Turma II - Stuben der Equites

  • Ocella stemmte die Hände in die Hüfte. Das war ein starkes Stück und untergrub seine Autorität vor den Männern. Seine Miene versteinerte als er entdeckte wer der Verweigerer war.

    Doch entgegen seiner ersten Eingebung beherrschte er sich und starrte Tisander nur an.

    Zu Fango sagte er, Nun, Eques Iunianus,...jeder Mann der sich meinem Befehl wiedersetzt erhält ab sofort Reitverbot und Revierdienst. Jeder Mann, der nicht in vorschriftsmäßiger Haartracht antritt, nimmt an keiner Patrouille teil solange diese nicht den Anordnungen entspricht. Desweiteren wird die Ration gekürzt, ...sagen wir um ein Viertel.

    Er hatte keine Ahnung warum sich jemand weigerte die Haare zu stutzen und es war ihm egal. Wenn er als Kommandeur einen Befehl gab war dieser umzusetzen.

    Morgen vor Sonnenaufgang antreten zur Inspektion!

    Das war ja ein dickes Ding. Ein wenig angepisst, aber vor allem enttäuscht von Tisander verließ er die Unterkunft. Varro war wieder im Castellum, es galt eine Patrouillenplanung durchzuführen. Fast so wie in alten Zeiten, und doch irgendwie anders.

  • Nachdem der Vexillarius gegangen war, wandte Tisander sich zu Fango, starrte ihn eine Weile an, hob
    resigniert die Schulter, drehte sich wieder um und verließ wortlos ihre Baracke. Das war wohl die Rache des kleinen Mannes dachte er. Der spielt sich langsam als Optio auf oder wie Kinder sagen, er ist eine “olle
    Petze“.

  • War Tisander jetzt sauer? Was konnte Fango dafür, wenn der dem Befehl nicht nachkam? Fango hatte ihn ja extra darauf hingewiesen, dass seine Haare zu lang seien, damit er sie schneiden konnte, wenn der Barbier schon mal da war, uns es keinen Ärger geben würde. Wirklichen Ärger hatte es nicht einmal gegeben, nur ein wenig sanften Druck, damit der bockige Tisander dem nachkam.


    Verstimmt machte sich Fango auf zur Therme. Sicher war Zisimos dort, um nach dem Haareschneiden die Reste abzuspülen. Vielleicht würde er oder irgendwer anders nach dem Baden mit Fango Ball spielen, damit er sich ablenken konnte. Er verstand die schlechte Stimmung von Tisander nicht, aber sie begann, an ihm zu nagen.

  • Nichts ahnend von Tisanders finstere Fantasien ihn betreffend, fand Fango bald seine gute Laune wieder. Während Tisander sich kloppte, hatte Fango mit den anderen Ball gespielt, darauf geachtet, dass alle sich an die Regeln hielten und sich zu guter Letzt eine Massage gegönnt. Durchgewärmt und durchgeknetet, mit frisch gezupftem Bart und Körperhaar kehrte er in die Stube zurück. Da sie tadellos aussah und inzwischen auch alle die Äpfel korrekt nach Reife sortierten und mit dem Stiel nach oben in einem Raster aufstellten, damit Fango nicht nervte, hatte dieser nun Freizeit. Zisimos zu lausen fiel ja nun auch weg. Also kletterte er mit einem dicken Stapel Aufzeichnungen in sein Bett, machte es sich bequem und lernte die Strategien großer Feldherren und Schlachtaufstellungen bedeutender kriegerischer Auseinandersetzungen auswendig.

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    Fango gab Alwin die geborgte, saubere Rüstung zurück. Dann wollte er seinen eigenen dreckigen Krempel reinigen. Doch während er in der Principia gewesen war, hatten die Kameraden seine Ausrüstung geputzt und alles aufgeräumt. Fango brauchte nichts mehr zu tun.


    "Oh, Mann, auf euch ist echt Verlass! Ich schulde euch was, ich geb euch einen aus, sobald ich wieder kriechen kann!"


    Fango flutschte noch mal kurz durchs Wasser der Thermen, ließ sich in Öl einreiben und striegeln und verschwand dann, in eine frische Tunika gekleidet, in sein Bett. Entgegen dem, was er erwartet hatte, schlief er dort jedoch keineswegs ein wie ein Stein, sondern glubschte todmüde und putzmunter zugleich durch die Stube.


    "Tissiii ... ich kann nicht schlafen."

  • Tisander lag in seinem Bett und rührte sich nicht. Man hätte vermuten können er würde schlafen, doch das tat er nicht. Innerlich vor Wut fast schäumend beobachtete er genau was der Kleine da trieb. Als der ihn auch noch ansprach, war das Maß einfach voll. „Und ist das mein Problem? Du hast dich bisher ja auch nicht um mich gekümmert. Verschwindest einfach für Tage, lässt mich hier versauern. Kommst zurück sagst nichts. Aber egal ich war ja mittlerweile daran gewöhnt. Der Herr ist ja was bessere. Was ich dir aber übel nehme ist dein verdammte Pflichtvergessenheit, deinem Schecken gegenüber.“
    Alwin wollte was sagen, doch einmal in Rage war der Apulier fuhr ihn an: Schnauze Alwin.....ja Fango du kommst zurück, aalst dich im Bad, pflegst dich, ja sogar deine Rüstung hast du auf Vordermann gebracht, aber um das wichtigstes Ausrüstungsteil, eines Eques der Ala, kümmerst du dich keinen Deut. Du lässt den Kleinen hungrig, durstig und verdreckt, einfach da stehen. Was bist du nur für ein Mensch? Jetzt erwartest du womöglich auch noch, dass ich dir ein Schlaflied singe. Verschwinde und lass mir meine Ruhe.“ Mit einem Satz war aus seinem Bett gesprungen und verschwand nach draußen. Er würde im Stall bei seinem Schwarzen schlafen.

  • <<< RE: Turma II - Die Ställe


    Cimber schleppte sich weiter und kam zu den Stuben. Hier müssten jene Männer untergebracht sein, zu denen der kleine Schecke gehörte. Irgendwann musste er Fango erwischen, falls nicht hier, dann woanders. Doch Cimber hoffte auf sein Glück, klopfte an und trat ein.


    "Grüße in die Runde zu so später Stunde. Ich bin Cimber, Cornicularius Appius Umbrenus Cimber und auf der Suche nach meinem Verwandten Fango. Wer von Euch ist Iullus Seius Iunianus Fango?", fragte Cimber freundlich die anwesenden jungen Kameraden.

  • Fango in seiner Schlaftunika, rote Zornesflecken auf den Wangen, wäre fast in Cimber reingerannt. Er hatte die Fäuste geballt, weil er sich vorgenommen hatte, diesen bösartigen Tisander einzuholen und jetzt auf der Stelle zu verprügeln!


    "DUPLICARIUS", schrie er den Mann an, da da auf einmal in der Tür stand, durch die er hatte stürmen wollen. Er wollte reflexartig Meldung machen über den Zustand der Stube, doch weil der Vorgesetzte weitersprach, schluckte Fango seinen Rapport herunter und hörte sich stattdessen die Selbstvorstellung und die Frage an. "Ich bin Eques Iullus Seius Iunianus Fango!"


    Er lockerte die Fäuste an seinen dünnen Armen und stellte sich korrekt hin, auf Anweisungen wartend, noch immer vor Zorn bebend. Abgesehen von seinen Zornesflecken war er kreideweiß, seine Lider schoben sich geschwollen über die blutunterlaufenen Augen, die er kaum noch offenhalten konnte. Alles in allem sah er furchtbar aus nach den Tagen unter grässlichen Witterungsbedingungen, dem langen Ritt, nach der Begegnung mit dem Tod und aufgrund des fehlenden Schlafes.


    Hoffentlich verlangte der Duplicarius jetzt nichts, was mit körperlicher Anstrengung zu tun hatte oder seine Konzentration herausforderte, denn beides würde zu schauderhaften Resultaten führen.

  • Ein kleiner, wilder Kerl der arg mitgenommen aussah, stellte sich als Fango vor. Bleich war er, mit rotunterlaufenen, geschwollenen Augen die er kaum noch offenhalten konnte. Cimber hatte selbst erlebt, wie Fango durch die Castra gehetzt war. Völlig durch den Wind schrie ihn Fango mit seinem Namen an und wollte scheinbar Meldung machen. Beließ es dann aber doch bei der eigenen Vorstellung und wartete scheinbare Befehle ab.


    Cimber schüttelte nachsichtig den Kopf, was der junge Fango benötigte war dringend Schlaf. Doch so wie er aussah, hatte er den Punkt bereits überschritten, wo direkter Schlaf noch möglich war. Er war übermüdet und das merkte man auch an seinen Handlungen.


    Umbrenus trat auf Fango zu, umarmte ihn fest und hielt ihn.


    "Nicht Cornicularius, nur Cimber. Du siehst grauenvoll aus Fango. Dein Vater hat mich gebeten ein Auge auf Dich zu haben und wie es aussieht, kannst Du das gerade sehr gut gebrauchen. Nebenbei habe ich Dir ein Geschenk von Stilo mitgebracht. Topas seinen Hengst. Habt Ihr Posca hier und Honig? Normalerweise hilft Milch mit Honig bei Einschlafproblemen, aber auch etwas anderes Warmes nicht Alkoholisches hilft oft sehr gut. Falls Ihr etwas da habt, dann machen wir etwas warm Fango.


    Wo steht Dein Bett? Du hattest den Bericht zu erstatten nicht wahr? Ich hatte mitbekommen, was geschehen war. Der Verlust, die Toten. Was genau ist geschehen? Erzähle mir in aller Ruhe davon. Kein Bericht, kein Rapport, erzähle davon", bat Cimber und hoffte das Fango sich ein klein wenig beruhigte.

  • Fango konnte sich nicht erinnern, dass ihn ein Offizier oder Unteroffizier je gedrückt hätte. Das war bestimmt wider irgendeiner Norm. Aber Cimber war ein Verwandter. Am liebsten würde Fango sich an die starke Brust seines Onkels ankuscheln, sagen, dass er nicht mehr konnte und Cimber alle Probleme für ihn lösen lassen.


    Fango war mit Abstand der Jüngste und sah auch noch so aus. Eine Truppe war immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied und Fango wusste sehr genau, dass er dieses schwächste Glied war. Pro forma machte er sich also steif, blickte wie ein Erwachsener drein, der er den Jahren nach auch war.


    "Ich mache mir dann später eine Milch, danke für den Tipp. Mein Bett ist das da oben, die eine Hälfte von dem Doppelbett, meistens habe ich sogar beide Hälften für mich. Aber kannst du mir nicht Topas zeigen? Unterwegs erzähle ich dir alles."

  • Als Fango sich versteifte, ließ Cimber ihn behutsam los. Das dieser nicht vor seinen Kameraden sprechen wollte, sprach für sich und zwar Bände.


    "Sehr gerne Fango, dann komm zieh Dir etwas über und ich zeige Dir Topas. Ein wunderschöner Hengst, den mir Stilo extra für Dich mitgegeben hat", plauderte Cimber unverfänglich. Alles weitere würden sie besprechen, wenn keine fremden Ohren zuhörten. Was immer Fango zudem noch nachlief und ihn bedrückte, Cimber war für ihn da.

  • "Danke", wisperte Fango, der sicher war, dass sein Onkel verstand.


    Fango zog sich den Wollmantel und den Schal über, schlüpfte in ein paar warme Filzsocken, mit denen er dann in mit Stroh befüllte Holpantinen fuhr, und schlurfte mit Cimber nach draußen. Er wollte nicht schon wieder die frisch geputzten Caligae mit Schlamm einschmieren, der kalt durch die Riemen und die Filzsocken drang, und so hatte er für den Alltag in der Castra bei einem germanischen Händler diese kuschelig gepolsterten Holzpantinen erworben.


    Auf dem Weg zu den Ställen schwieg er. Das Gespräch sollte in einem sicheren, ruhigen Umfeld erfolgen, wo er mit dem Onkel allein war.

  • Cimber führte Fango zu seiner eigenen Baracke und zwar auf die Rückseite. Von dort aus betrat er gemeinsam mit seinem jungen Verwandten den Stall.


    "Das sind Impetus und Topas, darf ich Dir die beiden vorstellen? Letzterer gehört nun Dir Fango. Gehe sorgsam mit Deinem neuen Pferd um, aber vergiss den alten Schecken auch nicht. Impetus ist mein Pferd und böse Zungen behaupten, er wäre das einzige Pferd, dass schlendern könnte. Schau Dir die beiden ruhig in Ruhe an und wenn Du soweit bist, dann erzählst Du mir, was vorgefallen ist Fango", sagte Cimber ruhig und freundlich.


    Sanft schob er Fango auf sein neues Pferd zu und streichelte Topas.

    "Siehst Du? Er ist ein ganz Lieber, so wie Du", schmunzelte Cimber.

  • Fango bekam ob der Anmerkung rote Ohren und lächelte etwas verschämt. Er ließ sich von Cimber in den Stall schieben. Der süßliche, warme Geruch empfing sie. Es dufteten nach dem frischen Stroh auf dem Boden und dem Heu in den Futtertrögen.


    Die Pferde Cappadocias galten zusammen mit denen aus Hispania als die besten der Welt. Bei dem Anblick im Stall wollte Fango das gern glauben. Er ging zu dem Hengst mit dem golden schimmernden Fell schieben. Braunfalbe hatte sein Vater diese Fellfarbe gennant. Bis hoch über die Knie waren die Beine des Pferdes tiefschwarz, so wie das Maul und die glänzende Mähne. Über den Rücken verlief ein schwarzer Aalstrich, der im tiefschwarzen Schweif mündete. Topas war ein auffallend schöner Hengst, größer als der alte Schecke. Ein edles Tier. Man sah ihm an, dass er aus einer guten Zucht stammte und nicht der Ackergaul eines Bauern war. Vor allem aber hatte er ein gutartiges Wesen. Nicht umsonst war er Stilos Lieblingspferd, das er sich unter den zahllosen Pferden des Gestüts Umbrena hatte als sein Eigenes ausgesucht.


    Nun stand er hier, der goldene Hengst, und Stilo weit weg. Das Geschenk war nicht nur materiell äußerst wertvoll. Er war eben doch nicht nur der Gauner, für den viele ihn hielten, sondern hatte eine sanfte, liebevolle Seite, die er kaum zeigte. Fango schluckte bei den Gedanken an seinen Vater, streichelte das goldene Fell, das so viel glatter war als das des zotteligen Schecken.


    "Mein alter Schecke wird froh sein, zurück in den Altersruhestand zu dürfen. Er war eigentlich schon ausgemustert gewesen und nur noch ein Ausbildungspferd, aber ich durfte ihn für den Einsatz verwenden, weil er schön klein ist. Inzwischen kann ich besser reiten. Topas und ich werden gut harmonieren, er kennt mich ja schon. Stilo weiß, dass ich Topas immer sehr mochte, weil er so freundlich ist. Schau nur."


    Der Hengst drückte seine weiche Schnauze gegen Fangos Hals, schnupperte und wackelte mit den Lippen, während Fango ihm umgekehrt ebenfalls den Hals streicheln durfte.

  • "Dein Schecke ist ein gutes Pferd, es hat seinen wohlverdienten Ruhestand verdient Fango. Nun hast Du Topas und mit ihm einen treuen, neuen Freund. Du siehst so aus, als könntest Du genau das gebrauchen. Du siehst mehr als nur müde aus Fango, Du siehst geschafft aus, so als hätte Dich gerade jede Kraft verlassen. Auch wenn viele sagen ich lasse alles ruhig angehen, was zum großen Teil auch stimmt, fragt sich niemand weshalb. Das was wir in unserem Beruf oft sehen, ist alles andere als schön. Menschliche Abgründe in so vielen Formen Fango, dass man irgendwann aufhört zu zählen.


    Also warum sollte man sich selbst ein Feind sein und sich das Leben schwer machen? Das tun schon andere, nicht wahr? Du musst Dir selbst ein Freund sein Fango. Das klingt möglicherweise komisch, aber wer wenn nicht Du soll dafür sorgen, dass es Dir gut geht? Andere die Dich mögen, wäre hier die richtige Antwort. Das werden sie auch tun, wenn es in ihrer Macht steht. Doch zuerst musst Du selbst dafür sorgen.


    Weißt Du ich habe oft festgestellt, das ich manchen Umstand gar nicht ändern kann, aber wie ich damit umgehe schon. Deshalb versuche ich alles auf eine gelassene Art zu erledigen. Das mag nicht immer richtig sein, aber mir hat es geholfen. Du bist jederzeit bei mir willkommen Fango, gleich was geschehen ist, Du kannst zu mir kommen und wir sprechen drüber. Und falls Du mal nicht reden magst, bekommst Du bei mir etwas zu trinken und wir schweigen gemeinsam gemütlich.


    Topas fühlt sich bei Dir wohl, dass sagt viel über Dich aus. Nun im Grunde sagt es alles", schmunzelte Cimber.

  • "Ich war beim Überfall auf die Benefiziarierstation dabei. Alle Kameraden, die dort postiert waren, sind tot." Fangos Lider flatterten, aber er sprach weiter, während er Topas streichelte. "Es gab germanische Kriegsgefangene, einen davon hatte ich verletzt und gefangen. Ich habe alles falsch gemacht, weil ich ihn aufs Pferd setzte und es selber am Zügel führte. Sie wurden dann hingerichtet. Das war heute insgesamt kein sehr schöner Tag."

  • Cimber trat hinter Fango und legte ihm einen Arm um die Schultern.

    "Du hast noch nie einen derartigen Einsatz erlebt nicht wahr? Du hast noch nie dem Grauen ins Gesicht geblickt und bist so gerade noch mit heiler Haut davon gekommen. Habe ich nicht Recht? Alles falsch gemacht hast Du nicht Fango, denn Du lebst, bist wohlauf und bist hier. Jedenfalls hast Du körperlich keine Schrammen davon getragen, wie es in Deinem Inneren aussieht, dass weißt nur Du allein und jene die es sehen wollen. Jene die es interessiert. Mich interessiert es.


    Möchtest Du darüber sprechen, was Du empfindest? Manchmal muss es raus. Falls Du es noch nicht aussprechen kannst, ist das in Ordnung. Dann schweigen wir gemeinsam darüber. Vielleicht möchtest Du auch in einer stillen Stunde mit Topas darüber sprechen. Pferde sind ziemlich gute Zuhörer und im Gegensatz zu manchen Menschen Fango, plaudern sie nicht aus, was man ihnen anvertraut. Das kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen.


    Auf der anderen Seite bin ich in der glücklichen Lage, einen besten Freund zu haben, der mehr Bruder als Freund ist. Der mehr Familie als alles andere ist und Du gehörst ebenso dazu. Wann immer Du mich brauchst Fango, ich bin da", sagte Cimber freundlich.

  • "Es war schon mein zweites Gefecht. Ich war auch bei der Eskorte von Caesar Bala dabei, die von Germanen überfallen wurde. Unser junger Subpraefectus Alae ist dabei umgekommen, Aemilius Bassus. Der hatte noch sein ganzes Leben vor sich und war total freundlich, kaum älter als ich. Und fast hätten wir auch Decurio Equitius Calenus verloren!"


    Bei diesen Worten schnürte sich Fangos Kehle zusammen, denn Calenus war mit seiner peniblen, piekfeinen Art sein Lieblings-Decurio. Er lehnte sich gegen Cimber, froh, endlich einmal darüber reden zu können. Als er wieder Worte fand, sagte er ganz leise:


    "Ich glaube, ich bin ungeeignet für die Armee. Die Kameraden sind alle so hart, ihnen macht ein Gefecht nichts aus. Mir aber reißt es das Herz heraus, so etwas zu sehen. Mir tun die Menschen alle so leid, ich verstehe nicht, warum man sich gegenseitig so was antut. Warum klärt man das nicht diplomatisch, warum muss es so kommen?


    Jetzt bin ich für alle Ewigkeit hier verpflichtet, halte alle auf, zersetze die Moral und störe, weil ich ein Weichei bin. Ich wollte Matinius Ocella fragen, ob er mir beibringen kann, ein harter Hund zu sein, stattdessen habe ich ihm einen Kuchen geschenkt, weil er verletzt war. Und nun ist er wahrscheinlich tot."


    Nun fanden tatsächlich ein paar Tränen den Weg über Fangos Wangen, die er wütend mit der Faust wegwischte. Danach boxte er sich zur Strafe zwei Mal auf die Stirn und richtete sich wieder auf. Er schniefte und hatte sich wieder im Griff.


    "Was ist mit dir, Cimber? Wie hast du es geschafft, dass dir so etwas nichts ausmacht? Oder bist du schon so auf die Welt gekommen?"


    Solche Kinder gab es ja. Fango erinnerte sich an einen bösen Jungen aus der Nachbarschaft, Numerius, der erst Tiere quälte und als er älter wurde quälte er Menschen. Er fing die frei laufenden Hühner der Iunier weg, um ihnen schlimme Dinge anzutun, sogar die kleinen Küken. Das war eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen die drei Iunier-Brüder sich verbündet hatten. Sie bastelten sich Waffen, setzten sich Töpfe als Helme auf und wollten gegen Numerius in den Krieg ziehen. Wahrscheinlich konnten sie von Glück reden, dass der selbstgebaute Bogen nicht ordentlich funktionierte, da sie fingerlange Nägel als Pfeilspitzen verwendeten, auf die sie draufgepinkelt hatten. Bevor der "Krieg" beziehungsweise das, was sie damals dafür hielten, eskalieren konnte, ging ihr Sklave Terpander dazwischen. Er packte sich den bösen Numerius. Was genau er machte, verstand Fango nicht, er hielt ihn nur gepackt, so dass er sich nicht mehr rühren konnte, als würde er ihn freundschaftlich im Arm halten, und wechselte einige kaum hörbare Worte mit ihm. Danach rannte Numerius davon und ließ die iunischen Hühner in Frieden.


    Aber Cimber konnte unmöglich so ein Numerius sein und Equitius Calenus auch nicht! Hilfesuchend blickte Fango den älteren Soldaten an, auf eine Antwort hoffend, die ihm die Welt erklärte und eine Lösung für sein Problem brachte.

  • Cimber hörte Fango aufmerksam zu und hielt ihn fest. Fango brauchte mehr als körperlichen Halt, er benötige einen seelischen Anker.

    "Harte Hunde Fango? Die vermeintlichen harten Hunde teilen sich in genau zwei Kategorien ein, Lügner und Wahnsinnige. Erzählt Dir ein Kamerad oder Vorgesetzter, dass er keine Furcht verspürt, dass ihn das alles nicht trifft, dass es ihm sonst irgendwo vorbei geht und dass man mit all dem klarkommen muss, pass gut auf. Erzählt Dir ein Mann, dass er sich nicht in der Schlacht fürchtet, dass ihm der Anblick von zerhackten Körpern, eingeschlagenen Schädeln und rausgerissenen Eingeweiden völlig kalt lässt, musst Du extremer aufpassen.


    Denn wie gesagt, es gibt nur zwei Sorten von Menschen die das von sich behaupten, Lügner und Wahnsinnige.


    Der Lügner spielt Dir etwas vor, dass er nicht ist. Er behauptet dass, von dem er meint, dass alle diese Meinung vertreten. Leider gibt es so viele Lügner auf der Welt, dass Personen wie Du oder ich einst als junger Mann, davon ausgehen dieser Unsinn den sie von sich geben wäre die Wahrheit. Es ist nicht die Wahrheit Fango. Verwechsele die Mehrheit niemals mit der Wahrheit.


    Der Wahnsinnige Fango hat wirklich keine Angst auf dem Schlachtfeld. Ihm ist das Grauen egal. Oder schlimmer noch, er genießt es. Dem Wahnsinnigen ist es gleich was mit anderen geschieht, es interessiert ihn nicht, was mit seinen Kameraden geschieht und oft interessiert es ihn nicht einmal, was mit ihm geschieht. Solche Männer führen andere nur in eine Richtung und die heißt Abgrund.

    Ein wahrer Krieger Fango sieht all das was Du siehst.


    Merke Dir eines Fango. Den Tod nicht zu fürchten, weil einem das Leben nichts bedeutet, ist leicht. Es ist der Weg des Wahnsinns.


    Ein wahrer Krieger kämpft, weil er kämpfen muss, nicht weil er kämpfen möchte!

    Er kämpft um das Leben anderer und sein eigenes zu schützen, weil er das Leben liebt.

    Und manchmal gibt er dafür sein eigenes, um das anderer zu schützen.


    Es ist auch keine Frage gegen wen Du kämpfst, wenn Du kämpfen musst Fango. Die Frage die Du Dir stellen musst, ist für wen oder was kämpfst Du? Du kämpfst für Deine Familie, Dein Land, Dein Leben und Deine Werte. Kämpfst Du nicht, wird das keinen Feind davon abhalten, trotzdem den Kampf aufzunehmen. Das ist leider die traurige Wahrheit.

    Nur weil Du in Frieden leben möchtest, heißt das andere Dir dies zugestehen.


    Diplomatie Fango ist ebenso Krieg, er wird mit Worten geführt anstatt mit dem Schwert. Leider werden dabei oft ebenso reale Waffen im Hintergrund gezogen. Diplomatie ist ein Ränkespiel, das voller Worte, Gift und Dolche nur so tropft. Es ist das Schlachtfeld der Verwaltungsbeamten und Politiker. Es ist dennoch Krieg, der nur einen anderen Namen trägt.

    Deine Selbsterkenntnis ist falsch Fango. Du taugst mehr für die Armee als Du glaubst. Jemand der über seinen Tellerrand hinausschaut, der sieht und sehen möchte was geschieht, taugt sehr viel für die Armee. Du würdest Deine Männer niemals blind in den Tod schicken. Denn Du siehst, verstehst Du?


    Du bist kein Weichei und Du hältst auch niemanden auf. Bist Du als Letzter angekommen? War die Schlacht schon geschlagen? Haben Deine Kameraden auf Dich warten müssen? Hast Du einen Kameraden durch Deine Handlung oder Nicht-Handlung gefährdet? Nein? Dann hast Du auch niemanden aufgehalten.


    Ocella ist vermutlich nicht an Deinem Kuchen gestorben. Das hoffe ich jedenfalls.


    Niemand kann Dir beibringen ein Lügner oder Wahnsinniger zu sein, es sei denn Du gehst bei einem derartigen Mann in die Lehre. Und ich glaube Ocella war weder das eine, noch das andere.


    Was Du benötigst ist mehr Selbstvertrauen. Nimm das Wort mal wörtlich, vertraue in Deine eigenen Fähigkeiten. Zähle Dir einmal auf was Du kannst und sei stolz drauf. Dann zählst Du Dir auf, was Du nicht kannst. Daran arbeitest Du oder nimmst es als gegeben hin. Kenne Deine Stärken und Schwächen Fango. Jeder hat sie.


    Fango mir macht es etwas aus. Mich schmerzt jeder gefallene Kamerad, mich schmerzt jede Person die zu Unrecht niedergemacht wurde. Aber wären wir beide nicht, wäre die Legion nicht Fango, dann wären es noch viel mehr Menschen die sterben würden. Wir sind jene die genau das verhindern sollen. Daran halte ich mich fest. Das ist meine Mauer zwischen mir und dem Abgrund.


    Wie oft wollte ich schon alles hinschmeißen? Unzählige Male Fango. Hast Du schon einmal einen sterbenden Kameraden gehalten? Sein Blut rinnt zwischen Deinen Fingern hindurch, genau wie sein Leben? Was soll ich diesem Mann sagen? Es gibt keine Worte, die man ihm mit auf den Weg geben kann. Man fühlt sich hilflos, machtlos, ohnmächtig und allein.


    Aber würde ich meinen Platz räumen, würde ich wirklich gehen und all das an den Nagel hängen Fango, dann hätte der Feind ohne einen Schwertstreich gewonnen. Wieder einer weniger, der für das aufsteht, was richtig und wichtig ist.


    Und ich hätte all jene verraten, die einst an meiner Seite kämpfen. Und die Männer, die heute an meiner Seite kämpfen, denn sie verlassen sich auf mich, wie ich mich auf sie. Verwechsele Gelassenheit nicht mit Gleichgültigkeit Fango. Ich reagiere gelassen um die Kontrolle über meine Handlungen zu behalten. Wut und Hass sind keine guten Ratgeber. Oft wollen Dich Deine Feinde zu einer unüberlegten Tat verleiten. Wut und Hass führen Dich genau dorthin.


    Also gehe gelassen ein Problem an. Lass Dich nicht am Nasenring durch die Arena führen. Einmal mehr überlegt, heißt nicht, dass Dir etwas gleichgültig wäre. Du rastest nur nicht aus, Du lässt Dich nicht von Gefühlen mitreißen. Du bleibst gelassen und genauso wirst Du Deine Feinde in den Staub schicken. In aller Ruhe und Gründlichkeit. Vielleicht bist Du damit nicht der Schnellste, aber in einer Schlacht zählt nur, wer am Ende noch steht.


    Also behalte die Augen und das Herz offen Fango, sieh hin und benutze Deinen Kopf um zu erreichen was Du möchtest. Weglaufen war noch nie eine Lösung. Ich nehme Dich unter meine Fittiche, Du wirst kein Lügner und kein Wahnsinniger. Du wirst auch kein strahlender Held Fango.

    Alles was Du wirst ist ein Kavallerist, ein Mann der Ala", antwortete Cimber tröstend.


  • "Dann sind die meisten vermutlich Lügern. Das sollte ich mir auch angewöhnen, denn wahnsinnig möchte ich natürlich nicht werden. Aber nur rumjammern geht ja auch nicht. Ich glaube, mir mangelt es an Kampfgeist", klagte Fango. "Ich wollte eigentlich nur zur Ala, weil Scato zu den Cohortes Urbanae gegangen ist. Er hat es mir so erklärt: Wenn man zur Armee geht, regelt Rom für einen künftig das Leben. Man hätte einen guten Sold, würde gratis eine Unterkunft und üppige Mahlzeiten erhalten, immer gute Kameraden um sich haben. Man müsste sich um nichts mehr Sorgen machen. Ich habe all das bekommen und sogar ein Pferd obendrauf, aber habe mehr Sorgen denn je!"


    Er blickte Cimber an. "Wie stärke ich meinen Kampfgeist? Ich bin nicht hier, weil ich kämpfen will, ich bin eigentlich nur hier, weil ich den ganzen Rest haben wollte. Die Unterkunft, das Essen, den Sold und die Kameraden. Ich dachte, das Kämpfen sei eben Beiwerk, mit dem ich schon klarkommen werde, andere schaffen das schließlich auch. Stattdessen ist es allgegenwärtig und ständig sterben Leute!"


    Seine Unterlippe zitterte. Leise sagte er: "Eigentlich hätte ich das wissen müssen. Ziemlich dumm von mir. Nun bin ich für immer hier und werde vermutlich bald tot sein. Ich wünschte, ich wäre mehr wie du oder wie Vexillarius Matinius Ocella oder mein Ausbilder der Duplicarius Andriscus. Und weniger wie ich."

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