Chyou

  • Schon den ganzen Tag hatten seine Angestellten Sklaven verkauft und Titus Tranquillus hatte feststellen müssen, dass er wieder einmal Recht behalten hatte. Dieser Sklavenaufstand -- den Göttern sei's gedankt, dass er zu dem Zeitpunkt in Syria gewesen war -- hatte die Preise verdorben. Gründlich verdorben.


    Seit im Verlauf des Nachmittages die besseren Sklaven zum Verkauf standen, hatte er selbst das Podium betreten, aber nun näherte sich die heutige Aktion ihrem Höhepunkt. Und der Sklavenhändler hoffte, dass dieser Höhepunkt sich in barer Münze auszahlen würde und sein, das hieß ihre Exotik die verdorbenen Preise ausgleichen würde.


    "Tretet näher Volk dieser wunderbaren Stadt, denn sowas wie jetzt bekommt selbst diese wunderbare Stadt nicht oft zu sehen. Eine ware Seltenheit an Exotik hat euch euer treuer Titus Tranquillus aus großer Ferne mitgebracht."
    Er winkte seinen Assistenten zu, die Chyou aus dem Hintergrund nach vorne brachten.
    "Keine Mühen und keine Kosten habe ich gescheut euch diese Sklavin zu beschaffen. Aus dem äußersten Osten habe ich sie gebracht. Viel weiter als Syria, weiter als das Land der Palmyrer und der Parhter, weiter noch als das India, das Alexander eroberte liegt ein Land wie es unserem fremder nicht sein könnte. Und dorther kommt sie. Ihr Name ist so exotisch wie ihr Land: Chyou." Er sprach es Schjuh aus denn er wusste selbst nicht genau, wie man das aussprechen sollte, was er sich in die Wachstafel geritzt hatte.
    "Ihr fragt euch -- ich sehe es euch doch an -- wenn sie von so weit her kommt, was sollen wir mit ihr. Sie spricht sicher keine zivilisierte Sprache. Aber hat euch euer Titus Tranquillus jemals enttäuscht?" theatralisch legte er die Hand auf die Brust und sah das Publikum gespielt treuherzig an. Natürlich hatte er sie enttäuscht, getäuscht und glattheraus betrogen -- nur erwischen lassen hatte er sich nie.
    "Selbstverständlich sorgte ich dafür, dass sie Latein spricht und ebenso selbstverständlich sorgte ich dafür, dass sie die Erziehung erhielt, wann sie das tun soll." Also Reden allgemein, nicht nur Latein.
    "Wer von euch Herren und Damen möchte sein Haus mit dieser Exotischen Blume zieren? Ich biete euch eine sagenhafte Gelegenheit für die geradezu spöttische Summe von nur 500 Sesterzen. Auf junger Herr! Oder ihr vielleicht schöne Dame?" forderte er niemand konkreten der Umstehenden auf.


    Sim-Off:

    Die Auktion läuft bis Dienstag, den 06.02.2018 um 19:59:59. Posts mit einem Zeitstempel ab einschließlich 20:00 und editierte Posts scheiden als Gebote aus.


    Edit: Nach mehreren freundlichen Hinweisen, den korrekten Monat eingetragen. Nein, ich erwarte keine Zeitreisen von euch

  • Zitat

    Original von Titus Tranquillus

    Sim-Off:

    Die Auktion läuft bis Dienstag, den 06.01.2018 um 19:59:59. Posts mit einem Zeitstempel ab einschließlich 20:00 und editierte Posts scheiden als Gebote aus.


    Sim-Off:

    Titus: Nur damit niemand irrtümlich meint, die Auktion sei schon längst vorbei ... es war bestimmt vom 06.02.2018 die Rede ;)


    Was sollte es heute sein? Ein neues Kleid? ... Ein neues Schmuckstück? ... Vielleicht ein weiterer edler Stoff, oder der hunderste exotische Duft? ... Oder doch lieber ein neues Tier für den hauseigenen Zoo, da der Löwe dummerweise gestern das letzte Zebra gerissen hatte und ausgerechnet dieses beim nächsten geplanten Fest als Dekoration hätte dienen sollen?


    Wahrlich schwere Entscheidungen, die eine Patrizierin tagtäglich zu treffen zu hatte!


    So auch heute, an diesem schönen Tag, an dem Prisca mit ihrem Gefolge die Märkte besuchte. Dummerweise waren Zebras gerade ausverkauft und die nächste Lieferung war erst für in vier Wochen angekündigt. Wirklich zu dumm!, dachte Prisca und lugte dabei missmutig zwischen den Vorhängen ihrer Sänfte hervor.


    Als letzte Station für heute war (wie üblich) der Stand des alten Sklavenhändlers Titus geplant, da das Schlitzohr mitunter so manche Überraschungen parat hatte. Seine Ware war allerdings nicht selten von eher minderer Qualität, was natürlich rein subjektiv gesprochen war, denn letztendlich galt es ja den Preis zu drücken, wann immer es ginge.


    Das heutige Angebot schien allerdings ein wahres Schnäppchen zu sein! Eine Sklavin aus dem entferntesten Teil des Ostens, den ein Römer sich vorstellen konnte? Prisca horchte bei den Worten des alten Halsabschneiders augenblicklich auf und ihre Augen richteten sich neugierig auf die feil gebotene Ware. So eine Sklavin wäre wahrlich ein Schmuckstück und sei es nur, um sie bei nächster Gelegenheit als "exotisches Exemplar" vorzuführen. 500 Sesterzen wären kaum der Rede wert und noch dazu sprach das Ding Latein! Prisca hatte durchaus Interesse an der Ware, doch sie fürchtete nur, dass der Reiz des Bieterstreites allzu schnell beendet wäre, falls einer der üblichen "Mathematik-Legasteniker" das Gebot gleich zu Anfang in absurde Höhen treiben würde.


    Das Anfangsgebot ging jedoch völlig in Ordnung und so gab Prisca ihrem Leibsklaven einen Wink, die aufgerufene Summe zu bestätigen:


    "Meine Herrin, die ehrwürdige Aurelia Prisca, bietet die geforderte Summe von 500 Sesterzen!", rief der beauftragte Sklave sogleich lautstark nach vorne.

  • Zwei schwielige Hände ergriffen Chyou an den Oberarmen und die Helfer von Titus Tranquillus schoben sie mit Nachdruck die hölzernen Stufen hinauf, bis zur Mitte des Verkaufspodests. Die kurze Treppe schien schon lange in Gebrauch, denn des dunkle Holz war spröde und ein winziger Splitter bohrte sich schmerzhaft in Chyous nackte Fußsohle. Sie verzog das Gesicht und wäre beinahe gestolpert, ihre "Begleiter" aber hielten sie aufrecht. Das Gros des Tages hatte sie in einer dunklen Kammer verbracht, wartend auf den Beginn der Auktion, sodass die grelle Sonne über der Stadt Roma sie nun blendete. Chyou kniff ihre mandelförmigen Augen zusammen und blinzelte einige Male, bis der weiße Schleier wisch und sie sich ihrer Umgebung wirklich gewahr wurde. Was sie sah waren unzählige Menschen, die sich vor dem Podest drängten und sie anstarrten. Einige voller Staunen, manche lüstern, wieder andere mit jenem Ausdruck im Gesicht, mit dem man auch ein widerwärtiges Insekt betrachtete. Für Chyou war diese Erfahrung nicht neu, ganz ähnlich hatte es sich in Kyrene oder Alexandria zugetragen.


    Gedankenverloren nestelte sie an einem groben Faden herum, der aus dem ihre Handgelenke umschließenden Seil fiel. Die Fessel saß locker und diente nur dem Schein, denn das eigentliche Hindernis waren die Helfer von Titus Tranquillus; - wenn sie denn einen Gedanken an Flucht verschwendet hätte. So nahm Chyou nur die auf sie einstürmenden Eindrücke des Marktes in sich auf. Den Lärm, den Geruch, die umstehenden Mauern der Gebäude, ohne jedoch einem Detail besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ohnehin erwartete sie nicht, allzu lange in Roma zu bleiben. Auch wenn ihr jemand zugeflüstert hatte, dies sei die Hauptstadt jenes Reichs, dass sich 'Imperium Romanum' nannte. Soeben wurde das erste Gebot abgegeben. Chyou hielt den Kopf gesenkt und in ihren Ohren hallte noch immer der Klang dessen nach, wie Titus Tranquillus ihren Namen ausgesprochen hatte.

  • Kalte Rache. Es war dieses frostige Gefühl, welches durch seinen Körper streifte, wie ein Fremdkörper. Ein Geschwür wuchs in ihm, welches ihn emotional verwahrloste. Es waren Gedanken. Wachsende Gedanken, die gegen jeden Herzschlag einen Zweifel setzten. Sein Leben war Funktion. Ein sinnloses Überleben in einem schrumpfenden Universums. Jeden Tag schien seine Welt kleiner, begrenzter und undurchdringlicher. Er war hier gefangen, wie die Sklaven, die er beobachtete, wenn er über diesen Markt ging. Verus trat gerne über die Märkte, sah die Geschichter der Menschen, so frei und unfrei sie waren. Jeder trug hier seine Ketten, ob sie nun geschmiedet oder erdacht waren. Der Trecenarius wirkte unscheinbar, doch die kräftigen Musklen und Narben sprachen ihre eigene Sprache. Dieser Mann hatte gekämpft. Oft gekämpft. Der Tod folgte ihm heimlich und doch sah man ihn in seinen Augen. Es war diese kalte Rache des Krieges, die in ihm brannte. Der Krieg ließ ihn nicht mehr los, ließ ihn taub für viele Wunder zurück. Doch das Gesicht dieser fremden Schönheit, wenn auch unter Leid verbunden, ließ ihn inne halten. Dieses Wesen erinnerte ihn an Luna, seine geliebte Idun, die er aus den Fängen eines fernen Gefängnisses befreit hatte. Ihre Liebe gab ihm einen Hauch Leben. Einen winzigen Hauch der sterbenden Menschlichkeit. Ansonsten wäre er nur eine Bestie, die auf Befehl ihre Ketten verließ, um Feinde ihres Herren zu töten. Verus konnte meucheln, hatte es bereits oft getan und dies sogar im guten Glauben aber inzwischen konnte nicht einmal mehr das ihn erschrecken.


    Er fürchtete sich viel mehr vor dieser Leere, die ihn ergriffen hatte. Der Mann fühlte nichts mehr, außer eine verlorene Sehnsucht nach dem, was er einst war. Das Leben mit seiner Zeit verlief zäh, behäbig und auf ein Urteil wartend. Die wertvolle aber schlichte Tunika, die ertrug, zeigte keinen Stand oder auch besonderen Besitz. Er war unauffällig, gar normal erscheinend, wie er dort stand und zu Chyou hinauf blickte. Seine Augen fanden kurz Glanz, bevor auch diese wieder ermatteten. Ja, sie erinnerte ihn an Luna. Wie ein brauchbares Memorandum; ein schneller Traum, der vorbei huschte und schrie, bevor man ihn verlor. Ihr Gesicht war anders, so anders als alle Gesichter, die er bisher gesehen hatte. - Und er hatte viele Gesichter gesehen, leider auch viele Gesichter im Moment ihres Todes, als sie durch seine Klinge im Kampf fielen. Diese Sklavin war anders. Sie war anders und diese Andersartigkeit schien schützenswert, gar verletztlich und fremd. Chyou war eine echte Fremde in einer Welt der Fremden. Verus hatte sich selbst entfremdet und fand ein Gefühl wieder, welches er verloren glaubte: Mitgefühl. Zweifel nährten sich, gruben sich tief ein aber verstummten wieder, als die Erinnerung an die Kämpfe aufkeimten, die wohl auch Chyou auf die eine oder andere Art an diesen Ort gebracht hatten. Rom war Krieg. Rom war Macht und Rom war hier groß, während die Menschen klein waren.


    Verus war verkümmert, obwohl eine Maschine des Krieges war. Die Narben zeigten deutlich, was er war; zumindest denjenigen, die hinsehen konnten. Unbesiegt im Kampf, erfolgreich als Prätorianer, Geheimdienstchef und Meuchelmörder des Kaisers aber verloren als Mensch. Nur Luna war sein Herzschlag, der ihm leben gab. Er musste sie verstecken, verbergen, damit niemand sein Herz töten konnte. Doch konnte er sie nicht verstecken, denn ihr Herz musste atmen. Genau dieser Gedanke brachte ihn dazu, zu verweilen, weil er jenen Herzschlag vermisste und seine erlernte Grausamkeit drohte diesen zu ersticken. Verus war eben nur ein guter Soldat. Ein guter Soldat, der stets Befehle ausführte. Er rächte sich an seinem eigenen Herzen, welches ihn einst verraten. Chyou war verloren, wie einst er. Der Trecenarius trat heran, unerkannt in seinem Amt und seiner falschen Würde, und blickte reumütig zur Sklavin. Sie tat ihm so furchtbar leid. Beide waren sie entrissen. Wo blieb nur Luna? Er brauchte sie jetzt. Sie wollte ihn trefen, genau hier und sie war noch nicht eingetroffen.

  • Luna mochte die Gassen Roms nicht. Sie waren eng, stickig, schmutzig und immer voller Menschen. Man wurde angerempelt zur Seite gedrängt oder auch einfach mit dem Strom aus Menschen fortgerissen unfähig sich gegen eben jenen Strom zu stemmen um in eine andere Richtung zu gehen. Nein sie Mochte die Gassen Roms wirklich nicht. Und doch war es ab und an notwendig sich in dieses so unübersichtliche Gewirr an Menschen zu begeben. Einkäufe musste erledigt, Bestellungen aufgegeben und Besorgungen gemacht werden.
    Sie wollte sich eigentlich schon vor einer halben Ewigkeit mit Verus auf dem Markt treffen. Doch das Gewirr der Menschen hatte sie zu einem Umweg gezwungen. Nun stand sie hier am Sklavenmarkt. Ein angewiderter Blick traf den Händler und seiner Gehilfen. Sie hasste diesen Ort. Dieser Ort wo Menschen zur Schau gestellt wurden wie Vieh. Dieser Ort, der erst vor ein paar Tagen Platz einer öffentlichen Auspeitschung war. Luna wurde immer noch übel, wenn sie an jene Bilder zurück dachte. es lies ihr vor allem kalte Schauer über den Rücken laufen, weil Verus es war, der eben diese öffentliche Demütig befohlen hatten. Er war nicht der Befehlsempfänger, sondern dieses Mal war er derjenige der den Befehl gegeben hatte.
    Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. Seit sie hier in Rom waren wirkte er kälter. Sie war sich gar nicht mehr sicher ob er noch eine Maske trug oder ob er inzwischen eins mit ihr geworden ist.
    Sie sah sich um und suchte nach Verus. Die Menge war auch hier unüberschaubar, aber dennoch fand sie ihn. Sie würde ihn immer finden, egal wie gut er dachte sich zu verbergen. Egal wie unauffällig er sich kleidete. Luna würde in unter tausenden erkennen. So bahnte sie sich nun also einen Weg zu ihm.
    "Dominus." sagte sie leise und grüßte mit einem Kopfnicken.

  • Eigentlich war ich an diesem Tag auf den Markt gekommen, um ein kleines Präsent für Valentina zu erwerben. Ich hatte sie nämlich zu mir in die Villa eingeladen. Zum Essen und zum Reden und vielleicht würde sich Anschluss auch noch die Möglichkeit für ein kleines Würfelspielchen ergeben. Diese hatte ich nämlich in letzter Zeit für mich entdeckt und hatte meine helle Freude an ihnen. In Begleitung meines Sklaven Muckel war ich dabei gewesen die Marktstände nach etwas Brauchbarem abzusuchen, was sich für eine Frau eignen würde. Dabei habe ich gleich noch für mich selbst eine kleine Reiterfigur erstanden, an der ich natürlich nicht hatte vorbei gehen können ohne sie zu erwerben. Meine Sammlung wuchs also noch immer und war stolz auf meine Figurinen, welche einen beträchtlichen Teil meiner Regale im Raum für sich beanspruchten. Nun hielt ich also ein weiteres Exemplar in meinen Händen.
    “Oh Casca, schau doch hier. Das Tuch. Es ist so schön grün!“, erklärte Nepomuk und fummelte auch sogleich an dem besagten Stoff herum.
    Ich jedoch winkte ab.
    “Ich hatte eher an so etwas wie Schmuck gedacht. Vielleicht eine Kette oder einen Ring.“
    “Einen Ring?“, hakte mein Sklave nach und neigte dabei sein Haupt. “Das wäre viel zu offensichtlich!“
    “MUCKEL!“, hob ich ermahnend meine Stimme. “Es geht ja nicht um eine Verlobung oder dergleichen. Ein schlichter kleiner Ring ist vollkommen harmlos!“
    Mein Sklave zuckte mit den Schultern und wir gingen unverrichteter Dinge weiter. Allerdings konnte ich nicht verhehlen, dass ab und an meine Fantasie mit mir durchging und ich mir schon bisweilen imaginierte, wie es wäre Valentina eines Tages als Verlobte mein eigen nennen zu dürfen. Wie es sich wohl anfühlen würde eine Frau zu haben und eine Familie zu gründen?
    Noch vollkommen in Gedanken gelangten wir auf den Sklavenmarkt, wo der gute alte Tranquillus wieder seine Waren feil bot. Mein Bedarf an Sklaven war eigentlich gedeckt und seit der Aufstände war ich sowieso froh, dass die Unfreien im Hause Decima fast alle treu ergeben waren und das schlimmste was dort passiert war mal ein kleiner Mundraub in der Küche war, welchen die Coqua natürlich sofort geahndet hatte.
    “Du schau mal!“
    Muckel deutete auf die Bühne, zu der ich nun schaute und eine wirkliche kleine Besonderheit entdeckte. Die Sklavin hatte wirklich außergewöhnliche Gesichtszüge und kam angeblich von so weit her, dass der Ursprungsort wohl auf keiner mir bekannten Karte zu finden war.
    Das interessierte mich nun doch.
    Mit meinem Sklaven an meiner Seite bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge, wobei ich mir nicht zu fein war dann und wann meine Ellenbogen zu gebrauchen. Dann hatte ich mich nach vorne geschoben, wo ich einen guten Blick auf das Geschehen hatte. Offenbar war das erste Gebot schon gefallen. Fünfhundert Sesterzen. Doch es würde wohl nicht das einzige Gebot bleiben. Nicht für eine derartig exotische Frau. Gedankenverloren befingerte ich meine Reiterstatuette und blickte gen Podium.

  • Ein Stock legte sich unter Chyous Kinn und zwang sie, den Kopf zu heben. Wortlos deutete des Sklavenhändlers Helfer auf die größer werdende Menge vor dem Verkaufspodest. Chyou verstand seine Absicht. Sie sollte ihre Augen präsentieren, deren Form den Menschen hier so fremdartig war. Und tatsächlich hatte sie in den vergangenen sieben Jahren, die sie nun schon unter Römern verbrachte, niemanden angetroffen, der ihr geglichen hätte. Immerhin beließ es der Mann damit, als sie seiner Aufforderung nachkam und verzichtete auf weiteren Nachdruck. Noch immer rollte Chyou den aus der Fessel gesprungenen Faden zwischen ihren Fingern hin und her, löste ihn allmählich in einzelne Fasern auf. Es war der Versuch, sich abzulenken, irgendeine Beschäftigung zu finden, um die Gedanken nicht auf ihre Zukunft richten zu müssen.


    Zwangsläufig begann Chyou, einige der Zuschauer näher in Augenschein zu nehmen. Da war diese Sänfte, umringt von Trägern und anderen Sklaven, aus deren Richtung das erste Gebot erklungen war. Den Namen der Bieterin hatte Chyou sich nicht eingepägt und auch konnte sie durch den Spalt zwischen den wallenden Tücher nur eine Silhouette ausmachen. Ein Junge streckte seinen Arm nach ihr aus, punktierte sie mit dem Zeigefinger und zupfte voller Aufregung am Gewand seiner Mutter, wohl weil er sie auf Chyou aufmerksam machen wollte. Direkt daneben diskutierte eifrig eine Gruppe Jugendlicher, in den Händen braun und rot gefärbte Früchte. Wurfgeschosse, doch schien es, als scheuten sie das Risiko eines Konflikts mit Titus Tranquillus. "Lass 'mal sehen!", brummte ein untersetzter, kahler Mann in grüner Toga gegen den Lärm der Zuschauer an und wedelte fordernd in Chyous Richtung. Zur Antwort klatschte der Stock auf ihre Schulter, Chyou zuckte bebend zusammen und ihr Körper versteifte sich, als der Stoff zur Seite geschoben wurde und schließlich bis auf ihre Hüfte hinab fiel.

  • Zitat

    Original von Luna


    [...]


    "Dominus." sagte sie leise und grüßte mit einem Kopfnicken.


    Erleichterung. Verus sah seine geliebte Luna an, die sich näherte. Ein vorsichtiges und zerbrechliches Lächeln fiel über seine eigenen Lippen. Der römische Prätorianer spürte einen kurzen Herzschlag, der dumpf durch seinen Leib trieb und seine Atmung minimal beschleunigte. "Luna," grüßte Verus mit einem warmen Wort, welches ohne Schande und Zorn aus seinem Munde fiel. Verus verlor für einen Moment diese kalte Enttäuschung und diese sehnsuchtsvolle Rache, die ihn befallen hatte. Seine Geliebte gab ihm Hoffnung, die Grausamkeit für Momente zu vergessen. Für einen Moment Mensch zu sein. "Es ist schön dich zu sehen," sagte der mächtige Geheimdienstchef, während er deutlich näher an sie heran trat aber er durchbrach nicht die höfliche Grenze. Seine Macht war in ihren Augen bedeutungslos und diese Bedeutungslosigkeit gab ihm Erlösung. In ihren Augen war er nur ein liebender Mensch. Es war eine einfache Wahrheit, die keiner Beweisführung bedurfte. Liebe war ohne Beweis gültig. Sie war immer richtig. "Hast du die Bestellungen aufgeben können?" - fragte der unruhige Verus, der unsicher wurde. Immer noch fiel ihm der Alltag schwer und als neuer Hausherr eines großen Stadthauses hatte er allerhand Alltag zu bewerkstelligen, neben seinem harten Dienst als grausamer Schattenmann. Schließlich wanderte sein Blick wieder hinüber zur fremden Sklavin, die ähnlich einem Stück Vieh angeboten wurde. Ein übliches Geschäft auf diesem Markt, so dass Verus nicht erstaunt war. Dennoch tat sie ihm leid. Dieses einfache Geschöpf, hier so fremd und entrissen, wurde begafft und mitunter an falsche Hände vergeben, die es nicht als Wert schätzten, sondern nur als Objekt. Verus war niemals ein schlechter Sklavenhalter gewesen. Mit jener Ausnahme, dass es von ihm verlangt werden konnte, Sklaven zu bestrafen und zu richten. Rom war immer seine oberste Devise, wenn auch inzwischen eine leere Devise. Doch Verus als Mensch, sofern er nicht durch Pflicht gebunden war, war ein großherziger und warmer Dominus, der sicherlich mehr Menschlichkeit anbrachte, als andere. Dies stand sogar im krassen Kontrast zu seiner dienstlichen Persönlichkeit, die grausam und dominant sein konnte und auch musste. Die Prätorianer verlangten jedwede Hingabe aber verlangten keine hinderliche Moral. Vielleicht trafen es Sklaven in seinem Hause sogar besser als die Bürger, die er bearbeiten musste.

  • Ein Schwein schlachten.Darauf hatte Cerretanus Lust wobei das Schwein seine Spartruhe war. Ihm war zu Ohren gekommen dass heute Exotik pur am Sklabenmarkt anzutreffen war und anacheinend waren auch vielen anderen diese Nneiigkeit zu Ohren gekommen. Denn der Platz war brechend voll. Jeder der nicht den heutigen Tag früh begonnen hatte und schon vor Ort war hatte Pech. Auch Cerretanus. Er war zwar groß aber nicht groß genug. Irgendwas musste er machen damit er weiter nach vorne kam und das Mädchen sehen konnte.


    Kein Plan. Cerretanus machtebes auf die altmodische Art und drängelte sich jedesmal wenn sich eine kleine Lücke öffnete ein Stück weiter nach vorne.

  • Zitat

    Original von Chyou
    ... "Lass 'mal sehen!", brummte ein untersetzter, kahler Mann in grüner Toga gegen den Lärm der Zuschauer an und wedelte fordernd in Chyous Richtung. Zur Antwort klatschte der Stock auf ihre Schulter, Chyou zuckte bebend zusammen und ihr Körper versteifte sich, als der Stoff zur Seite geschoben wurde und schließlich bis auf ihre Hüfte hinab fiel.


    Obgleich es keine Verbindung zwischen ihnen gab, so versteifte sich auch Priscas Körper unmerklich, als die feil gebotene Sklavin teilweise entblößt wurde. Der nackte Körper einer Sklavin wirkte anscheinend besonders verkaufsfördernd auf so manche Schaulustige, wobei Prisca auf diese Art der Zurschaustellung gut und gerne verzichten konnte.


    Das Gebot stand jedoch noch immer zu ihren Gunsten und so sah Prisca sich nicht gemüßigt, dem Treiben in irgendeiner Form Einhalt zu gebieten (was im Grunde auch nicht in ihrer Hand lag).


    Prisca beobachtet lediglich weiter aufmerksam die Regungen der Sklavin, in der Absicht zu begreifen was in dieser Frau gerade vorgehen mochte.

  • Nach endlosen Kampf, Meter für Meter hatte der Germanicer eine Position erreicht die es ihm ermöglichte einen Blick auf das exotische Wesen werfen zu lassen.
    Und da stand das Mädchen. Es war doch ein Mädchen? Cerretanus war sich überhaupt nicht sicher denn die Gestalt der Person am Podest wies nicht darauf hin. Mager und eher klein, ohne sichtbaren weiblichen Attribute.Bis auf das Gesicht dass im Gegensatz sehr feminin wirkte. vllt war es noch ein sehr junger Bursche überlegte er.


    Just in jenen Augenblick als der Gedanke beendet war wurde der Oberkörper bis zu den Hüften entblößt was nun Sicherheit über das Geschlecht erbrachte.
    Meeee......doch kein Junge dachte er sich.


    “ Wie hoch ist denn das letzte Gebot gewesen?“ erkundigte sich Cerretanus. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Das Gebot lag immer noch bei 500. Der Preis der zu Beginn ausgerufen wurde.


    “550 Sesterzen“ Ein kleines Schmunzeln umspielte die Mundwinkel des Germanicers. Wie wäre es wenn man ein wenig die Stimmung anheizt. Er selbst hatte nicht genügend Kapital flüssig um aktiv mitzubieten. Zumindest würde es bis zu einem etwas höher liegenden Betrag klappen aber dann wäre Ende im Gelände.

  • “Hui!“, entfuhr es meinem Sklaven, als eine Scherge des Händler die Hülle, welche die Sklavin bedeckte von deren Schultern schob. Dann schaute er verlegen und zu Boden und kratzte sich am Hinterkopf, während ich den Kopf schüttelte. Rein zur Prophylaxe, denn gleich würde er gewiss fragen, ob ich nicht vielleicht die schöne, wenn nunmehr auch entblößte Blume, zu pflücken gedachte. Das hatte ich eigentlich nicht vor, auch wenn ich mich sogleich bei dem neben mir stehenden Mann erkundigte, was Tranquillus zuvor über diese exotische Schönheit gesagt hatte. Doch außer dass die Latein sprechen konnte und von weit entfernt kam, hatte er noch keine Informationen preisgegeben. Nur dass sie wohl Schjuh hieß oder so ähnlich. Was für ein sonderbarer Name! Überhaupt kam es nicht infrage eine Sklavin zu erwerben, denn im Grunde gab es in der decimischen Villa auch überhaupt keinen Bedarf.
    “Wäre das nicht ein schönes Geschenkt für Valentina?“, fragte Muckel nun für ihn untypischerweise ein wenig zaghaft. “Ich meine, das wäre doch besser als ein Ring oder ein Stück Stoff...“
    “Hm,“ entfuhr es mir und griff mir nachdenklich ans Kinn.
    Es stimmte schon. Im quintilischen Haushalt würde sich eine weitere Sklavin sicherlich gut machen. Eine, die Valentina umsorgte und ihr mit Rat und Tat zur Seite stand. Dennoch war zu überlegen, ob ich mir eine solche Exotik überhaupt leisten konnte. Mein Blick schwenkte zu der Sänfte, aus der das erste Gebot gekommen war. Dann hin zu dem Mann, welcher das zweite abgegeben hatte. 550 Sesterzen waren nicht sonderlich viel. Zumindest nicht für eine gut ausgebildete Sklavin ohne besondere Ansprüche. Nur was konnte sie?
    “IST SIE GUT IM HAUSHALT?“, wollte ich dann lautstark wissen, damit meine Stimme über das Gemurmel der Menge hinweg kam. “WAS KANN SIE DENN AUßER LATEIN?“ Immerhin konnte ich davon ausgehen, dass Valentina nicht an ihrer Oberweite interessiert sein würde, sondern an ihren Fähigkeiten im Umgang mit einer lieben Herrschaft, wie sie die Quintilia darstellen würde.

  • Damit war zu rechnen gewesen. Da hatte man ein wirkliches Glanzstück an Exotik herangeschafft und irgendein lüsterner alter Sack maß Exotik wieder mal ausschließlich am Brustumfang. Wozu gab man sich eigentlich die Mühe, was besonderes hier auf die Verkauffläche zu bringen?
    Aber Geschäft war für das alte Schlitzohr eben Geschäft und sein Assistent sorgte weisungsgemäß dafür, dass die Wünsche des potentiellen Kunden erfüllt wurden. So war das nun mal.


    Das Gebot kam aber dann doch nicht von dem Fetten. Offensichtlich nicht "exotisch" genug.
    "Ah, eine excellente Frage, junger Mann. Ich darf sagen, dass sie ein besonderes Talent dafür hat, Räume zu dekorieren. Gebt ihr ein paar Blumen und Pflanzen und sie verzaubert eure Räume so, dass ihr selbst sie mit dem Elysium verwechseln würdet.
    Sie ist aber natürlich nicht nur für besondere Tage zu gebrauchen, auch für die alltäglichen Arbeiten ist sie ausgebildet."

    Blieb nur zu hoffen, dass der Mann keine Köchin kaufen wollte, denn der Geschmack der Sklavin war doch ein deutlich anderer als man ihn hier in Rom gewohnt war.

  • Lunas Lächeln wurde warm und erreichte sogar ihre Augen. Ja sie freute sich ehrlich Verus zu sehen, gerade wirkte er wieder so menschlich, so verletzlich. Dies hier war seit langer Zeit mal wieder ihr Verus. Nicht jeder der sich hinter Befehlen und Gesetzten und dergleichen versteckte. „Ja ich habe alles erledigt.“ Sagte sie. Dann fiel ihr Blick nun doch auf die Bühne und sie sah etwas außergewöhnliches. Eine fremdartig wirkende Frau mit Augen, die an Mandeln erinnerten. Luna betrachtete sie lange. Sie wirkte zart, ja fast konnte man sagen zerbrechlich. Sie sah zu Verus und erkannte, dass er etwas in der Sklavin sah. Sie musste lächeln. Das war wieder mal typisch Verus, er fand einsame Seelen wie andere Leute Gold. Dann vernahm sie, dass die junge Frau sich auf Blumen und Pflanzer versteht, da horchte Luna auf. Eine Frau die ein Händchen für Gärten hatte? Die kam ihr gerade recht. Sie selbst kannte sich mit Kräutern und Nutzpflanzen aus, aber sie konnte ja schlecht den ganzen Garten der Villa damit bepflanzen. Jemand der ein Händchen und ein Augen für das dekorative Grünzeug hätte... Noch einmal fiel ihr Blick auf Verus, dann drehte sie sich zur Bühne. „Mein Dominus bietet 600.“ Sagte sie schließlich und lächelte Verus an. „Tust du doch oder?“ fragte sie ihn leise lachend.

  • Es war alles erledigt. Sofern man in einem Haushalt wirklich alles erledigen konnte. Verus war kein guter Hausverwalter und verstand auch nicht wirklich jene zivilisatorischen Standards, da er fast sein ganzes Leben Soldat war. Für ihn war bereits ein Bett, welches keine einfache Pritsche war, ein erstaunlicher Luxus. Noch immer schmerzte der Rücken von der weichen Unterlage, die er sonst nicht kannte. Wolldecken als Unterlage waren ansonsten seine Schlafstätte gewesen, doch Luna hatte auf gute Betten mit Fell und dicken Unterlagen bestanden, da sie erfahren hatte, dass dies in besseren Kreisen Standard war. Rom wollte seine Herkunft gerne verdrängen, doch gehörte auch er zum Adel dieser Stadt. Sein Stand verlangte gewisse Attribute. Er musste nicht mehr in der Castra Praetoria nächtigen und doch zog er es oft vor, dort zu verbleiben, denn die Arbeit schlief niemals. Dort war er besser erreichbar, näher am Geschehen und war umgeben von vertrauten Gesichtern, die verstanden, was er war. Außerhalb der Soldaten fand er selten Vertrauen und Verständnis. Zu seinem Glück hatte er Luna, die inzwischen viel von Rom verstand oder zumindest eine Sicherheit im Umgang mit den Verwalterpflichten eines Haushaltes besaß. Verus verbarg vor ihr nicht, dass sie nach germanischer Sitte verheiratet waren und dies wohl nun ihr Haus war. Zwar würde diese Ehe niemals in eine legale Ehe überführt werden können aber Verus Herz verlangte eine Bekundung, die er Luna im Geheimen längst gegeben hatte.


    Die Villa Tiberia stand unter sanftem aber festem Blick seiner vermeintlichen Sklavin, was die anderen Sklaven des Hauses erstaunlich wertschätzten. Auch wertschätzte dies, weil der Umgang mit Sklaven für ihn immer noch problembehaftet war. Nach den Eindrücken in Germanien, jenem Schmerz den Luna und er teilten, war es für ihn fast unmöglich als harter Dominus zu wirken, wie es wohl einem ranghohen Soldaten erwartet wurde. Insofern entstand in Verus Stammhaus eine ruhige Atmosphäre einer gewissen Freiheit, die die Sklaven genossen aber auch nicht überspannten, da sie wussten, das ihr Schicksal auch hätte anders verlaufen können. Seine Sklaven waren stets ordentlich gekleidet, warm gebettet und aßen oft die gleichen Speisen, wie auch Verus, der einfache Kost bevorzugte. Luna achtete auf eine gewisse Ordnung und sorgte stets dafür, dass die Sklaven niemals vergaßen, was richtig und was falsch war. In den letzten Wochen war sie fast zu einer römischen Hausmatrone gereift, wenn sie nicht ihre Herkunft und Umstände daran hindern würden. Luna war eben im Herzen immer eine germanische Seherin, die stets auf das Gute hoffte und das Leben in jeder Form achtete. Diese Eigenschaft löste bei Verus stets Bewunderung aus. Eine echte Bewunderung, welcher er selbst nichts entgegenbringen konnte; nichts gegenbeweisen konnte, denn seine Welt war voller Gewalt, Heimtücke, Grausamkeit und kalter Agonie. Als Trecenarius fielen ihm viele unsaubere Geschäfte für den Kaiser zu, die er nur schwerlich ertragen konnte aber musste, da er tapfer war. Er war ein tapferer Soldat, der mutlos seinem Schicksal folgte, weil er sich immer davor fürchtete, was danach kommen konnte. Verus war nun mal Soldat und das definierte ihn, auch wenn er gerne nur Mensch wäre aber der Mensch, der einst nur Philosoph sein wollte, war auf den Schlachtfeldern der Grenze gefallen, unter all dem Blut und dem Geschrei; gefolgt von dieser trostlosen Stille, die keine Antworten geben konnte. Wenn ein einfaches Leben so genommen werden konnte, war auch er bedeutungslos, verschwindend gering konnte sein Leben sein. Und doch fand er auf den Schlachtfeldern diese Tapferkeit, die ihn mächtig und stark machte aber der Preis war hoch, denn er war längst mutlos überhaupt etwas an den Umständen zu ändern. Verus war ein guter Krieger, ein Kämpfer, noch unbesiegt, der tapfer seine Funktionen ausfüllte, sich in jeden Konflikt für Rom warf aber nicht den Mut fand, Mensch zu sein und sich aufzulehnen. Er konnte nichts mehr ändern und doch war da Luna, welche ihn darin erinnerte, was er einst war und tief in seinem Herzen noch immer war: ein guter Mensch.


    Nicht einmal der Schmutz, das Blut und die Gewalt konnten verbergen, was er wirklich war. Sie liebte ihn. - Und er liebte sie. "Danke," sagte der Römer mit liebevoller Stimme. Mit einer Stimme, die Luna allein gehörte; ohne Zorn, ohne Wut und ohne Herrschaft. Ein ehrliches Danke war entstanden, welches alles zeigte, was er ihr schuldete: Dankbarkeit. Luna war sein Leben, welches längst unter den Schwertern lag. Sein Herz blutete noch. Beide blickten sie zur Bühne. Verus dachte an dieses arme Geschöpf, welches ähnlich einfach genommen war, wie viele in dieser Welt. Auch war Chyou in gewisser Hinsicht entrissen worden.


    Als Soldat verstand er den Zwang und die Ketten sehr wohl. Sie war anders, auf ihre Art eine Blume unter diesen tristen Gesichtern an Römern, die ihren Alltag mehr schätzten als Würde. Würde, etwas das Verus selten fand aber wertschätzte. Menschen, die sich selbst und anderen Würde bewiesen, egal welche Umstände sie quälen mochten. Würde war etwas, was nicht verdient werden konnte aber verloren und entrissen werden konnte. Viele Römer verloren ihre Würde schneller als es ihnen selbst bewusst wurde; manchmal hatten sogar Sklaven mehr Würde als ein Senator, welcher seinen Stand missverstand und als selbstverständlich erachtete. Verus beobachtete Menschen. Dies war seine Aufgabe, sein klarer Auftrag und somit verstand er etwas von Würde. Leider wusste er selbst um sich, dass er selbst seine Würde verloren hatte. Er diente. Ein Sklave des Befehls und angekettet an seine Taten, die niemals sein Wunsch waren. Doch neben ihm stand Luna, seine Idun, die ihm Würde gab. Ihre Liebe verlieh ihm Würde, weil sie an ihn glaubte. Ihre Wirkungsmacht strahlte aus, und sie wieder das Richtige tat und bot für die Blume auf der Bühne, welche ihre eigene Würde besaß.


    Ein ängstliches Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er mit einem Nicken das Gebot bestätigte. "Ja," rief Verus dezent und legte Luna seine Hand auf die Schulter. Eine Geste des Vertrauens und des Zutrauens. "Ich biete 600!" Nun war er sich sicher, dass Luna, ähnlich ihm, diese Blüte bewahren wollte. Nicht nur, dass sie ein Talent besaß, welches im kalten Rom für einen Soldaten von Wert werden konnte, wenn sie schöne Dinge pflegen konnte, sondern auch das sie Luna helfen konnte. Ferner wollte Verus inzwischen der armen Chyou helfen, auch wenn er den Umstand, das sie Sklavin war nicht ändern konnte. Mitgefühl war eine mächtige Kette für das von Frost umgebene Herz des Römers. Für Lunas Lachen würde er Mauern einreißen, wie einst in Dacia.

  • Ein Hochzeitsgeschenk! Scato brauchte ein Geschenk zur anstehenden Vermählung mit seiner Verlobten Claudia Sassia, und was wäre schon schicker als ein exotisches Mitbringsel, welches man nicht mal eben so auf den Wald und Wiesen Sklavenmärkten bekommen würde?
    Scato hatte sich mitsamt seiner Entourage ein wenig im Hintergrund gehalten und erst einmal die Lage sondiert. Prisca war da, ein Tiberier, ein paar Plebejer, eine illustre Runde an bekannten und unbekannten Gesichtern von welchen er zumindest bei den Patriziern das Vermögen und somit die Kriegskasse einigermaßen gut einschätzen konnte.
    Das Gebot war gerade bei 600 angelangt, da entschloss sich Scato nun auch seinen Sklaven ins Rennen zu schicken um diese hübsche kleine Ding zu erstehen.
    Er flüsterte seinem Leibsklaven Lupus einige Anweisungen ins Ohr bevor dieser nickte und sich daraufhin den Weg durch die Menschentrauben in Richtung Titus Tranquillus bahnte.
    Mit seiner üblichen lauten Stimme rief er dann sogleich aus "Mein Herr Senator Caius Scato von den Flaviern bietet 800 Sesterzen!" womit die Katze aus dem Sack war und der Preis wohl bald die 1000er-Marke sprengen würde.
    Scato lehnte sich unterdessen in seiner Sänfte zurück und ließ nur den Vorhang ein wenig offen, die Leute sollten ruhig sehen dass er das ganze selbst mitverfolgte, solange er nicht zu interessiert wirken würde, denn auch das brachte die Leute zumeist auf dumme Gedanken.

  • Es gab wohl nur wenige Momente, da Chyou so etwas wie Dankbarkeit für die ihre Handgelenke umschlingenden Fesseln empfand. In diesem Augenblick aber war sie froh darum, denn die überkreuzten Arme verhinderten, dass ihr schlichtes Gewand sich in Gänze gen Boden verabschiedete. Der Stoff bildete stattdessen eine Wolke aus beigem Leinen um ihre Hüfte. Was der Stock auf ihrer Schulter zum Vorschein gebracht hatte, schien den fordernden Mann in seiner grünen Toga jedoch nicht zu überzeugen. Man konnte auch nicht behaupten, dass Chyou mit ausgeprägten weiblichen Rundungen gesegnet war. Obschon man sie als Frau erkannte, war vielmehr das Gegenteil der Fall und unterstrich nur ihre magere Gestalt. Insbesondere die Rippen waren im Übergang zum flachen Bauch deutlich zu erkennen. Eine sichtbare Erinnerung an ihre letzte, nur wenige Tage zurückliegende Schiffsreise, die von zahlreichen, einprägsamen Ereignissen begleitet worden war. Üppige Nahrung zählte allerdings nicht dazu.


    Der Mann in der grünen Toga schien enttäuscht und wandt sich kopfschüttelnd ab. An seiner statt erhöhten andere das Gebot. Da war zunächst ein auffällig stattlicher Römer mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, der sich schon durch seine belustigt schimmernden Augen vom Gros der lärmenden Menge unterschied. Auch eine Frau erhob das Wort, bekräftigt von einem neben ihr stehenden Mann, dessen Körper härter schien als manches Schild aus Metall. Ob sie einander versprochen waren oder einer den anderen besaß, vermochte Chyou nicht zu sagen. Beide strahlten sie indes die Unberührbarkeit von Menschen aus, die man nicht zum Konflikt fordern sollte. Schließlich stieg der Preis gar auf 800 Sesterzen, geboten von einem Sklaven auf Geheiß eines Senators in seiner Sänfte.


    Chyou begann zu begreifen, dass all diese Römer - so es denn Römer waren - eine Gemeinsamkeit hatten, die sie von ihren vormaligen Besitzern unterschied: Es waren keine Sklavenhändler. Derer hatte sie unzählige gesehen und konnte sie an ihrer Kleidung, ihrem Auftreten, gar ihrer Sprache sofort erkennen. Nun aber bestand die Aussicht, nicht länger nur weiter verkauft zu werden, sondern tatsächlich in dauerhaftes Eigentum überzugehen. Und Chyou bekam Angst. Sie hatte gesehen und erlebt, was Herren ihren Sklaven antun konnten. Der Wertverlust, sollte sie verletzt werden, hatte sie bisher vor einem ähnlichem Schicksal bewahrt. Ging jedoch die Absicht verloren, mit ihr einen Gewinn zu erzielen, änderten sich die Bedingungen grundlegend. Chyou begann zu zittern und vergaß darüber fast die Scham, die bis zum tiefsten Punkt ihrer Seele gekrochen war, als ihr Gewand hatte weichen müssen. Stets das Gesicht zu wahren hatten ihre Eltern sie gelehrt und trotz der vielen Erfahrungen und Misshandlungen war dieser Teil ihrer Erziehung noch nicht abgestumpft. Chyou schluckte, um nicht aufzuschreien und verlagerte ihr Gewicht auf den winzigen Holzsplitter, der noch immer in ihrer Fußsohle steckte. In dem pulsierenden Schmerz suchte sie Schutz vor der sie verschlingenden Furcht.

  • Räume dekorieren. Mit Blumen und Pflanzen. Das war doch etwas für Valentina, die insbesondere Rosen so liebte. Ich neigte mein Haupt und betrachtete mir die Sklavin etwas genauer. Ganz dünn war sie, um nicht zu sagen hager. So sehr, dass sich die Rippen sehr deutlich abzeichneten. Man würde sie gehörig aufpäppeln müssen. Ich war unschlüssig und seufzte leicht, während mein Sklave mir entgegen schaute und einen fragenden Ausdruck im Gesicht trug.
    “Das klingt doch gut!“, äußerte auch dann seine Meinung und ich ließ ein nachdenkliches “Hm..hm...hm...“ ertönen. Tief in mir drin wusste ich, dass dieses Geschöpf mir sehr leid tat und dass vielleicht gerade Valentina eine wunderbare Herrin für sie wäre, denn sie behandelte sogar Sklaven zuvorkommend und sie hatte ein gutes Herz. Gerade wollte ich meine Hand heben und ein Gebot abgeben, als dieses auch schon ungehört überstimmt wurde. 600 Sesterzen bot eine junge Frau. Offenbar eine Sklavin, denn gleich darauf bestätigte das Gebot auch ihr Herr. Oder waren die beiden anderes verbandelt? Wie auch immer.
    Ich rang flüchtig mit mir und holte neuerlich Luft, als sich noch jemand zu Wort meldete. 800 Sesterzen. Von einem weiteren Sklaven, der im Auftrag eines Flaviers handelte.
    Ich ließ resignierend die Hand sinken.
    “Was ist?“, wollte Muckel wissen.
    Ich schüttelte den Kopf. “Wenn das so weiter geht, wird das Gebot die 1000 Sesterzen überschreiten,“ erklärte ich und mein Sklave nickte wissend.
    In meinem Holzgeschäft war im Augenblick buchstäblich der Wurm drin und ich musste meine Ausgaben gut kalkulieren. Immerhin hatte ich vor meine Tonstrina weiter auszubauen und dafür brauchte ich natürlich mindestens zwei gute Sklaven, die sich mit der Materie auskannten. Auch diese würden zunächst einmal ins Geld gehen. Nicht, dass mir Valentina keine tausend Sesterzen und mehr wert gewesen wäre, doch ich musste auch sehen wo ich blieb. Doch es war abzusehen gewesen, das so viel Exotik, wie sie gerade auf dem Podest stand – auch wenn sie mangelernährt und irgendwie sehr erschöpft und verzagt schien – einen hohen Preis fordern würde.
    “Da kann man nichts machen,“ erklärte ich tapfer, während ich mich aber auf jeden Fall dazu entschloss noch zu bleiben, um zu erfahren wer denn die Sklavin letzten Endes erwerben würde.

  • Mit Interesse beobachtete Prisca den Hergang der Auktion. Es gab wohl einige Mitbieter, deren Gefallen an der Sklavin den Preis noch höher treiben würde. Der Eine bot 550, der Nächste 600 und kurze Zeit später wurden 800 Sesterzen aufgerufen. Prisca begutachtet jeden Mitbieter und fand sich in guter Gesellschaft wieder. Insbesondere der aktuelle Höchstbieter stammte überraschender Weise aus den eigenen Reihen, was das Mitbieten nunmehr unter andere Gesichtspunkte stellte.


    Sollte Prisca den angeheirateten Angehörigen herausfordern, oder sollte sie ihm die Ware "kampflos" überlassen? Wahrlich keinen einfache Entscheidung.


    Nun die Sklavin wäre ein vortreffliches Hochzeitsgeschenk für Scato und für seine Claudia", dachte sich Prisca beiläufig, doch sie wollte auch keine Unsummen ausgeben, nur, weil ihr Verwandter munter den Preis weiter hoch treiben würde.


    "Die Aurelia bietet 850 Sesterzen!", rief der Sklave aus Prisca´s Gefolge (auf den Wink seiner Herrin hin) ein weiteres Gebot in die Runde. nicht zu hoch und dennoch ausreichend, um eine kleine Herausforderung zu bieten ...

  • Dunkelheit würde ihn finden aber nicht jetzt. In dieser Sekunde entschied sich Verus seinem Mitgefühl nachzugeben und auch Luna eine Freude zu machen. Die Gebote sprudelten bereits. Die reichen Bürger schienen sich versammelt zu haben, um ein neues Objekt zu ersteigern, um ihre Sammlung zu füllen. Doch für Verus war diese Fremde nicht nur ein Objekt, welches man verschenkte oder sammelte, sondern wie einst Luna mit einer Gabe versehen. Sie strahlte in ihrer einsamen Erscheinung etwas aus. Er konnte es nicht benennen oder beschreiben aber sein Herz wusste, dass es das Richtige war, diese arme Seele vor falschen Händen zu schützen. Verus wusste, dass Fremdlinge oft nur Dekoration waren oder etwas anderes. Sie waren nie etwas von Nutzen oder von Wert, sondern schlicht ein Sammelstück, wie ein Schmuckstück. Eine widerwertige Weise einen Sklaven zu degradieren. Alles musste seinen Nutzen haben aber dieser Nutzen missfiel dem Funktionsmenschen Verus, der als Soldat alles mit Aufgaben in Verbindung brachte. Und an den anderen Nutzen wollte er nicht denken, der sich bei Fremden auch abzeichnen konnte. Diese arme Seele war viel zu mitleidig, um diesen Nutzen zu erfüllen. Tatendrang wuchs. Verus fasste den Entschluss für Luna diese Frau zu ersteigern, damit sie ein besseres Leben in seinem Hause führen konnte. Oder viel mehr dem Hause von Luna. Der Trecenarius riss seine Pranke hoch und rief mit soldatischer Präzision: "900!" Es war klar, dass er deutlich mehr Geld bereithalten musste, da diese Bieterschlacht gerade erst begonnen hatte. Doch ihm war das Lächeln seiner Luna jeden Sesterz wert und wenn er damit noch etwas Gutes für dieses Gschöpf tun konnte, war es kein verschwendeter Sesterz. Manche Dinge waren unbezahlbar. Dass Chyou Schmerzen hatte, konnte Verus nur erahnen aber noch nicht sehen. Ihr Leid stand dennoch in ihrem Gesicht, welches verängstigt wirkte. Verus kannte diese Gesichter, welche Leid und Tod kannten. Er selbst konnte solche Menschen lesen, weil er selbst genug Leid erlebt und gesehen hatte. Vielleicht war dies jene Verbindung, die er sah.

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