[Officium] praefecti castrorum Marci Iulii Licini

  • Niemals in seinem jugendlichen Leben hatte der junge Flavius die Fällung eines Baumes beobachtet, sodass es ihn durchaus erstaunte, welche Zeit dafür augenscheinlich erforderlich war. Womöglich war das Legionstribunat für einen jungen Aristokraten nicht zuletzt eine Schulung seiner Kenntnis der einfachen Plebs, von deren Leben er in der Hautevolé Romas nahezu kategorisch separiert blieb.


    Indessen hakte er nach jener Information den Gedanken der Baumfällarbeiten vorerst ab, als bereits die nächste Novität sich ihm darbot:
    "Inwiefern sollten die Mattiaker unserem Marsche Widerstand leisten?"
    Seinem Dafürhalten lag Aquae Mattiacorum diesseits des Limes, weshalb er vermutet hatte, dass jenes Land in ähnlicher Weise befriedet war wie Italia. Dass sich indessen jemand einer ganzen Legion, deren Krieger zweifelsohne der wehrfähigen Population eines größeren Stammesgebildes gleichkam, in den Weg stellen mochte, konnte er kaum glauben. Doch war er der unerfahrene Novize in diesen Kontexten, sodass er begierig auf weitere Explikationen lauschte.


    Zumindest schien sein gesamter Plan akzeptabel, selbst wenn er nicht ridikulöse Interventionen wie Rinderherden integrierte (auch der Tribun zeigte ein sublimes Lächeln, um das Amusement seines Vorgesetzten zu erwidern, obschon er nicht recht zu erkennen vermochte, wie ein derartiges Treffen ausgefallen war), sodass final er mit Satisfaktion nickte.
    "Ist jener Marsch stets fest terminiert? Oder wann sollte er hinsichtlich der Abläufe innerhalb der Legion angesetzt werden?"
    Wenn die gesamte Legion aufbrach, würden zweifelsohne manche alltägliche Dienste im Castellum und rundherum zum Erliegen kommen, sodass jene Kampagne zweifelsohne einer gewissen Koordination bedurfte.

  • "Herrrein!" schnarrte Licinus von drinnen.


    Sollte für sowas nicht ein c ornicularius vor der Tür sitzen fragte er sich, aber die Person die hereintrat war ihm durchaus bekannt.
    "Miles Octavius" Licinus erkannte, dass der Mann irgendwie gehetzt aussah und sparte sich jede Floskeln sondern meinte knapp: "Was ist passiert?!"


    Sim-Off:

    Du darfst künftig auch gerne Tür und Cornicularius überspielen, ich setze dann nach und wink dich durch. Dann sparen wir uns zwei Posts die nur aus klopfen und reinrufen bestehen ;)

  • Licinus stutzte einen Moment. Widerstand? Das nun ja gerade nicht. Licinus machte eine abwinkende Handbewegung.
    "Überhaupt nicht, tribunus, überhaupt nicht. Aber nicht wenige von ihnen sind irgendwie mit unseren Soldaten verwandt. Wenn wir da durch ziehen, kommt es zu aufläufen, man will seine Freunde und verwandten grüßen, Veteranen, die sich dort angesiedelt haben, grüßen alte Kameraden, kleine Jungs wollen einen genaueren Blick auf die Waffen werfen, junge Mädchen begeistern sich für die schneidigen Soldaten und so weiter und so weiter. Wenn du es schaffst die Männer in normalem Marschtempo durch eine Stadt zu kriegen, dann hast du meinen größten Respekt."
    Dazu kamen natürlich noch zu enge Straßen und Kurven, die zum Anhalten zwangen.


    "Nein, ist er nicht. Wir müssen auf Feiertage rücksicht nehmen, versteht sich, auf beurlaubte Offiziere, auf den Rotationsplan der Limescastelle. Liefertermine für Waren müssen außerhalb liegen -- und glaub mir die gallischen Eisenlieferanten sind ziemlich stur darin, wann sie ankommen wollen. Und die Kanzlei deckt ihnen noch den Rücken. Auf die Gerichtstage des legatus sollten wir auch Rücksicht nehmen. Und den Segen der Götter für den gewählten Tag brauchen wir natürlich auch. Aber davon abgesehen " nun wurde das Lächeln von Licinus doch etwas schmallippig um nicht zu sagen sarkastisch. "Kannst du den Termin frei bestimmen. Die Sperrtermine von Seiten des legatus kriegst du von seinem cornicularius, meine von meinem."
    Das war schon ein ganzer Brocken an einschränkungen, mit denen der tribunus da arbeiten musste, aber so war es hier. Und der Junge sollte ja was lernen, dachte Licinus sich, und am besten lernte man dadurch, dass man machen musste. Und nachfragte, wenn man sich nicht sicher war. Auch etwas, was man lernen musste.,

  • "Waaaaas?!" Licinus sprang aus seinem Stuhl auf und rammte die Knöchel seiner geballten Fäuste auf die Tischplatte.
    Für einen Augenblick starrte er den Octavius mit mahlenden Kaumuskeln an. Als von allein keine weitere Erklärung kam -- Nerven verloren hatte Licinus überhört -- bellte er ihn an, während er von in festem Schritt um den Tisch herum eilte.
    "Meldung, Soldat! Was ist da unten vorgefallen verdammt?!"

  • Wieso immer ich? Bin ich hier der Depp vom Dienst, ich will doch nur ganz ruhig meinen Arbeit machen.
    " Äm nun ja, ich hatte da unten keinen Dienst... ich bin nur der Übermittler"
    Warum bin ich auch so blöd und renne gleich dahin.
    "Wie es aussieht hat dieser Gurox, einen Holzkübel gegen die Wand gerammt und mit einen festen Holzspan, also einen spitzen Holzstück... ehm so einen Splitter davon, also den hat er sich in den Leib gerammt, ..irgendwie. Bestimmt hat er die Nerven verloren.
    Obwohl ich eher annahm der mag große Bühne oder so."

    Meine Herren was war das denn für ne Meldung, bestimmt denkt der jetzt ich hätte was geschluckt.

  • Na, das wurde ja immer schöner. Trauten sich die Schwachköpfe da unten nicht mal selbst Meldung zu machen, sondern schickten einen vorbeilaufenden Offizier. Die Carcerwache mochten ja nie die besten der besten sein, aber das war ja wohl die Höhe. Dem optio carcerum würde er seinen optiostab auf dem verdammten Dickschädel zerbrechen und ihn nach Britannien abkommandieren. Oder nach Africa, jedenfalls ans beschissene Ende der Welt. Achja, er sollte dem Soldaten der da scheinbar unschuldig vor ihm stand mal antworten, bevor der noch glaubte, dass Licinus ihn gleich anfallen würde. Für einen Moment sah Licinus einen Bären und die Carcerwache vor sich. Dann waren die Gewaltfantasien so jäh verflogen wie sie gekommen waren.


    "Großartig, einfach großartig."
    Er griff nach seinem Schwergut und zog ihn über.
    "Ich werde mir das angucken müssen. Mitkommen."

  • Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    Licinus stutzte einen Moment. Widerstand? Das nun ja gerade nicht. Licinus machte eine abwinkende Handbewegung.
    "Überhaupt nicht, tribunus, überhaupt nicht. Aber nicht wenige von ihnen sind irgendwie mit unseren Soldaten verwandt. Wenn wir da durch ziehen, kommt es zu aufläufen, man will seine Freunde und verwandten grüßen, Veteranen, die sich dort angesiedelt haben, grüßen alte Kameraden, kleine Jungs wollen einen genaueren Blick auf die Waffen werfen, junge Mädchen begeistern sich für die schneidigen Soldaten und so weiter und so weiter. Wenn du es schaffst die Männer in normalem Marschtempo durch eine Stadt zu kriegen, dann hast du meinen größten Respekt."
    Dazu kamen natürlich noch zu enge Straßen und Kurven, die zum Anhalten zwangen.


    "Nein, ist er nicht. Wir müssen auf Feiertage rücksicht nehmen, versteht sich, auf beurlaubte Offiziere, auf den Rotationsplan der Limescastelle. Liefertermine für Waren müssen außerhalb liegen -- und glaub mir die gallischen Eisenlieferanten sind ziemlich stur darin, wann sie ankommen wollen. Und die Kanzlei deckt ihnen noch den Rücken. Auf die Gerichtstage des legatus sollten wir auch Rücksicht nehmen. Und den Segen der Götter für den gewählten Tag brauchen wir natürlich auch. Aber davon abgesehen " nun wurde das Lächeln von Licinus doch etwas schmallippig um nicht zu sagen sarkastisch. "Kannst du den Termin frei bestimmen. Die Sperrtermine von Seiten des legatus kriegst du von seinem cornicularius, meine von meinem."


    Als Licinus die Beschaffenheit jener 'Hindernisse' explizierte, welche die Legion in den Gauen der Mattiaker erwarten würde, fiel dem jungen Flavius ein Stein vom Herzen, was ihm gar zu einer ironischen Kommentierung jener Lage hinriss:
    "Dann sollten wir den Hauptort womöglich meiden, so die Legion nicht den Triumphzug zu exerzieren nötig hat."
    Er lächelte, doch sogleich wich jene fröhliche Miene sich aus seinem Gesicht, nachdem der Praefectus auf die zahlreichen Partikularitäten hinwies, welche es hinsichtlich der Terminierung zu beachten galt, da doch beinahe es sich anhörte, als würde das Zeitfenster für ihren Marsch faktisch kaum zu erstreiten sein, ja womöglich die größte Herausforderung an den Organisator jener Exkursion darstellen.
    "Dann werde ich mich diesbezüglich informieren und den Marsch ansetzen."
    Er nickte und verabschiedete sich sodann mit einem für seine Umstände durchaus schneidigen Salut, ehe er sich aufmachte, um aufs Neue mit seinem eigenen Cornicularius und Patrokolos Kriegsrat zu halten.

    Sim-Off:

    ...und wünsche einen schönen Urlaub, sofern deine Absenz, wie ich hoffe, darin begründet liegt :)

  • Es hatte schon ein paar Tage gedauert, bis die drei ihren Bericht zu dem Freitod des Gefangenen Gurox für den Präfekten fertig hatten. Bei einigen der Gefangenen hatte es einer intensiveren Nachfrage gebraucht. Nun standen die Schuldigen fest, wie auch Tathergang und der Schaden welcher errichtet worden war.



    Schuldige am Freitod des Gefangenen Gurox sind die Einzelinhaftierten:


    Quirin: Mitglied von Guroxbande
    Flexux Avianus: angklagt wegen Raubmord
    Lucius Marmelu Rufus: angklagt wegen Urkundenfälschung


    In der Gemeinschaftcelle:
    Damian Demetrius: Taschendiebstahl
    Andricus Steffani: Diebstahl
    Parthenius: nächtliche Ruhestörung
    Tharyps: Zechprellerei
    Achaemenes: Taschendiebstahl
    Ludiwolf: Beleidigungen
    Titus Ranius Creticus: Ehrabschneidung
    Memmius Pinnius Lyso: Diebstahl
    Cossus Stallius Chrysogonus: Randalismus
    Cossus Metilius Umbonianus: Prügeleien
    Tiberius Decrius Geminianus Classicus: Zechprellerei


    Der Aufstand begann damit, dass der Metilius den Griechen Andricus angriff. Parthenius wollte diesem helfen und wurde von Ranius und Pinnius gleichzeitig niedergeschlagen. Ludiwolf ergriff einen Holzeimer und griff damit die übrigen an, die wehrten sich. Letztendlich kämpfte jeder gegen jeden, und dabei gingen alles hölzerne zu Bruch.


    Von diesem Lärm womöglich motiviert begann auch Quirin zu randalieren. Der Wachhabende Miles, Caius Egilius Elva versuchte diesen, bis Dato ruhigen und unauffälligen Gefangenen zu beruhigen, wurde von diesem jedoch an die Wand gedrängt und bis zur Bewustlosigkeit gewürgt.
    Cersobleptes Bavius Persaeus durch den Lärm der anderen in Einzelhaft befindlichen Einzelhäftlinge herbeigeeilt, schlug Qurin nieder, als dieser, dem am Boden liegenden Miles, die Schlüssel entwenden wollten.
    Während die Gefangenen in der Gemeinschaftscelle weiter tobten gab Diopeithes Pedius Theopompus Alarm um die Wachmannschaften zu verstärken und eilte Bavius zu Hilfe. Gemeinsam ketteten sie die gefangenen Avianus und Marmelu an um dann zu der Gemeischaftscelle zu eilen. Nachdem der Aufstand niedergeschlagen worden war, machten Bavius und Pedius einen Rundgang und stellten dabei den Tod des gefangenen Gurox fest.


    Es wurde weiter festgestellt das der, wegen angeblicher Prügelei festgenommene Gefangene Cossus Metilius Umbonianus ein Cousin des Miles Anoex Umbonianus Grassus ist und von dem dazu angestiftet wurde, den Gefangenenaufstand während der Wache von Bavius und Pedius los zu treten. Der Miles Umbonianus gehört der Cohors II, Centuria IV an.


    Gez.
    Titus Octavius Frugi



    Jetzt legte Octavius die Tabula dem cornicularius des Präefecten auf den Tisch mit den Worten, „der Bericht wie vom Präfectus befohlen.“

  • Man brachte diesen Brief ins Vorzimmer und gab ihn wortlos mit den anderen wichtigen Schreiben ab.


    Roma, PR ID AUG DCCCLXVII A.U.C.

    Ad
    Praefectus Castrorum
    Marcus Iulius Licinus
    Castra Legionis II Germanica
    Mogontiacum, Germania Superior



    Dives Licino patruo magno s.d.p.


    Nachdem mein letzter Brief an dich bislang noch unbeantwortet geblieben ist, hoffe ich sehr, dass es dir und selbstredend auch deiner Esquilina gut geht. Und ich bete dafür, dass es an der germanischen Grenze friedlicher ist als derzeitig hier in Roma.


    Zunächst möchte ich dich beruhigen, dass die Domus Iulia - anders als in den Wirren nach dem Bürgerkrieg - glücklicherweise nicht erneut in Mitleidenschaft geraten ist. Andere Häuser, zum Beispiel die nur einen Steinwurf entfernt wohnenden Tiberier, hatten indes weit weniger Glück. Doch lass mich in Ruhe und von Beginn an berichten.


    Da ich noch immer ein wenig meine Kräfte sammle, nachdem ich ein tückisches Fieber während meiner Aedilität überstand, sah ich in diesem Jahr davon ab, die Spiele des amtierenden Aedilis Curulis Flavius Scato zu visitieren. Es war wohl mein eigenes Glück. Denn den Erzählungen des alten Aglaopes zufolge waren es offenbar jene Spiele, die den Ausgangspunkt alles Folgenden darstellten. Aglaopes berichtete von einer Panik am Veranstaltungsort, und von Verletzten und gar Toten unter den Zuschauern, von in Brand gesteckten Häusern in mehreren Ecken der Stadt.


    Aus der Villa Tiberia hörte er im Vorübergehen wörtlich ein 'Geschrei des Todes', das so beängstigend gewesen sein soll, dass es nur noch von dem brutalen Grauen übertroffen wurde, das Aglaopes überkam, als er einen vom Leib getrennten Kopf aus der Villa Tiberia den Mons Esquilinus hinab rollen sah. Ich muss dir gestehen, Großonkel, ich war noch nie in meinem Leben so in Sorge - und mehr noch in purer Angst. Denn noch nie in meinem Leben sah ich meine mir so teuren Kinder in einer derartig großen Gefahr. Es ist dies eine Erfahrung, die ich keinem Vater und keiner Mutter je wünsche.


    Mit diesem Erlebnis im Rücken möchte ich dich abschließend um einen Gefallen bitten. Du weißt, dass ich einst mein Tribunat bei den Cohortes Urbanae absolvierte, wie du ebenso sicherlich weißt, dass ich auch in diesem Amte stets ein überzeugter Bürokrat und selten nur Soldat war. Ich habe folglich nicht die besten Beziehungen in die nicht-ritterlichen Militärränge. Gleichzeitig kann ich nach den aktuellen Geschehnissen das Leben meiner Kinder nicht länger einem unfreien Custos Corporis anvertrauen, da man munkelt, dass all diese unsäglichen Vorgänge hier auf das Konto eben einiger solcher Sklaven gehen. Licinus, kennst du womöglich über deine Kontakte im Militär jemanden hier in Roma, dem du genug vertraust, die Sicherheit von Marcus Minor und Faustina sicherzustellen?


    Ich verbleibe mit den besten Grüßen aus der Urbs Aeterna und wünsche dir den Segen der unsterblichen Götter! Möge Mars über dich wachen. Vale bene!


    /images/signet/Siegel_IuliaTabula.png



    MARCUS IULIUS DIVES
    SENATOR ET ORATOR




    PS: Die Administratio Imperatoris stellte dir übrigens einen Brief zu in die Domus Iulia, den ich ob deiner offenkundigen Absenz selbst geöffnet und gelesen habe. Darin schreibt man dir, dass Flavius Gracchus Minor zum neuen Tribunus deiner Legio ernannt wurde. Falls er seine vom Augustus unterzeichnete Ernennungsurkunde haben möchte, so darfst du ihm ausrichten, werde ich ihn gerne nach seiner Rückkehr in der Villa Flavia zu Roma besuchen, um sie ihm persönlich zu überbringen. Von einem privaten Weiterversand dieses Dokuments nach Mogontiacum werde ich indes aus mehrerlei Gründen absehen.

  • Nach seienr Rückkehr hatte Licinus nicht nur einen ganzen Stapel Post abzuarbeiten, nach der langen vergangen Zeit sah er auch das Bedürfnis mit allen Stabsoffizieren und centurionen ein kurzes Gespräch zu führen.
    Und so hatte er sie sämtlich in einem engen Takt zu sich befohlen.

  • Wie befohlen fanden sich zeitlich abgesprochen alle Centurionen vor der Amtstube des Präfekten ein. Auch Verus war darunter, der etwas müde aus den Augen blickte, da er immer noch recht schlecht schlief. Auch der letzte Brief ließ ihn nicht besonders gut nächtigen. Er wollte nicht zu Prätorianern. Er wusste, was ihn dort erwarten würde. Es würde eine andere Arbeit sein aber genauso hässlich, wie das blutige Handwerk des Krieges. Die Arbeit für das Imperium blieb hässlich und wirklich entfliehen konnte der Tiberius nicht, dessen Herz gelegentlich in Schwarz gekleidet war. Immerhin konnte Verus so gut geben, wie er es im Leben erhalten hatte. Seufzend blickte er durch die Reihen, die bereits angemeldet waren und nur noch auf Einlass warteteten. Es war noch unklar, ob der Präfekt alle nacheinander empfangen würde oder in Stoßgruppen. Verus selbst war dies egal, da er dem Präfekten ohnehin den Versetzungsbefehl unterbreiten musste. Wirklich glücklich wirkte er nicht, was man ihm ansehen konnte.

  • Einer nach dem anderen wurden die centurionen ihrem Rang nach in das officium des Präfekten bestellt. Einige der Gespräche dauerten knapp länger als man "Keine Vorkommnisse" sagen konnte. Andere dauerten mehrere Minuten, wieder andere centurionen hatten eine ganze Weile vor der Tür Rede und Antwort stehen müssen.


    Irgendwann verließ wieder ein centurio das officium und der cornicularius im Vor- und in diesem Falle auch Wartezimmer konsultierte recht gelangweilt seine Liste und meinte lakonisch: "Der centurio Tiberius Verus kann eintreten!"


    Als die Tür dann wieder aufging konnte der centurio innen einen am Schreibtisch sitzenden Präfekten sehen, der einen ganzen Berg Wachstafeln vor sich hatte. Genau genommen zwei Berge, einer für die schon abgeschlossenen Gespräche, einer für die wartenden.
    Licinus griff nach der Tafel und winkte gleichzeitig den centurio geschäftsmäßig herein. Ohne sich mit Begrüßungsformalien aufzuhalten, setzte er mit dem gleichen Satz an, den er schon für jeden der anderen centurionen gebraucht hatte.
    "centurio Tiberius, setz dich. Rapport über die besonderen Vorkommnisse der vergangenen Wochen seit meiner Abreise, kurz bitte."


    Als er den Blick wieder hob, um zu lauschen, und den centurio direkt vor sich sah, erkannte er, dass der Mann eindeutig übernächtigt war. Nachwache hatte der Mann nicht gehabt, den Plan hatte Licinus im Kopf. Also riss er das Wort nochmal an sich. In annähernd väterlichem Ton fragte er:
    "Mit Verlaub centurio, du siehst scheußlich aus. Was ist los?

  • Es spielte sich die übliche Hierarchie ab. Die Centurionen wurden nach Rang einbestellt, während der Rest wartete. Verus konnte somit einen Moment in sich gehen, um seine Gedanken zu ordnen, die immer noch chaotisch in einem trüben Sinn schwammen und kaum zu greifen waren. Verus fühlte sich haltlos; entrissen von dieser Welt und hatte Probleme seinen Fokus im Moment zu halten, da seine Sinne in die Vergangenheit strebten. Wie konnte er sich selbst retten? Indem weiter machte. Ein einfaches "Weiter so!" half ihm seine Orientierung zu behalten, auch wenn ein Leben in ständiger Flucht vor sich selbst, eine Belastung war und selten ein heiles Herz gewähren ließ. Sein Herz war mit Mühe von liebevoller Hand gehalten, die einst den Namen Idun getragen hatte und nun mehr Luna hieß. Diese Sklavin hielt die Furcht davon ab, sein Herz verbittern zu lassen. Dennoch schien Verus längst sein Leben verloren zu haben, denn in seinem Angesicht stand leblose Müdigkeit, die tiefe Schatten als Beweis erbrachte. Er trat nach Aufruf ein und nahm ohne Salut Haltung an. "Centurio Tiberius meldet sich, wie befohlen," erklärte er, um der militärische Begrüßung genüge zu tun, die der Präfekt heute fallen ließ, um das Protokoll zu vereinfachen. Immerhin nahm er sich die Zeit, die Truppe im Blick zu behalten. Verus schätzte dies, auch wenn er sich manchmal mehr Herzlichkeit wünschte aber der Iulius war ein tapferer und standhafter Charakter, der sich verdient gemacht hatte. Der Tiberius stellte ihn nicht in Frage und nahm eine etwas bequeme Position ein, indem er die Hände hinter dem Rücken verschränkte. Der Präfekt bemerkte tatsächlich seinen emotionalen Zustand.


    Verus berührt davon, schwieg für einen Moment und holte durch die Nase Luft, um nicht direkt zu offenbaren, das er nun unsicher war. Zugegeben, er wusste selbst, dass er furchtbar aussehen musste. Es war kein Geheimnis: er hatte als harter Kriegshund seinen Ruf in der Legion. Man nannte ihn sogar Germanenbrecher, was wohl auf die Versklavung von Idun anspielte. Dieser Spitzname gefiel ihm nicht und sorgte ebenfalls für ungesunde Gedanken. Wenige flüsterten bereits, dass Verus von seinen Dämonen heimgesucht wurde, die er beschworen hatte, um siegreich zu sein. In der Tat hatte er Dämonen beschworen aber nicht durch Magie, sondern durch Entscheidung. Er hatte sich entschieden und diese Entscheidung verfolgte ihn in vielen Fragmenten, die nicht nur Erinnerungen waren, sonder ganz reale Eindrücke. Er fühlte sich geblendet und seine Augen brauchten einen Moment, um seinen Vorgesetzten zu erfassen. Verus setzte sich endlich und fand auf dem Stuhl ein wenig Ruhe, bevor er antwortete. Der Centurio entschied sich seine persönliche Befindlichkeit dem Bericht vorweg zu nehmen. In seinen Händen hielt er eine Schriftrolle, die er schützend auf seinem Schoß bewahrte. Es war der Brief aus Rom, der ihn ebenfalls ängstigte. Er wollte keine Veränderung. Rom bedeutete eine neue Hölle, da sein Rom längst zu Asche geworden war. Seine Ideale waren zusammengebrochen und was sollte er dort finden? Als Prätorianer würde er hässliche Dinge tun müssen, die vielleicht nicht immer blutig waren und sicherlich anderes Handwerk verlangten, dennoch waren sie nicht minder kaltherzig. Ihm war sehr wohl klar, dass er der Hölle der Gewalterfahrungen nicht entkommen konnte. Immer wieder schien ihn die Verdammnis einzufordern, damit er seine Sünden und seinen Selbsthass vergelten konnte. Verus Augen schienen in einem diesigen Glanz zu liegen. "Erinnerungen," war das Wort an Erklärung, welches er müde hervorbrachte. Seine Wortwahl schoß am Ziel vorbei und verlor sich in der Stille, die dem Wort folgte. "Du kannst den Kampf verlassen aber der Kampf verlässt niemals dich," erweiterte er seine Aussage, damit Licinius als Soldat Roms begreifen konnte, dass Verus an Kriegsmüdigkeit und soldatischer Schwermut litt, die viele Legionäre kannten. Der Präfekt würde verstehen, denn es war kein seltenes Phänomen. Viele Legionäre ertränkten diese Gedanken in Wein oder suchten schnelle Liebe bei Prostituierten. Die meisten gewöhnten sich an diese seelische Kälte und wurden brauchbare Kämpfer, da ihnen nicht viel am Leben anderer oder auch sich selbst lag.


    "Manche von uns schlafen schlecht. In letzter Zeit werden die Träume eindringlicher, Präfekt." Verus hob vorsichtig die Schriftrolle an, um diese auf den Tisch vor Licinius zu legen. Er wollte sie loswerden, da deren Inhalt doch mehr Ballast war. "Ich komme am besten gleich zum Bericht," meinte der Centurio, der nicht wirklich gut über seine Gefühle sprechen konnte. Dem kriegsversehrten Mann war eine ständige Erklärung zu anstrengend geworden, so dass er sich damit abfand, das die Welt eben so war, wie sie war: willkürlich und grausam. Also entschied sich der Tiberius schlicht seiner Aufgabe zu folgen und damit auch der merkwürdigen Ansicht, dass ein "Weiter so!" stets gut war; es hielt ihn im Leben, einfach weiter zu machen und so auch hier. "Luna ist erfolgreich nach römischer Sitte in meinen Besitz übergegangen. Sie wurde, wie durch dich gewünscht, bei Tribun Flavius untergebracht. Die diplomatische Mission, welche dir noch bekannt sein sollte, ist erfolgreich abgeschlossen worden. Tribun Flavius gelang es, einen Friedensvertrag auszuhandeln. Ich denke, dass er dir eine bessere Einsicht geben kann. Ich war nur zur Absicherung als Kommandant der begleitenden Milites eingesetzt. Insofern begleitete ich den Tribun zum Thing und nahm an den Verhandlungen als Ehrengeleit teil. Eine Anmerkung möchte ich mir erlauben, dass ich dort von den Germanen ein Schwert erhielt und wohl symbolisch mit Luna verheiratet wurde oder besser ihren Schutz gewährleisten soll. Sie nahmen die Versklavung als gegeben hin und deuteten sogar eine Art Götterurteil an," fasste Verus sachlich zusammen und ließ die Punkte, die andere besser benennen konnten, außen vor. Er selbst wollte nicht zu tief in die Erinnerung einsteigen, da diese auch mit Erfahrungen verknüpft waren, die er vergessen wollte. Eben jene Versklavung seiner Geliebten oder diverse Kampfeinsätze. "Tribun Flavius wird dir sicherlich bald zur Verfügung stehen," sagte Verus mechanisch und schloss damit den Bericht fast ab. "Nach Rückkehr ins Lager frischte ich meine Centurie auf und begann mit dem Lagerdienst. Auch nahm ich die Ausbildungstätigkeit wieder auf, um die Frischlinge in meiner Einheit auf Standard zu heben," war dann schließlich der Abschluss seines Rapportes, den er mit einer wischenden Handgeste beendete.


    Verus überlegte, ob er dem Iulis seine Familientragödie berichten sollte. Kurz schwieg der Centurio und fasste dann etwas Mut, um die Sachlage zu erklären, bevor er den Brief aus Rom eröffnen würde. "Es gab Aufstände in Rom. Scheinbar haben sich Sklaven erhoben. Meine Familie war betroffen und die Villa Tiberia ist niedergebrannt. Bis jetzt habe ich keine weiteren Meldung zum Zustand der Tiberii in Rom oder im Umland," sagte Verus mit brüchiger Stimme, die nicht ganz einbrach aber an kalter Mechanik verloren hatte. "Ich werde diese persönliche Befindlichkeit jedoch nicht auf den Dienst einwirken lassen," versicherte der Centurio in fester Absicht, dass er einen Eid aufrecht zu halten hatte. "Ich erfuhr dies aus einem Brief der Augusta an mich und durch meine Cousine Tiberia Lucia." Der Tiberius wischte sich mit seiner Linken über die Augen. Eine Geste der traurigen Unsicherheit, die ihn wieder erfasste. Er brauchte einen Moment, um sich zu fassen und wieder zu sprechen. "Es ist einfach etwas viel," entfuhr ihm doch eine Befindlichkeit und somit äußerte er offen eine versteckte Emotion. Es erschien ihm nun passend, auch um die Befindlichkeit zu überdecken, den neuen Brief aus Rom zu offenbaren. "In der selben Zeit erreichte mich auch ein weiterer Brief aus Rom. Ein Versetzungsbefehl...," sagte Verus und deutete auf den Tisch. "... aber lies selbst." Man konnte erkennen, dass ihm diese Sachlage nicht gefiel.



    Tribunus Cohortis Praetoriae Tribunus Q. Varinius Maro Centurioni A. Tiberio Vero s.d.


    Auf Empfehlung deines Legatus Legionis Ti. Duccius Vala hat der Imperator Caesar Augustus entschieden, dich von der Legio II Germanica zu den Cohortes Praetoriae zu versetzen. Du hast deine Vorgesetzten über diese Versetzung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und dich nach Regelung deiner Angelegenheiten nach Rom zu begeben und bei mir zu melden.


    Ich gratuliere dir zu dieser Beförderung.


    Vale

    Quintus Varinius Maro

  • Licinus nickte bedächtig, als der centurio davon sprach, dass der Kampf sie alle nie verließ. Er hätte diese Formulierung nei gefunden, aber sie traf die Sache genau. Auch er träumte immer wieder von geschlagenen Schlachten und ausgefochtenen Kämpfen. Es wurde niemals weniger. "Sehr wahr," sein Blick war für einen Moment geradezu weich, signalisierte Verständnis für all die unausgesprochenen Gefühle. Er fragte aber nichts. Er hätte das Gefühl gehabt in die intimste Privatssphäre des Tiberiers einzudringen also saß er still da und versuchte durch Mimik allein ein Gefüühl des Verständnisses zu vermitteln -- ganz unbewusst geschah dies.


    Als der centurio dann mit seinem Bericht begann war der Zauber verflogen und Licinus blick nahmen die altbekannte Schärfe wieder an, während er mit dem Griffel Zeichen in den Wachs ritzte, die außer ihm wohl keiner Verstand. Sein eigenes Kurzschriftsystem. So lauschte er aufmerksam, nickte ab und an und forderte den Tiberier mit kleinen Handbewegungen auf, langsamer oder wieder schneller zu sprechen, wenn er genauere Aufzeichnungen machen musste.
    [SIZE=7]"Als Gott hat mich noch hiemand bezeichnet"[/SIZE] dachte er unhörbar mit vor Zynismus triefender Stimme, als die Sprache auf das angebliche Gottesurteil kam. Schließlich war er es, der den Befehl zu Lunas Versklavung gegeben hatte. Aus reinem taktischen Kalkül, konnte man beschönigend sagen, tatsächlich aber aus Sorge um einen aufstand in den eigenen Reihen. Und so sehr er sich sagte, dass es eine Notwendigkeit gewesen war, wenn er daran dachte, was daraufhin mit Luna geschehen war, fühlte es sich noch immer falsch an.


    Das Schweigen am Ende des Rapports nutzte Licinus für eine eigene kurze Anmerkung und eine schnelle Rückfrage:
    "Danke! Mit tribunus Flavius habe ich bereits gesprochen. Das mit der Verheiratung halten wir wohl besser geheim, denke ich. Oder hat das gesamte Begleitkommando das mitbekommen?" dann würde das mit der Geheimhaltung nämlich schwierig werden, wie man nicht unnötigerweise erwähnen musste.
    "Ausbildungsstand der tirones?"


    Doch was ihm dann eröffnet wurde war -- hefitg. Licinus schluckte. Die Information, dass der Tiberius in kontakt mit der Augusta stand, überhörte Licinus bzw. speicherte es so ab, als habe diese der Frau des Statthalters geschrieben und die wiederum den centurio informiert. Aber die politischen Verbindungen seiner centurionen interessierten ihn nur wenig -- naiverweise, wie man ehrlich sagen musste.
    "Aufstände? In ROM?" Und die centurionen erfuhren auf privatem Wege schneller davon als der Führungsstab. Großartige Arbeit in der Administratio. Einfach großartig. Licinus war für einige Sekunden in Schock und Ärger so gefangen, dass ihm nicht viel einfiel,w as er sagen konnte. In einer hilflosen Geste füllte er dem centurio einen Becher mit Wein, der im Krug unter dem Schreibtisch stand. "Nimm dir Zeit, Soldat. Nimm dir Zeit."


    Licinus nahm in eben dieser Zeit den Brief und studierte ihn. Wobei es da nicht viel zu studieren gab. Das schwarze Siegel allein sagte ihm alles, was er wissen musste. Dennoch las er den Brief genau, warf jedoch zweimal einen Blick über den Rand des Pergamentes hinweg auf den centurio. Als es ihm schien als habe er sich gengu gefangen, senkte er das papyrus, hob sozusagen den imaginären Vorhand der dem Tiberier etwas Unbeobachtetheit suggerieren sollte.
    "Glückwunsch. Ich wüsste zu gerne, warum die Schwarzen mir immer meine besten Offizieren wegnehmen müssen, aber Befehl ist Befehl."
    Der centurio sah nicht glücklich damit aus, aber angesichts der Umstände.
    "Angesichts der Umstände möchtest du sicher so schnell wie möglich aufbrechen?"
    Irgendwie hatte er nicht das Gefühl als wolle der centurio überhaupt aufbrechen, daher hörte er bei der folgenden Antwort ganz genau hin um ja keine Nuance zu verpassen.

  • Ein gelebter Traum, der zerfloss wie Wasser. Wieder kehrte die kalte Realität ein und ließ ihn gebunden zurück. Das Verständnis seines Vorgesetzten half ihm; zeigte ihm sogar, dass diese Soldatenwelt eben so war, wie sie war und er sie akzeptieren musste. Es gab kein Entkommen aus sich selbst und seinen Erfahrungen. Wie die Sonne stets aufging, zog Verus mit seiner kümmerlichen Weltsicht weiter in die Tage und hoffte, dass die Nacht nicht zu lange andauern würde. Er klammerte sich an ein Danach. Der Tiberius suchte stets nach etwas, was blieb und hatte zu seiner Erlösung Luna gefunden aber mit ihr auch verschwiegene Einsamkeit. Beide machten sich einsam, da sie einander brauchten und jedes mal, wenn er sie verließ, war es ein Abschied zu viel. Verus fand seine Menschlichkeit wieder und konnte nicht mehr sauber trennen, zwischen dem, was er sein sollte und dem was er war. Dennoch war die kalte Realität eine klare Forderung und somit kehrte Verus mit seinem Fokus in die Sachfragen zurück, die Licinus so unverblümt stellte. Der Zauber des gegenseitigen Verständnisses war nur ein kurzer Trick gewesen, der Erleichterung aber keinerlei Heilung verschaffte. "Das Begleitkommando ist nicht informiert. Nur Duccia Silvana, ich und der Tribun wissen davon," erklärte Verus sachlich und versuchte sein Gesicht nicht allzu sehr entgleiten zu lassen. Wieder diese soldatische Maske mit den leeren sowie starrenden Augen. Es kostete keine Kraft mehr und doch war es schwer. Es wog auf seinen Schultern, etwas darzustellen, was man nicht mehr ganz war. "Wie du wünscht. Ich werde Stillschweigen halten," akzeptierte der Centurio den Wunsch seines Präfekten mit frostiger Sicherheit. Er nickte es sogar ernstlich ab, so dass Licinus sich relativ sicher sein konnte, dass Verus diese Wahrheit mit ins Grab nehmen würde; zumindest außerhalb der bekannten Wissenden, wie Flavius und Silvana, würde es keinerlei Seelen erfahren. "Der Ausbildungsstand ist akzeptabel. Wir haben viele Frischlinge erhalten, um die Verluste aus den vergangenen Kämpfen an der Grenze auszugleichen. Ich und meine Ausbilder geben unser Bestes, damit der Standard erreicht wird. Ich glaube aber, dass man bereits sagen kann, dass die tirones bereits wehrfähig sind," antwortete der Offizier ohne emotionale Regung, da seine Emotionen bereits für andere Gedanken in der fanatischen Verwendung waren. Angst und Trauer umspielten seine Seelenwelten und verhinderten, dass die sachliche Welt davon betroffen wurde, da der Verlust seines Stammsitzes und die Geschehnisse in seiner Vergangenheit, genug Macht ihm gegenüber besaßen. "Ja, Aufstände," bestätigte Verus knapp, während Licinus ihm endlich einen Becher mit Wein einfüllte, der mit Handlung, einem beherzten Griff von Verus Hand zum Trinkgefäß, Erleichterung versprechen konnte. Verus trank einen großen Schluck. Er nahm sich Zeit. Und ließ den Wein auf seiner Zunge im Aroma wirken. Verus blickte dem Präfekten dann traurig in die Augen. Die Worte seines ehrbaren Vorgesetzten ehrten ihn und doch war auch Pein mit ihnen verbunden. Um der Beste zu sein, hatte er viel geopfert und ebenso viel Blut vergossen. Es kostete ihn viel, zu den Ersten zu gehören und dennoch war diese Ehre alles, was ihm noch blieb. Er hatte zumindest diese Ehre, die er in Rom vorhalten konnte. Doch diese Ehre war lächerlich im Vergleich zu Luna, die er nun noch mehr begehrte, da sie entrückt von seinem Scheitern stand und ihn liebte, ohne auf weltliche Dinge zu achten. Sie achtete ihn ohne Ansehen und Ideale, sondern allein, weil er Verus war. Was war überhaupt Ehre? Verus fragte sich dies gerade und verweilte einen Moment wortlos. "Ich müsste es," durchbrach er seine eigene Stille und versuchte dem Präfekten ehrlich zu antworten. "Dennoch habe ich keinen Gefallen daran, in den schwarzen Kohorten zu dienen. Ich diene hier und habe immer dort gedient, wo unser erlerntes Handwerk von Wert war. In Rom ist die Intrige und die Korruption weit verbreitet. Ich befürchte, dass mein Dienst dort nicht ehrbar ist und zudem erwarten mich dort nur Ruinen einer Vergangenheit," resignierte der Centurio. "Natürlich wäre ich aufgebrochen, um den Überlebenden meiner Familie zu helfen aber ich sehe mich nicht im Geheimen und Obskuren," meinte Verus. Er trank den letzen Schluck aus dem Becher und stellte diesen zurück auf den Tisch. "Meine ... unsere ... blutige Kunst ist dort verschwendet an korrupte und ehrgeizige Charaktere," schloss Verus verbittert ab. Mitunter war Verus der einzige Soldat, der diese Ehre als Prätorianer zu dienen, ablehnte und sogar verdammte. Scheinbar mochte er seine eigene Verdammnis hier an der Grenze und hatte sich an diese familiäre Hölle gewöhnt.

  • "Sehr gut" eidas bekanntwerden einer Hochzeit nach irgendeinem germanischen Ritus -- so befürchtete Licinus -- hätte die Gerüchte um Verhexungen und ähnliches nur wieder zum Aufleben gebracht.


    Tatsächlich war Verus nicht der einzige Soldat im Heer der diese Ehre ablehnte. Genau genommen nicht einma in diesem Raum. Licinus hatte über zwanzig Jahre zuvor in der parthischen Wüste nämlich genau das getan, eine Beförderung zur Garde ausgeschlagen und stattdessen weiter seinen Dienst in der prima getan. Andernfalls wäre wohl so manches anders gelaufen in seinem Leben.


    Natürlich war es ausgeschlossen dem Soldaten zu raten, die Beförderung auszuschlagen. Zu nahe wäre dies daran gewesen einen höheren Befehl zu hintertreiben, was mit Licinus verständnis der Hierarchie nicht vereinbar war.
    "Ich fürchte ..." setzte er mit schwerer Stimme an. "Deine Analyse ist korrekt." Anders konnte man es nicht formulieren, Rom war ein Moloch und die Prätorianer nicht minder von Korruption durchzogen als die gesamte restliche Politik.
    Vielleicht konnte er dennoch etwas tun, denn auch wenn er sie verlassen würde betrachtete er den Tiberier als einen "seiner" Soldaten und sah sich daher in einer Fürsorgepflicht für ihn.
    "Ich könnte ein Empfehlungsschreiben aufsetzen, indem ich anrege dich im Wach- und Personenschutzdienst einzusetzen, nicht im Ermittlungsdienst. Als Abschiedsgeschenk sozusagen. Vorausgesetzt du möchtest das." Betrachtete Licinus diesen Teil der Aufgaben der Prätorianer doch als den deutlich ehrlicheren, auch wenn er sich nicht ganz klar war, dass auch und gerade hier von den "Ausrutschern" und "Unzulänglichkeiten" hoher Politiker direkt mitbekam.

  • Verus Befürchtungen wurden bestätigt, was seine Laune nicht erheblich aufwertete. Seine durch Schicksal gebundene Weltsicht wollte sich nicht erhellen und somit fügte sich der Offizier in diese Pein, um diese zu erdulden. Im Krieg und im Praesidio hatte er gelernt, geduldig jeglichen Schmerz zu ertragen, bis Eis und Frost die schrecklichen Gefühle erfroren. Zeit war wie Eis und ließ vieles zerfallen aber trotzdessen konnte die Gegenwert mit ihrem Feuer, das Eis zum Schmelzen bringen. Auch ein brennendes Herz, welches in Liebe schlug, zertrümmerte den Eispanzer um Herzen. Verus war beides widerfahren. Der Römer fühlte sich verraten. Nicht von Rom oder der Legion, sondern von sich selbst. Wieder stand er nicht zur Wahrheit seiner Seele, sondern fügte sich in Gefolgschaft. "Vernunft ist ein guter Ratgeber," meinte Verus zynisch und spielte damit auf die geteilte Analyse an. Rom war wohl doch schmutziger und grausamer als seine alten Ideale verhellen konnten. Rom war zwar auch ein Licht aber auch ein Licht konnte die Sicht blenden. Verus Sicht war jedoch nicht mehr geblendet, sondern er sah nun auch den Schatten den jenes Licht auf die Menschen warf. Es war eine familiäre Hölle: bekannt aber unlösbar. "Ich gehe vorbereitet," entfiel es ihm. "Ich bin nicht naiv oder gutgläubig, Präfekt." Er nickte Licinus zu und strich sich dann über die Handaußenfläche seiner Rechten mit der linken Hand, um dann schließlich auf einen Schmerzpunkt im Schnittpunkt zwischen Daumen und den restlichen Fingern zu drücken. Er wollte sich vergewissern, noch in der Realität zu sein und verdrängte mit diesem natürlichen Gefühl eines Druckschmerzes seine fatalistischen Gedanken, um sachlich zu bleiben. Der Tiberius kannte die römische Politik und würde sich nicht unwissend in das Moloch begeben. Er trat sogar an, einige Probleme dieser Gesellschaft zu lösen und zwar durch geschicktes Handwerk. Als Offizier wusste er Probleme strategisch anzugehen und mit Fokus Fallstricke zu beseitigen. In seinem Leben gab es viele Fallstricke, die er alle durchschneiden konnte. Dies jedoch niemals ohne einen Preis zu zahlen. Verus hatte in falschem Eifer gerne mit Blut bezahlt; vornehmlich das anderer. Sein altgedienter Vorgesetzter machte ihm sogar ein gutes Angebot, welches fast schon ein Geschenk war. Verus konnte sich wieder verstecken und würde in einem einfachen Dienst vergehen können. Der Veteran überlegte in der Tat, ob er das Angebot annehmen sollte. "Ich kann vieles, Präfekt. Ich habe an der Grenze ermittelt. Ich habe an verschiedenen Kampfhandlungen, insbesondere Dacia und zuweilen auch an Kampagnen im germanischen Raum teilgenommen und bin sicherlich in vielen Bereichen erfahren aber ich bin niemals vor der Pflicht geflohen," erklärte Verus einleitend und fasste seine recht beschauliche Karriere zusammen. "Dein Schreiben ehrt mich und würde sicherlich für einen einfachen Einstand sorgen aber mir ist wichtig, dass man meine Person als das eingesetzt wird, was für richtig befunden wird. Als Soldat diene ich auf einem befohlenen Posten, wie eine Kriegsmaschine und am Ende macht es das auch einfacher, wenn wir selbst keine Wahl haben. Keine Wahl zu haben, befreit uns von Zerwürfnissen. Es erlaubt uns, frei in der Sache zu agieren, weil es befohlen wurde," sagte Verus und gab seine Perspektive frei, die von einem bissigen Nihilus begleitet wurde. "Wenn ich Wünsche offenbare und mich besser stelle als andere, pervetiert es den Dienst und den Eid, den wir geleistet haben. Ich erwarte als Offizier Dienstreue und Aufopferung aber nehme mich selbst davon frei? Eine Centurie ist nur so gut, wie ihr Centurio, der stets in bester Tapferkeit und Selbstaufopferung handelt. Ich kann nur Disziplin verlangen, wenn ich selbst Disziplin aufbringe. Ich bin nicht korrupt und lasse mich nicht verkaufen für ein bisschen Freiheit. Am Ende soll mein Name nicht mit Trägheit verbunden werden," hielt er eine Brandrede und meinte diese insgeheim gegen Rom zu richten, das ihm diese neue Sachlage beschert hatte. Licinus war nur der Leidtragende als Zuhörer. "Dennoch möchte ich dich bitten, dass du ein ehrliches Schreiben mit meinen Erfolgen, Misserfolgen und Talenten aufsetzt, welches ich vorzeigen kann," bat Verus schließlich, um seinen Präfekten zu verprellen und ebenso für sich einen Abschluss unter der Legio zu finden. Es gab kein Entkommen aus der Pflicht. Nicht mehr für ihn. "... ein Abschluss für diese Karriere." Verus schloss die Augen und verzog seine Lippen zu einer resignierenden Maske.

  • Licinus ließ den Tiberier ausreden. Der Tonfall war definitiv unangemessen, aber durch die Menge der schlechten Nachrichten gerade noch entschuldbar. Allerdings zeigte eine scharfe Stirnfalte, dass der Präfekt ob der subtilen Unterstellungen an ihn selbst, die man durchaus heraushören konnte, nicht amüsiert war.


    "Ich wollte deine Kompetenzen mitnichten in Zweifel ziehen," betonte Licinus.
    "Aber um eines ganz klar zu sagen: Seine Pflicht zu tun und Wünsche zu äußern ist kein Widerspruch. Im Gegenteil.
    Es ist Aufgabe eines Vorgesetzten, seine Männer dort einzusetzen, wo sie am besten einzusetzen sind. Da ist es wichtig zu wissen, wo die Männer selbst ihre Stärken sehen. Natürlich versteht es sich von selbst auch dann sein bestes zu geben, wenn man nicht gemäß der eigenen Wünsche eingesetzt wird.
    Davon abgesehen sollst du als centurio gerade nicht wie eine Maschine agieren sondern selbst denken und Initiative zeigen. Wie du es ja bisher auch getan hast."


    Natürlich wäre das ganze einfacher, wenn man in Rom statt immer konkrete Personen anfordern würde, sondern mitteilen würde, einen centurio für welche Aufgaben man denn nun benötigte und es Licinus überließe ihn auszuwählen-


    "Ich werde ein entsprechendes Schreiben aufsetzen. Du bist dann für heute entlassen. Regele deine Dinge hier, deinen Marschbefehl erhältst du in den kommenden Tagen."

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