Quando Rex comitiavit fas | Saltator habitus

  • Der Tag war gekommen: Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus, Consular und Pontifex pro Magstro, würde heute erstmalig Sacra publica in tragender Funktion miterfüllen, anstatt lediglich als Minister in zweiter Reihe zu stehen. Obschon er nämlich bereits seit beinahe einem Jahr der Sodalität der Salier angehörte, hatte er sich zu den spärlichen Terminen, welche nach seiner Kooptation für die Kommunität hatten angestanden, unter Verweis auf seine dringlichen Amtspflichten als Tresvir monetalis exkulpieren lassen, um nicht an jenen ihm damalig ihm als Irrsinn erscheinenden Ritualen partizipieren zu müssen, welche er in jenen epikureischen Zeiten für ein Produkt leerer, ja geradehin ridikulöser Meinungen hatte gehalten. Noch immer war ihm seine damalige Kritik wohlbewusst, da es dem rationalen Menschen doch höchst kurios musste erscheinen, dass Mars selbst, der Gott des Krieges wie der Ernten, übermächtig und blutgierig, just Gefallen fand an einem Schreittanz jüngerer wie gealterter Herren, travestiert als Krieger historischer Zeiten und ein Lied intonierend, dessen Gehalt ihnen selbst bereits unbekannt war.
    Noch immer mochte diese Kritik den nüchternen Philosophen am Museion einleuchten, mochten sie die Götter in fernen Sphären wähnen und das armselige Hüpfen der salischen Sodalen als vergeblichen Versuch betrachten, das Numinose zu binden. Doch der junge Flavius wusste es inzwischen besser: Wider alle Potentialitäten war er Mercurius persönlich entgegen getreten, statt zerfallener Atome hatte er selbst die höchst intakte Seele seiner Mutter geschaut, welche ihn gemahnt hatte, sich als pietätvoller Spross seiner Gens zu erweisen und damit auch eben jene ridikulösen Riten gehorsam zu vollziehen. Der Jüngling wusste nicht, ob dafür tatsächlich eine unumgängliche Notwendigkeit bestand, ob Mars realiter sich dieses Tanzes erfreute oder ob es eher darum ging, durch das Halten der Mores Maiorum und den regelmäßigen Vollzug von Riten gleichwelcher Art den Unsterblichen wie den Toten Respekt zu zollen, doch war er gewiss, dass es ihm nicht anstand, jene erprobten Wege zur Sicherung der Pax Deorum zu refutieren, wollte er nicht die Rache der Götter auf sich ziehen.


    Und so hatte Manius Minor zur Präparation dieser Festivität mit größtem Ernst die traditionellen Tanzschritte studiert (was ihm durchaus diffizil war erschienen) und das Carmen Saliare memoriert (was ihm weitaus leichter gefallen war), hatte am Morgen dieses Tages sich mit seinen Sodales auf dem Palatin versammelt und dortig jene Montur angelegt, die seit uralten Zeiten an diesem Tage angelegt zu werden pflegten: Gerade noch zur rechten Zeit war die neue Tunica picta vollendet worden, da das Exemplar seines Vaters, welcher nun der Sodalität den Rücken hatte gekehrt, ihm in der Ventralregion zu eng, an den Armen hingegen zu lang gewesen war, sodass sie ihm am heutigen Tage ebenso vortrefflich passte wie die darüber gelegte Trabea. Neben diesen royalen Textilien, wie sie sonst lediglich Spielgeber oder Triumphatoren trugen, war die Staffage der heutig geehrten Gottheit gemäß jedoch ausgesprochen martialisch. Und in der Tat hatte der Jüngling sich beinahe wie ein Krieger der ersten Tage Romas gefühlt, als Patrokolos ihm erstlich den Brustschild umgebunden, seine Hüften mit einem bronzenen Schwert gegürtet und schließlich den konischen Helm aufs Haupt gesetzt hatte. Mit Lanze und Ancilium in der Hand hatte er sich sodann beinahe gefühlt wie jener ebenfalls patrizische Heroe Horatius Cocles, welcher in den Kindertagen der römischen Republik die Stadt durch seinen heldenmütigen Einsatz hatte gerettet und dafür mit einer Statue auf dem Comitium war ausgezeichnet worden.


    Heute standen indessen andere Statuen rund um jenen uralten Platz auf dem Forum, wo einstmals die Curiae waren zusammen getreten, um das Schicksal Roms zu entscheiden, nun jedoch lediglich rituelle Handlungen wie das Regifugium wurden vollzogen. Auch sie marschierten schließlich zu jenem Zweck vom Palatin dorthin hinab, während vom Quirinal her die alte Sodalität seines Vetters Scato sich hatte aufgemacht, um gemeinsam mit ihnen jenen Tanz zu Ehren der Kriegsgötter darzubieten, den ihre Ahnen schon in den Tagen des Tarquinius Superbus zu tanzen gepflegt hatten.

  • Der Kaiser hatte an diesem Morgen wohl den kürzesten Weg zur Curia der Salii Palatini gehabt. Dafür hatte er am Vorabend aber auch lange Zeit gearbeitet und war entsprechend ein wenig müde gewesen, als er sich im Kultlokal der Sodalität hatte ausrüsten lassen. Obwohl er den Traditionen gemäß das Recht hatte, die purpurne Tracht der Triumphatoren häufiger anzulegen, war es auch für ihn ungewohnt, sie anzulegen. Er bevorzugte es, sich als Primus inter pares zu präsentieren, weshalb er meist die Toga praetexta der Toga palmata vorzog.


    Heute jedoch verlangte die Mos Maiorum von ihm, in Purpur aufzutreten. Was aber wieder dadurch relativiert wurde, dass auch seine Sodalen die kaiserliche Farbe trugen. Und natürlich durch die militärischen Accessoires, die den Aquilier und seine Sodalen heute eher als Inkarnationen des Mars als des Iuppiter Optimus Maximus erscheinen ließen.


    Gut vorbereitet marschierte der Kaiser somit direkt hinter dem Praesul auf dem Forum ein und nahm gemeinsam mit den übrigen Saliern von den Palatini und Collini seinen Platz ein. Im Grunde war auch das wieder eine Demonstration seines Herrschaftsverständnisses: Anstatt seinen Ehrenrang als Princeps zu betonen, leistete er bescheiden seine Pflicht als Patrizier und Verehrer des Mars. Wie die dreiundzwanzig anderen Salier auch.

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    CENSOR - CURSUS HONORUM

    PONTIFEX MAXIMUS - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Unweit des Comitium schloss Marcus Menenius Lanatus, der greise Rex Sacrorum sich dem Zug der Salier an, welche sich nunmehr zu einer einzigen Prozession vereinten. Trotz des kurzen Weges, welchen Manius Minor vom Palatin hinab zurückgelegt hatte, schmerzte ihn bereits leicht seine Linke, welche das schwere bronzene Ancilium zu tragen hatte, und unter seinem Helm hatte sich Schweiß gebildet, was in ihm die Einsicht offenbarte, sich notwendigerweise körperlich ein wenig stählen zu müssen, ehe er statt der kultischen die reale Kriegstracht anzulegen imstande war, wollte er nicht zum Gespött seiner Kommilitonen sich machen.
    Als noch größere Last erwies sich indessen die nächste Obliegenheit des salischen Kriegszuges, bei welchem nichts anderes von den Sodalen ward gefordert als stillzustehen, während die Ministri den Foculus errichteten und sodann Menenius sich und die Umstehenden kultisch reinigte, das Voropfer vollzog und schließlich den weißen Stier den Genien des römischen Volkes weihte. Endlos zogen sich die sorgsam artikulierten Worte jenes uralten Gebetes, unendlich gemächlich jeder Gestus und jede Handlung, während der Schild am Arm des jungen Flavius beständig an Gewicht zu gewinnen schien, welches ohne jede Rührung des Armes stumm zu ertragen war. Tapfer biss der Jüngling sich auf die Lippe, um sich, seiner Familie, seiner Sodalität und den Göttern keine Schande zu bereiten, indem er jenes uniforme, militärische Bild auch nur durch die deviante Haltung seines Accessoirs zu stören.


    Doch währte auch jene Qual nicht ewig, denn zuletzt signalisierte Scato den Beginn der Prozession, ob derer die Salier überhaupt an jenem Ritual partizipierten. Dankbar senkte und hob der junge Flavius in der Wendung den Schild, was seinen Muskeln für einen Augenschlag jene Alternation offerierte, welcher sie für eine zumindest minimale Rekonvaleszenz bedurften. Dann setzte der Klang der Posaune ein und wie eine Centuria auf dem Marsch erschollen zugleich die Schritte zahlloser, im Gleichschritt das Pflaster berührender Füße und der kehlige Gesang musisch mäßig exerzierter Männer, welche hier selbstredend ohnehin ein uraltes, inkomprehensibles Lied intonierten:
    "... divum em pa cante, divum deo supplicate ..."
    , fiel auch der junge Flavius in den Gesang der übrigen Sodalen ein, während zugleich er hektisch sich mühte, seine Füße im Dreischritt zu koordinieren und dabei seinen schmerzenden Arm durch geschickte Haltung des Ancilium zu schonen.
    "... cume tonas, Leucesie, prae tet tremonti quot ibet etinei de is cum tonarem ..."
    Immer wieder musste er seinen Gesang unterbrechen, um den Schmerz seines Armes durch das Zusammenpressen der Zähne bei jedem Sprung zu verdrängen, denn erst nach einigen Sprüngen kam ihm die salvierende Idee, den Daumen seiner Linken in das Cingulum zu haken und damit einen Teil des Gewichtes zu absorbieren, was zwar an einer ein partikulären Position des Schildes mochte zu erahnen sein, durch ihn zugleich jedoch cachiert wurde, sodass seine Schwäche dem Publikum entging.
    "... cozevi oborieso. Omnia vero ad Patulcium commissei.
    Ianeus iam es, duonus Cerus es, duonus Ianus.
    Venies potissimum melios eum recum..."

    Wieder schlug Manius Minor im Gleichklang mit den anderen sein antikes Schwert auf den Schild, ehe das Lied von Neuem seinen Anfang nahm. Mit der Zeit gelangte der Jüngling in den Rhtythmus der Schritte, welche die älteren Sodalen mit einer Leichtfüßigkeit vollführten, als seien sie nicht honorige Patrizier, sondern gemeine Saltatores, wie sie im Vorprogramm der Ludi Circenses stets zu bewundern waren. Doch konträr zu dem Dienstjüngsten der ihren hatten sie dieses Ritual bereits unzählige Male vollzogen, beherrschten den eingängigen Tanz im Schlafe und hatten sich augenscheinlich auch für die korporalen Prätentionen ihres Dienstes hinreichend präpariert, während der junge Flavius trotz ernster Exerzitien und bester Vorsätze nun, irritiert durch das Gewicht seiner Montur, vermeinte, jeden zweiten Schritt bald einen halben Schritt zu früh, bald zu spät getan zu haben, was sich durch die Einsicht, ob seiner Fehlsicht ebenso außerstande zu sein, etwaige Unebenheiten der Pflasterung des Forums zu antizipieren und somit potentiell über jene zu straucheln, wie es ihm unlängst erst widerfahren war, nicht entlastet wurde.

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