"Nein, … nicht schlimm", verneinte Mara die Frage verlegen lächelnd und ihre Wangen fühlten sich noch heißer an, als Lyciscus sie sanft am Kinn berührte. Mit einem Nicken bestätigte sie sogleich, dass sie Lyciscus etwas von Rom zeigen würde, vorausgesetzt sie hätten die Gelegenheit dazu … und: "Und auch sonst, wenn du etwas brauchst oder wissen willst, … egal was es ist, … dann musst du es nur sagen, ich helfe dir sehr gerne", versprach die junge Griechin bereitwillig darüber hinaus, ihm quasi jeden Wunsch erfüllen zu wollen. Egal was es ist? Naja, natürlich klammerte Mara dabei gedanklich einige Wünsche aus in der Hoffnung, dass Lyciscus schon verstehen würde wie sie es gemeint hatte. Oder würde er womöglich das Angebot miss verstehen und ihre Gutmütigkeit ausnutzen? Mara wusste ja so gut wie nichts über den Thraker. Hinzu kam, dass die junge Griechin seit ein paar Tagen sehr verunsichert war und versuchte unter der Sklavenschaft nicht aufzufallen, nachdem einer Sklavin vor kurzem schlimmes angetan worden war. Aber davon wusste Lyciscus eventuell gar nichts, da er zu der Zeit noch gar nicht hier gewesen war.
Mara hatte die schrecklichen Szene mit ansehen müssen, da alle Sklaven den Befehl erhalten hatten der Bestrafung beizuwohnen. Und sie hatte genau beobachtet, dass der Befehl der Claudia einigen Sklaven sehr gelegen kam, um ihre Triebe an der armen Iduna zu befriedigen. Ob jene Sklaven Lyciscus davon erzählt haben, was für einen "Spaß" er da verpasst hat? Wie hätte Lyciscus in dieser Situation wohl reagiert? Sich dem Befehl der Herrschaften zu entziehen wäre wohl sehr schwer gewesen - wenn auch nicht unmöglich - ohne selbst eine Bestrafung zu riskieren. Wie auch immer. Eigentlich war Mara sich ganz sicher, dass Lyciscus nicht so war wie diese Sklaven und er einen Weg gefunden hätte, doch sie war auch sehr froh, dass der Thraker gar nicht erst in diese unerträgliche Situation gebracht worden war.
Zum Glück zerstreuten die Erzählungen des Thrakers von der "Freiheit" schnell wieder Mara´s Gedanken und gebannt hörte sie ihm weiter zu (und nicht nur sie). "Ein bisschen Zeit für uns,… sich frei fühlen … das wäre wirklich wundervoll", wisperte Mara andächtig und seufzte leise. Die letzten Saturnalien lagen schon wieder so lange zurück. Doch eigentlich hatte eine Leibsklavin auch an diesen Feiertagen nicht wirklich Zeit für sich, da die Wünsche und Bedürfnisse der Herrin immer Vorrang hatten: "Du würdest sie wirklich fragen? … " In Mara´s Augen funkelten erwartungsvoll, doch auch ein trauriger Glanz spiegelte sich in ihnen: "Ich weiß nur nicht, ob das so eine gute Idee ist … zumindest nicht dieser Tage … und ... du bist noch nicht lange hier und wir … wir Sklaven sollten wirklich froh sein, dass es uns hier so gut geht und wir müssen unserer Herrschaft auf Knien dafür danken! Wir dürfen nichts weiter verlangen, noch dürfen wir sie mit unseren Belangen belästigen. …Ich …ich möchte nicht, dass die domina verärgert wird und ich möchte auch nicht, dass du wegen mir Ärger bekommst, Lyciscus. … Lass uns damit noch warten, bitte, ja? .. Aber ich danke dir sehr, dass du das für mich tun würdest ", wehrte sich die junge Griechin regelrecht gegen den Vorschlag, da sie wieder an die Geschehnisse vor Tagen denken musste.
Just in dem Moment entschied Prisca einzuschreiten. Sie löste sich aus dem Schatten und schritt gemächlich um die Säule herum auf die beiden Sklaven zu. Sie näherte sich dabei im Rücken des Thrakers, sodass zuerst Mara die Aurelia erblickte. "Domina!! … Du hier?", entfuhr es der jungen Griechin sogleich und der erschrocken klingende Tonfall passte hervorragend zu den aufgerissenen Augen, als hätte Mara soeben einen Geist erblickt.
"Natürlich bin ich hier, Mara. Ich wohne hier, hast du das etwa vergessen? …Aber schön zu hören, dass du mich mit deinen Nichtigkeiten nicht zu belästigen gedenkst", bemerkte Prisca nur mit einem süffisanten Lächeln, ehe sie den Blick zu Lyciscus schweifen ließ. Mit einer hochgezogenen Augenbraue nahm sie den Keks in seiner Hand zur Kenntnis: "Und? Schmeckt´s?", fragte sie mit schnippischer Stimme ihren Leibwächter und fügte an: "Ich hoffe doch. Nicht, dass Fortuna mir am Ende schlecht gesonnen ist, nur weil ich nachlässig mit der Auswahl der Kekse war. … Darf ich auch Einen probieren ... sind überhaupt noch Kekse da?". Die Aurelia machte eine kurze Pause und blickte scheinbar amüsiert zwischen ihren beiden Sklaven hin und her. Mara rührte sich nicht und sie wagte auch nicht zu sprechen, sondern kaute nur nervös an ihrer Unterlippe. Diesen Tonfall und diese Art kannte sie nur zu gut. Zudem wusste Mara, dass auch die Aurelia Kenntnis von der Bestrafung der Sklavin hatte und wie sie darüber dachte: Natürlich ging Prisca diese Angelegenheit nichts an, doch sie begrüßte es sehr, dass Sassia bei dieser (angeblich) unbelehrbaren Sklavin hart durch gegriffen hatte. Solche drakonischen Maßnahmen waren eben angebracht, sonst würden die Sklaven irgendwann ihren Herrschaften auf der Nase herum tanzen … apropos herum tanzen, muss ich mir bei meinen beiden Sklaven etwa Sorgen machen? ...Abwartend hielt Prisca die rechte Hand auf, während sie auf Antworten hoffte ...