Waisenhaus der Binah | ... sondern mit der Tat und mit der Wahrheit

  • Eine schmale Gasse am Fuß des Aventin. Graue Mauern, windschiefe Winkel. Wäscheleinen kreuz und quer über die Gasse gespannt. Nur wenig Licht fällt bis auf deren Grund, wo ein Rinnsal voll Unrat fließt.
    Hier liegt das Haus der Witwe Binah. Die gütige Hebräerin betreibt ein Waisenhaus. An Zöglingen ist kein Mangel. Ausgesetzte Säuglinge, Waisen, und manchmal auch Kinder, die zwar noch einen Elternteil haben, der aber so arm ist oder so krank, dass er nicht für sie sorgen kann.
    Die Räume des bescheidenen Hauses, geduckt neben großen Insulae, sind längst überfüllt. Geldmangel ist Binahs ständiger Begleiter. Getreidespenden gibt es nur für Bürger. Wenn die Kinder alt genug sind, helfen sie die Kleineren zu versorgen, und müssen durch Arbeit zum Lebensunterhalt beitragen.


    Seit einigen Wochen schon kommt Philotima regelmäßig. Sie hilft Binah, die Kinder zu unterrichten, und pflegt sie, wenn sie krank sind. Das ist häufig der Fall. Viele kommen unterernährt und schwach zu Binah. Sie haben krumme Rücken und husten. Aufgekratzte Mückenstiche werden zu Wunden. Anderen sieht man die Gebrechen an, wegen der sie ausgesetzt wurden. Ein dürres Mädchen humpelt mit einem Klumpfuß an einer Krücke umher. Ein kleiner Junge ist von einer monströsen Hasenscharte entstellt.
    Die Kinder kennen sie und drängen sich um sie. Hungrig nach Zuwendung streiten sie darum, wer von ihnen ihre Hand halten darf. Die Kleineren schmiegen sich an sie, wenn sie ihnen Geschichten erzählt. Heute ist es das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.


    "... denn wer Gott wirklich liebt, der liebt auch seinen Nächsten."
    So endet die Geschichte.
    "Wir müssen uns richtig verhalten, genauso wie der barmherzige Samariter, und nicht immer nur erzählen, dass wir Gott lieben. Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit. Gott will auch nicht, dass wir uns streiten, sondern dass wir jeden anderen lieben. Auch die Menschen, bei denen das nicht so einfach ist. Auch ein Kind, das euch vielleicht einmal geärgert hat, oder das manchmal ein wenig komisch ist. Wenn du Gott liebst, dann höre auf das, was er sagt. Dann gehorche ihm."
    Linkisch tätschelt Philotima die verlausten Köpfe. Nie hat sie viel mit Kindern anfangen können. Aber diese hier möchte sie bewahren vor der Verdammnis. Es bleibt nicht mehr viel Zeit! Unschuldig sind auch ihre jungen Seelen nicht mehr. Philotima hat gesehen, wie die Kinder wegen Nichtigkeiten blutige Prügeleien beginnen. Wie das Hasenschartenkind grausam verspottet wird. Wie die Kinder einander ein gutes Paar Schuhe neiden. Sie sieht wie das Darben die Rohheit und die Härte in ihnen wachsen lässt.

  • <<


    Die geballte Faust des Miles krachte gegen die Tür, das Holz erbebte.
    “Aufmachen! Garde!!“
    Neugierige Gesichter erschienen in den Fensterhöhlen der umliegenden Häuser, verschwanden rasch wieder, als sie uns grimmige Gestalten erblickten. In der schmalen Gasse traten meine Männer sich fast gegenseitig auf die Caligae, dabei hatte ich die Hälfte des Contuberniums bereits rund um das Haus geschickt. Eines unserer Vögelchen (ein räudiger Bettler nach außen hin, nebenbei ein eifriger Zuträger) hatte mir geflüstert, dass es in diesem Haus nicht mit rechten Dingen zuging. Und es war nicht das erste mal, dass die alte Bruchbude und die „Wohltäterin“, die sie betrieb, sich verdächtig machte! Als ich noch ein junger Optio gewesen, darauf hungernd mich gegenüber einem gewissen Stadtpräfekten hervorzutun, hatte ich das Weib schon mal im Visier gehabt, ihr aber nichts nachweisen können – damals.


    Beim nächsten „Anklopfen“ fiel die Tür aus den Angeln. Wir traten hinein in die ärmlichen Räume, da war alles voll Kinder, dünne kleine Bälger, die jetzt kreischend auseinander spritzten, sich irgendwo zu verstecken versuchten oder einfach nur starr vor Schreck waren. Ein struppiges kleines Mädchen warf heulend seine Holzpuppe nach mir. Sie streifte mein schwarzes Sagum und klapperte auf den Boden. Die Feinde des Imperiums waren auch schon mal imposanter gewesen...

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]


    Wie eine Löwin vor ihre Jungen, so tritt Binah den Prätorianern gegenüber. Sie stemmt die Hände in die Seiten. Den Rücken durchgedrückt. Die Augen, sonst so mild und gütig, blitzen kampfesbereit, als sie dem Tribun die Stirn bietet.
    “Was wollt ihr hier? Was erschreckt ihr meine Kinder?!“
    Schützend legt sich Binahs breite, abgearbeitete Hand um die Schultern der kleinen Delia. Das Mädchen, das gerade mit der Holzpuppe geworfen hat, klammert sich nun an die Röcke ihrer Ziehmutter und schluchzt bitterlich.



  • Dea Dia, was für ein Geplärr. Ich umhüllte mein Herz mit dem stählernen Panzer der Pflicht und musterte die resolute Dame mit kühler Miene. Nicht zum ersten Mal fiel mir auf, dass diese Christianer oft so etwas an sich hatten, so etwas... - 'unerschrockenes' trifft es nicht ganz, 'erleuchtet' mag ich es auch nicht nennen, sagen wir: dass sie eine machtvolle Überzeugung aus ihrer fatalen Irrlehre zu ziehen schienen. Gerade das machte sie ja so gefährlich, besonders wenn sie so harmlos erschienen wie diese Wohltäterin oder so erbärmlich wie ihre Schützlinge. (Sogar mein alter Kamerad Luscius "Schürzenjäger" Silio, der nun wirklich kein sentimentaler Typ gewesen war, war ja damals ihren Seelenfischern ins Netz gegangen. Was wohl aus ihm geworden war?)
    "Werte Binah, du wirst des Verstoßes gegen das Decretum Christianorum verdächtigt. Schwere Anschuldigungen. Wirklich ein Jammer für deine Kinderschar, aber wir werden wohl nicht umhinkommen, dich in die Castra mitzunehmen..." so drohte ich geschäftsmäßig, das "...es sei denn" vage in der Luft schweben lassend.
    Meine Gardisten durchsuchten derweil das Haus nach kompromittierendem Material.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]


    “Nie habe ich ein Hehl daraus gemacht, dass ich Christin bin. Aber wir achten die Gesetze, und wir achten den Kaiser. Ich gebe den Kindern ein Heim und zu essen. Ich erziehe sie zu anständigen Menschen. Willst du sie lieber auf der Straße sehen?“
    Standhaft verteidigt sich Binah gegen die Willkür des Soldaten. Mehrere Wellen der Verfolgung hat sie bereits erlebt und überdauert. Es ist ihr immer wieder gelungen, ihr gutes Werk wieder aufzubauen. Jahr um Jahr hat sie verlorene Kinder bei sich aufgenommen und mit dem Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes irgendwie durchgebracht. Binah weiß sich und ihre Lieben in Gottes Hand. Die Kleine an ihren Röcken zieht vernehmlich die Nase hoch.
    Wer das Haus durchsucht, kann allerlei Dinge finden: Strohsäcke, Hausrat, gute Wolldecken, etwas Spielzeug, Küchenvorräte, einiges Werkzeug und eine kleine Holzwerkstatt. Im Obergeschoß liegt ein Unterrichtsraum, dort stehen auf einer Schiefertafel mit Kreide noch die Worte geschrieben:
    Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben.



  • “Auf der Straße? Es wird sich wohl eher ein Sklavenhändler ihrer annehmen.“ behauptete ich kaltschnäuzig. “Oder willst du etwa sagen, dass du hier römische Bürgerkinder missionierst??“
    Die Mutter der Waisen und das rotznäsige Mädchen, das an ihr hing, etwas in meinem Kopf machte KLICK beim Anblick dieses rührendes Bildes, und mit einem Mal stand mir wieder die Brandrednerin auf der Rostra vor Augen, und wie sie unter anderem das traurige Los barfüßiger Kinder beklagte. Meine Augen wurden schmal. Harsch winkte ich eine etwaige Antwort ab und fuhr fort:
    “Wenn du unsere Gesetze wirklich achtest – beweise es! Eine freche Frevlerin aus euren Reihen hat unser aller Roma, hat unsere Götter und seine Majestät den Kaiser auf das übelste geschmäht. Du weißt von wem ich spreche!“ Was für ein Skandal war das gewesen, und noch dazu vor der Augusta persönlich! Es war wirklich sehr peinlich, dass wir diese Verbrecherin noch nicht erwischt hatten, doch sie schien wie vom Erdboden verschluckt.
    “Also sag mir, Binah... Wo ist die Frau in Grün? Hilf uns, die sogenannte Philo von Amastris zur Rechenschaft zu ziehen, und du kannst das hier...“ mit einer lässigen Handbewegung umfing ich ihr bescheidenes Reich und seine schmuddeligen Bewohner, “.. behalten.“ Ich zuckte die Schultern. “Wenn nicht: Carcer für dich und Sklaverei für die Kinder einer Verschwörerin.“

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]


    Müde werden Binahs Züge. Müde und verhärmt, bei den Drohungen des Tribuns. Sie senkt die Augen. Binah und der gute Ort, den sie hier geschaffen hat, sie haben nicht grundlos so lange überdauert. Durch die Kunst, in der Not zu improvisieren. Durch unzählige Helfer. Durch Hartnäckigkeit und zuweilen auch durch Zurückweichen, weich wie Wasser, vor der Gewalt der Soldateska.
    Die provokanten Aktionen der jungen Mitbrüder und Schwestern aus der Casa Didia kann Binah nicht gutheißen. Die jungen Leute meinen es zwar gut. Sie haben das Waisenhaus auf verschiedene Weise tatkräftig unterstützt. Philotima hat die kranken Kinder gepflegt. Molliculus hat beträchtliche Summen organisiert. Gnaeus hat das Dach repariert. Lanata hilft beim Kochen.
    Doch Roma zu reizen, führt dazu, dass Roma zurückschlägt. Am Ende trifft es die Schwächsten. Binah muß Zeit gewinnen. Oh Herr, hab Erbarmen betet sie stumm. Was wiegt denn schon eine kleine Notlüge gegen das Wohl ihrer Schützlinge.
    "Ich will nicht so tun als wüsste ich nicht von wem du sprichst. Ich habe sie predigen gehört. Ich weiß nicht wo sie sich aufhält, aber ich... könnte es in Erfahrung bringen. Wenn du für den Schutz meiner Kinder einstehst, Tribun."



  • “Wo hat sie gepredigt?“ Ich trat näher an die Frau heran und feuerte meine Fragen an rascher Folge auf sie ab. “Wie heißt sie wirklich? Wer sind ihre Unterstützer?!“
    Die wusste doch mehr! Und die Brandrede der Sektiererin war gewiss nicht das Werk einer Einzeltäterin. Ihre Flucht war gedeckt worden, soviel stand fest! Dieser Glaubensirrsinn hatte sich schon viel zu weit ausgebreitet, wie Pilze nach dem Regen, so spross das aus dem Boden.
    Im Grunde hoffte ich natürlich, dass die resolute Hebräerin wirklich einknickte, denn ausgesprochene Drohungen sollte man auch wahrmachen. Dienst war Dienst, aber wer betätigt sich schon gern als Kinderschreck.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]
    "An einem Wegstein der Via Appia. Bei den Hinrichtungsplätzen. Dort habe ich sie im vergangenen Winter sprechen gehört. Ihr Name ist Philotima. Um sie ist eine Schar schwärmerischer junger Leute."
    Binah spricht ihre Halbwahrheiten mit gesenktem Blick.
    "Tribun. Ich und die meinen, wir achten die Gesetzen und geben dem Kaiser was des Kaisers ist. Lass nicht meine unschuldigen Kinder leiden für die Taten anderer."



  • Na also!
    Beim Stichwort "unschuldige Kleine", da hatte ich eine Idee, ich griff in meinen Beutel und zog einen silbern glänzenden Denarius heraus. Den präsentierte ich der Versammlung rotznasiger Gören, setzte eine freundliche Miene auf und sprach:
    "Kinder, hört mal. Ihr seht mir wie ein paar schlaue kleine Überlebenskünstler aus. Den Denarius hier, den kann sich aber leider nur einer... oder eine von euch verdienen. Und zwar der, der mir als erstes sagt, wo die Frau ist, die unserem guten Kaiser gegenüber so frech war. Na? Wo ist Philotima?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]


    Eingeschüchtertes und feindseliges Schweigen. Um so lauter ist nun das stete Schniefen des Mädchens an Binahs Röcken zu hören. Große Kinderaugen heften sich an die schöne Münze. Füße scharren. Unstete Blicke huschen zu der Mutter des Waisenhauses. Ein halbwüchsiger Junge mit grämlichem Gesicht sieht begehrlich auf das Geldstück, hebt an, etwas zu sagen, schweigt dann doch. Ein anderer, von einer schlimmen Hasenscharte entstellt, nuschelt:
    "Wir kenn gar keine Philotia nich, Herr Soldat!"
    Und als wäre ein Damm gebrochen, schütteln die Kinder die Köpfe, stoßen sich gegenseitig an und äußern einhellig: Nein, sie haben keine Ahnung.




  • Sehr überzeugend.
    "Aha. Nun, mein Angebot gilt!" Ich schnippte die Münze in die Luft, wo sie eine silberne Bahn zog, fing sie wieder auf, und ließ sie verschwinden. "Falls euch doch noch was einfällt" schloß ich mit einem gönnerhaften Zwinkern.


    Und zu Binah: "Du hast sieben Tage, um die Frevlerin ausfindig zu machen. Dann kannst du mir deine Redlichkeit mit einem Kaiseropfer beweisen und hier ungestört weiterwirken. Ansonsten... sehe ich schwarz für dich und dein kleines Projekt."


    Die Hausdurchsuchung war beendet, Verfänglicheres als eine Schiefertafel mit einem frommen Sprüchlein hatten meine Männer dabei nicht gefunden, und wir zogen ab.
    "Observieren." wies ich den Optio an. Dieses wohltätige Haus stank zum Himmel.


    https://www.imperium-romanum.i…?postid=919935#post919935

    https://www.imperium-romanum.i…?postid=919935#post919935

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/binahghkov.jpg%20]


    In den nächsten Tagen bemüht sich Binah, das Leben im Waisenhaus mit dem Anschein von Normalität fortzuführen. Doch die Kinder sind verstört. Sie schlafen schlecht. Die kleine Delia beginnt zu schreien wie am Spieß, sobald Binah das Haus verlässt. Über Stunden hinweg ist sie nicht zu beruhigen. Thaddaeus, der sich in den letzten Jahren so gut entwickelt hat, spricht kaum noch und nässt nachts ein.
    Das Verhängnis schwebt über dem Waisenhaus. Binah betet viel. Doch zudem sucht sie Wege, ihre Kinder im Notfall in Sicherheit zu bringen. Einige sind sanft. Sie erwecken Sympathie und könnten bei Glaubensbrüdern und -Schwestern unterkommen. Einige sind alt genug, sich als Dienstboten zu verdingen. Doch viele sind zu versehrt an Leib und Seele, um ein neues Heim für sie zu finden.


    Eines Abends, als die kleinen Kinder schon schlafen, lässt Binah sie in Obhut der älteren zurück. Sie schlingt ihre Palla aus grobem Leinen um sich. Tritt hinaus auf die Gasse und eilt im Schatten der grauen Mauern in Richtung der Via Ardeatina. Binah ist als junges Mädchen frischvermählt mit ihrem Mann in dieses Viertel gezogen. Nun ist sie eine alte Witwe. Sie kennt jeden Winkel auf dem Aventin.
    Binah hat zwar niemanden zu Gesicht bekommen. Doch sie fürchtet, dass die Prätorianer noch immer wie Geier über ihrem Haus kreisen. Darum wählt sie Schleichwege. Sie betritt eine Insula, gelangt durch deren Hinterhof in die benachbarte, durch diese auf eine Seitenstraße. Ausser Atem eilt sie eine Stiege den Hügel hinauf. Dann verweilt sie in der Werkstatt eines Schneiders, und beobachtet durch ein Fenster die Straße, bis sie sich sicher ist, dass ihr niemand auf den Fersen ist.
    Erst dann lenkt sie ihre Schritte zur Casa Didia. Es ist an der Zeit, ein ernstes Wort mit den jungen Leuten zu sprechen!




  • Neugierde ist der Katze Tod - so sagt man. Und dennoch hatte es die griechische Zwergin satt sich ständig innerhalb der Villa Aurelia aufzuhalten. Denn mittlerweile kannte die Zwergin auch den verstecktesten Winkel und es gab kein Geheimversteck in das Cressida nicht bereits ihr vorwitziges Näschen gesteckt hatte. Hm. Was nun? Die rothaarige Römerin, die sie laut ihres Dominus verfolgen sollte, hatte sie auch nicht mehr gesehen. Das letzte mal hatte die Römerin eine Tabernae am Mercatus Urbis betreten. Und seitdem hatte Cressida ihre Spur verloren. Hm. Ihren Dominus würde dies zwar nicht gefallen. Aber dann müsste er sich eben selbst auf die Suche machen.


    Bei diesem Gedanken musste Cressida leise kichern. Wenn sie sich vorstellte, wie ihr Dominus über die Plätze schlich, ein Bild für die Götter. Und wieder einmal war die Kleinwüchsige froh das niemand von ihren Gedanken wusste. Mit tabbsenden Schritten näherte sie sich dem Sklaveneingang und verschwand durch diesen hinaus auf die Straßen. Hüpfend und springend war Cressida such schon im dichten Gewühl verschwunden. Wobei sie peinlichst darauf achtete das sie gegen niemanden stieß. Und bisher war es ihr auch immer wieder gelungen den Schritten der Großen auszuweichen, um nicht doch einmal durch Zufall oder mit Absicht zu Boden gestoßen zu werden. Es reichte schon wenn dies ihrem Dominus eine diebische Freude bereitete.


    Den Gedanken an ihren Dominus schob die Zwergin in diesem Augenblick weit von sich und hobbste durch die Straßen der Urbs Aeterna. Bis sie schließlich in einem Teil der Hauptstadt ankam, den sie bisher noch nicht betreten hatte. Im ersten Augenblick spürte Cressida wie ihr das Herz bis zum Hals pochte. Doch ihre innere Nervosität kämpfte sie sogleich nieder und begann sich mit neigierigem Blick umzusehen.
    “Interessant und so aufregend.“
    Murmelte die Kleinwüchsige, als sie auch schon an Binahs Waisenhaus vorüber kam. Und genau vor den Stufen des Waisenhauses ließ sich die Zwergin zu Boden sinken und massierte sich ihre kurzen Stummelbeinchen.

  • Zitat

    Original von 'Binah'
    Eines Abends, als die kleinen Kinder schon schlafen, lässt Binah sie in Obhut der älteren zurück. Sie schlingt ihre Palla aus grobem Leinen um sich. Tritt hinaus auf die Gasse und eilt im Schatten der grauen Mauern in Richtung der Via Ardeatina. Binah ist als junges Mädchen frischvermählt mit ihrem Mann in dieses Viertel gezogen. Nun ist sie eine alte Witwe. Sie kennt jeden Winkel auf dem Aventin.
    Binah hat zwar niemanden zu Gesicht bekommen. Doch sie fürchtet, dass die Prätorianer noch immer wie Geier über ihrem Haus kreisen. Darum wählt sie Schleichwege. Sie betritt eine Insula, gelangt durch deren Hinterhof in die benachbarte, durch diese auf eine Seitenstraße. Ausser Atem eilt sie eine Stiege den Hügel hinauf. Dann verweilt sie in der Werkstatt eines Schneiders, und beobachtet durch ein Fenster die Straße, bis sie sich sicher ist, dass ihr niemand auf den Fersen ist.
    Erst dann lenkt sie ihre Schritte zur Casa Didia. Es ist an der Zeit, ein ernstes Wort mit den jungen Leuten zu sprechen!


    "Warum bei Orcus, verhaften wir die alte Wachtel nicht endlich und prügeln ihr die Scheiße aus dem Leib?"
    Miles Nonius war angeödet von seinem Auftrag. Dazu war er nicht unter die Besten der Besten erwählt worden, hatte trainiert bis zum Umfallen, sich zuletzt sogar für die sagenumwobenen Speculatores qualifiziert, um hier alte Weiber und ihre Gören auszuspionieren. Gelangweilt fläzte er sich auf der maroden Kline, die das Haupteinrichtungsstück des noch maroderen Insulazimmers bildete, in dem er seit einigen Tagen, als Tagelöhner getarnt, mit seinem Co-Miles Carvilius hauste.
    Dieser war auf seinem Posten am Fenster, der besten Blick auf das Waisenhaus bot
    "Warte..." Carvilius spähte durch den löchrigen Vorhang. "Sie geht raus."
    "Wahrscheinlich wieder Gemüse kaufen."
    "Um diese Zeit? Wohl kaum. Los geht’s."


    Die beiden verließen das Haus, sahen die Hebräerin noch am Ende der Gasse. Sie hefteten sich an ihre Fersen, um sie zu beschatten, zuerst Nonius, in gebührendem Abstand Carvilius.
    Doch kurz darauf war die Alte in einer Insula abgetaucht. Bis die beiden den verwinkelten Übergang zur nächsten gefunden hatten, war bereits einige Zeit vergangen. Carvilius blieb zurück, um die Gebäude zu observieren, falls Binah eine der Wohnungen betreten hatte, Nonius schlug sich durch das labyrinthische Gassengewirr des Aventin, das sich dahinter entfaltete, doch musste er sich bald eingestehen, dass er die Spur der raffinierten alten Wachtel verloren hatte. Zuletzt postierte er sich an der Kreuzung von Via Ardeatina und Via Appia, wo er Ausschau hielt, ob sie vielleicht an diesem Hauptverkehrsweg vorbeikäme. Es hieß ja, dass die Christianer (wie auch sonst allerlei lichtscheues Gesindel) eine besondere Affinität zu den Katakomben an der Via Appia hatten.

  • Und tatsächlich hatte Nonius unverschämtes Glück* (ein Umstand, den er später in seinem Bericht freilich nicht erwähnen würde), denn nach einer Weile erblickte er die Gestalt der Alten in ihrem schäbigen Mantel aus einer Gasse auftauchend, die wie ein kleiner Bach in den Fluß in die große Straße mündete. Gekonnt heftete er sich wieder an ihre Fersen und verfolgte sie auf ihrem weiteren Weg. Sie ging wohl davon aus, ihn abgeschüttelt zu haben, zumindest schlug sie keine weiteren Haken. Der Geruch von fauligem Wasser kündigte schon den Tiber an, dann ging es ein Stück am Ufer entlang.....



    *simoff: abgesprochen ;)

  • Aglaja war enttäuscht. Sie hatte es nicht geschafft die anderen zu überzeugen. So war das
    letzte Ergebnis bei ihrer Versammlung amTiberufe, für sie nicht zufriedenstellend gewesen
    und ihre Wege hatten sich getrennt. Sie fand es war der falsche Weg mit Gewalt, wenn auch mit indirekter Gewalt vor zugehen. Es entsprach nicht dem tiefen Glauben von der liebe Gottes. War Jesus nicht gerade deshalb den gestorben, aus liebe zu den Menschen, damit sie begriffen, das der Weg zu dem Leben nach dem Tod, die Liebe war. Nein sie setzte auf das Vorbild ihres Tun, auf tätige Nächstenliebe. Sie kümmerte sich um Kranke, Notleidenden, Verfolgte und vor allen Dingen um die unschuldigsten, die Kinder. Jene Kinder die alleine auf der Welt waren, die Waisenkinder. Das wichtigste war sich um ihr körperliches Wohl zu sorgen. Ihr seelisches Heil würde sie sich damit gleichzeitig berühren und hoffentlich überzeugen. Sie lehrte den Kindern den Unterschied zwischen Gut und Böse. Den älteren Kindern versuchte sie ein paar Schreibkünste beizubringen. Sie erzählte ihren Kindern, als die sie diese betrachtete, die wunderbaren Geschichten aus dem Leben Jesu, wie sie sie selber als Kind gehört hatte. Zu den gemeinsamen Mahlzeiten sprachen sie ein Dankgebet. Sie fand die Kinder waren die Zukunft ihres Glaubens. Hatte nicht auch Jesus selber die Hoffnung auf die Kinder gesetzt. Er hatte seine Zuhörer gemahnt, zu werden wie die Kinder.

    Früh in der Nacht war sie wie üblich aufgestanden und hatte kleine Brote gebacken. Für jedes der Kinder eines, die sie jetzt verteilt hatte und fing mit dem Dankgebet an. „Göttlicher Vater im Himmel, wir danken dir für dieses Brot. Du hast es dereinst mit deinen Brüdern ebenso das Brot geteilt und es gesegnet. Es war bei deinem letzten Treffen mit ihnen. Segne auch unser Brot aber vor allen Dingen uns und alle die wir lieben. “

  • Nach dem gemeinsamen Mahl trafen nach und nach Frauen und auch Männer ein, welche sich im laufe des Tages um die Kinder kümmern würden. Sie würden die Mädchen in der Kunst des Webens, Nähens, Kochens und Backens unterweisen. Die Männer kümmerten sich um die Jungen, sie sollten handwerkliche Fähigkeiten erlangen. So verhalfen sie den Kindern zu einer einigermaßen gesicherten Zukunft, mit dem Hintergrund, sicher in ihrem christlichen Glauben zu sein. Selbstverständlich würden sie diesen dann weiter verbreiten. Heute aber war ein besonderer Tag, die drei ältesten Mädchen und ein Junge in ihrem alter würde die Taufe erhalten wenn Aglaja dafür war.
    Das hier war ein besonderes Haus, hier wurde nicht die ganze Hausgemeinschaft nach dem Beschluss des Hausvorstandes getauft. Hier wurden nur die älteren Kinder die schon fest in ihrem Glauben waren getauft.

    Aglaja zögerte aber an diesem Morgen, nicht das sie die vier nicht für würdig gehalten hätte, etwas anderes war es, was sie abhielt ihr Jawort zu geben. Sie müssten für die Taufe zum Tiber gehen, doch in den letzten Tagen war in Rom eine merkwürdige Stille eingetreten. Es war inetwa wie die oft seltsame Spannung vor einem Gewitter. „Last uns noch einmal den Rat und die Hilfe unsere Himmlischen Vaters herbeirufen und das Gebet sprechen was uns Jesu gelehrt hat. Vater unser, der du bist….“ begann Aglaja, bevor alle einfielen.

  • Der Einsatzbefehl war klar gewesen. Irgendwo in diesen Häusern hier war ein Treffpunkt der Christensekte und dieser musste ausgehoben werden. Der Tribun selbst, Decimus Serapio, hatte den Befehl und die Cohors VII, Centuria I war ihm unterstellt. Dazu gehörte auch Sophus, der sich nun mit seinen Kamerade in seinem ersten Einsatz als Prätorianer befand.

  • Das Gebet war schon lange beendet, doch Aglaja sagte immer noch nichts. Sie hatte Sorge um ihrer aller Sicherheit. „Mittlerweile ist es zu dunkel“, meinte sie, als sei endlich den Kopf hob. "Last uns mit der Taufzeremonie warten bis zum frühen Morgen. Meistens ist dann der Wachwechsel und alle sind außerdem stark an den Stadttoren beschäftigt, schließlich wollen alle die Märkte besuchen. Es wird dann weniger auffallen wenn wir gemeinsam zum Tiber wandern.“

    Die Erwachsenen nickten beifällig, aber den Täuflingen stand die Enttäuschung im Gesicht geschrieben. Kurz überlegte sie, „sag mal Cleanor hast du mir nicht gesagt du hättest ein neues Lied für unseren nächsten Gottesdienst vorbereitet? Wie wäre es wenn du es uns schon heute beibringen würdest?" Begeistert nickten alle und man spürte wie sich die Anspannung legte. Bald hörte man wie sich der Sologesang, einer wunderbaren Männerstimme, zum Lobgesang ihres wahren einzigen Gottes erhob.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!