Die Mauer muss weg! ...

  • Vor einer Mauer ward einst ein Loch,
    gegraben, gar nicht tief und doch,
    tief genug um die Frage zu stellen:
    Was wollten nur die beiden Gesellen?


    Die da gefangen worden waren,
    an jenem Loch, mit gar seltsamen Gebaren.
    Samt Siegelring und mit gar trotzigem Ton,
    War er tatsächlich des künftigen Gatten Sohn?


    Kaum zu glauben und dennoch wahrscheinlich,
    am Ende würde es sehr peinlich.
    Nur für wen, diese Frage blieb offen,
    also genug Grund, um für alle zu hoffen ...

  • Geleitet von hünenhaften Trabanten, welche die Gestalt des dicklichen Flavius, doch ebenso seines feingliedrigen Dieners in überproportionaler Weise nichtig wirken ließen, gelangten Manius Minor und Patrokolos nun just an jenen Ort, an welchem die Platzierung ihrer Defixio ihre größte Wirkmacht zu entfalten imstande war. Mehrmalig tauschten sie Blicke, doch blieb der Jüngling außerstande, seines geliebten Patrokolos Mimik zu lesen, da die Proximität des direkt an seiner Seite Wandelnden selbstredend viel zu groß sich erwies, um ein scharfes Bild zu gewinnen. Somit blieb er genötigt seine privaten Schlüsse zu ziehen, die durchaus als tollkühn waren zu ponderieren: Die Perspektive seiner Stiefmutter in spe vor die Augen zu treten, befreite ihn nämlich sofortig von sämtlichem Bangen um sein Leben, denn erstlich würde sie es nimmermehr wagen, an ihm eine Leibesvisitation zu vollziehen, oder gar ihn jenen Grobianen zu überantworten, welche mit Torquierungen aller Art prahlten und zweifelsohne imstande waren, einem Jüngling wie ihm derartig gräuliche Schmerzen zu bereiten, dass er seine illegalen Pläne offenbarte. Insofern fühlte er sich gar ein wenig sekurer denn vor ihrer Detektion und nutzte den Weg durch die aurelischen Gemächer lieber, um Ausschau zu halten nach einem Versteck für sein Corpus Delicti, welches für die Spanne von hundert Tagen, binnen welcher die Aurelia der Tod sollte ereilen, mochte geeignet sein. Deplorablerweise entbehrte er jedoch der Kenntnis, wo Sklaven für gewöhnlich ihrer Arbeit nachgingen oder sich aufzuhalten pflegten, wenn die Herrschaft nicht präsent war, oder gar welche Objekte von den emsigen Putzkolonnen verschont blieben, womit sein Ansinnen sich als durchaus diffizil erwies.


    Erst als er der Aurelia ansichtig wurde, gewahrte er, dass er noch immer die gerollte Bleitafel in seiner Hand trug und keinerlei Explikation hatte ersonnen, warum er und sein Diener sich hinter der Villa Aurelia hatten aufgehalten. Um zumindest des Corpus Delicti ledig zu werden griff er, verborgen durch seinen Mantel, hinter seinen Rücken und mühte sich, das längliche Objekt dortig im Gürtel zu platzieren, wobei dieses ob der an seiner Taille wirkenden Tensionen neuerlich verbog und endlich mit einem sublimen Knacken der Hühnerknochen, um welchen das Blei war gerollt, nachgab, woraufhin der junge Flavius schreckhaft um sich blickte, dann jedoch, als er die zweifelsohne feindseligen Blicke der Kustoden erblickte (auch sie visuell zu dechiffrieren blieb selbstredend indisputabel), ersann er rasch eine plausible Explikation und zeigte mit einem nervösen Lächeln seine nunmehrig freien Hände, als habe er soeben seine Gelenke zum Krachen gebracht (wozu er, was neben Patrokolos wohl keiner mochte wissen, in Wahrheit außerstande war).

  • Einar und Bernulf wunderten sich nicht, dass die beiden Gesellen - man könnte fast schon sagen - "gerne" der Aufforderung (mitzukommen), Folge leisteten. Vielmehr schrieben sie es ihrer furchteinflößenden Autorität zu und fühlten sich dadurch in ihrer Rolle als Leibwächter bestätigt. Weiterer Worte bzw. Handgreiflichkeiten bedurfte es somit nicht, während sie die beiden Kapuzengestalten flankierten, bis sie schließlich in der Mitte des tablinum angekommen waren. Zufälligerweise trafen die beiden Germanen dort ausgerechnet auf Mara, die gerade dabei war einige Schriftrollen und Briefe für ihre Herrin zu sortieren.


    Einar grinste breit zu Bernulf, denn Mara war ein stets willkommenes "Opfer" für ein paar von ihren chauvinistischen Sprüchen á la: "He Maraschnuckelchen! Bernulf und ich hätten ein bisschen was zu kompensieren, da uns - dank dieser beiden Heini´s da - vorhin zwei hübsche Frauen durch die Lappen gegangen sind. Hättest du nachher etwas Zeit und Lust, um uns ..du weißt schon", spielte Einar auf das Gewünschte an und lachte lauthals los, als Mara´s Wangen sogleich rot wurden und er gleichzeitig von ihr diesen bösen Blick (aus diesen wundervoll großen Rehaugen) erntete.


    [Blockierte Grafik: http://www.bilder-hochladen.net/files/lmp3-d-97e8.jpg] Mara


    "Ihr zwei seid echte Volltrottel!", zischte Mara nur zurück, ohne weiter darauf einzugehen, denn viel zu oft hatte sie sich derlei Anzüglichkeiten schon anhören müssen: "Wer hat euch überhaupt erlaubt, das Haus zu betreten … und wen habt ihr da mitgebracht?", wollte Mara stattdessen wissen und als sie nah genug heran gegangen war, wurden ihre Augen noch größer. Im Gegensatz zu den beiden Germanen erkannte sie das Gesicht des jungen Flavius sofort, doch ehe sie etwas hätte klarstellen können, fiel Einar ihr wieder ins Wort.


    "Na dann eben nicht. Bist selbst schuld wenn du dir dieses Erlebnis entgehen lässt, … Maramäuschen", amüsierte sich Einar zunächst weiter auf Maras´s Kosten, ehe er dann zum eigentlichen Anliegen kam: "Was wir hier machen? Wir haben diese beiden Gestalten hinter der villa, vor der Mauer, vor einem frisch ausgehobenen Loch aufgegabelt. Und einer von ihnen behauptet sogar, dass er der Sohn ihres Zukünftigen sei," mit spöttischem Tonfall zeige Einar auf den jungen Flavius: "Wahrscheinlich ist bei den Flaviern gerade der Sandkasten kaputt und deshalb kam der Kleine mal eben zum spielen vorbei. Also lauf schnell los und informiere die Herrin, wen wir hier schönes haben," Die beiden Germanen lachten als Einzige im Raum und waren sich ihrer Sache ganz sicher - zu sicher ….


    "Oh ja, natürlich, ich eile sofort und keine Sorge, … ich werde der Herrin deine Worte genau so ausrichten, wie du sie mir eben gesagt hast, ...Einar, du großer germanischer Krieger, mit dem Gehirn eines Spatzen", fand nun auch Mara Worte des Spottes in der Überzeugung, dass die beiden Germanen gleich ziemlichen Ärger bekommen würden angesichts der Tatsache, dass sie den jungen Flavius derart despektierlich behandelten. Entsprechend hob sich Mara´s Laune als sie, mit einem verschwörerisch aufmunterndem Augenzwinkern zu dem jungen Flavius hin, verschwand um die Herrin zu holen.


    Es dauerte auch nicht lange, bis Schritte zu hören waren. Schnell nähernd und energisch auftretend, bis schließlich die Aurelia (mit wehenden Gewändern) in persona ins tablinum gestürmt kam. Natürlich hatte Mara sie über alles informiert: Der Sohn meines Verlobten gräbt ein Loch vor unserer Mauer???? Bei den Göttern, was soll das? Diese Frage brannte natürlich auf ihrer Zunge, doch Prisca wusste genau, dass sie Manius Minor auf keinen Fall zur Rede stellen durfte. Geschweige denn ihn maßregeln zu wollen, oder was auch immer, auch wenn sein Gebaren wahrlich seltsam anmutete. Und schon gar nicht, nachdem sich ihre Leibwächter (wieder mal) derart dämlich benommen hatten! Prisca´s funkelnd blauen Augen erfassten kurz die Szene und, als sie die Wartenden erreicht hatte, erschallte ihre Stimme laut und bestimmend im Raum: "Was erlaubt ihr euch eigentlich?" Diese Worte waren eindeutig an die beiden Germanen gerichtet, die (man glaubt es kaum) erschrocken zusammen zuckten und vor der Aurelia regelrecht zurück wichen.


    Nun war Prisca gut zwei Köpfe kleiner als die beiden Germanen aber das hinderte sie nicht daran, die beiden Hünen zurück zu scheuchen wie zwei räudige Straßenhunde: "Aus meinen Augen, ...SOFORT! Ich will euch nicht mehr sehen, bis über euer Schicksal entschieden wurde!" Das war eindeutig und ließ keinen Raum mehr für irgendwelche Widerworte oder gar Erklärungen. Einar und Bernulf sahen einander nur hilflos an und sie waren sprachlos angesichts des Auftretens ihrer Herrin.


    Mehr noch waren sie verwundert, wie eindeutig die Aurelia sich vor diesen Kapuzenheini stellte, ganz so, als würde sie ihr eigenes Kind gegen irgendwelche Bestien verteidigen wollen. So schwiegen Einar und Bernulf denn und die beiden Germanen zogen sich mit gesenkten Köpfen zurück, sodass Prisca mit den beiden Kapuzengestalten nun allein im tablinum zurück blieb.


    "Geht es dir gut? Hat man dir irgend ein Leid zugefügt? Kann ich dir irgend etwas anbieten. Etwas zu essen oder passendere Kleidung? Sag mir nur, was du dir wünscht und es soll dir erfüllt werden. …. Ach du meine Güte, wenn ich nur rechtzeitig über deinen Besuch informiert worden wäre, dann ...wäre das niemals passiert", richtete Prisca sogleich ihr Augenmerk auf den seltsam gekleideten Sohn ihres Gatten in spe. Ihre Stimme klang mit einem Mal ganz sanft und ihr Blick und ihr Lächeln wirkten fürsorglich und gar nicht vorwurfsvoll (obgleich es mehr als genug Gründe dafür gab, weshalb sie eine Erklärung hätte verlangen können): "Sei versichert, werter Flavius, dass diese beiden Sklaven umgehend getötet werden für das, was sie dir angetan haben und dir allein obliegt die Entscheidung, auf welchen Weg sie den Tod finden sollen." Diese Botschaft war eindeutig und daran ließ Prisca auch keinerlei Zweifel, dass ihre beiden Leibwächter ihr Leben verwirkt hatten. Verflixt! Wenn ich nur wüsste, was der kleine Kerl tatsächlich vor der Mauer zu suchen gehabt hatte. …. Allein diese eine brennende Frage galt es (gedanklich) vorerst hinten an zu stellen, auch wenn es Prisca schwer fiel. Doch sie gab sich ganz souverän und ihrem Siefsohn gegenüber verbunden, so wie es ihr Mann wohl von ihr erwarten würde ...

  • Voll Abscheu verfolgte Manius Minor das großsprecherische Geschwätz ihrer Kustoden, welche zweifelsohne ihres Platzes innerhalb der Familia nicht recht bewusst waren, was ihm ein ironisches Schmunzeln auf die Lippen zauberte, da ihm doch aufs Vortrefflichste noch die Bekräftigungen seiner Stiefmutter in periculo bezüglich ihrer harten Hand gegen die Dienerschaft des Hauses waren präsent, was angesichts derartig tumber idiotae wohl als similäre Option verblieb. Zumal die Dienerin sich ihrer erinnerte und eiligst hinforteilte, sodass nicht lange darauf die Aurelia selbst vor ihren Augen stand und in größter Hektik sich mühte, den Fauxpas ihrer Getreuen zu remedieren.


    Angesichts jener geradezu servilen Courteoisie Priscas verspürte der Jüngling, dessen Beweis seines unfrommen Ansinnens ungehört sein Versteck hatte gefunden, keinen Anlass Furcht oder Devotesse an den Tag zu legen, weshalb er, nachdem die wüsten Banausen als Zeugen waren ausgeschieden, sich an dreistem Abstreiten zu versuchen entschied:
    "Wir hatten lediglich... nun... waren auf einem Spaziergang in der Gegend und hatten nicht erwogen, dich in deinen Geschäften zu disturbieren."
    Selbstredend würden jener Einar wie sein Begleiter einen alternativen Hergang zu schildern imstande sein, doch da letztlich sein Wort gegen das ihre würde stehen, hinzu die Antizipation seines unheiligen Planens zweifelsohne jenseits Priscas Imaginationskraft mochte liegen und die Behauptung, er habe ein Loch lassen graben, somit jedweder Glaubhaftigkeit entbehrte, war er geneigt jenes Risiko zu tragen. Als darauf folgend gar ihr Tod wurde offeriert, sah Manius Minor sogleich die Gelegenheit gekommen, jener singulärer Zeugen seines verdächtigen Verhaltens aufs Angenehmste, da einzig dem Jähzorn Priscas zuzuschreiben, endgültig ledig zu werden, sodass er prompt erwiderte:
    "Sie sollen erdrosselt werden, wie sie drohten mich zu erwürgen."
    Dass dies selbstredend gänzlich konträr zu seinem gelobten Respekt gegen die Dienerschaft war zu erkennen, bedachte er nicht. Doch hatte er letztlich ja lediglich vom flavischen Gesinde gesprochen und keineswegs die Sklaven fremder Haushalte zu inkludieren gedacht.

  • Ach was? Auf einem Spaziergang war er also? … Ganz ohne Gefolge und Leibwächter - außer diesem einen Sklaven - und noch dazu in dieser primitiven Kostümierung? So eine Frechheit! Wen glaubt er eigentlich, wen er vor sich hat …? Zu gerne hätte Prisca den jungen Flavius zurecht gewiesen für dessen Unverfrorenheit, sie für dumm verkaufen zu wollen. Schließlich hatte Mara ihr überdies von dem Loch berichtet, das ihre Leibwächter - diese beiden Vollidioten - angesprochen hatten. Ein Loch? Warum in aller Welt sollte der junge Flavier und sein Sklave ein Loch vor unserer Mauer ausheben wollen? So dumm kann doch kein Sklave sein, dass er einfach diese Geschichte erfindet. Dumm nur, dass diese meine beiden Leibwächter die Dummheit anscheinend mit Löffeln gegessen haben So durften sich Sklaven nun mal nicht verhalten. Unter keinen Umständen und keinem freien Bürger gegenüber (und schon gar nicht bei einem Patrizier).


    Prisca´s Miene spiegelte gespielte Schockiertheit wider angesichts der Aussage des jungen Flavius, dass er augenscheinlich mit dem Tod bedroht worden war: "Bei allen Göttern, … diese Tiere!", hauchte Prisca beifällig, eine Hand vor den Mund nehmend und ungläubig den Kopf schüttelnd. Auf diese Behauptung hin blieb ihr gar nichts anderes übrig, als dem Wunsch des Jungen nach Vergeltung zu entsprechen: "Die beiden Unholde werden noch vor Sonnenaufgang hingerichtet werden, darauf gebe ich dir mein Wort", gab Prisca ihr Versprechen, dessen Erfüllung sie höchstpersönlich überwachen würde. Dabei wäre das frühe Aufstehen zweifelsohne der beschwerlichere Part, als die Suche nach neuen Leibwächtern, aber das stand jetzt nicht weiter zur Debatte.


    Gleichermaßen stand die Suche nach einer plausiblen Erklärung (für das Verhalten des junge Flavius) vorerst nicht weiter zur Diskussion, obgleich die fehl platzierte Erscheinung des jungen Flavius für so manche Spekulation sorgte. So wie der junge Flavius sich auf der cena verhalten hat, ist er über die bevorstehende Verbindung zwischen mir und seinem Vater wohl alles andere als begeistert, schlussfolgerte Prisca aus der Begegnung von vor nicht allzu langer Zeit, ohne jedoch einen konkreten Bezug zu jenem Loch und dessen Bestimmung herleiten zu können.



    "Auch wenn nichts das Fehlverhalten meiner Sklaven entschuldigen kann, so wäre es mir dennoch ein persönliches Anliegen, dir, als Ausgleich für die widerfahrene Schmach, nunmehr die Gastfreundschaft unserer Familie anzubieten. Kann ich dir etwas zu trinken oder zu essen anbieten? Möchtest du dich frisch machen, oder gar neu einkleiden?", spielte sie dabei verhohlen erneut auf dessen seltsames Erscheinungsbild ab: "Jeder deiner Wünsche soll umgehend erfüllt werden", ohne aber, von ihrer Seite aus, weiter in diese Richtung insistieren zu wollen ...

  • Selbstredend war der junge Flavius außerstande, die Mimik seiner Stiefmutter in periculo zu dechiffrieren, doch hatte jene visuelle Unpässlichkeit die Appetenz des Jünglings hinsichtlich der Stimmlagen und Sprechweisen Fremder derartig geschärft, dass auch in jenem Falle er argwöhnte, dass die exagerierten Äußerungen Priscas womöglich gespielt waren, was indes nur bedingt Rückschlüsse auf die deren Kausalität offerierte, da jenes Possenspiel ebenso mochte auf Unglauben hinsichtlich seiner Narration begründet sein wie auf ihre Ignoranz hinsichtlich seiner Person, welche sie durch übertriebene Fürsorge zu cachieren sich mühte.


    Da jedoch sie eine überaus despektierliche Meinung hinsichtlich ihrer Sklaven hegte (sofern man ihren Worten durfte trauen), beschloss Manius Minor zweiteres zu ästimieren und sich weiterhin in einiger Sekurität zu wiegen, obschon die beständige Frage nach seiner Aufmachung ihn in nicht geringem Maße irritierte, da es doch nicht zu den gewöhnlichen Obliegenheiten der Gastfreundschaft zählte, einem Passanten ein neues Kleid zu offerieren.
    "Danke vielmals, die Villa Flavia verfügt über eine erschöpfende Garderobe, welche ich zudem jederzeit durch einen Einkauf zu ergänzen imstande bin."
    Jene offensive Strategie, die durch eine leicht düpierte Stimme wurde gestützt, sprudelte geradezu intuitiv aus dem Munde des Jünglings, welcher sich doch sehr gut jener geradezu jovial anheimelnden Offerte von Spielen der Aurelii zugunsten der Flavii erinnerte, welche Prisca so unbedacht hatte getan, was erhoffen ließ, dass ein neuerlicher Verweis auf dem Fauxpas eines dismissiven Verhaltens entgegen einer Gens Maior sie würde in gewisser Weise verschüchtern.

  • Da war sie wieder! Diese herausfordernde infantile Art des jungen Flavius, die Prisca schon bei der cena aufgefallen war. Dieser kleine Widerborst! Er lässt wirklich keine Gelegenheit aus mir trotzige Antworten zu geben. Der Grund dafür war naheliegend, denn nicht selten hatten Kinder ein Problem damit, wenn ihnen plötzlich ein Stiefelternteil vorgesetzt wurde. Nun hatte Prisca ernsthaft angenommen das Eis zwischen ihnen irgendwann brechen zu können, zumal sie den jungen Flavius als erwachsen genug eingeschätzt hatte. Aber das war wohl ein Irrtum. … Soll ich es weiter im Guten versuchen? Aber wofür? Ich habe jedenfalls keine Lust, mich permanent von diesem Jungspund vorführen und tyrannisieren zu lassen. Ich kann auch anders, verpackte Prisca einige Überlegungen hinter einen gelassen (bis hin ins kühle) wirkenden Blick, mit dem sie den jungen Flavius stumm einige Atemzüge lang taxierte.

    "Oh verzeih mir bitte, werter Flavius … ", begann Prisca schließlich mit überspitzt süßer Stimme zu sprechen, als wolle sie die Gunst des jungen Flavius dadurch erheischen, indem sie ihr unpassendes Verhalten eingestand. Darauf kannst du lange warten. Allein ihre Gedanken, die ihr gleichzeitig durch den Kopf gingen, straften ihre süffisant betonten Worte Lügen: "Natürlich ist mir bewusst wie immens erschöpfend deine Garderobe sein muss, angesichts deines edlen Standes. Und nichts lag mir ferner, als dir mit meinem Angebot in irgend einer Form die Fähigkeit absprechen zu wollen, höchst selbst für deine Gewandung zu sorgen. Zumal du, im übrigen, einen derart besonderen und exquisiten Geschmack beweist, der jede Frau neidisch werden lässt." Prisca seufzte und faltete andächtig die Hände, während sie den schlichten Kapuzenumhang (der im Grunde jeglichen Modegeschmacks eines Patriziers spottete) bewundernd betrachtete: "Nein wirklich …" Du solltest dich mal im Spiegel betrachten, wie lächerlich du mit diesem Kapuzenumhang aussiehst. Noch dazu bei dem warmen Wetter "Es war lediglich die Sorge, die mich zu dieser Äußerung trieb, es könnte dir ein Bedürfnis sein deine - von Sklavenhand besudelten - Kleider so schnell wie möglich wechseln zu wollen." Naja, früher oder später, wird wohl auch dir dein Schweißgeruch zu viel werden: "Umso mehr freue ich mich zu hören, dass es dir offenbar an nichts mangelt und so bleibt mir wohl nur, dir einen schönen Nachhauseweg zu wünschen, sofern du unsere Gastfreundschaft nicht doch in Anspruch nehmen möchtest . Mögen die Götter also allzeit ihre schützenden Hände über dich halten, wie auch über deine Familie und richte doch bitte deinem Vater ebenfalls schöne Grüße von mir aus, ja?"


    Prisca verstummte und ein gespielt verbundenes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie selbstbewusst dem jungen Flavius in die Augen sah. Wenn nötig würde sie Minuten, wenn nicht gar Stunden so ausharren auch auf die Gefahr hin, am Ende wieder eine patzige Antwort zu erhalten. Doch dieses Risiko ging Prisca gerne ein, denn sie sah in dem Emporkömmling schlichtweg keine Gefahr und deshalb hätte sie auch kein Problem damit, den Ableger ihres künftigen Gatten kurzerhand aus dem Haus hinaus zu komplementieren …

  • Höchst bemerkenswert mochte dem Kenner des jungen Flavius dessen trutziges, geradehin infantiles Verhalten erscheinen, da er damit doch ein Löwenherz bewies, welches er in seinem übrigen Leben niemals zutage hatte gefördert. Doch hatten die Vorgänge seit jenem denkwürdigen Gastmahl ihn in seiner Furcht, das Andenken seiner Mutter würde vergessen, er und seine Geschwister ins Abseits komplementiert und die Villa Flavia Felix der Tyrannis eines hochmütigen Weibes verfallen, bestärkt, zumal nunmehr gar seine Exilierung vor Augen stand. Ihren spöttischen Blick parierte er folglich mit einer finsteren Miene, da doch ihre Lobpreisungen vor Ironie troffen und ihre Bemerkungen hinsichtlich besudelter Kleider ihn neuerlich gewahren ließen, dass sie ihren humanoiden Besitz augenscheinlich in nichts höher schätzte als unreines Vieh, was dem bisweilen verwöhnten, weil vorzüglichen und folgsamen Gesinde der Villa Flavia Felix, für welches er als legitimer Erbe Verantwortung verspürte, üble Zeiten verhieß.
    Delektablerweise entließ sie ihn jedoch endlich aus ihrer höchst unerquicklichen Gesellschaft, was dem Jüngling nicht ungelegen kam, da ihm doch trotz seines Trotzes allzu bewusst war, dass Anstand und Sitte, Gravitas und Dignitas ihm allzu gemeine Äußerungen, zu welchen er in Aurelias Präsenz sich stets hingerissen fühlte, striktest untersagten.
    "Selbstredend. Einen guten Tag."
    , erwiderte er somit in einer Stimme, welche gewohnheitsmäßig freundlich erklang, obschon sie gravierend in Dissenz zu seiner finsteren Miene stand.


    Stumm wandte er sich dann um und gewahrte sich schlagartig, dass er noch die Defixio zu platzieren hatte. Suchend blickte er um sich, doch war er innerhalb des Tablinum außerstande, das Interieur auch nur in akzeptablem Maße auszumachen, sodass eine unbemerkte Versenkung der Bleitafel hinter einem Regal oder dergleichen impossibel erschien.

  • So ein unverschämter kleiner Widerborst, schnaubte Prisca leise, als der junge Flavius es tatsächlich wagte, ihr den Rücken zu zudrehen und am liebsten hätte sie ihn einfach so stehen lassen. Doch ihre "gute Erziehung" verbot es, die Gäste den Weg alleine hinaus finden zu lassen. Demzufolge rief Prisca ihrem Stiefsohn in spe mit gespielt fürsorglicher Stimme hinterher:


    "Gedulde dich bitte noch einen Moment, werter Flavius. Ich werde dir sogleich einen Sklaven schicken, der dich hinaus geleiten wird", sprachs und ließ nun ihrerseits den missfällig gewordenen Fortpflanz ihres Zukünftigen stehen, indem sie an ihm vorbei schritt und durch den Eingang des tablinums hinaus verschand, welcher von beiden Seiten von zwei schweren, fast mannshohen Vasen gesäumt war, auf denen griechische Olympioniken abgebildet waren.


    Im atrium angekommen gab Prisca dem angekündigten Sklaven auch sogleich die Anweisung sich um den Gast zu kümmern aber erst, nachdem er ihn noch einige Minuten hätte warten lassen. Nicht weil sie in irgendeiner Weise geahnt hätte, zu welcher Schandtat die so gewonnene Zeit den kleinen Mistkerl womöglich antreiben würde sondern, weil sie hoffte ihn mit der aufgezwungenen Wartezeit ein wenig zu ärgern ...

  • Ein einziges Mal war Fortuna dem Jüngling hold, als Prisca in hospitantenvergessener Manier ihn samt Patrokolos für eine Weile alleinig im Tablinum hinterließ, wo er in der Tat jener Vasen gewahr wurde, die zweifelsohne ein formidables Versteck für jenes unheilvolle Artefakt boten, welches ein wenig demoliert und mit einem geborstenen Kern noch immer im Gürtel des Flavius war verborgen.


    Hurtig zog er es hervor und legte das Objekt in den zylindrischen Hals der olympischen Vasen, wo es mit, dem überumsichtigen Ohr Manius Minors ohrenbetäubend erscheinenden Lärm, seinen Weg gen Vasenboden antrat. In Geistesgegenwart räusperte Patrokolos sich, um die Appetenz möglicher Lauscher von jenem mysteriösen Geräusch abzuwenden, doch erschien für eine beachtliche Zeitspanne niemand, was in dem jungen Flavius gar die absurde Vermutung aufwallen ließ, man habe seine maliziöse Tat hiesig bereits antizipiert und nun, da er sich von seinem Corpus Delicti hatte getrennt, eine Armada an Bewaffneten im Atrium versammelt, um ihn in Bande zu werfen.


    Bange Minuten des Wartens exponentierten jene Spannung ins Unermessliche, verlegen schielte der junge Flavius gen Tür, dann wieder fragend zu seinem Sklaven, welcher sich indessen ebensowenig zu helfen wusste, sodass die beiden schweigend ihres Schicksal zu gewärtigen hatten.


    Doch endlich erschien doch ein similärer Sklave, exkulpierte sich für das lange Warten und geleitete die beiden unbehelligt aus dem Hause, sodass beide, nachdem sie noch voll an Misstrauen einige Ecken vom aurelischen Portale entfernt hinter jedweder Mauer die Schergen der Prisca vermuteten, eiligsten Fußes sich in die sicheren Gestade der Villa Flavia Felix retournierten.

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