Wir kamen gut voran, auch wenn ich zwischenzeitlich natürlich das Tempo wieder drosselte, um meine Rösser nicht zuschanden zu fahren. Vor Castrimoenium bogen wir wieder auf die Hauptstraße ab, gewannen von dort noch deutlich vor Mittag den ersten Blick auf den lieblichen Albaner See. Die Gegend hier war ja das klassische Ausflugsgebiet für Städter die mal genug von unserem Moloch hatten, und geprägt von einer Mischung der kargen alten Behausungen, der vielen luxuriösen Sommerhäuser und Lustvillen, und der zahlreichen Touristenunterkünfte und überteuerten Gaststätten, die um diese Jahreszeit aber fast ausgestorben waren.
Als wir weiterfuhren, wurde es rasch wieder urtümlicher. Majestätisch erstreckten sich die dunkel bewaldeten, dazwischen von buntem Herbstlaub getupften Flanken des Mons Albanus.
Vorüber ging an der Auffahrt zu dem Landgut meines Onkels Meridius (es war derzeit vermietet, da er in Hispania weilte, doch die dazugehörigen Jagdgründe standen uns noch immer zur Verfügung). Auch an der prachtvollen Palmenallee, die zu Großtante Drusillas Anwesen führte, fuhr ich vorbei, schlug aber kurz darauf einen Schleichweg ein, der recht steil gen Seeufer führte.
Dort stand an einem Bach, etwas oberhalb von dessen Mündung in den Albaner See, eine alte Ölmühle. Sie war schon lange außer Betrieb. Die Mahlsteine lagen flach auf dem Gras vor dem Gebäude und dienten als Tische. Großtante Drusilla hatte die Mühle als eines ihrer Gästehäuser ausbauen lassen, mit allem Komfort, doch - wie es derzeit als "bukolischer Schick" galt - das rustikale Äußere beibehalten. Sie lag abgeschieden, durch einen Hügelrücken von der Villa getrennt und von dort auch nicht sichtbar. Unterhalb, am Seeufer, war ein kleiner Steg mit einem Kahn. Kurz, es war ein ungeheuer lauschiger Ort, an dem ich mich schon häufiger einquartiert hatte.
"Da sind wir!"
Ich streckte meine durchgeschüttelten Glieder. Mit Hilfe meiner Custodes spannte ich die Pferde aus, schleppte das in einer Decke verschnürte Waffenbündel zu einem der Mühlstein-Tische und öffnete es, worauf sich das ganze Sammelsurium, das ich an Jagdwaffen in unserem Armamentarium gefunden hatte, über den Tisch ausbreitete: Jagdbögen, Pfeile, Kurzspeere, Wurfspeere, Sauspieße (ich hatte einfach mal alles eingepackt), Jagddolche, Schlingen, Fangnetze etc.
"Ich bringe nur noch rasch die Pferde in den Stall, und besorge uns frische. Such dir schon mal was aus..." forderte ich Mar...Kyriakos von Sparta mit Geste auf den Waffenhaufen auf, dann auf den Berg weisend: "Es gibt Rotwild hier, und Wildschweine natürlich, Bergziegen und Rebhühner..."
Allzu viel hatten wir unterwegs nicht gesprochen. Er machte mich nämlich noch immer schrecklich nervös und nach ein paar Bemerkungen über unsere Heimatländer, die Landschaft, durch die wir fuhren, und nachdem ich ihm eine Weile von meinen Bigapferden erzählte hatte (Quintus, wagemutig aber mit Todesangst vor Gänsen, und enorm verfressen, und Sextus, ein Schlammliebhaber, enorm ausdauernd, ja und dann noch meine reinrassigen Kyrenäerinnen) und von ihren denkwürdigen Vorfahren, hatte mich das ungute Gefühl beschlichen, dass ich gerade prahlte, und dass das auf einen solch asketisch auftretenden Menschen vielleicht keinen so guten Eindruck machte.
Akadios holte sich Angelzeug aus der Mühle und verzog sich auf den Steg. Pelias begleitete mich, wir führten die Pferde über einen Pfad zu Großtante Drusillas Stallungen, wo wir sie unterbrachten und uns zwei frisch ausgeruhte trittsichere Jagdpferde ausliehen. Pelias meinte, er wolle auch eines, um uns zu begleiten, doch ich erklärte ihm, dass es in den Albaner Bergen schon seit einer Ewigkeit keine Räuberbanden mehr gab, außerdem war ich selbst ja nun auch nicht ganz un-wehrhaft. Anstandshalber schaute ich auch noch kurz bei Großtante Drusilla vorbei, die mich herzte, ermahnte ("Faustillus, du bist un-ver-besserlich!") und zur Cena einlud (was ich aber liebenswürdig abschlagen konnte.) Dafür erhielt ich einen gigantischen Picknickkorb von ihr mit auf den Weg, inklusive selbstgebackenen Vor-Saturnalienleckereien. So ausgerüstet kehrte ich mit den frischen Pferden zur Mühle zurück.
"Verzeih, es hat doch etwas länger gedauert. Wollen wir?"