aus unerklärlichen Gründen unerhört gut gelaunt war. Heute war ein solcher Tag.
Die Sonne schien und als sie am Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, hatte sie ein Gefühl des inneren Friedens empfunden, den sie nur selten von sich selbst kannte.
Es war so, als wäre sie an einem herrlichen Frühlingstag auf einer grünen Wiese aufgewacht und wüsste genau, wer sie war, was sie wollte und was sie erwartete. Eine Art...geschlossener Kreis, sozusagen, ohne Ecken und Kanten.
Passend zu diesem Hochgefühl hatte sich Flamma heute noch schöner als sonst herausgeputzt: Weiße Seide mit golden abgesetztem Saum, Smaragde, die ihren perfekten Teint und ihre Augen vorteilhaft zur Geltung brachten. Das Haar zum Teil aufgesteckt und verziert mit filigranen Broschen.
Nach einem leichten Frühstück hatte sich Flamma - in Begleitung mehrerer Sklavinnen - in einer Sänfte in die Stadt tragen lassen, um die schönste und neuste Mode anzusehen.
Schließlich war sie mit einer neuen Stola, einem neuen Gürtel besetzt mit Rubinen und mehreren Paaren Schuhen zurückgekehrt.
Ihr war indes nicht entgangen, dass sich Ismene und die anderen erleichterte Blicke zuwarfen, denn sie war heute außergewöhnlich großzügig gewesen, wo sie doch sonst nicht mit Strafen sparte.
Nachdem Flamma sich erfrischt hatte, hatte sie sich schließlich die Zeit ein wenig mit Lesen im Hortus vertrieben und nun kehrte sie hoch zufrieden in ihr Zimmer zurück, um sich für das gemeinschaftliche Abendessen herzurichten.
Als sie gerade am Atrium vorbeikam, hörte sie eine vertraute Stimme über etwas lamentieren und gleich darauf sah sie auch die Quelle der Unmut.
Es war ihr Bruder Manius alias Minimus. Allerdings war er ja älter als sie, sodass sie doch lieber Ersteres vorzog.
Flamma wollte gerade den Mund öffnen, um ihn zu begrüßen, als ihr plötzlich einfiel, dass er vielleicht gar nicht mit ihr reden mochte...wie alle anderen in der Flavischen Villa.
Der Gedanke dämpfte ihre gute Laune nun ein wenig. -
Nachdem Patrokolos die Toga in Form eines chaotischen Wust empfangen hatte, um sie für den folgenden Tag den Cubicularii anzuvertrauen, streifte der Blick des jungen Flavius beiläufig durch den Raum und blieb gebannt an einer Gestalt haften, welche ihm gänzlich unfamiliar erschien: Eine schlanke Grazie mit güldenem Haar, die mit extravaganter Anmut durch aus Atrium schwebte, deren Aufmachung indessem (wie dem Jüngling ob der noch beachtlichen Distanz zu ihr vernehmlich war) sie mit größter Klarität von der Dienerschaft distingierte, womit zu kombinieren war, dass es sich um eine Domina handelte. Hingegen ließ ihre Statur erkennen, dass sie noch nicht zu voller Fraulichkeit war herangereift, obschon die unter dem seidenen Gewande zu erahnenden Kurven klar jene der ihm versprochenen Cornelia übertrafen. Geschlagen von ihrer stupenden Schönheit vermochte Manius Minor den Blick kaum abzuwenden, während zugleich sein Geist vergeblich sich mühte, jene Person zu identifizieren oder aus ihrem Alter eine anderweitig dienliche Klassifikation zu evozieren. Doch mitnichten pflegte Tante Domitilla derartigen Umgang, noch glaubte er Scato (ob seiner Arbeitsamkeit) oder Iullus (ob seines vermeintlich generellen Desinteresses am weiblichen Geschlechte) jemals feminine Visiten erhalten gesehen zu haben.
Mitnichten war er endlich imstande zu antizipieren, dass jene divine Gestalt seine Schwester war, die am Vortage unverhofft nach Rom war zurückgekehrt, um endlich die Gesellschaft der Reichen und Schönen zu bereichern, da dies ihm war entgangen, nachdem er zum Zeitpunkt ihrer Ankunft seinen geschätzten Freund Lucretius Carus hatte visitiert und in der Konfusion des Abends von niemandem ins rechte Bild gesetzt worden war.
Voller Vorwitz näherte er sich somit dem Mägdelein, da doch der Umstand, dass er in seinem eigenen Hause sich befand, seine gewöhnliche Xenophobie zu dämpfen vermochte und das pubertäre Interesse am anderen Geschlechte heute ausnahmsweise die Furcht vor der Konversation mit demselben übermannte.
"Salve - wer bist du?"
, adressierte er somit ein wenig plump und unbeholfen die Fremde, während er bereits ein wenig nervös die Hände hinter der schlaffen Ventralpartie verschränkte und begann, insekur sein beachtliches Gewicht von einem aufs andere Bein und wieder zurück zu verlagern, ehe ihm gewahr wurde, dass es überaus unartig mochte erscheinen, die eigene Person unpräsentiert zu lassen:
"Ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, der Sohn des Hausherrn." -
Er erkannte sie nicht!, stellt Flamma enttäuscht fest. Aber was konnte man andererseits als das schwarze Schaf der Familie auch erwarten?!
Das Beste war wohl, einfach über diese...Fremdheit...hinwegzusehen.
"Ich bin Flavia Flamma", antwortete sie deshalb schlicht.
Aussage gegen Aussage.
Flamma mochte es vor sich selbst nicht zugeben, aber ein wenig bang war ihr schon im Herzen, als sie aufmerksam die Gesichtszüge ihres Bruders studierte. Halb rechnete sie damit, mit Abscheu beäugt zu werden und reckte trotzig ihr Kinn.
Ganz egal, wie unbeliebt sie auch sein mochte - eine Flavia blieb sie trotz Allem! -
Der Name bließ mit einem Male die Schuppen von den Augen des Jünglings, obschon sie ihn selbstredend nicht von seiner Hypermetropie erlöste, sodass die Details in den Zügen der jungen Dame zu konfrontieren ihm impossibel blieb, doch zumindest ihn meinen ließ, dass die Form des Hauptes, das selbstredend nunmehr von wallendem Haar war umspielt, wie auch der gesamte Habitus dem jenes Mägdeleins glich, welches er vor Jahren in einem Weidenkorb hatte verschwinden gesehen. War dieses indessen ein kleines Kind gewesen, welches bestenfalls dem damaligen Manius Minor ennuyant war erschienen und schlimmstenfalls eine Last war gewesen, so hatte sie augenscheinlich eine Metamorphose zur stattlichen Dame vollzogen, deren Reize selbst ihrem Bruder nicht verborgen blieben, obschon es ihn nicht wenig beschämte, welche Gedanken er soeben in Unwissenheit noch hatte gehegt.
"Oh, verzeih! Du bist... so groß geworden!"
, stammelte er, wobei sich in die zweite Partie der Erwiderung nicht geringe Admiration legte, die der gewonnenen Attraktivität des Mädchens adäquat zu sein sich mühte. Doch die stupende Schönheit war nicht eben geeignet, die Genanz ob seiner gescheiterten Identifikation der eigenen Schwester, gar der nicht gänzlich bar sexueller Konnotationen vollzogenen ersten Interessiertheit an diesem Geschöpfe zu mindern, weshalb er sich zu weiteren exkulpierenden Worten fühlte genötigt:
"Ich wusste nicht, dass du nach Rom... hierher kommen würdest... verzeih!" -
Die plötzlich unsichere Art ihres Bruders verdutzte Flamma nicht wenig, jedoch war sie aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen in dem Gebiet schnell in der Lage, diese Gefühlsregung zu verbergen. Zugleich stieg in ihr so etwas wie...Mitleid...auf, da Manius scheinbar nach den richtigen Worten rang.
Es war Flamma nicht entgangen, mit welchem Blick er sie zunächst bedacht hatte - aber es hatte sie nicht im Geringsten überrascht, war sie dieses Verhalten doch aus zahlreichen anderen Fällen gewöhnt.
"Es ist nicht nötig, dass du dich entschuldigst. Ich hatte meinen Besuch auch gar nicht offiziell angekündigt." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Auch ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Anbetracht der Tatsache, dass wir so lange getrennt gelebt haben, rechtfertigt diesen Umstand. Doch ich hoffe, dass wir nun die Gelegenheit haben uns besser kennenzulernen." -
Obschon selbstredend jenes Entgegenkommen Flammas durchaus nicht suffizient erschien, seine mangelhafte Identifikationskapazität zu exkulpieren, welche der junge Flavius indessen ohnehin selbstredend seinen limitierten visuellen Fähigkeiten anlastete, so verspürte er doch eine gewisse Levation, da sie augenscheinlich nicht gedachte, derhalben offendiert sich abzuwenden, sondern vielmehr ein intensiveres Kennenlernen offerierte, welches in Anbetracht ihrer langen Trennung geradezu indispensabel erschien, weshalb der Jüngling prompt replizierte:
"Zweifelsohne, lass uns sogleich beginnen!"
Neben dem Vorwitz, was sein Schwesterherz in all jenen Jahren mochte getan haben, jedoch auch der Versicherung des Wohlbefinden seines wohladmirierten Onkels wie der übrigen Familiaren zu Baiae, ließ insonderheit die dröge Alternative der aktuellen Zeitgestaltung, nämlich das Studium der Lex Mercatus, einen unmittelbaren Vollzug von Flammas Intention erquicklich erscheinen.
"...sofern du ein wenig Zeit erübrigen kannst, selbstredend."
, fügte er indessen hinzu, um nicht unbedacht hervorzueilen und seiner Schwester ein inopportunes Zwiegespräch aufzunötigen. -
"Natürlich", antwortete Flamma und freute sich insgeheim, dass zumindest ein Familienmitglied Interesse an ihr zeigte.
"Lass uns doch im Hortus einen Spaziergang unternehmen? Das Wetter heute ist herrlich!", schlug sie sogleich vor.Sim-Off: Ich entschuldig mich für mein langzeitliches Fehlen. Aufgrund einiger Studien im realen Leben musste ich leider strikt priorisieren.
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