Officium | Manius Flavius Gracchus Minor

  • Am Tage nach der Amtseinführung des neuen Jahres hatte Manius Flavius Gracchus Minor, neu erkorener Tresvir Monetalis, seine neuen Collegae sowie Herakles, den Optio et Exactor Auri Argenti Aeris, in die Villa Flavia Felix geladen, um gemeinsam mit ihnen das kommende Jahr zu planen und die Obliegenheiten ihres neuen Amtes zu verteilen. Als einziger Sohn eines Consularen nahm er den höchsten Rang innerhalb seines Collegium ein, sodass ihm diese Ehre zugekommen war.


    Folglich saßen die Triumviri sowie der Exactor im neuen Officium des jungen Flavius, welches nun, da die Wahl gewonnen und das Amt auf ihm lastete, häufiger genutzt werden würde, um einen runden Tisch.
    "Avete, collegae. "
    , eröffnete Manius Minor die Session und blickte zu seinen Collegae. Beide überragten ihn deutlich, was selbstredend ob der geringen korporalen Höhe keine Kuriosität darstellte, einer von ihnen jedoch auch in der Breite, was nicht selten geschah. Es war Quintus Baebius Lentulus, ein Homo Novus und Sohn eines Eques, welchem der Princeps erst kürzlich den Latus Clavus hatte verliehen, weshalb er nun erst in beachtlich hohem Alter den Lauf der Ehren antrat. Beim weniger voluminösen der beiden handelte es sich hingegen um Publius Licinius Murena, den Sohn des gleichnamigen Praetorius, welcher noch zwei Lenze weniger zählte als der junge Flavius. Die drei hatten bereits im Wahlkampf miteinander konkurriert und waren sich insofern bekannt, weshalb Manius Minor nach einigem Zögern konstatierte:
    "Mir scheint, dass eine Präsentationsrunde obsolet ist. Dies hier ist Herakles, welcher seit langer Zeit in der römischen Münze arbeitet und ihr als Optio vorsteht."
    Er deutete auf den ältlichen Libertus zu seiner Rechten, welcher schon vor Jahren in der Münze seine Dienste hatte geleistet. Nun war er der informelle Leiter jenes Instituts und der wohl Dienstälteste seiner Angestellten, womit er in den Augen Manius Minors geradehin als Antithese seines mit ewiger Jugend gesegneten mythischen Namensvetters erschien: Anstatt Muskeln zierte schlaffe Haut die Arme des Greisen, anstatt markanter Züge Falten sein Antlitz, anstatt vollem Haar eine Glatze den Scheitel. Herakles beugte sich vor und deutete eine Verneigung vor seinen neuen Dienstherren an, um sodann zu beginnen:
    "Avete. Ich arbeite schon seit langer Zeit für die Münze und kenne sie wohl so gut wie kein anderer. Die Aufgaben, die dort anfallen, sind sehr vielfältig: Von der Beschaffung des Rohmaterials über Einkauf und die Übernahme aus Tributzahlungen über die Bestimmung der Motive bis hin zur Prägung. Von der Instandhaltung der Gebäude und Transportmittel bis zur Auswahl der Staatssklaven und Angestellten."
    "Nun, dann sollten wir die Aufgaben wohl am besten distribuieren."
    , vermerkte Manius Minor, um so eilig als möglich jene unerquickliche Okkupation hinter sich zu bringen, denn obschon er noch niemals in der Administration der Urbs Aeterna hatte gearbeitet, so war er doch bereits überaus sekur, dass jene Obliegenheiten ihm nicht im geringsten Lust würden bereiten.
    Selbstredend übernahm Herakles die Nennung der Aufgaben, über welche der flavische Jüngling sich ob seines limitierten Interesses ohnehin bisherig nur sporadisch hatte kundig gemacht:
    "Dann beginnen wir mit dem Grundlegenden: Jemand müsste die sich um die Instandhaltung der Münze sorgen."
    "Das könnte ich übernehmen."
    , replizierte Baebius, dessen Vater bekanntermaßen zahlreiche Bau-Unternehmungen in der Urbs organisierte.
    "Die Zuweisung der Tributzahlungen?"
    "Darum könnte ich mich kümmern."

  • Nachdem Licinius die Tribute zu seiner Domäne hatte erklärt, schritt Herakles sogleich voran:
    "Der Zukauf von Edelmetall bei Bedarf?"
    Ein unbehaglicher Augenblick der Stille entstand, weshalb der junge Flavius aufblickte und erkannte, dass der Sprecher ebenso wie seine Collegae voller Erwartung ihn fixierten. Mitnichten verspürte er die Neigung, gleich einem Krämer um die Preise für Silber und Gold zu feilschen, zumal ihm, welchem sich der schnöde Mammon stets ein Objekt hatte dargestellt, das man schlichtweg besaß und über das zu reflektieren niemals Anlass war gewesen, jedwedes Talent für derartige Transaktionen abgehen musste. Doch mit größter Klarität lastete nunmehr die Erwartung auf ihm, sodass schlussendlich er mit nicht geringem Widerwillen erklärte:
    "Dies würde ich an mich nehmen."
    Kaum hatte er jene Replik formuliert, fragte er sich, inwiefern die staatlichen Münzen überhaupt genötigt waren, Edelmetall aus privaten Quellen zu erstehen, da der Imperator selbst doch, so man der gemeinen Rede glauben mochte, über unzählige Minen und Stollen verfügte, durch welche die Majorität sämtlicher metallischer Bodenschätze wurde ausgebeutet. Doch Herakles sah den Augenblick nicht gekommen, die Aufgaben näher zu erläutern, sondern fuhr vielmehr schlichtweg fort:
    "Die Prägung der Aurei?"
    "Mache ich!"
    , preschte diesmalig Licinius voran, weshalb Baebius ihm einen missgünstigen Blick zuwarf, da augenscheinlich die Prägung der wertvollsten Münzen beiden als ehrenvollste der Domänen erschien. Auf die logisch folgende Offerte:
    "Die Denarii?"
    , eilte sich somit der feiste Rittersohn, seine Ansprüche zu erheben und deklarierte:
    "Ich!"
    , sodass neuerlich dem jungen Flavius die restierende Münzenschar verblieb:
    "Sestertii und Assi?"
    "Nun, dies restiert wohl für mich."
    Immer fort sponn sich die Distribution jener Materien, sodass der junge Flavius in nicht geringem Maße sich erstaunte, welche Vielfalt an Obliegenheiten sie in diesem Jahre würde okkupieren. Doch die Fassade der Observanz familiarer Konformität war zu erhalten, so hatte er entschieden. Er würde also parieren und seine Pflicht erfüllen, gleichwohl selbige nichts anderes war denn eine leere, unerquickliche Meinung.

  • Irritiert blickte der Tresvir auf, als Acanthus Heracles ankündigte. Obschon der Exactor in gleichmäßigen Intervallen ihn in seinem Officium aufsuchte, um die Obliegenheiten seines Amtes zu disputieren, so war dies doch höchst selten zu postmeridialer Stunde der Fall, wenn auch der junge Flavius nicht selten seine Arbeit bereits hatte niedergelegt, um mit einem süßen Schluck Opium sich in den Nachmittag zu verabsentieren. Doch schon trat Heracles ein, fahriger denn seinem Usus gemäß, was, noch ehe er den Mund auftat, dem Jüngling verriet, dass ein schreckliches Malheur war geschehen.
    "Flavius, es gibt schlechte Neuigkeiten: Eine der kaiserlichen Kupferminen in Populonia ist eingestürzt!"
    Ratlosigkeit troff aus den Worten des Exactor, dennoch klangen sie in den Ohren des jungen Flavius similär zu der sprichwörtlichen Botschaft des gestürzten Beutels Getreide in einem Lande am Ende der Seidenstraße, weshalb er nach einigem Zögern die evidente Frage stellte:
    "Was bedeutet dies für uns?"
    "Das wissen wir noch nicht. Es hängt davon ab, wie groß der Schaden letztlich ist, wie viel Erz gerettet werden konnte und so weiter."
    "Nun, wurde dies nicht bereits gemeldet?"
    "Nein, der Procurator dort hat sofort Meldung gemacht und beginnt sicherlich erst, die Schäden zu analysieren. Es wäre am besten, wenn einer von uns nach Populonia reist, und sich die Lage vor Ort ansieht."
    Der junge Flavius runzelte die Stirne. Er vermochte noch nicht einmal den visuellen Eindruck eines eingestürzten Bergwerkes zu imaginieren, zu schweigen von deren Folgen für die Ökonomie der Münze. Dennoch ahnte er, wohin die Explikationen des Verwalters würden münden:
    "Nun, wärest du nicht der adäquate Mann für diese Angelegenheit?"
    "Ich muss die Prägung der letzten Charge hier überwachen."
    "Was ist mit Licinius oder Baebius?"
    "Ich denke, du bist für die Kupferprägungen zuständig?"
    Der Jüngling seufzte. Selbstredend sprach Heracles wie gewöhnlich die Wahrheit, diese Angelegenheit fiel unter seine Procura. Indessen mochte eine kleine Reise nicht so indesirabel sein, wie sein erstes Zurückschrecken verhieß: So er eine adäquate Menge an Opium im Vorfeld erstand, wäre es gleich, an welchem Orte er es konsumierte, zumal er auf Reisen zweifelsohne weniger disturbiert werden würde als hier in Roma, wo Manius Maior, die Lasten des Amtes und die lästigen Pflichten der Repräsentation zu jedweder Festivität ihn beständig okkupierten. Ein sublimes Lächeln umspielte seine Lippen. Eine kleine Reise kam ihm mitnichten inopportun.

  • Die Unterredung mit dem A Rationibus hatte dem jungen Flavius schlagartig vor Augen geführt, dass er, selbst wenn die Konfrontation mit dem Princeps ihm keinerlei Ehrfurcht abnötigte (wozu neben seiner epikureischen Prägung zweifelsohne auch die aristokratische Edukation, in deren Rahmen er beständig mit den potentesten Personen des Staates hatte verkehrt), er doch würde genötigt sein, diesem adäquate Motive für die zu prägenden Münzen zu offerieren. In der Tat freute sich der Jüngling gar auf jene kreative Obliegenheit, die seinem Geist weitaus größere Freiheit gewährte denn das schnöde Hin und Her der Zahlen, weshalb er in juvenilem Übermute gar hatte erklärt, für sämtliche Kupferprägungen verantwortlich zu zeichnen, während Licinius einen Entwurf für den Aureus, Baebius hingegen für den Denarius würde vorlegen.


    Doch kaum hatte er sich gemeinsam mit Patrokolos zu jenem artifiziellen Schöpferprozess retiriert, wurde mit der Dauer ihm bewusst, dass jenes Unterfangen keineswegs so leichtlich ihm von der Hand wollte gehen, wie er es vermutet hatte. So wäre zweifelsohne es ein Leichtes gewesen, schlicht traditionelle Motive aus dem infiniten Repertoir an Symbolen, Figuren und Personifikationen zu wählen, sie gewissermaßen randomisiert hervorzuziehen und sodann einem der Signatores zur Kopie zu überreichen. Doch der junge Flavius hegte den Anspruch, ein geistreiches Konzept zu offerieren, welches nicht nur das kontingente Resultat geistloser Elektionsprozesse darstellte, wie sie zweifelsohne insonderheit sein Amtskollege Baebius würde präsentieren, sondern die Reflektiertheit ihrer Formation, womöglich gar eine persönliche Note oder eine Referenz auf den großen Philosophen würde transportieren. Doch keineswegs mochte dies allzu leicht erscheinen, da doch Patrokolos das Amt des Advocatus Diaboli auf sich nahm, um jenem einen Gesichtsverlust durch inadäquate Vorschläge zu ersparen:
    "Diese gängigen Motive vermögen doch keinerlei erbauliche Nachricht zu transportieren!"
    Patrokolos hatte zur Inspiration einige Münzen aus dem flavischen Familienschatz hervorgeholt, welche dem Alter der Familie entsprechend bis in republikanische Zeiten, als die Münzen noch weitaus bessere metallische Qualität hatten besessen, zurückreichten, obschon weder dies, noch die diversen Motive selbstredend dem jungen Flavius waren offenbar, der doch ob seiner Fehlsicht lediglich haptisch die Motive mochte ergründen. Nun indessen warf er achtlos einen Dupondius, welchen die kaptivierte Iudaea präsentierte, zurück auf den Tisch, wo sie sprang und soeben noch dem Sturz auf den Boden entging, da Patrokolos geistesgewärtig sie auffing.
    "Na, eine Eroberung hat der Kaiser ohnehin nicht vorzuweisen. Abgesehen vielleicht von seiner hübschen Frau..."
    Selbstvergessen griff der Sklave nach einer Münze, welche das Konterfei einer Kaiserin zierte.
    "Wie wäre es mit der Augusta?"
    "Transportieren die Tugenden von Liebe und Treue nicht exakt jene leeren Meinungen, vor welchen Epikur uns warnt? Eine Referenz auf die Ehegattin von Aquilius entspräche doch lediglich einer Honorierung des absurden Konzeptes der Ehe!"
    Mit Abscheu gedachte der Jüngling für einen Augenblick des desagreablen Zwiegesprächs mit seiner Angetrauten, welches ihm wie zuletzt die Freude an den Festivitäten seines Wiegenfestes hatte geraubt, da es ihn doch beständig gewahrte, dass er einst in alle Ewigkeit an jene in jeder Hinsicht unattraktive Person würde gekettet sein, genötigt mit ihr den Geschlechtsakt zu vollziehen, um der Fassade des flavischen Geschlechtes eine weitere Etage hinzuzufügen.
    "Also keine Augusta..."
    , kommentierte Patrokolos und warf die Münze zurück auf den Haufen.
    "Die Götter sind auch wi-"
    Enerviert erhob Manius Minor Hand.
    "Keine Götter! Wir können das Volk nicht in seiner kindische Furcht vor den Göttern konfirmieren, indem wir sie, die doch in fernen Sphären weilen, ihnen aufs Neue vor Augen führen. Dessenungeachtet wird ohnehin Murena dies für uns übernehmen."
    Zumindest hatte Licinius sich dergestalt geäußert.
    "Keine Götter, keine Familie-"
    Er hielt inne, blickte auf das Konglomerat von Münzen auf dem Tisch und zog ein As mit dem Porträt des Divus Titus hervor, als selbiger noch weder göttlich, noch mit sämtlichen imperialen Weihen war ausstaffiert gewesen.
    "Was ist mit dem Caesar?"
    Der junge Flavius zuckte mit den Schultern. Seitens des großen Samiers zumindest war nichts gegen die Jugend einzuwenden, womöglich würde ein Lob der Jugend gar die Bedeutung des imperialen Amtes ein wenig relativieren.
    "Dem wäre nichts zu objektieren."
    "Dann benötigen wir trotzdem eine passende Rückseite. Ich habe gehört, dass Bala kürzlich als Iudex tätig war, außerdem besteht ihm ja noch die Praetur vor. Was ist mit der Gerechtigkeit?"
    "Die Ungerechtigkeit ist kein Übel an sich, sondern nur aufgrund der misstrauischen Angst davor, dass sie von der Strafverfolgung nicht unentdeckt bleibt."
    , rezitierte der junge Flavius prompt den 38. Lehrsatz des Epikur, welcher prompt ihm in den Sinn kam.
    "Die Gerechtigkeit ist doch just eine jener Tugenden, die auf nichts als leeren Meinungen beruhen! Keine Tugenden!"
    Doch der findige Diener hatte seinerseits nicht stets geschlummert während der Lektionen seines Herrn, hatte gar als dessen Repetitor in den epikureischen Studien fungiert, weshalb er nunmehr war präpariert, den Vorstoß mit einem weiteren Zitat des Weisen zu parieren:
    "Im Allgemeinen ist die Gerechtigkeit für alle dieselbe; denn sie ist ja etwas Nützliches im Umgang miteinander. Auch das sagt dein Epikur!"
    Der junge Flavius stützte das feiste Kinn auf die Faust und verzog den Mund. Ihm missfiel jene dümmliche Propagierung simpler Werte und dubitabler Tugenden, welche doch augenscheinlich die unhintergehbaren Konstriktionen jenes kreativen Prozesses repräsentierten.
    Patrokolos seufzte.
    "Domine, wir können nicht alles ausschließen, was den Konventionen entspricht! Ohne Götter und Tugenden bleiben nur außenpolitische Erfolge und die sind im Fall von Aqulius auch eher bescheiden!"
    Obschon der junge Flavius sich seit seiner Studienreise in keinster Weise mehr für die Unbilden der römischen Außenpolitik hatte interessiert, erschien ihm dies unmittelbar einsichtig, weshalb endlich er das Haupt von der Hand löste, sich gegen die kühle Wand des Officiums ließ fallen und mit einem wegwerfenden Gestus endlich erklärte:
    "Dann sei es eben Iustitia!"

  • "Existieren nicht auch Motive, welche die Menschen einfach inspirieren, sich ihres Lebens zu erfreuen? Was ist mit Glück? Mit Lust?"
    , warf der junge Flavius endlich ein, blickte ratlos zu seinem Sklaven, welcher konträr zu ihm imstande war, sich fortwährend an den Exempeln der flavischen Arca zu inspirieren. In jener Situation nun erschien es überaus deplorabel, dass seit nicht weniger als einem Dezennium er nicht mehr die Münzbilder zu lesen imstande war, sodass final sie ihm weitestgehend waren entfallen.
    "Außer Göttern und Politik haben wir hier nur Tugenden: Virtus, Pietas, Fides, Iustitia, Libertas, Pax..."
    , benannte der Sklave die Motive zahlloser Münzen, welche er aus dem monetaren Haufen fischte, begutachtete und wieder zu den ihren warf, mehr und mehr von Desperation ergriffen, mit seinem Herrn noch zu einem guten Ende zu gelangen und endlich stumm seine Inspektion fortzuführen.
    Manius Minor hing unterdessen seinen Gedanken nach, rezitierte gedanklich die epikureischen Lehrsätze, stets spintisierend, welche von ihnen mochten zu den leeren Meinungen der Majorität der Gesellschaft kompatibel sein, zugleich indessen symbolisierbar durch ein bloßes, allgemein detektables Bild, welches aus dem limitierten Raum der Münze hinreichenden Platz fand. Doch weder war Ataraxia, noch Lust als römische Tugend zu ponderieren, noch ließ die unschuldige Freundschaft sich in einen staatstragenden Diskurs transferieren, um als Amicitia Augusti die Bürger zu inspirieren, während ihr womöglich gangbares Pendant Concordia dem Jüngling als unattraktiv erschien, da es ihm doch zu eng war verbunden mit dem Tempel der Concordia, der Farce des Staatskultes und nicht zuletzt jener erzwungenen Eintracht, welche auch sich in der Fassade des flavischen Hauses wiederfand und hinter welcher die Interessen, Wünsche und Begierden des einzelnen gleichsam planiert wurden unter den leeren Meinungen des Hauptes, hier Manius Minors, dort des Princeps.
    "Degoutiert oder abhorresziert denn die Majorität vor allem, was dem Philosophen gut und erstreblich ist?"
    , lamentierte er endlich und ließ ein klagendes Seufzen seinem Munde entfleuchen. Womöglich sollte schlicht er sich mit einem Becher Opium kalmieren und jene unerfreuliche Obliegenheit prokrastinieren.
    "Ich habe hier eine Drachme mit einem Füllhorn. Wäre ein Füllhorn nicht auch im Sinne Epikurs? Erfreue dich des Überflusses?"
    Der junge Flavius, desillusioniert treibend im Meer der Trübsal, blickte auf, als habe er am Horizont den Flug von Möwen als Zeichen des rettenden Festlandes entdeckt.
    "Das Füllhorn..."
    , repetierte er das Motiv, verkostete während seiner Artikulation es in Gedanken und ließ sein Boquet nachklingen, ehe endlich er saturiert nickte.
    "Das Füllhorn wäre durchaus adäquat. Die Abundantia Augusti mag das Volk erinnern, in welchem Überfluss es lebt und zugleich inspirieren, sich an jenem Überflusse zu erfreuen!"

  • Beinahe bis zum Ende seiner Amtszeit hatte es gedauert, bis Manius Minor doch noch war genötigt worden, einen neuen Lieferanten für die Produktion von Schrötlingen zu finden, mit welcher er heutig sich zu befassen hatte. Vor ihm saß Quintus Cocceius Vindex, welcher seinen Angaben zufolge bereits in dritter Generation eine Eisenschmelze vor den Toren Roms betrieb und dennoch sich mäßiger Latinität befleißigte, aus der überaus deutlich die gallische Deszendenz war zu erkennen:
    "Isch versische'e di', we'te' Trèsvi': Wir liefe'n stets pünktlisch und zu' vollsten Süfriden'eit unsere' Künden!"
    Dergestalte Bekundungen hatte letztlich nahezu jeder der Bewerber um die lukrativen Staatsaufträge, welche der Jüngling zu vergeben versprach (zumal sie seltenst annihiliert zu werden pflegten), weswegen sie ihm mäßig imponierten. All jene Lasten seines Amtes erschienen ihm nun, so kurz vor dem Ende seines Leidens von infiniter Schwere und Ennuyanz, sodass er neuerlich sich inständig wünschte, von jenen speichelleckeresken Zwiegesprächen so eilig als möglich priviert zu werden.
    "Wie hoch beläuft sich nun der Stückpreis?"
    "Fü' fünf'ünde't Sch'ötlingé swansig Seste'sen."
    Fragend blickte Manius Minor zu seinem Sklaven Patrokolos, welcher in ökonomischen Belangen seinem Herrn eine unersetzliche Stütze war, da selbst nach einem Jahr des Amtierens als Münzpräger dieser keinerlei Gefühl für Preise und Wertigkeiten hatte evolviert, ja nicht einmal es für notwendig hatte erachtet, sich die knappen Vorgaben, welche der Exactor Heracles ihnen hatte mitgeteilt, einzuprägen (obschon er im übrigen stets über ein exorbitant gutes Gedächtnis verfügte).
    "Dieser Preis liegt deutlich über den Preisen der laufenden Verträge. So werden wir keinesfalls einig."
    , intervenierte der Sklave nach einem langgezogenen Seufzen, da auch ihm jene Materie keinerlei Freude bereitete.
    "Isch muss auc' von etwas leben, we'te' He'!"
    "Wir vertreten die Interessen des Kaisers. Es ist eine hohe Ehre, für die kaiserliche Münze zu arbeiten! Ich schlage sieben Sesterzen für 400 As-Schrötlinge vor."
    , refutierte Patrokolos den Einwand seines Opponenten, der dennoch einen neuerlichen Versuch begann:
    "Vie'unde't? Willst dü misch verspotten? Von sö einem Lohn kann isch nischt einmal meine Sklaven finansieren!Fünfse'n Seste'sen sind mein letstes Ongebot!"
    Der junge Flavius stöhnte auf, doch erwies Patrokolos sich als unerbittlich:
    "Das wundert mich sehr. Die übrigen Verträge der Münze belaufen liegen auch deutlich niedriger."
    "Isch weiß nischt, womöglisch sind diese Böt'iebe größe' und können des'alb billischer prodüsie'en! Wi' sind ein Familienböt'ieb!"
    Manius Minor lehnte sich zurück und bestaunte die Beharrlichkeit, mit welcher sein Diener jenem Basaristen die Stirne bot:
    "Dann sollten wir möglicherweise lieber einen größeren Betrieb wählen, der uns bessere Preise bieten kann."
    Flehend erhob der Gallier die Hände.
    "Ulala, isch bitte disch! Es wird misch 'üini'en, abe' isch könnte auc' onbieten... sagen wi' swölf Seste'en?"
    Obschon der Tresvir selbst lediglich einem passiven Publikum gleich das Wortgefecht zwischen den beiden Kontrahenten verfolgte und nicht genötigt war, die Ausflüchte und Finten des Unternehmers zu parieren, welche ihm überaus absurd erschienen, da er es doch gewesen war, der einen Liefervertrag erhoffte, während Patrokolos und er keinerlei persönlichen Profit aus jenem Geschäfte zogen, ja in wenigen Tagen ohnehin jene unerfreuliche Feilscherei als Restante an ihre Amtsnachfolger übergeben mochten. Dennoch würde es womöglich jenen nobilitären Sklaven der leeren Meinungen bezüglich des unbedingten Verpflichtungscharakters politischer Obliegenheiten, die den Senat besetzten und deren Urteil Manius Maior fürchtete wie den Ratschluss seiner Götzen, zum Anlass dienen, seine Amtszeit als unvollendet zu kritisieren, weshalb er sich nicht zu entscheiden vermochte, die Verhandlungen schlicht zu prokrastinieren.


    Andererseits hingegen vermochte er kaum sich noch auf seinem Platz zu halten angesichts der Gier, in welcher jener Cocceius augenscheinlich war gefangen, stets lediglich orientiert mehr Gewinn oder Ersparnis dem unersättlichen Mammon darzubringen, um doch dadurch nur in höhere und torquierlichere Begierde nach Geld und Reichtum gezogen zu werden. Obschon sein letzter Becher Opiums nicht allzu lange zurück lag, fühlte er sich zutiefst dahin gezogen, einen weiteren Schluck von ihm zu konsumieren, anstatt sich jenem unwürdigen Schauspiel weiter auszusetzen. Indessen wäre es wohl überaus unschicklich gewesen, sich schlicht zu retirieren und diese Verhandlungen seinem Diener zu überlassen (auch dies würde ihm wohl als Pflichtvergessenheit angelastet werden). Somit blieb ihm letztlich nichts, als ihnen zügig ein Ende zu setzen:
    Stumm hob er die Hand und ließ sie, beschleunigt allein durch das natürliche Streben aller Atome gen Boden, auf den Tisch fallen, was bedingt durch das Metall seines Siegelringes einen beachtlichen Knall produzierte.
    "Wir akzeptieren deine Offerte. Zwölf Sesterzen für vierhundert Schrötlinge."
    , beschied er sodann, ehe noch Patrokolos ihn zu bremsen vermochte, obschon dieser vernehmlich Luft einsog und augenscheinlich sich zu nötigen hatte, selbige ohne die Produktion maßregelnder Worte wieder entweichen zu lassen. Das Antlitz des Galliers hingegen verzog sich zu einem Lächeln (zumindest vermutete Manius Minor, dem die Identifikation der Züge seines Opponenten in jener Distanz selbstredend verschlossen war) und mit einem gewissen Schalk in der Stimme erwiderte er:
    "Osgeseischnet! Ein fe'e' P'eis, denke isch!"
    Erst nachdem Vindex mit einem gesiegelten Liefervertrag der Villa Flavia Felix in der Tasche den Rücken kehrte, wagte es Patrokolos seinen Herrn zu ermahnen, der mit seiner Intervention eine relativ, wenn auch nicht inakzeptabel ungünstige Übereinkunft im Namen des Kaisers hatte erwirkt. Manius Minor indessen war der Tadel gleich. Denn erstlich verspürte er zu jenem Zeitpunkt bereits den vertrauten, bitteren Geschmack des Opiums auf der Zunge und zweitens würde er in wenigen Tagen ohnehin jeder Partizipation an dem ridikulösen Spiel der Macht ledig sein, sodass er weder die Ungunst des Kaisers, noch das Krakeelen eines Quaestors zu fürchten hatte.

  • Nach dem Leisten des Eides sowie der Partizipation am Processus Consularis kehrte der frisch erkorene Quaestor in die Villa Flavia Felix zurück, um sich einerseits ein wenig Rekreation bis zum abendlichen Festmahl zu gewähren, zum anderen jedoch die dringlichsten Präparationen für seine nunmehr begonnene Amtszeit zu vollbringen. Dazu zählte nicht zuletzt der Empfang seines persönlichen Scriba Quaestoris, welchen die Decuriae der Apparitoren ihm zugelost hatten und der bereits im Atrium ihn erwartete, kaum dass er die Villa betreten hatte.
    "Salve, du bist?"
    , begrüßte ihn der junge Flavius in bester Laune, doch Unkenntnis jener Person, welche augenscheinlich nach Abschluss der Salutatio noch eingelassen worden war. Wie Manius Minor erkannte, handelte es sich um eine feiste Gestalt von kleinem Wuchs, deren Haupt ein voller, tiefschwarzer Haarkranz schmückte.
    "Ave, Quaestor! Ich bin Numerius Scribonius Mundus und wurde von der Decuria der Scribae als dein persönlicher Schreiber entsandt."
    , erwiderte der Fremde und setzte den Jüngling damit ins Bild, da doch bereits kurz nach der Wahl einer der Scribae des heute geschiedenen Consuln über die administrativen Kontexte seines erworbenen Amtes in Kenntnis hatte gesetzt, selbst wenn der Umstand, dass sein Officium ihn am Tage seines Amtsantrittes würde aufsuchen, ihm wieder entgangen war.
    "Dies hier sind Quintus Cornelianus Clarus, dein Praeco, und Arminius Celer, dein Viator."
    , präsentierte der Scriba sodann seine eigene Entourage, welche der Quaestor ebenfalls kurz musterte, um sodann seinen drei neuen Mitarbeitern einen Fingerzeig zu geben, ihnen in sein Officium zu folgen.

  • Obgleich die Sitzung des Senats an diesem Tage ein wenig ermüdend war gewesen kehrte Gracchus doch guter Laune zurück in die Villa Flavia, denn ohnehin konnte dieser Tage ihn wenig aus der Euphorie entrücken, welche seit seiner Rückkehr nach Rom ihn umfing. Bereits auf dem Weg hatte er Sciurus aufgetragen, die Anwesenheit seines Sohnes zu prüfen und ihm mitzuteilen, dass er ihn sprechen wollte. Im Atrium schlug Gracchus ein sublimer Duft entgegen, welcher mehr als eine Köstlichkeiten zur abendlichen Cena ließ erwarten, und statt der über den Winter hinweg zentralen Feuerschalen prägten bunte Farbtupfer von Frühlingsblumen den offenen Raum. Beschwingt durchquerte der Flavier dies ihm so traute Heim und steuerte das Officium seines Sohnes an. Das Officium seines Sohnes - er platzte beinahe vor Stolz allein bei dem Gedanken daran und verdrängte die Tatsache, dass die Existenz dieses Raumes ihn auch seines fortschreitenden Alters gemahnte. Mit kräftigem Schlag klopfte er an und trat sogleich ein.
    "Minor!"
    , grüßte er jenen grußlos und ging nachgerade in medias res, wie stets wenn ein Anliegen in seinen Gedanken bereits gefestigt war und Belanglosigkeiten oder Nettigkeiten ihn von diesem Ziel nur würden hinfort führen.
    "Wir müssen über deine Zukunft sprechen."

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Sim-Off:

    Oh Schreck, dieses Posting entging mir völlig 8o


    Auch nach dem Passieren seiner Magistratur hatte der junge Flavius, welcher seit der Absenz Manius Maiors auch einen Teil der Geschäfte der Familia Flavia Graccha versah, hinreichend Arbeit übrig, um tagtäglich das Officium aufzusuchen, in dem im vergangenen Jahr er manche Amtsgeschäfte hatte vollführt. Deplorablerweise erstreckten diese sich auf weit weniger kurzweilige Sujets als jene eines Quaestors, der einem ambitionieren Consul zu dienen die Ehre hatte, und implizierten insonderheit die Kontrolle der flavischen Güterverwaltung, weshalb es ihm durchaus gelegen erschien, als sein Vater eintrat.
    "Meine Zukunft?"
    , fragte er indessen ein wenig irritiert, als der ältere Gracche prompt sein Anliegen thematisierte und er nicht recht zu erraten wusste, worauf diese projektierte Unterredung konkret abzielen mochte.

  • "In der Tat"
    , bestärkte der Vater und nahm unaufgefordert Platz.
    "Deine Quaestur liegt nun hinter dir, darob lasse mich dir zuvörderst ver..sichern, dass ich wahrhaft stolz auf dich bin! Ich wünschte, deine Mutter könnte dies noch erleben. Auch sie wäre von großem Stolz erfüllt."
    Er lächelte ein abwesendes Lächeln, ehedem er sich wieder der Zukunft zuwandte.
    "Da du deine Aufgaben mit herausragender Bravour erfüllt hast, ist deine Erhebung in den Senat nurmehr eine Formalität. Indes -"
    Gracchus hielt inne.
    "Wie du weißt bedingt die Aufnahme in den Senat eine ordentli'he Ehe. Wir müssen ob dessen den Termin deiner Eheschließung festlegen."
    Selbstredend hatte der Ponitfex bereits den Kalender geprüft und passende Tage ausgewählt, doch wollte er zuerst abwarten, welche Gedanken Minor sich dazu gemacht hatte.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Der junge Gracche lächelte versonnen ob der Äußerungen des Lobes für ihn, insonderheit die Erwähnung seiner Mutter, welcher zuliebe er all dies auf sich nahm. Für einen Augenblick erschien von seinem geistigen Auge das Bild jenes Styx, am dem er sie im Traume hatte getroffen, und jenseitig dessen am Ufer ihre Gestalt, wie sie lächelnd hinüber in die Lande der Lebenden blickte.


    Die Imagination einer anderen Dame wischte indessen das Bild rasch beiseite, als sein Vater die nunmehr projektierte Eheschließung erwähnte und damit die hagere, disproportionierliche Gestalt Cornelia Philonicas beschwor, wie sie insekur und schamhaft im Raume stand. In Momenten wie diesen verabscheute Manius Minor sie, obschon er im selben Moment aufs Neue sich realisierte, dass er ihr nimmermehr würde entfleuchen können, wollte er der ewiglichen Verdammnis entgehen.
    Er schluckte also ein wenig betroffen, um dann mit fester Stimme zu erwidern:
    "Nun, ich habe diesbezüglich bereits mit den Cornelii gesprochen."
    Dieses Gespräch hatte nunmehr vor mehr als einem Jahr stattgefunden, wobei der junge Flavius hatte gelobt, Philonica binnen zweier Jahre zu ehelichen, was nun doch so langsam unter Zugzwang setzte.
    "Mir scheint ebenfalls, dass wir keine Zeit verlieren sollten. Der Maius ist wenig Glück verheißend, doch wie wäre ein Termin im Iunius?"
    , offerierte er einen groben Rahmen, in welchem sein Vater als erfahrener Pontifex zweifelsohne einen adäquaten Tag würde bestimmen können.

  • Der Vater betrachtete seinen Sohn mit gewogenem Blicke. Selbstredend hatte dieser bereits mit den Cornelii gesprochen, selbstredend hatte er bereits einen Termin bedacht. Obgleich es Gracchus bisweilen schwer fiel ihn aus seiner Rolle als Kind oder jugendlichen Knaben zu entlassen, musste er sich eingestehen, dass Minimus längst ein pflichtbewusster, zuverlässiger erwachsener Mann geworden war.
    "Nun, die erste Hälfte des Iunius ist ebenfalls gefüllt mit vielen Feiertagen, insbesondere auch den Vestalia. Günstige Tage sind zwischen dem elften und neunten Tag vor den Kalenden des Iulius oder der vierte und dritte Tag vor den Kalenden des Iulius.* Wenn dir dies zusagt, können wir noch einmal die Auguren be..fragen, welcher Tag am glückverheißendsten ist."




    Sim-Off:

    * 21.-23. oder 28/29.6.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • "Gern könnten wir den Auguren konsultieren."
    , konfirmierte der Jüngling, als sein Vater konkrete Daten offerierte. Einen Augenblick wog er sie gedanklich hin und her, ehe er zu einem Beschluss kam:
    "Aus Gründen der Praktikabilität wären indessen womöglich die zweiten Lucaria ein nicht ungünstiger Termin, da an ihm als Dies nefastus publicus ohnehin weniger Termine sind und überdies die Lucaria sich ohnehin nicht sonderlich großer Popularität erfreuen, sodass die geladenen Gäste zweifelsohne sich für unsere Festivität würden freimachen können."
    Für die römische Aristokratie, welche unvermeidlich zu dieser Festivität würde geladen sein, waren zahllose öffentliche Feiertage bereits mit kultischen Obliegenheiten blockiert, sodass es in den Augen des jungen Flavius galt, eine umsichtige Wahl zu treffen. Die Lucaria erschienen somit als ein adäquater Kompromiss.

  • Gracchus' linke Braue hob sich ein wenig empor als sein Sohn von den Lucaria zu sprechen begann, ehedem der realisierte woher dieser Umstand rührte. Zweifelsohne war es die Aufregung über den neuerlich großen Schritt, welche den Geist des jungen Flaviers ein wenig verwirrte.
    "Vor den Kalenden des Iulius, Minor, nicht des Augustus. Sofern dir indes ein Monat später zusagt, dann zumindest nicht an den Lucaria. Mögen sie auch nicht mehr sonderlich populär sein, so ist der Tag dennoch den Göttern geweiht und keinem Sterbli'hen steht es zu, ihn zu seinem eigenen Ehrentag zu erkiesen."
    Zweifelsohne mochte es Römer geben, welche selbst für ihre Hochzeit sich um die Lucaria nicht scherten, doch als Flavier, als Patrizier und insbesondere als Sohn eines Pontifex, welcher die Nichte eines Pontifex ehelichte hatte Minor sich streng an kultische Regeln zu halten. Gracchus hielt kurz inne um den Kalender sich in sein Gedächtnis zu rufen.
    "Im Iulius wären wohl die Tage zwischen dem siebten und dem vierten Tag vor den Kalenden des Augustus eine gute Wahl."*



    Sim-Off:

    * 26-29.7.

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  • Manius Minor erschrak ein wenig, als Manius Maior ihn hinsichtlich seiner Replik korrigierte, hatte er doch, zweifelsohne bedingt aus dem unterbewussten Drang, jene unvermeidliche Festivität so weit als möglich zu prokrastinieren, den Monat fälschlich terminiert. Dass sein Vater als Pontifex ebenso den Zusammenfall selbst mit einem derart unbedeutenden Fest wie den Lucaria ablehnte, hätte er hingegen eigentlich antizipieren können.
    "Nein, der Iunius ist gut."
    Er hatte geschworen, sich in sein Schicksal zu fügen, sodass, je früher der Termin liegen würde, desto eher er würde vorübergehen.
    "Vielleicht sollten wir tatsächlich den ersten günstigen Termin wählen. Warum also nicht gleich den Elften vor den Kalenden des Iulius?"
    Sein Vater besaß zweifelsohne größere Expertise hinsichtlich der Feriae publicae und unheilverheißenden Tage, die es bei der Festlegung des Termins zu umschiffen galt.

  • "Gut"
    , bestätigte der Vater.
    "Der elfte Tag vor den Kalenden des Iulius also. Ich werde einen Auguren konsultieren, den Termin zu bekräftigen, und die Anwesenheit des Flamen Dialis arrangieren, hernach kannst du mit den Vorbe..reitungen beginnen, die Gästeliste mit den Corneliern abstimmen und die weitere Planung koordinieren. Selbstredend steht dir der gesamte Hausstand zur Verfügung, um deine Anweisungen umzusetzen."
    Im Grunde musste Minor selbst nur wenig tun, drehte die Maschinerie des flavischen Haushaltes sich doch überaus perfekt durch die routinierte Sklavenschaft.
    "Ich habe bereits bei passender Gelegenheit mit Aurelius Lupus gesprochen, er freut sich darauf, euch an diesem Tage den Willen der Götter zu lesen."

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  • Dass Manius Maior die kultischen Belange würde regulieren, um die Confarreatio zu vollziehen, welche jener ebenso wie dieser selbstredend präsumierte, erschien Manius Minor als eine gewisse Erleichterung, insonderheit hinsichtlich des Aurelius, gegen welchen er allein aufgrund der Tatsache, dass er seine Base hasste, negative Gefühle hegte, obschon ihm bewusst war, dass dies irrational war.
    "Ich danke dir, Vater."
    , erwiderte er somit aufrichtig und fügte ein wenig kleinlaut hinzu:
    "Ich hoffe, dass dies alles der Wille der Götter ist."
    Bisweilen kamen ihm doch Zweifel, ob seine Abneigung gegen seine Braut nicht ihrerseits ein Zeichen der Götter war, welche ihn vor dieser Verbindung abhalten wollte, doch offerierte seine Vernunft ihm keine den Mores Maiorum gemäße Alternative, weshalb er bereits vor geraumer Zeit hatte beschlossen, jene Emotionen zu ignorieren und sich in sein Schicksal zu fügen. Aber dennoch: bisweilen vermochte seine Ratio sein Herz nicht zu unterdrücken.
    Er dachte zurück an ein Gespräch, welches sein Vater und er vor unerdenklichen Zeiten hatten geführt, in welchem dieser ihm die limitierte Bedeutung des ehelichen Bundes hatte expliziert, welcher selbstredend amouröse Abenteuer an jeglichem Ufer sexueller Orientierung ebenso ertrug, doch erschien dies ihm nicht als der Kern seiner Problematik. Er seufzte melancholisch und räusperte sich. Es erschien ihm unschicklich, ja geradehin beschämend, derartige Zweifel zu hegen und doch brachen sie sich in diesem Augenschlage Bahn und er setzte an, sich aufs Neue seinem Vater zu offenbaren:
    "Ich sagte dir einst, dass ich Cornelia Philonica nicht ehelichen möchte. Noch immer verspüre ich keinerlei Neigung zu ihr, weder korporal, noch emotional, noch auf jedwede andere Weise. Ich weiß, dass derartige Regungen irrelevant sind, dennoch vermag ich ob dessen keinerlei Freude auf diesen Tag zu empfinden. Die Perspektive, mit dieser... verzeih: überaus ennuyanten Person den Rest meines Lebens zu verbringen, lässt mich geradezu vor diesem Tag abhorreszieren."
    Fragend blickte er zu dem älteren Gracchen, dessen Züge ihm auf die geringe Distanz zwar verborgen, dessen Stimme ihm aber so vertraut war, dass er leichtlich würde erkennen können, welche Emotion er mit der zu erwartenden Replik verband.

  • Ein kleines Lächeln umspielte die Lippen des Vaters.
    "Wer weiß, ob die Götter für all diese Details menschlicher Eheschließungen Sorge tragen. Doch die Parzen haben vor langer Zeit deinen Schicksalsfaden gewebt und mit jenem Cornelias ihn ver..bunden, zu welchem Zwecke wird erst die Zukunft dir weisen."
    Gracchus konnte nicht sich entsinnen, dass Minor hinsichtlich der Ehe mit Philonica seine Abneigung ihm hatte offenbart, ob dessen dies zweifelsohne in der stürmischen Phase ihrer Beziehung war gewesen, in welcher den Vater beinahe jedes Wort seines Sohnes mit Sorge oder Wut hatte erfüllt, oder aber er hatte schlichtweg daruaf vergessen, da es ohnehin nichts mehr zu ändern gab. Die augenblickliche Emotionalität Minors jedoch rührte ihn an, ob dessen auch er ein leises Seufzen ließ echappieren.
    "Ich bezweifle, dass je ein Mann ob seiner künftigen Gemahlin wegen der Eheschließung mit Freude hat entgegen gesehen"
    , kommentierte der Vater die Furcht seines Sohnes vor dem Hochzeitstag, denn tatsächlich konnte Gracchus sich nichts anderes vorstellen in seiner Welt, in welcher Ehen einzig aus rationalen und politischen Gründen wurden geschlossen.
    "Eine unbekannte Frau, welche das eigene Leben invadiert, Pfli'hten und Obliegenheiten einfordert, Obhut und Verantwortung bedingt - die Aussicht darauf ist selbstredend abominabel. Gleichwohl wird nicht jede Ehe mit den Jahren in Liebe, nicht einmal in gänzlicher Zufriedenheit enden."
    Es hatte keinen Sinn, darüber zu lügen.
    "Dies ist mehr oder minder harte Arbeit, von beiden Seiten. Erwarte nicht mehr als gebührend ist, und gebe wie stets dein Bestes, Minimus."

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  • Der resignative Humor Manius Maiors nötigte auch Manius Minor gute Miene zum deplorablen Spiel zu machen, obschon das beiläufige Räsonnieren über die göttlichen Absichten ihm für den Hauch eines Augenschlages die Hoffnung weckte, jener unwillkommenen Verbindung doch entgehen zu können. Selbstredend vermochte er sich eine adäquatere Gattin zu imaginieren, musste lediglich neidvoll auf seinen Vetter Scato blicken, um ein Exempel einer glücklichen Ehe zu erblicken, selbst wenn ihm beim Gedanken an seine favorisierte Claudia prompt sein erschröcklicher Traum in den Sinn kam. Mit einem tiefen Seufzen entschied er somit zu akzeptieren, dass dies seine Bürde war, ob ihm dies nun zusagte oder nicht, was ihn zu einem knappen Kommentar hinriss:
    "Womöglich hatte Epikur doch zumindest in diesem Punkte Recht."
    Der Philosoph hatte ja ebenfalls sich überaus kritisch gegenüber den Relationen zum weiblichen Geschlecht, insonderheit der Ehe gezeigt. Doch um seinen Vater nicht in Furcht zu versetzen, sein Sohn könne neuerlich den Trugschlüssen des Samiers erlegen sein, beeilte er sich anzufügen:
    "Selbst wenn er für unsereins keine Heilmittel für dieses Übel bereitzustellen vermag."


    Für einen Augenblick schwieg er und hing dem melancholischen Gedanken nach, zu einem Leben im Unglück verdammt zu sein, als plötzlich ihm eine neuerliche Frage in den Sinn kam:
    "Hattest du ebenfalls Furcht vor deiner... ersten Ehe?"
    Dem jüngeren Gracchen war Claudia Antonia mehr eine Göttin denn eine sterbliche Person gewesen, weshalb er ihr zu Leb- und Sterbenszeiten stets nichts denn Verehrung hatte entgegen gebracht, welche ja immerhin genügte, dass er dieses Leben auf sich nahm. Auch dem älteren hatte er stets mit nichts als Respekt und Verehrung von seiner Gattin sprechen hören, doch mochte jene Einmütigkeit ebenfalls eine Fassade gewesen sein gleich jener, die er selbst zweifelsohne würde zu errichten haben.

  • Einen Augenblick lang gereichte Minors Äußerung tatsächlich dazu, dem älteren Gracchen eine Braue empor zu treiben, doch musste er tief in seinem Inneren sich eingestehen, dass allfällig auch in Epikurs Ansatz ein Funken von Wahrheit sich verbarg, gleichwohl dies nichts war, was er gedachte in Anbetracht der bevorstehenden Eheschließung mit Minor zu diskutieren. Als jener die Furcht seiner eigenen Ehe ansprach nickte Gracchus.
    "Oh ja"
    , konzedierte er und sein Blick wandte sich durch den Tisch in die Unendlichkeit.
    "Felix hatte unsere Ehe arrangiert und als ich deine Mutter zum ersten Male traf glaubte ich mich dur'haus noch zufrieden, war sie doch unbeschreiblich schön und klug dazu. Doch je näher der Tag unserer Eheschließung rückte, desto mehr sah ich dem bis dato schlimmsten Tage meines Lebens ent..gegen. Es graute mir nicht nur vor der Ehe, ich ... hatte regelrechte Fur'ht vor Antonia, Furcht vor der ersten Nacht und jeder weiteren, jedem Tage der danach würde folgen. Diese Beklommenheit blieb auch nach unserer Eheschließung noch sehr lange Teil unseres Alltages, und mein inwendiges Grauen wurde um so größer, je mehr Zeit ver..ging ohne dass sie ein Kind gebar. Erst mit deiner Geburt wurde unser Verhältnis ein wenig entspannter, gleichwohl es zu Vertrautheit noch viele weitere Jahre benötigte."
    Letztendlich hatten sie es zu wahrhaftiger Liebe und bedingungslosem Vertrauen wohl niemals geschafft, denn obgleich Gracchus ihr stets erbeben war, hatte er bis zuletzt hatte das Gefühl, Antonia nicht genügen zu können. Er blickte wieder empor und Minor an.
    "Und auch vor der zweiten Ehe verspürte ich diese Furcht. Zwar wussten Prisca und ich in gewissem Maße, worauf wir uns einließen, doch letztlich... eine Ehe ist nun einmal eine Ehe, und auch im wiederholten Falle bleiben die Pfli'hten ident."
    Ein wenig ergeben hob Gracchus die Schultern und ließ sie wieder sinken.
    "Es ist wie mit allen Aufgaben im Leben, Minimus. Nur mit Entschlossenheit und Diligenz wirst du deine Ehe zur Blüte führen. Darob ver..zage nicht bereits im Vorhinein, denn ich hege keinen Zweifel, dass du auch dies meistern und alsbald auch die Vorzüge Philonicas erkennen wirst."

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