Officium | MFG et FDS – eine gute und ein, zwei schlechte Nachrichten

  • Nach einer ereignisreichen Nacht hatte ich des Morgens die Villa Flavia aufgesucht, um "dringend den Konsular zu sprechen". Darauf hatte er seine Salutatio unterbrochen, und wir hatten uns in sein Arbeitszimmer begeben, unter vier Augen. Helles Morgenlicht fiel erbarmungslos herein.
    "Es ist etwas vorgefallen, Manius..."
    Übernächtigt rieb ich mir die Augen, vergewisserte mich, dass die Türe geschlossen war und kein Einblick durch das Fenster möglich, dann erst trat ich auf ihn zu, um ihn in die Arme zu schließen, und mit einem flüchtigen Kuss auf die Lippen zu begrüßen.
    "... ich beginne mit der guten Nachricht: wir haben heute Nacht ein Nest radikaler Christianer ausgehoben, in der Casa Didia. Die schlechte: unglücklicherweise haben wir sie erst erwischt, nachdem sie im Tempel deiner kaiserlichen Ahnen, ähem, einiges an Schaden angerichtet haben. Und das verrückte ist... ich habe meinen Augen kaum getraut, als ich ihn sah... Sciurus lebt. Er war bei ihnen, im Tempel, in Fleisch und Blut. Er nahm dann eine Geisel, so ist er uns entkommen. Aber ich lasse intensiv nach ihm suchen, wir werden ihn schon kriegen."



    Sim-Off:

    diese Szene liegt zeitlich ein Stück zurück

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  • Ein wenig besorgt führte Gracchus seinen Freund und Geliebten in sein Arbeitszimmer, war es doch äußerst ungewöhnlich dass jener zu solcher Stunde erschienen, dazu die Salutatio unterbrach. Das Antlitz des sonst so glänzenden Heroen hatte Risse bekommen, Faustus sah übermüdet und ein wenig angespannt aus, gleichwohl bemerkte Gracchus, dass dies seiner Anziehung nicht im Mindesten schadete. Durch die flüchtige Liebkosung ein wenig kalmiert ließ Serapios gute Nachricht sodann eine regelrechte Welle der Euphorie durch seinen Leib fluten, ein Funkeln in seinen Augen entstehen und ein Gefühl triumphalen Erfolges. Er setzte bereits zu einem überschwänglichen Kommentar an, doch Serapio fuhr unumwunden fort, ließ keinen Augenblick des Triumphes entstehen - wohl wissend um dessen Preis.
    "Nein..."
    , keuchte Gracchus auf die Schreckensmeldung über die Schändung des Tempels - nicht irgendeines Tempels, sondern jenen der vergöttlichten Flavier! Alle Farbe wich aus seinem Antlitz, alle Kraft aus seinem Leib, dass er einige Schritte zurücktrat bis er die Kante des großen Schreibtisches hinter sich spürte und daran ein wenig Halt fand. Einiges an Schaden - dies klang nicht nach beschmierten Türen oder Wänden, doch noch ehedem der Flavier mehr über das Ausmaß dieser Schändung konnte ermitteln, fuhr Serapio wiederum fort.
    "Sciurus?"
    , flüsterte Gracchus tonlos, seine Augen weiteten sich in Schrecken, seine Hände unklammerten die Tischplatte hinter sich, dass die Knöchel deutlich hervortraten.
    "Das... das ist nicht mögli'h, Faustus"
    , widersprach er mit zitternder Stimme.
    "Wir ... wir haben ihn ... sterben sehen. Wir ... haben seinen toten Leib ge..sehen."
    Unmöglich konnte aus Gracchus' Perspektive der Sklave den Sturz in den Abgrund überlebt haben, wenn auch der Fluss seinen Leib hatte hinfort gespült, dass Serapio und Gracchus nicht hatten bezeugen können, dass jegliches Leben aus dem Leib des Sklaven war gewichen. Es war unmöglich - es sei denn, das Scheusal war in die Welt der Lebenden zurückgekehrt, um als Widergänger an seinem Herrn Rache zu nehmen.

    "Du ... musst dich geirrt haben"
    , versuchte er schwach und gegen jegliche Überzeugung - denn er vertraute Faustus bedingungslos - seinen Freund zu überzeugen, dass Sciurus tot war.

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  • Die Nachricht von der Tempelschändung traf Manius hart, und die von Sciurus noch viel härter. Ich wünschte, ich hätte das abmildern können, aber es war wie es war.
    "Manius..." Wiederum trat ich dicht an ihn heran, bis neben den massiven Schreibtisch (mit dem mich einige Erinnerungen verbanden) und legte einen Arm um meinen Geliebten, umschlang seine Schultern fest, versuchte ihm ein wenig Halt und Kraft zu geben oder es zumindest anzubieten. Wieder mal verspürte ich dabei das schlechte Gewissen, wegen meines Abenteuers mit dem herrlichen Kyriakos, aber das gehörte nun wirklich nicht hierher... (außerdem wurden Manius' Cursus-Honorum-Zöglinge auch immer jünger und hübscher!)
    Zurück zum Thema.


    "Ich bin mir ganz sicher. Leider. Irrtum ausgeschlossen. Und Armastan hat doch damals, als er runtergeklettert ist, keine Leiche gefunden. Unkraut vergeht nicht. Vielleicht.... vielleicht konnte er sich doch irgendwo festkrallen, und ist mehr gerutscht als gefallen. Vielleicht hatte er einfach irrsinniges Glück. Oder vielleicht wollte selbst der Orcus ein so elendes Rabenaas wie ihn nicht haben. - Aber Manius," Ich streichelte aufmunternd seine Schulter und machte ein tatkräftiges Gesicht. "...mach dir nicht zu viel Gedanken. Es ist nur eine Frage der Zeit bis wir ihn kriegen, und dann schlage ich ihn tot wie einen tollen Hund. Wichtig ist allerdings, dass du dich in der Zeit professionell beschützen lässt. Ich schlage vor ich vermittle dir ein paar Veteranen, die ihr Handwerk wirklich verstehen, in Ordnung, ja?"


    Nachdenklich fuhr ich fort: "Und du musst mir alles sagen, was mir helfen kann ihn zu finden. Ich habe seine Beschreibung sofort an die Stadtsoldaten an den Toren gegeben..." Vor Müdigkeit verlor ich den Faden, unterdrückte ein Gähnen und begann von neuem. "Also, er dürfte erst mal nicht rauskommen aus der Stadt. Hat er irgendwo ein Brandmal oder eine Tätowierung oder eine charakteristische Narbe? Weißt du um Freunde oder Verwandte, Liebschaften, Kontakte oder Interessen, die er pflegte? Er ist nicht wirklich Christianer, oder etwa doch??? Und wer von eurer Hausgemeinschaft stand ihm am nächsten?"
    So lange war Sciurus Manius' Leibsklave - und ich ging mal davon aus auch Bettgefährte - gewesen, dass ich, auf einen sprudelnden Quell von Informationen eingestellt, so frei war, von Manius' Schreibtisch eine leere Tabula und einen Stylus an mich zu nehmen, um alles gleich notieren zu können...

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  • Für einen kurzen Moment legte Gracchus seinen Kopf an Faustus' Schulter und es schien beinahe als wäre die Welt in Ordnung. Beinahe indes nur, denn die Worte seines Geliebten nagten sich durch sein Bewusstsein wie ein Borkenkäfer durch die morsche Rinde eines alten Baumes. Vielleicht war Sciurus noch am Leben. Vielleicht war er ein Monster aus dem Orcus. Kraftlos nickte der Flavier auf den Vorschlag, sich schützen zu lassen. Er kannte Sciurus zu gut als dass er sich konnte in Sicherheit wiegen.

    "Er ... hat ein kleines Brandmal auf der linken Hüfte, nur Fingernagel groß, ein Omega. Er hat es seit jeher."

    Gleichwohl die Markierung minderwertiger Sklaven auch in der Gens Flavia üblich war, so wurden die Haussklaven nicht derart mit einem Makel versehen, stammten sie doch üblicherweise aus der hauseigenen Zucht und waren darob mehr als verlässlich. Die nächste Frage verwirrte Gracchus sichtlich. Freunde, Verwandte, Liebschaften, Kontakte oder Interessen?

    "Er ist ... nur ein Sklave ..."

    , antwortete der Flavier langsam.

    "Vor einigen Jahren, fünfzehn oder zwanzig viellei'ht, hat meine Großtante ihn als Beschäler für unsere Zucht verwendet. Sie war recht zufrieden mit dem Ergebnis, ich ... weiß jedoch nicht, wo seine Nachkommen eingesetzt werden. Wenn dies wichtig ist, kann ich ihr einen Boten senden, sie führt akribisch Bu'h über den Einsatz jedes Sklaven auf unseren Gütern."

    Gracchus verstand indes nicht genau, wie diese Information Serapio würde nützen können.

    "Sonstig ... er war immer bei mir, Tag und Nacht, es sei denn er hat für mich Aufträge in der Stadt erledigt."

    In seiner bisweilen sehr naiven patrizischen Weltsicht hatte sich Gracchus nie Gedanken darüber gemacht, wie Sciurus seine Aufgaben erledigt hatte, ob er dazu Kontakte brauchte oder nicht, was genau er tat oder nicht. Der Sklave hatte schlichtweg seine Aufgaben erfüllt. Er seufzte, ehedem er grimmig den Kopf schüttelte.

    "Nein. Nein, er ist gewiss kein Christianer. Er abhorriert sie eben so sehr wie ich."

    Eine Welle der Sentimentalität überflutete ihn und Gracchus presste die Kiefer zusammen im Versuch, eine Melange aus Verzweiflung, Wut, Sehnen, Furcht und Konsternierung zurückzuhalten.

    "Warum ... warum hat er das nur get..an?"

    Mit einem Male durchfuhr ihn ein weiterer Gedanke.

    "Und der Tempel? Was ist mit dem Tempel meiner Ahnen? Wie ... wie groß ist der Schaden?"

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  • Mein Stylus ritzte ein Omega ins Wachs...

    Ω

    ...dann fiel er mir fast aus der Hand – Beschäler für unsere Zucht?!
    Mehr als irritiert starrte ich Manius an, verzog unwillkürlich das Gesicht bei dem Bild, das da vor meinem inneren Auge aufstieg. Es war nicht das erste Mal, dass Manius mit vollkommener Selbstverständlichkeit Dinge sagte, bei denen es mir kalt den Rücken runterlief. (Wie er von seiner Erwägung erzählt hatte, seinen Sohn zu verstoßen, nur weil der geistig mit dem Epikureertum geflirtet hatte. Wie er bewundernd von seinem Vater gesprochen hatte, welcher tatsächlich einen seiner Söhne, Manius' Bruder, verstoßen hatte. Und natürlich das ganz große Tabuthema, das wir seit Jahren geflissentlich umschifften – wie sein Klüngel ruchloser Nobelsenatoren, in ihren maßlosen Hybris, hochverräterisch die Ulpier ermordet hatte, der Beginn des blutigen Bruderkrieges....)


    Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten, nun atmete ich langsam wieder aus, und sagte mir, wie so oft: Er kommt eben aus einer anderen Welt, Faustus. Einer ganz anderen Welt.
    Trotzdem klang meine Antwort, auf seine vielleicht auch nur rhetorische Frage nach dem "warum", süffisanter als ich es wollte.
    "Es wundert mich nicht besonders, dass er durchgedreht ist. So wie du ihn schilderst... hatte er ja nur dich, du warst sein Lebensinhalt. Ich nehme an er hat dich geliebt, oder war dir jedenfalls verfallen." Herrje, am Ende bekam ich noch Mitgefühl mit dem Rabenaas. "Dir zu verfallen... Manius Aton Flavius Gracchus... ist nicht schwer..." fügte ich hinzu, Manius rau, halb zärtlich aber auch halb ärgerlich den Nacken kraulend. "Als es ihm nicht gelang, uns zu entzweien, versuchte er, mich auszuschalten. Aber du hast dich für mich entschieden, und jetzt richtet sich seine Leidenschaft, in Hass umgeschlagen, gegen dich. - ... Es ist wohl besser, wenn wir eine Weile lang auf die Treffen in der Villa Eutopia verzichten. Er kennt all unsere Geheimnisse, unsere Gewohnheiten..."
    Sciurus wusste genau wo er uns treffen konnte. Ich musste ihn schleunigst erwischen und beseitigen.


    "Sie sind auf die Statuen losgegangen. Zwei der Kaiserbilder sind schwer beschädigt. Und sicher auch einige andere Kultgegenstände, aber das habe ich mir, ehrlich gesagt, nicht im einzelnen genau angesehen. Keine Schmierereien diesmal. Sie haben auch eine römische Bürgerin mit ihren Sklavinnen dort drin angegriffen, und Sciurus hat eine der Sklavinnen als Geisel nach draußen verschleppt, sie dort im Säulengang niedergeschlagen, sie hatte eine heftige Kopfwunde aber sie lebte noch. Und der Dolch, mit dem er sie bedrohte, der stammte auch aus dem Tempel, so ein langer vorderorientalischer, den hat er mitgenommen."
    Im Anschluss berichtete ich Manius dann, obgleich übernächtigt wenig strukturiert, noch genauer von den Festnahmen, von der Bußpredigerin, die angab, den Namen Flavia Philotima zu tragen, von dem Merkurpriester Didius Molliculus, durch den sich die Frage stellte, wie weit der Cultus Deorum bereits unterwandert war, von der Erstürmung der Casa Didia und unseren ersten vorläufigen Erkenntnissen.

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  • Der Flavier bemerkte die Irritation seines Freundes nicht und hätte sie wohl ebenso wenig nachvollziehen können wie jener seine Ansicht, denn in mancher Hinsicht stammten sie wohl tatsächlich aus gänzlich verschiedenen Welten, deren Distanz nur ihre Liebe zu überbrücken vermochte. Auch Faustus etwas spöttische Replik fasse Gracchus nicht als solche auf, denn wie sonst sollte es sein, als dass der Herr der Lebensinhalt seines Sklaven war, insbesondere eines Leibsklaven? Dass der Sklave sich der Position eines Liebenden ermächtigen wollte, dies war indes unerhört und passte wiederum nicht in Gracchus' Weltbild, darob schüttelte er den Kopf, wenngleich die Bestätigung, dass Serapio ihm verfallen war, kurzzeitig ihm ein schmales Lächeln auf die Lippen zauberte.

    "Allfällig hat er sich den Kopf gestoßen. Es war immerhin ein recht tiefer Fall, dazu all die Felsbrocken und Wurzeln. Zweifelsohne ist er nicht mehr er selbst..."

    Zögerlich stockte Gracchus. Sciurus hatte versucht, Faustus umzubringen.

    "Nein, du hast Re'ht. Er ist womöglich viel zu sehr er selbst."

    Ein Gedanke, der dem Flavier wart mehr Furcht einjagte.

    "Aber dann ... dann bist du ebenso in Gefahr, Faustus. Mehr noch als ich!"

    Die Emotionen, die all dies in Gracchus evozierte - Serapio in Gefahr, er selbst und allfällig seine Familie in Gefahr, Sciurus womöglich ein Wiedergänger, keine Treffen in der Villa Eutopia -, überwältigten ihn beinahe mehr noch als der Gram und die Entrüstung über die Tempelschändung. Beinahe jedoch nur.

    "Ich ... werde mir den Schaden selbst ansehen müssen"

    , seufzte er kraftlos auf Serapios Bericht und befürchtete das Schlimmste, den Namen der Flavia nicht weiter beachtend, die Nachricht über den Priester des Cultus Deorum indes als neuerlichen Schlag in seine Magengrube verspürend. Wie viel schlimmer konnte diese Angelegenheit noch werden?

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  • "Mach dir keine Gedanken" wehrte ich Manius' Sorge um mich ab, schenkte ihm ein verwegenes ich-bin-Prätorianer-ich-hab-alles-im-Griff!-Lächeln, "...mit dem Rabenaas werde ich schon fertig! Letztes mal hat er mich kalt erwischt, aber jetzt bin ich gewarnt, er soll nur kommen. Da fällt mir ein, wir könnten ihm eine Falle stellen!"
    Doch nicht mehr an diesem Morgen. Ich musste zurück in die Castra und Manius in den geschändeten Tempel, außerdem hatte er das Atrium voller Klienten.
    "Es sieht dort gerade schon sehr wüst aus. Aber es lässt sich bestimmt alles ausbessern und lustrieren... ich meine, wer wäre besser dazu qualifiziert als du, bester Pontifex, und zudem mit Blutsbanden zu den dort geehrten..." versuchte ich etwas unbeholfen, Manius Trost zu zu sprechen.

    Wir verweilten noch einen kurzen gemeinsamen Moment in Zweisamkeit dort in seinem Officium, besprachen auch wann wir uns wieder treffen würden und wie wir das mit den Veteranen als Leibwächter machen würden, dann gingen wir auseinander, um uns jeder wieder unseren Pflichten zu widmen.

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