Am Meeresstrand außerhalb Roms, nur einen Steinwurf entfernt von Ostia, war in den letzten Wochen fleißig gebaut und gezimmert worden. Ein paar Landvermesser hatten genau den Stand von Ebbe und Flut beobachtet und kartographiert, während Zimmerleute und Baumeister gesägt, gehämmert, getüftelt, verzargt, geschweißt und gebaut hatten.
So stand nun am dritten Tag des Martius eine Rennanlage, die es so wohl noch nie gegeben hatte, und für die Sextus Aurelius Lupus einiges an Geld unters Volk bringen musste. Doch nur so konnte er sicherstellen, dass dieses Rennen hier überhaupt stattfinden konnte, denn innerhalb Roms hätte der Praefectus Urbi die Bedingungen diktiert – eine Tatsache, mit der Sextus in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Aber hier, außerhalb der Mauern beim Ruf der Seeschwalbe, hier war er frei.
Und so stand eine stabile Absperrung in einiger Entfernung zum Wasser, um die Zuschauer zu schützen und von der Rennbahn fernzuhalten, ebenso wie drei Tribünen, wo die begehrten Sitzplätze zu finden wären: Am Startpunkt des Wettkampfes, genau in der Mitte und die größte Tribüne am Ziel, wo wohl die meisten Zuschauer sich einfinden würden.
Ebenfalls war am Zieleinlauf eine große Tafel mit beweglichen, bunten Wagenfigürchen aufgerichtet worden, die von zwei Sklaven bedient wurde und so den Rennverlauf für all jene graphisch darstellten, die nicht so gute Augen hatten. Ebenso hatte Sextus drei Ausrufer angestellt, die den Rennverlauf jeweils bei den Tribünen kommentieren würden, um so die Stimmung weiter anzuheizen.
Zur Sicherheit waren etliche Veteranen angeheuert und strategisch platziert worden. Bei Unruhen oder Versuchen, das Rennen zu stören oder zu manipulieren, würden sie entsprechend eingreifen und Aufstände im Keim ersticken.
Aufgrund der Örtlichkeiten gab es nicht die wie sonst abgetrennte Logen für die reichen Familien. Diesen Umstand hatten einige findige Fischer dafür genutzt, ihrerseits ein wenig Geld mit Exklusivität zu verdienen. So boten sie ihre Fischerboote zur Vermietung am heutigen Tag an und fuhren damit auf dem von Wellenbrechern geschützten Meerteil entlang.
Doch jetzt am Morgen vor dem Rennen stand erst einmal die Eröffnung an.
In der Mitte der Strecke, so dass es von allen Punkten gesehen werden konnte, war ein beweglicher Altar aufgebaut worden. Kohlepfannen ließen feine Rauchfäden gen Himmel emporsteigen. Die Priester des Neptun waren anwesend und trugen eine große Statue des Gottes die Rennstrecke einmal entlang, begleitet von Lautenspielern und Flötenklängen, und brachten mit ihrem Singsang das anwesende Volk langsam zum Verstummen. Neptun war ja nicht nur der Herr der Gezeiten und des Meeres, an dessen Strand der Wettkampf stattfinden würde. Obendrein war er der Gott der Pferde.
Sextus stand am Altar und wartete darauf, dass die Statue auf einen Sockel gehoben wurde. Dann intonierte er ein Gebet an die Gottheit.
“Neptunus! Herr der Tiefen Wasser! Sieh auf diesen Tag!
Herr der schnellen Pferde! Dir geweiht sei dieser Wettkampf, dir zu Ehren sollen die Pferde laufen über deinen Strand! Deine Wellen sollen ihnen den Weg weißen, deine Gischt ihre Flanken benetzen!
Großer Neptunus, segne diesen Tag und diesen Wettkampf!
Dafür sei dir dieser Weihrauch!“ Besagter Weihrauch ging in den Kohlepfannen in Flammen auf und waberte als weißer Rauch über die Strecke und das Meer.
“Dafür sei dir dieser Wein!“
Sieben Opferdiener traten mit je einer Amphore Wein barfuß in die Wellen und leerten gut sichtbar den Inhalt ihrer Gefäße ins Wasser.
“Und dafür sei dir dieser Widder!“
Das vorbereitete Tier wurde vorgebracht. Hörner des Schafes waren vergoldet und blitzten in der Morgensonne, das Fell war makellos weiß. Es wurde mit Meerwasser dem Gott geweiht und mit einem schnellen Stich in die Kehle geopfert. Blut floss reichlich auf den hellen Strand, und schließlich verkündete Sextus auch die “Litatio!“
Der Rest des Tieres wurde mit reichlich trockenem Holz und Reisig in ein einfaches Boot geladen und von einem zweiten Boot hinauf aufs Meer gezogen. Dort wurde es angezündet, so dass das Feuer bis zum Strand zu sehen war, während die einsetzende Ebbe das Gefährt langsam immer weiter ins offene Meer zog.
Sextus schwang sich auf ein bereitstehendes Pferd und ritt damit zur Ziellinie, wo er die jeweiligen Sieger in Empfang nehmen und am Abend auch den Gesamtsieger krönen würde.
Am Startpunkt wiederum hatte er seiner Nichte Corvina die Ehre zuteil werden lassen, das Startsignal für die Rennen zu geben. Natürlich war das Mädchen nicht allein, er hatte ihr sowohl einen bedrohlich aussehenden Custos Corporis als auch eine Entourage aus treuen Klienten zur Seite gestellt, die ihre Sicherheit gewährleisten würden. Und so nahm Sextus an seinem erhöhten Platz als Ausrichter der Spiele Platz und verkündete so zur Eröffnung:
“Möge Neptun seine Gunst dem besten Gespann schenken!“