Leitfaden zum freien Rollenspiel im Imperium Romanum

  • Hallo Mitspieler, in diesem Thread werde ich euch, Stück für Stück, meinen schon lange versprochenen Leitfaden zum freien Rollenspiel präsentieren. :) Denn es gibt ja schon ein tolles Handbuch, mit vielen Anleitungen zu Karriere usw, aber darin, bis auf die kurzen Tipps für Neulinge, nur sehr wenig zum Rollenspiel an sich. Obwohl das Rollenspiel, das Miteinander der imaginären Charaktere, doch die Basis ist, auf der alles weitere Geschehen hier im Forum entsteht und sich entwickelt.
    Ich werde den Leitfaden mit der Zeit weiter ergänzen, und ich freue mich auf die PNs mit euren Anmerkungen, Lob und konstruktiver Kritik. ;)

  • Leitfaden zum freien Rollenspiel im Imperium Romanum



    "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." - Friedrich Schiller ;)



    Freies Rollenspiel in historischem Rahmen, das ist die Grundlage des IR. Anders als bei "klassischen" Rollenspielen gibt es keine Attributwerte, Würfelwürfe und Tabellen, um die Fähigkeiten eines Charakters und die Welt, in der existiert, zu beschreiben. Anders als bei Computerrollenspielen sieht man keine Pixelmännchen durch die Gegend stiefeln - das gesamte Geschehen wird allein durch Worte definiert. Anders als beim LARP, wo man aus den Reaktionen der Mitspieler sehr unmittelbar erkennen kann, was gut ankommt und was nicht, sitzt beim IR jeder Spieler vor dem eigenen Bildschirm und kann nur erahnen was die Mitspieler begeistert, oder was sie anödet. Zudem gibt es im IR meist keinen "Erzähler", der die Spieler mit einem Plot versorgt, in dem ihre Charaktere glänzen können – sondern jeder Spieler muß sich selbst, und/oder die Spieler sich gegenseitig mit guten Ideen und Spielimpulsen bespaßen...


    Diese große spielerische Freiheit im IR schafft Raum für kreativ gestaltete Charaktere und grandiose Geschichten. Sie kann aber auch verwirren, überfordern, Konflikte zwischen Spielern schüren, und mit ihren unzähligen Wahlmöglichkeiten gerade neue Mitspieler erstmal "erschlagen".
    Darum dieser kleine Leitfaden, als Starthilfe für neue Spieler, sowie als Gedankenanstoß für langgjährige Mitglieder. Er stellt ein paar Grundsätze vor, die das freie Rollenspiel spannender und entspannter machen. Dabei widmet er sich den Themen des Umgangs mit dem historischen Rahmen, der Erschaffung eines Charakters mit Potential, dem Weg zu Spielspaß und guten Geschichten, und dem Vermeiden beliebter Anlässe sich zu ärgern...

  • I. DIE WELT – Wir können uns der Historie nur annähern. Bleib locker.


    Das römische Reich zur Kaiserzeit, das ist die Welt, in der sich dein Charakter bewegt. Eine Welt, deren Bild bei uns Menschen des 21. Jahrhunderts sowohl durch antike Quellen und geschichtliche Werke geprägt ist, als auch durch Kinofilme, Serien, historische Romane. Aus dieser Ausgangslage ergibt sich ein weites Feld unterschiedlicher Vorstellungen davon wie es "im Spiel sein muß". Ganz unabhängig vom Stand des eigenen Wissens über die römische Antike, (welches man sich, wenn man hier mitspielt, mit der Zeit sowieso Stück für Stück anliest) gibt es zwei Pole in der Spielerschaft:
    Zum einen die Spieler, die versuchen, sich mit aller Strenge an dem zu orientieren, was sie für "historisch" halten. Zum anderen die Spieler, die den Fokus auf "das erzählerische" legen, und für eine dramatische Geschichte auch mal die historischen Gegebenheiten ignorieren.
    Beide Positionen sind legitim. Sie ergänzen sich gegenseitig, und tragen zu der riesengroßen lebendigen Forumswelt des IR bei. Zwischen den Extrempunkten liegt natürlich eine weite Skala, auf der sich jeder, je nach persönlichem Geschmack, irgendwo wiederfinden wird. Hin und wieder gibt es Reibungspunkte zwischen eher historisch/authentisch und eher künstlerisch/geschichtenerzählerisch tickenden Spielern. Das gehört dazu. Lies in der Wiki nach wenn du dir bei etwas unsicher bist, leg nicht alles auf die Goldwaage, und bleib locker.


    Bleib locker, Freund der Historie, wenn der Rollenspieler, dieser verkappte Möchtegernkünstler, sich nicht von deinen höchst fundierten Mahnungen, wie doch was damals war und heute im Spiel zu sein hat, beeindrucken lässt, und wenn er dir nahelegt, du solltest doch lieber einem Reenactment-Verein beitreten. Vielleicht kannst du dich ja trotzdem von seinen Werken selbst zu spannenden Geschichten inspirieren lassen... ;)
    Beib locker, Geschichtenerzähler, wenn der Freund der Historie, der verkappte Oberlehrer, dir sagt, deine schöne Geschichte sei total unhistorisch, und dir dein Postfach mit Links zur Wiki (oder dem neuesten Buch das er eben gelesen hat) zuspammt. Vielleicht kannst du seine historischen Impulse ja als Ressource für eine stimmige, noch bessere Story nutzen.... ;)


    Das Wissen darum, dass wir uns der Historie sowieso nur bis zu einem gewissen Grad annähern können, entlastet die Diskussion. Überlieferungen sind lückenhaft, Interpretationen immer nur aus dem modernen Zeitgeist heraus möglich, Erkenntnisse von heute morgen schon wieder passé. Wie damals eine Straße gebaut wurde, oder wie ein Legionär ausgerüstet war, das lässt sich relativ leicht herausfinden. Doch wie die Mentalität der Menschen war, was ja im Spiel sehr viel häufiger eine Rolle spielt, ist uns viel schwieriger nur zugänglich. Ausserdem schreibt (wahrscheinlich^^) keiner von uns fließend Latein, oder denkt gar in dieser Sprache, somit bleiben uns entscheidende Teile des damaligen Lebenswelt fremd.
    Wofür die römische Antike aber auf jeden Fall unschlagbar ist, das ist es, uns eine bunte, vielschichtige, an Inspiration ungeheuer reiche Grundlage für dieses historische Rollenspiel zu liefern. :)

  • II. DAS ICH – Der Charakter ist dein Werkzeug für spannendes Spiel. Charaktere brauchen Schwächen. Ein Backrezept.


    Es gibt Charaktere, mit denen fließt das Spiel wie von selbst, und die Herzen der Mitspieler fliegen dir zu. Es gibt andere, die mühselig zu schreiben sind, und kein Schwein interessieren. Wie man das Spiel erlebt hängt zu einem guten Teil davon ab, was für einen Charakter man sich erstellt hat. Manche Spieler schreiben gerne anfangs schon lange Steckbriefe, andere überlassen mehr der Improvisation. Das ist Geschmacksache, zumindest sollte man sich den Charakter anfangs in seinen Grundzügen skizzieren.
    Hier ein praktisches Backrezept, für einen Charakter mit Potential. ;)
    Man nehme:


    1.Konzept
    Eine Grundidee. Die sollte kurz und prägnant zusammenfassbar sein. Zum Beispiel: "großmäuliger Soldat" oder "Matrone in der midlife crisis", "abgebrühter Straßenjunge" oder "intriganter Jungpolitiker", "vergeistigte Gelehrte" oder "lasterhafte Femme fatale", "schwarzes Schaf der Familie, "galanter Hochstapler oder "märtyrerhafte Christin"....


    2.Persönlichkeit
    Skizziere dem Charakter ein paar Eckpunkte seiner Persönlichkeit. Trenne simoff und simon, also Realität (dein wahres Ich) und Spiel (dein Rollenspielcharakter)
    Spiele nicht dich selbst. Ansonsten geschieht es viel zu schnell, dass man sich von im Spiel gegen den Charakter gerichteter Kritik oder Unfreundlichkeit auch simoff angegriffen fühlt. Langweilig ist es obendrein.
    Schreibe ein paar zum Charakter passende Persönlichkeitszüge auf, und/oder orientiere dich an Vorbildern und Archetypen. Filmfiguren, literarische Figuren, reale Personen können dazu dienen. Ausserdem Aufstellungen von Persönlichkeitstypen, seien die Temperamente der Viersäftelehre (Choleriker/Sanguiniker/Melancholiker/Phlegmatiker), oder das Big-Five-Model der Persönlichkeiten (introvertiert-extrovertiert, praktisch-theoretisch, hart-kooperativ, spontan-geplant, resistent-sensitiv) oder ganz banal die Eigenschaften, die bestimmten Sternzeichen zugeschrieben werden.
    Bsp: Unser "großmäuliger Soldat" könnte weiter ausdefiniert werden, indem wir sagen, er sei... ein Macho mit dem Herz am rechten Fleck, Modell Han Solo. Oder indem wir sagen, dass er ein Choleriker ist, der mit Worten aufbraust. Oder im Big-Five-Modell ein "Macher" (extrovertiert, praktisch, hart, spontan). Oder im Sternzeichenmodell ein Löwe, der sich selbst gern brüllen hört.


    3.Ziel
    Suche ein Ziel für deinen Charakter aus, etwas das ihn in Bewegung bringt. Gute Ziele lassen Charaktere aus ihrer Komfortzone ausbrechen, schaffen Interaktion mit anderen, schaffen Entwicklung, und führen dazu, dass unterwegs gute Geschichten entstehen. Das IR ist ein sehr langfristiges Spiel. Ein gutes Ziel, für das der Charakter brennt, hilft dir am Ball zu bleiben, auch wenn du mal länger auf deine Mitposter warten mußt. Manche Ziele sind so groß, dass sie nicht erreichbar sind ("das Prinzipat stürzen und die Republik zurückbringen" z.B.), das macht aber nichts, der Weg ist das Ziel.
    Also: Was will dein Charakter erreichen, und was ist er bereit dafür zu tun? Ziele können selbstsüchtig oder altruistisch, persönlich oder gesellschaftlich sein. Und hinter dem Ziel steht immer auch ein Bedürfnis – Warum eigentlich will dein Charakter dieses Ziel erreichen?
    Beispiele möglicher Ziele:
    "Ich will mächtig werden, so mächtig, dass keiner mich mehr schief anguckt / dass alle Mädchen auf mich stehen / dass ich den verfaulten Staat reformieren kann."
    "Ich will .... (Name einer unerreichbaren Person einsetzen) unbedingt zur Frau/zum Mann gewinnen."
    "Ich will ein ehrenhaftes Leben führen. "
    "Ich will mich unendlich amüsieren."
    "Ich will ein Kunstwerk von großer Schönheit erschaffen."
    "Ich will Ruhm erringen. Ich will, dass mein Name die Zeiten überdauert."
    "Ich will das Geheimnis der menschlichen Existenz/des perfekten Staates/der Unsterblichkeit der Seele ergründen."
    "Ich will mich aus meinem Elend emporkämpfen / reicher als Krösus werden / meiner Mutter ein eigenes Häuschen bauen."
    "Ich will eine glänzende Partie machen und meinen Söhnen den Weg zum Konsulat ebnen."
    "Ich will meine Freiheit zurückgewinnen und zu Frau und Kind zurückkehren / es den Römerschweinen so richtig heimzahlen / als Freigelassener in Rom aufsteigen."
    "Ich will, dass mein Vater stolz auf mich sein kann."
    "Ich will als die beste Köchin der ganzen Stadt bekannt werden."
    "Ich will das Leid der Welt lindern."
    "Ich will Rom zum wahren Glauben bekehren."
    "Diese Stadt ist von Dreck überschwemmt, und ich, ja ich, bin derjenige der sie säubern wird." ;)


    4. Drei Schlüsselreize
    Charaktere sollten wie lebendige Wesen wirken. Auch mal spontan und in ihren Reaktionen bisweilen unkontrolliert.
    Lege drei Dinge fest, Trigger auf die dein Charakter ganz unmittelbar und intensiv reagiert.
    Wut: Was macht deinen Charakter so richtig wütend? Wann sieht er rot?
    Bsp. Sarkasmus / Verschwendung / wenn jemand ein Pferd quält / Schlampigkeit / die-hohen-Herrn-da-oben-die-auf-uns-kleine-Leute-runterschauen...
    Furcht: Wovor fürchtet sich dein Charakter am allermeisten, was macht ihn panisch?
    Bsp. Sich vor anderen blamieren / Brände / enge Räume / alt und grau werden / die Laster auf dem Grund seiner Seele / Kontrollverlust / Flüche und die Geister der Unterwelt...
    Edelmut: Was weckt unweigerlich seinen Edelmut? Was bringt das allerbeste in ihm zum Vorschein?
    Bsp. Gäste haben und ihnen Gastfreundschaft erweisen / echte Freundschaft / Familie / die Wissbegierigen lehren / Schwächere beschützen / für das Wohl des Römischen Reiches kämpfen / die ehrwürdigen Senioren ehren / das Schöne in der Welt vermehren...

  • 5. Biographie, Talente, Schwächen, Eigenheiten, ein Geheimnis und ein Hobby...
    Überlege dir ungefähr wo dein Charakter her kommt, was ihn prägte, und was er bisher so gemacht hat. Halte dich knapp, denn niemand interessiert sich für lange Hintergrundgeschichten. Vermeide es auch, deinem Charakter große Heldentaten in der Vergangenheit zuzuschreiben. Die Musik spielt erst ab dem Moment, wo dein Charakter ins Spiel eintaucht.
    Überlege dir, was dein Charakter gut kann. Bleib auf dem Teppich dabei. Es gibt im IR keine festgeschriebenen Regeln dazu, rein theoretisch könnte jeder eigenmächtig beschließen, dass sein Charakter Supermann incognito ist, Xena die Kriegerprinzessin, oder der Boss der römischen Mafia.
    Also ist Eigenverantwortung gefragt. Bleibe in einem glaubwürdigen Rahmen. Alles andere nehmen deine Mitspieler dir sowieso nicht ab, und würden den Super-Charakter eher belächeln. Zu stark übertriebene Schilderungen wecken ausserdem schnell den Verdacht, dass der Spieler dahinter viel zu kompensieren hat.
    Bsp. Wunderwunderschöne Patrizierprinzessin -> Verdacht: graue Maus im wahren Leben.
    Mächtig toller Superkrieger -> Verdacht: Kleiner dicker Nerd im wahren Leben.
    Immer-der-allertollste-Charakter -> Verdacht: Würstchen im wahren Leben.
    Sorry. Ist hart, aber ist so. Darum: Bleib auf dem Teppich.
    (Das alles gilt, nebenbei bemerkt, genauso wenn du NSCs entwirfst.)
    Überlege dir ausserdem Schwächen für deinen Charakter. Zum einen, um eine glaubwürdige, facettenreiche Persönlichkeit zu entwerfen. Zum anderen, weil Schwächen fantastische Aufhänger für das Spiel mit anderen sein können! (Bsp. Politiker in spe stottert unter Stress? Die Schwäche gibt Anlass, sich bei anderen Rat und Hilfe zu suchen, diverse Kuren auszuprobieren, tragische Rückschläge zu überwinden, und das Leiden letztendlich - vielleicht - heroisch hinter sich zu lassen.)
    Charakteristische Eigenheit bei Wortwahl, Stil und Gestik, vielleicht ein Geheimnis, das im Laufe des Spiels gelüftet werden kann, evtl. auch ein nettes (oder spleeniges) Hobby, runden den Charakter ab.


    6. Avatar, Erscheinung und Name
    Wenn du einen Film drehen würdest, welchen Schauspieler würdest du casten, um deinen Charakter darzustellen? (Achte nur darauf, dass der Schauspieler nicht schon für einen anderen aktiven Charakter "gecastet" wurde, und vermeide es deine ID zu einem Doppelgänger zu machen.) Such dir für den Avatar ein Bild ohne offensichtlich ins Auge springende moderne Elemente, oder halte dich gleich an Sandalenfilme.
    Mit dem Avatar entsteht schon der Haupteindruck, aber es ist sehr hilfreich für deine Mitspieler, wenn du auch auf deiner Tabulariumsseite eine kurze Beschreibung verfasst, darüber was andere wahrnehmen wenn sie auf deinen Charakter treffen.
    Nomen est omen. Namen haben Macht. Suche einen passenden aus. Die römischen Cognomen, die oft beschreibender Natur sind, können deinem Charakter noch den letzten Schliff verleihen.


    7.Soziales Umfeld
    Es kann hilfreich sein, sich vor dem Einstieg ins Spiel kurz per PN mit den Spielern abzusprechen, deren Figuren dein Charakter eigentlich schon kennen müßte (bei römischen Bürgern meist die aktiven Mitglieder der Gens.) Und auch hier kurz festzulegen wie das Verhältnis ungefähr aussieht. Du kannst auch andere Spieler fragen, ob ihre Charaktere alte Bekannte/Sandkastenfreunde/beste Feinde für deine Figur sein könnten. Beides unterstützt die Illusion, dass es deinen Charakter simon nicht erst seit gestern gibt, und verschafft dir von Anfang an Anknüpfungspunkte im Spiel...

  • III. IM SPIEL – Die Hüls'schen "Zwei Regeln". Für Spielspaß und eine gute Geschichte.


    Nun hast du einen Charakter mit Potential. Als nächstes muß er ins Spiel finden.


    1. Die Hüls'schen "Zwei Regeln"
    Sind die Grundlage eines entspannten Miteinanders im Spiel. Sie stammen aus dem Larp, passen aber für alle Formen des freien, durch Werte unreglementierten Spiels.
    Sie lauten:
    Wenn Du angespielt wirst, zeige irgendeine plausible Reaktion. Spiel irgendwas, egal was, aber spiel.
    Wenn Du jemanden anspielst, erwarte keine bestimmte Reaktion. Akzeptiere, was Dein Gegenüber draus macht.


    2. Einstieg in den Fluss des Spiels
    Zum Einstieg ins Spiel - stell dir wieder vor du drehst einen Film, und frage dich: auf welche Weise würdest du deinen Charakter einführen? Überlege dir zum Beginn also eine Szene, die deine Figur charakterisiert.
    Bsp. Unser "großmäuliger Soldat" könnte, anfangs noch Zivilist, prahlend in der Schenke sitzen, und sein letztes Geld verspielen. Am nächsten Morgen dann, da pleite und ohne Dach über dem Kopf, sich der Armee verschreiben.
    Eine Alternative ist, mit der Ankunft des Charakters in Rom, oder wo er sonst leben soll, zu beginnen. (Vermeide, wenn möglich, das Klischee von der jüngst verstorbenen Mutter, die den Charakter als letzten Wunsch zur Familie des Vaters schickt. Sowie als Sklave das Klischee vom durch finstere römische Soldaten abgefackelten Dorf, und dem versklavten Stammesprinzen. Beides ist schon sehr ausgelutscht.)
    Danach, folge einfach dem Weg deines Charakters, interagiere mit den Figuren die dir unterwegs begegnen, so ergeben sich schnell Kontakte, und damit auch noch mehr Storyideen. Nutze öffentliche Feste und andere Ereignisse, um dort aufzutauchen und auch Figuren ausserhalb des direkten Familienumkreises kennenzulernen. (Vermeide, wenn möglich, das auch schon sehr überstrapazierte Klischee des "zufälligen Anrempelns".)
    Sehr wichtig ist auch: Werde selbst aktiv. Warte nicht passiv darauf, dass jemand deinen Charakter in den Fluß des Spieles hineinzieht, sondern schaffe dir selbst aktiv Situationen, in denen du anderen Charakteren eine gute Gelegenheit gibst, dich anzuspielen. Schreibe anschauliche Szenen, eröffne interessante Threads, die anderen Lust machen, da mitzumischen.
    Der "großmäulige Soldat" könnte z.B. wenn er in der Schenke sitzt, alle Anwesenden lautstark dazu auffordern, mit ihm eine Runde zu würfeln. Der "Matrone in der Midlife crisis" könnte ihre Schoßkatze entlaufen, und sie auf der Suche nach dem edlen Tier mit allerlei Menschen in Kontakt bringen. Der "abgebrühte Straßenjunge" könnte auf dem Markt nach Arbeit für einen Tagelöhner Ausschau halten, usw.


    3. Schreiben, schreiben, schreiben...
    Schreibe so, dass es nicht nur für dich, sondern darüber hinaus auch für die Leser interessant ist. Stell dir die Situation genau vor, beschreibe was zu sehen, zu hören, zu fühlen ist. Schaffe Atmosphäre, indem du alle Sinne ansprichst.
    Wörtliche Rede lockert Textblöcke auf. Überlege dir, welche Sprechweise deinem Charakter, seiner Herkunft, seinem Bildungsgrad, seinem Temperament entspricht. Gedanken geben Einblick in die Erlebenswelt des Charakters. (Aber vergiss über weitschweifigen Gedankenschilderungen nicht die Action.)
    Du kannst wählen, welche Perspektive du als Erzähler einnimmst. Ob als "allwissender" Erzähler, als personaler Erzähler, der aus der Perspektive einer Figur erzählt, als neutraler Erzähler, der wie eine Kamera nur das äussere Geschehen beschreibt. Oder aus der Ich-Perspektive, die dem Text besonders Nähe zum Charakter, aber zugleich einen eingeschränkteren Blickwinkel verleiht. Je nachdem ergeben sich unterschiedliche Effekte.
    Zur Länge der Postings – etwas ausführlicher ist meist interessanter. Stimme dich in der Hinsicht ein bisschen auf deine Postingpartner ein. Wenn sie dir mit ausführlichen Beiträgen geantwortet haben, speise sie nicht mit einem lahmen Dreizeiler ab.
    Überfliege nicht nur, sondern lies genau, und würdige was deine Postingpartner schreiben. Gehe inhaltlich darauf ein, und gib ihnen in deinen Postings immer auch Spielimpulse zurück, auf die sie ihrerseits eingehen können, um die Handlung oder den Dialog weiterzutreiben.
    Auf die Rechtschreibung zu achten, zeugt von Respekt gegenüber den Mitspielern.
    Achte darauf, moderne Ausdrücke und Anglizismen möglichst zu vermeiden, um das Gefühl, sich in der Antike zu befinden, zu wahren.
    Zwar gibt es eine Möglichkeit, Text als simoff zu markieren, es ist aber angenehmer für den Leser wenn du simoff-Angelegenheiten mit deinen Mitpostern per PN klärst.
    Zu den Threads – es gibt welche, die nur für eine Szene erstellt werden, und Threads, die einen Ort repräsentieren. Wenn du einen Szenen-Thread erstellst, gib ihm einen aussagekräftigen Titel, der die Neugier der Leser weckt.


    4. Rollen glaubhaft darstellen – oder: "Den König spielen die anderen"
    Charaktere entfalten sich in der Interaktion mit anderen. Die Art und Weise wie andere auf einen Charakter reagieren, beeinflusst wie er wahrgenommen wird, wie er wirkt, wie er sich entwickelt.
    Daraus folgt zum einen: Zeige deinen Mitspielern deutlich, mit was für einem Charakter sie zu tun haben, spiele deine Rolle prägnant, dem Konzept und dem Status deiner ID entsprechend. Dann wissen deine Mitspieler auch mit was für einer Figur sie es zu tun haben, können dementsprechend reagieren und deine Darstellung damit unterstützen.
    Zum zweiten folgt daraus: Wenn du im Spiel auf einen glaubhaft dargestellten Charakter triffst, dann unterstütze ihn in seiner Wirkung – "pushe" ihn, indem du deinen Charakter auf eine adäquate Weise reagieren lässt. Insbesondere die überzeugende Darstellung von Rollen mit hohem Status funktioniert nur dann, wenn dieses Prinzip beherzigt wird.
    "Den König spielen die anderen" heißt es beim Theater. D.h. die Position, die Macht und die Ausstrahlung einer solchen Herrscherfigur kommt nur dann wirklich rüber, wenn die Figuren um ihn herum sich dementsprechend respektvoll/höflich/furchtsam/feierlich verhalten, und damit diese Aura der Macht erscheinen lassen.
    Das gilt aber nicht nur Führungsfiguren. Sei es ein weiser Gelehrter, ein bedrohlicher Prätorianer, eine die Sinne verwirrende Kurtisane oder ein ranziger Bettler.... jede dieser Rollen ist darauf angewiesen, dass die Mitspieler sie mit tragen, indem sie adäquat reagieren. In diesem Sinne ist es für das Spiel sehr unkonstruktiv, den eigenen Charakter als ultracool, immer lässig und von nichts zu beeindrucken zu spielen.
    Es ist ein Geben und Nehmen. Unterstütze die anderen in ihrer Darstellung, und sie werden auch dich unterstützen. Der Spielspaß und die Atmosphäre profitieren davon. :)



    ~ Fortsetzung folgt... ~

  • *wartet auf die Fortsetzung* :)

    Also eine Fortsetzung fände ich auch sehr schön. Ist ein bis hier hin sehr gut zu lesender und eingehender Leitfaden und inspiriert auch durchaus für die eigene Charakterfindung.:dafuer:

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