Ante Villa Flaviam | O Roma, valeas, vale, Familia!

  • Die Pforten Roms waren geöffnet und der neue Princeps gewählt, doch war Manius Maior dennoch nicht gewillt, Manius Minor das neuerliche Exil zu erlassen. Und so war der länglich wohlpräparierte Tag gekommen: Noch hatte Sol sich nicht über den Horizont gewagt, als ein Reisewagen vor der Villa Flavia Felix bereit stand, um den jungen Flavius gemeinsam mit den lediglich nächtens akzeptierten Lieferanten die Urbs zu verlassen und der Himmel selbst beweinte den Abschied des Jünglings mit kleinen, federleichten Tröpfchen aus der dichten Wolkendecke.


    Der junge Flavius indessen zeigte keine Träne, denn grimmiger Zorn hatte seine Augen wie seinen Mund versiegelt, als er, angetan in einen Reisemantel, welcher selbstredend den Regen abzuhalten imstande war, aus der Pforte trat, um hier seinen Familiaren Lebewohl zu sagen. Hatte er sich die vorherige Nacht noch gegrämt und gehadert, all jener Vertrautheit nunmehr verlustig zu gehen, um auf ewig an einem heißen Ort jenseits des Meeres sein Dasein zu fristen, während Aurelia Prisca seinen Vater würde umgarnen und letztlich dazu bewegen, ihr oder ihrem Balg das flavische Erbe offerieren, so verblieb ihm heute nur Apathie angesichts des Unabwendlichen und jene stumme Anklage gegen den älteren Gracchus, in welcher er sich bereits seit Wochen geübt hatte.

  • Die Nacht über hatte Gracchus kaum ein Auge zugetan und sofern er doch in Schlaf war verfallen hatten grässliche Alben ihn heimgesucht. Mehr als einmal war er ertrunken oder untergegangen, begraben unter gewaltigen Wellen, mehr als einmal hatten schaumbekrönte Wogen nach den Seinen gegriffen und sie ihm entrissen, hatte der salzige Wind und die Öde windstiller Sonne inmitten des oceanos ihm die Haut von den Knochen geätzt. Ein wüster Pirat, welcher seinem Antlitz auf jede Miene glich, hatte Leontia ihm geraubt und in sein Reich zwischen Seesternen und Algen hinab gezerrt, wo sie unter elendiglichen Qualen umflutet von türkisfarbenen Wassern verdurstet war, und als die Cephalopoden und Krustentiere ihr Gerippe bis auf alle Knochen hatten abgenagt, hatte die Fratze des Quintus Tullius, welcher gleichsam der unbarmherzige König des Meeres gewesen war und drohend seinen Dreizack hatte geschwungen, in kehligem, donnerndem Lachen angekündigt, dass Minor seine nächste Eroberung würde sein. Entsprechend misslaunig zeigte Gracchus sich darob als Sciurus noch vor dem Aufgehen der Sonne ihn aus dem Bett holte, härmte zudem mit jedem vergehenden Augenblick sich mehr und mehr, dass er Minor auf jene Reise nach Alexandria hatte beordert, anstatt ihn nach Achaia zu senden, welches mit einer vergleichsweise kurzen Überfahrt über das Mare Adriaticum - wenn auch zuvor und hernach längerer Reise über Land - zu erreichen war. Doch letztendlich gab es kein Zurück, so dass der Vater schlussendlich mit ausdrucksloser Miene, welche er sonstig für Opferriten oder den Senat hatte reserviert - um nicht sein Antlitz von Sorgenfalten übermannen zu lassen - vor den Sohn hin trat.
    "Bist du bereit, Minimus? Vergiss nicht, vor der Überfahrt am Hafen ein Opfer an Neptunus und Salacia zu erbringen. Und sende uns eine Nachri'ht, sobald du in Alexandria angekommen bist, Sulpicius Cornutus wird dir zweifelsohne einen geeigneten Boten zur Verfügung stellen. Und falls du während der Überfahrt ..."
    Gracchus stockte. Im Grunde wollte er Minor versichern, dass er nur seinen Siegelring würde vorzeigen und den Namen seines Vaters nennen müssen sofern er in Gefangenschaft von Piraten geriet, so dass eiligst eine Lösegeldforderung würde gestellt und diese selbstredend stante pede würde beglichen werden, doch letztendlich mochte er diese Thematik doch nicht erwähnen.
    "Falls du während der Überfahrt von Unwohlsein solltest be..fallen werden, so versuche dich schlichtweg so wenig wie möglich auf dem Schiff zu bewegen. Es mag überaus unangenehm werden, doch letztendli'h ist noch niemand daran gestorben."
    Gänzlich sicher war Gracchus dessen nicht, doch wollte er Minor auch diesbezüglich nicht unnötig beunruhigen.

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  • Mitnichten vermochte Manius Minor sich zu beherrschen, als Manius Maior in weibischer Manier ihm diverse Ratschläge zu seiner Reise offerierte, an welcher erstlich doch er allein Schuld trug und zu welcher ohnehin jener eingefleischte Stadtbewohner, der nur in höchster Not sich geneigt fühlte eine Reise zu wagen, nur bedingt aus reichhaltigem Erfahrungsschatze zu schöpfen imstande war, sodass er ennuyiert die Augen verdrehte.
    "Überaus kalmierend."
    , kommentierte er schlussendlich in ironischer Weise die augenscheinlich zur Beruhigung des Knaben bestimmten Worte, welchen er, obschon niemals ein Schiff betreten, keinen Glauben wollte schenken. Dennoch verspürte er eine gewisse Abneigung, in offenem Dissenz sich von seinem Vater zu trennen, denn obschon es ihm derzeit inimaginabel erschien, jenem seine Verehelichungspläne jemals zu verzeihen, so barg eine Überfahrt über das Mare Internum doch ein gewisses Risiko des Schiffsbruches und somit einer Überquerung des Styx (was umso stärker seinen Gram gegen Gracchus Maior erhitzte, da er gar jene Gefahr in Kauf nahm, um seiner Verlobten zu goutieren), wohin Gracchus Minor sich letztlich doch in Zwietracht nicht verabsentieren wollte, zumal die Manen seiner geliebten Mutter dies zweifelsohne würden refutieren.


    Insofern ersparte der junge Flavius dem älteren eine sarkastische Äußerung über die Gefahren der Reise und wechselte das Sujet in andere, ebenfalls technische Gestade:
    "Wo finde ich Sulpicius Cornutus, wenn ich ankomme?"

  • "Er wohnt nahe des ..."
    fragend blickte Gracchus sich nach seinem Vilicus um und mit "Paneion" half Sciurus ihm sogleich aus.
    "Paneion. Dies ist ein Hügel. Lasse dir am Hafen nach einer adäquaten Mietsänfte schicken, diese wird dich zweifelsohne bis an dein Ziel bringen können."

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  • Ein Paneion zählte mitnichten zur schier unermesslichen Zahl jener Tempel und Kultstätten, welche der junge Flavius in seinem bisherigen Leben hatte besucht, womit ihm nicht recht imaginabel erschien, dass ein solches Heiligtum als Landmarke in einer Millionenstadt mochte dienen. Doch war er selbstredend nicht geneigt dies mit Manius Maior zu disputieren, sodass er lediglich Patrokolos einen Wink gab, welcher die Destination ihrer wohl ersten Sänftenreise zu notieren hatte.


    Sodann blickte er um sich. Schlummerten die übrigen Familiaren noch in ihren Betten, anstatt ihm jene womöglich letzte Ehre zu erweisen und Lebewohl zu sagen?

  • Gähnende Leere verblieb in den frühen Morgenstunden vor der Villa (so man absah von den emsigen Sklaven, welche selbstredend final einiges Gepäck noch verluden, sowie von Manius Maior mit dessen dürren Abschiedsworten), weshalb nach einigem Zögern Manius Minor endlich sich durchrang lebewohl zu sagen, ehe er sich noch dazu würde hinreißen lassen, in Präsenz seines Vaters sich die Blöße einer emotionalen Eruption zu geben.


    "Vide ut valeas, Vater."
    , äußerte er schließlich und verharrte einen Augenblick, unschlüssig, ob er dem Senioren zumindest ein letztes Mal sollte in die Arme schließen, da er doch trotz sämtlicher Kalamitäten singulär hier bei ihm stand, um ihm ein Geleit zu geben, womit er zugleich als einziges Objekt emotionaler Regungen verblieb. Und doch gelang ihm jene versöhnliche Geste nicht, sodass der Jüngling sich lediglich abwandte, die Hand seines Patrokolos ergriff und die Stufe zum Reisewagen bestieg.
    "Ich werde schreiben!"
    , vermeldete er artig über den Rücken hinweg und ließ sich sodann in die Kabine des Reisewagens fallen, sodass dessen Federung ob seiner Leibesfülle wurde erschüttert. Flink huschte sogleich sein Leibsklave hinter ihm her und verschloss die Tür.
    Ein Schnalzen des Kutschers und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Betrübt lümmelte der junge Flavius sich in diesem, wehmütig über seinen Abschied spintisierend und nicht nur einmal sich fragend, ob jener kümmerliche Vater unter der Macht einer Hexe ihm jemals mochte gestatten, in diese seine Heimatstadt zurückzukehren.


    Es blieb zu hoffen, dass seine Defixio in Kürze würde ihre Wirkung entfalten. Es lag in Händen der Unsterblichen, sein Schicksal zu knüpfen.

  • Stille herrschte zwischen den Gracchen während sie verharrten und warteten, und noch ehedem der Ältere sich dazu konnte durchringen, den Sohn noch einmal zu umarmen, war der Augenblick bereits vergangen und Minor mit wenigen Worten zu dem Reisewagen geeilt.
    "Vale!"
    drang es noch über Gracchus Maiors Lippen da setzte das Gefährt sich bereits in Bewegung.
    "Auf ... bald!
    wurde bereits vom Staube verschluckt, welchen die Räder auf der Straße aufwirbelten. Dort fuhr er dahin - sein Erbe, sein ganzer Stolz. Ein Schauer schlich sich über Gracchus' Rücken - nicht nur ob der Gefahren der Überfahrt, sondern gleichsam bei dem Gedanken an seinen eigenen letzten Abschied von seinem Vater. Auch er hatte geschrieben. Es war der Tod seines Vaters gewesen. Mit einem tiefen Atemzug sog er die kühle Morgenluft in seine Lungen, dann wandte er sich zurück zur Villa Flavia. Minor würde nicht die Fehler seines Vaters begehen, die Geschichte würde sich nicht wiederholen. Zweifellos.

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  • Der Tag war gekommen. Nach ausführlicher Präparation unter der Obhut des Octavius Maro würde Manius Minor heute aufs Neue Rom den Rücken kehren, um nach der theoretischen Unterweisung auch seine praktischen Fähigkeiten in jener Schule der Nation zu erwerben, die für plebejische Aspiranten des Cursus Honorum obligatorisch war. Schon vor einem Jahr hatte der junge Patrizier indessen den Beschluss gefasst, freiwillig dieser Empfehlung zu folgen, um nicht lediglich den Zorn der Unsterblichen, dessen er sich sicher fühlte, sondern ebenso dem augenscheinlichen Fluch der Flavia, welchen Manius Maior in desavouierlicher Feigheit hatte gelebt, auszulöschen und sich als tapferer Krieger zu beweisen. Deplorablerweise standen dem jedoch nicht lediglich seine noch immer mangelhaften athletischen Fähigkeiten, sondern ebenso seine offenbare Inkapazität der militärischen Führung entgegen, welche Stertinius Quartus, der Praefectus Urbi, ihm schonungslos offenbahrt hatte. So mischten sich unter den Vorwitz, welcher sich ob jenes neuen Lebensabschnittes bewegte, auch Furcht vor dem neuerlichen Versagen, als er des Morgens, angetan mit einem nagelneuen Paludamentum, vor die Pforte der Villa Flavia trat.


    Halb hoffte und halb fürchtete der Jüngling, dass zumindest einige seiner Familiaren würden erscheinen, um ihm ihre Glückwünsche für jene lange Reise zum Ende des Imperiums mitzuteilen, ihn angesichts seiner Reserven zu ermuntern oder ihn schlicht sich ins Gedächtnis zu rufen, sollte er auf jenem überaus weiten Weg oder in seinem Dienst einem Schicksalsschlag zum Opfer fallen.

  • Natürlich hatte Scato nicht vergessen, dass sein jüngerer Verwandter bald ein Tribunat in der Legio antreten würde. Am Tag seiner Abreise hatte er es sich deshalb nicht nehmen lassen sich höchstselbst von Manius Minor zu verabschieden. War Scato stolz das Minimus den Dienst im Militär antrat? Ein wenig, er hatte selbst nicht viel für das blutige Kriegshandwerk übrig doch auch das war Rom und auch das musste erledigt werden, schließlich war Rom auf dem Rücken seiner Legionen mächtig geworden.
    Traute er seinem etwas dicklichen und kurzsichtigen Verwandten eine Führungsrolle in der Legio zu? Scato hatte gemischte Gefühle und er hoffte, dass sein Verwandter niemals wirklich auf das Schwert zurückgreifen würde zurückgreifen müssen, sondern irgendwo in einem Officium hinter meterdicken Mauern seinen Dienst verrichten würde...
    "Manius, ich wünsche dir eine sichere Reise. Auf das du die Erfahrungen sammelst die du zu sammeln gedenkst und wohlbehalten zu uns zurückkehrst." sagte Scato und nickte einmal respektvoll, allzu überschwängliche Zuneigungsbekundungen waren einfach nicht seine Art, und dennoch legte Scato kurz seine Hand auf die Schultern von Manius Minor "Und melde dich sobald du angekommen bist."

  • Die Luft war zu jener Tageszeit noch angenehm mild auf den Hügeln, wo auch die Villa Flavia Felix situiert war, weshalb dem jungen Flavius bald ein wenig fröstelte, wie er so vor der Pforte des Hauses stand und die Sklaven beobachtete, welche seine spärlichen Habseligkeiten aufgeladen hatten, die er mit sich zu nehmen entschieden hatte. Faktisch würde es lediglich ein Jahr sein, das er von Roma ferne war, doch fürchtete er dennoch, wichtige Dinge vergessen zu haben, die an den Grenzen des Imperiums nur schwerlich zu erstehen waren. Niemals hatte er immerhin sich so fern von jener Zivilisation entfernt, deren Annehmlichkeiten er so schätzte, und deren Distanz ihm graute. Doch war dies ein Teil jener Buße, die er sich auferlegt hatte, um sein ausschweifendes Leben im dekadenten Herzen der Zivilisation, gleichsam der linken Herzkammer des Imperiums, zu Alexandria sühnen, indem er durch asketische Pflichterfüllung sich seiner Ahnen neuerlich würdig erwies. Dies hingegen tröstete ihn kaum. Ihn ängstigte, was vor ihm lag.


    Als Scato aus dem Schatten des Vestibulum trat, wandte der Jüngling sich um und erkannte den Anverwandten an jenem vertrauten Umriss, den sein Schemen aus der Nähe seinem Auge darstellte. Lange würde es ihm ihn zu erblicken verwehrt sein, sodass er umso dankbarer war, eine vertraute Gestalt zum Abschied zu sehen. Er lächelte tapfer, doch melancholisch, als die Hand des größeren Flavius seine herabhängende Schulter touchierte.
    "Das werde ich. Ich wünsche dir ebenfalls den Segen der Götter für dein Aedilat! Wenn die Pflicht mich nicht an die Grenzen riefe, wäre ich dir gern zur Seite gestanden."
    Da er niemals ein Tirocinium Fori absolviert hatte, hätte dieses Engagement ihm zweifelsohne nicht zum Schaden gereicht, obschon selbstredend der Offiziersdienst am Limes womöglich in ihm neue Qualitäten würde nähren, derer er bisherig noch zu sehr entbehrte, um auf dem Cursus Honorum voranzuschreiten.
    "Grüße auch deine Verlobte-"
    Er hielt inne, bedachte einen Augenschlag seine Worte und fügte dann an:
    "-und ihre Schwester, so du sie siehst."
    Obschon Silana eine gefahrvolle Versuchung repräsentierte, einen vom Epikureismus vergifteten Apfel, so übte sie in ihrer kecken Art doch einige Faszination auf ihn aus, viel mehr noch als Sassia oder eine der übrigen jungen Damen.
    Als selbige jedoch vor seinem mentalen Auge passierten, erinnerte schlagartig er sich seiner eigenen Verlobten, die er im vergangenen Jahre nicht minder vernachlässigt hatte wie in den vorherigen, deren Äußeres im Vergleich mit Silana einem Stücklein Kohle im Angesicht eines Rubins gleichkam und deren Persönlichkeit ihn deplorablerweise wenig reizte. Dennoch war sie ihm versprochen und es bestand kein Zweifel, dass er sie dem Entschluss seines Vaters gehorsam würde ehelichen, sobald er in den Senat würde aufgenommen sein und damit die Reife zur Nahme eines Weibes würde gewonnen haben, sodass es ihm gleichsam als ein Ehebruch erschien, Silana ihr vorzuziehen.
    "Grüße auch Cornelia Squilla, so du sie treffen solltest."
    Squilla, seine Verlobte, war die Nichte von Cornelius Scapula, dem wohl besten Freunde seines Vaters, was es unwahrscheinlich erscheinen ließ, dass Scato sie treffen würde, solange der ältere Gracchus zur Rekonvaleszenz im fernen Baiae weilte, doch erschien ihm jener Auftrag als hinreichend, um seinen Pflichten als Verlobter nachzukommen.

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