Officium | MFGM et MFG - Aufbruch gen Morgen

  • Der frühe Nachmittag brachte an diesem Tage eine für den Sommer durchaus noch erträgliche Wärme, dennoch präferierte Flavius Gracchus innerhalb der kühl temperierten Mauern der flavischen Villa zu verweilen. Es mochte darob scheinen, dass er in diesem begrenzten Wirkungskreise schlichtweg ein wenig Bewegung suchte als er von seinem eigenen Officium in das seines Sohnes hinüber ging, war es doch sonstig eher ungewöhnlich, dass er jene Distanz überwand, statt Minor zu sich zu beordern. Tatsächlich jedoch war es der Anlass, welcher jene Inkonsistenz der familiären Hierarchie bedingte, gleichwohl der ältere Gracchus diese zumindest insofern aufrecht hielt, als dass er nach einem unscheinbaren Klopfen sogleich den Raum betrat - immerhin hatte er sich zuvor bei Ikarus vergewissert, dass Minor keinen Besuch hatte empfangen.

    "Minor, störe ich?"
    Auch dies war mehr eine Floskel der Höflichkeit denn eine veritable Option des Sohnes dem Vater ein Gespräch zu verwehren.

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  • Obschon die Tage sich nach seiner Amtszeit als Aedilis Curulis seit geraumer Zeit wieder ruhiger gerierten, verbrachte Manius Minor, nun immerhin wieder nicht allein die öffentlichen, sondern auch die familiären Geschäften hatte zugewandt, noch immer viele Stunden in seinem Officium, um die Verwaltung der flavischen Ländereien zu leiten, um die gesellschaftlichen Verpflichtungen seiner selbst wie jene seiner Gattin zu administrieren oder schlicht sich der Muse hinzugeben und Patrokolos dieses oder jenes Gedicht rezitieren zu lassen.


    An jenem Tage nun, als unerwartet sich seine Pforte öffnete und Manius Maior eintrat, diktierte er soeben einen Brief an den Vilicus in Ostia, sodass inmitten des Satzes er innehielt und, seiner Rolle und der Nihilität seiner Obliegenheiten entsprechend, sich beeilte zu erwidern:

    "Mitnichten! Was führt dich zu mir?"
    Ein wenig bange klang seine Stimme, evozierte doch der Umstand, dass der ältere Gracchus den Jüngeren höchstselbst hatte aufgesucht, eine gewisse Irritation, da dies nicht seiner Gewohnheit entsprach, was wiederum implizierte, dass auch der Casus nicht zu den gewöhnlichen zählte.

  • Die Couleur des Tonfalles seines Sohnes entging dem älterer Gracchus, weilten seine Gedanken doch bereits bei seinem Ansinnen. Unaufgefordert nahm er Platz.

    "Nun, ich möchte dir zu deiner vorzüglichen Amtszeit gratulieren. Du hast deine Pflichten aufs Trefflichste erfüllt und Diligenz und Beflissenheit gezeigt, welche deiner Herkunft würdig sind. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn, und ... auch deine Mutter wäre sehr stolz würde sie noch unter uns weilen. Ich weiß, dass sie oft davon träumte wie du als Triumphator nach Rom einreitest, doch allfällig war es nicht an der Spitze einer Legion - wie sie ver..mutete -, sondern während der Megalesia."

    Ein schmales Lächeln kräuselte seine Lippen in Erinnerung an Antonia, und von einer Ehefrau war es ein leichtes, zu einer anderen das Augenmerk zu wenden.

    "Wie geht es deiner Gemahlin? Was machen eure... gemeinsamen Pläne?"

    Gleichwohl Gracchus seiner Pflicht hatte genüge getan und für den Fortbestand seiner Linie Sorge getragen, so war doch all diese Mühe - durchaus war es dies bisweilen gewesen - vergebens, so Minor diese Linie seinerseits nicht fortsetzte und dafür Sorge trug, dass wiederum in einigen Jahren er seinem Erben zur erfolgreichen Amtszeit gratulierte.

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  • Ein wenig unpräpariert traf den jüngeren Gracchen das Lob seines Vaters, welches ihn aufrichtig erfreute, sodass seine Augen ein wenig zu leuchten begannen, was geradehin auf die gesamte Haltung sich ausweitete, als jener auch explizit seine geliebte Mutter und deren Vision erwähnte. Er vermochte sich nicht recht zu entsinnen, dass Claudia Antonia ihm ebenfalls von jenen Träumen hatte berichtet, womöglich war dies aber auch von jenem Albtraum vernebelt worden, der ihm seit einigen Jahren beständig war vor Augen. Indessen erschien es ihm doch zumindest als ein gutes Omen, dass sich jener vermeintliche Traum hatte erfüllt, selbst wenn dies unwissend und womöglich nicht in der erstlich erwarteten Form war geschehen (oder war dies gar eine weiterhin zukünftige Vision, die sich nocht erfüllen mochte?).


    Das erleichterte Lächeln, in das er mit seinem Vater einstimmte, entschwand hingegen schlagartig, als Manius Maior sich seiner Cornelia zuwandte, die an diesem Tage wieder einmal (wie so häufig) bei ihrem Bruder war zu Gast, von dem sie nicht vor der Cena würde zurückkehren. Noch immer mieden beide einander, obschon seine Magistratur selbstredend allzu viele Anlässe hatte geboten, bei denen sie gemeinsam hatten der Öffentlichkeit sich präsentieren müssen, sodass beide geradehin erleichtert waren gewesen, die Kontakte nach dem Ablegen der Toga praetexta wieder auf ein Mindestmaß reduzieren zu können. Dass dies seinem Vater nicht mochte entgangen sein, dass auch noch immer kein neues Säuglingsgeschrei durch die Villa Flavia Felix hallte, ließ Minor beklommen ahnen, worauf sein alter Herr abzielte.

    "Wir werden... selbstredend in Rom bleiben und unsere Pflichten hier gemeinsam versehen."
    , erwiderte er daher recht allgemein in der Hoffnung, einem allzu detaillierten Verhör über seine ehelichen Heimsuchungen und den genauen Status ihrer reichlich komplizierten Relation zu entgehen, obschon bereits hier eine gewisse Furcht vor dem Befürchteten war zu vernehmen.

  • Der ältere Gracchus nickte, hatte er doch keine gegenteilige Antwort erwartet, wenngleich er ein wenig mehr sich hatte erhofft, ob dessen er dazu ansetzte, dieses Thema zu vertiefen.

    "Nun, wie du weißt hatte auch deine Mutter zu Beginn unserer Ehe einige Schwierigkeiten, der familiären Obliegenheiten na'hzukommen, und es hat lange gedauert bis in ihr endlich ein Kind - du heranreiftest."

    Gracchus war zu dieser Zeit ebenfalls bereits Senator gewesen.

    "Es gibt also noch keinen Grund, an Cornelia zu zweifeln."

    Einen Augenblick schien es, als wollte er noch etwas anfügen - Ratschläge hinblicklich der passenden Opfergaben und -rezipienten schwebten durch seinen Geist, ebenso wie mögliche Alternativen -, doch vorerst traf Minor nur ein Blick, welcher letztlich den nicht angebrachten Zweifel in sich barg.

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  • Obschon die Prüderei späterer christianischer Saecula einem römischen Sohn fremd war, so erquickte ihn doch die Imagination sexueller Aktivitäten seiner Eltern nicht sonderlich, weshalb der umsichtige Vorstoß Manius Maiors in ihm eher ein ärgerliches Unwohlsein denn eine dankbare Verbundenheit evozierte. Dass auch wer den Coitus pflegte, bisweilen auf den Kindersegen musste warten, war gemeinhin bekannt, doch da nicht dies, sondern der Mangel des Coitus der vornehmlichste Grund für die Unfruchtbarkeit seiner Ehe war, nutzten die Trostworte seines Vaters ohnehin wenig, zumal er nicht ahnte, dass die paternale Problematik, wenn auch aufgrund differenter Kausalitäten, nicht weit von seiner eigenen differierte.

    "Es ist nicht Cornelias Schuld."
    , echappierte ihm, in Gedanken einen Augenschlag zu jenen zahllosen Abenden in der Villa Ostiensis zurückkehrend, als wechselseitig er oder sie demonstrativ den Weg ins eigene Cubiculum hatte gewählt, die Avancen des jeweils anderen ignorierend, ehe es bereits ihn reute, jene Information preisgegeben zu haben, da nun doch unweigerlich weitere Belehrungen mochten erfolgen oder gar die Furcht würde erwachsen, Manius Minor sei selbst inkapabel, einen Erben für die Stirps Flavia Graccha zu produzieren.

  • "Es ist immer die Schuld der Frau"

    , entgegnete Gracchus leichthin in Überzeugung seiner Zeit, ehedem die Worte seines Sohnes ein wenig tiefer in ihn vordrangen. Seine linke Braue hob sich ein Stück weit empor, schien es ihm doch mit einem Male als läge weitaus mehr Bedeutsamkeit in diesem Gespräch als es den Anschein hatte.

    "Wie kommst du darauf, es könnte nicht ihre Schuld sein?"

    Horribele Szenarien drangen mit einem Male in des Vaters Geist. Minor, welcher sich im Zuge seiner Eskapaden in Alexandria hatte entmannt und dies seit seiner Rückkehr nach Rom hatte vor ihm verborgen - wann hatte er sich schlussendlich das Gemächt seines Sohnes besehen seit dieser kein kleines Kind mehr gewesen war, das in seiner natürlich Blöße im Bade herumtollte. Oder etwa Cornelia, welche Jahre vor ihrer Ehe - oder noch schlimmer darin - ein Kind hatte geboren von einem anderen Manne, welches nun als dessen Bastard aufwuchs oder aber klandestin beseitigt worden war, welches doch gleichsam bewies, dass sie ein Kind zu gebären fähig war.

    "Was"

    , durchdringend blickte er Minor an, in paternalistischer Forderung, die Wahrheit zu erfahren,

    "lässt dich so si'her sein?"

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  • Die Befürchtung Manius Minors konfirmierte sich, kaum hatte sie sich in seinem Geiste materialisiert. In Manius Maiors Stimme mischten sich Tadel mit Furcht, der zu erwidern er nichts parat hatte, was ihm als adäquat wäre erschienen: Würde er die nackte Wahrheit sagen, so antizipierte er bereits die altklugen Mahnungen, dieser oder jener Hilfsmittel sich zu bedienen und seine Pflicht zu erfüllen, doch was sollte er alternativ zusammenfabulieren?


    Sichtlich rang der jüngere Flavius um Wort, hob mehrfach an, ohne dass ein Wort seinen Lippen entfleuchte und erklärte endlich:

    "Es ist schlicht so, dass wir wenig Anziehung zueinander verspüren. Cornelia und ich… wir harmonieren nicht recht und ich… bin ihrer schlicht überdrüssig."


    Dies war im Prinzip der Kern jener unerquicklichen Wahrheit, doch nicht so leicht zu erwidern, da jene Problematik mitnichten einfach war zu lösen: Minor wünschte sich, dass er durch eines jener aphrodisierenden Mittel oder ein wenig Konzentration die missliche Lage wäre zu heilen, doch war es nicht so einfach. Und womöglich verhoffte er unbewusst, dass sein gemeinhin so weiser Vater ihm in diesem Falle tatsächlich mit einem nützlichen Ratschlag würde aufwarten können.

  • Mit einem leisen Seufzen der Erleichterung ließ Gracchus seine Schultern sinken, deren Anspannung er sich nicht einmal bewusst gewesen war.

    "Oh, Minor"

    , lächelte er beinahe ein wenig amüsiert, wenngleich auch mitfühlend.

    "Ich habe stets gehofft, dass diese Pflicht einfacher für dich zu ertragen sein wird, doch allfällig ist dies Teil unseres Erbes."

    Seine Mutter hatte stets versichert, dass sie seinen Vater hatte lieben gelernt, und auch er hatte schließlich Antonia geliebt auf seine Weise, ebenso wie nun Prisca. Doch war die Zeugung seiner Nachkommen seinem Vater allfällig ebenfalls so schwer gefallen, war seine Zuneigung ebenso wenig körperlich gewesen? Ein müßiger Gedanke, denn niemand würde noch die Antwort auf diese Frage geben können.

    "Deine Mutter war eine wundervolle Frau, untadelig und hehr, anmutig, geistreich und nobel zugleich. Dennoch ver..band uns nichts zu Beginn unserer Ehe, außer eben jener, und es dauerte Jahre bis dass wir Vertrauen zueinander fanden und eine Art von Zuneigung für das Wesen des anderen. Indes"

    , er zögerte kurz, denn trotz allem fiel es ihm schwer, dies Eingeständnis offen auszusprechen.

    "Ihren Leib habe ich nie begehrt, und ... und die Erfüllung dieser Pfli'ht ..."

    Er holte einen tiefen Atemzug.

    "Es ist einfacher zu ertragen, wenn du deinen Geist betäubst und der Körper geleitet wird von einem illusorischen Be..gehren."

    Die Option, eine andere Frau könne Minor allfällig mehr anziehen, kam dem älteren Gracchus nicht in den Sinn. Ohnehin wäre eine Scheidung nicht ohne Komplikationen, denn gleichwohl Scapula ein wenig nachließ in seinem Geiste und somit seinem Einfluss, waren die Cornelier noch immer ein gutes Bündnis, nicht zuletzt auch Philonicas Bruder wegen, welcher den Platz seines Onkels im Machtgefüge Roms einzunehmen gedachte.

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  • Die Reaktion Manius Maiors fiel gelassen aus, was Manius Minor ein wenig kalmierte, obschon sie ihn auch ein wenig verwunderte, da er doch (obschon ein Sohn dies hinsichtlich seiner eigenen Mutter für gewöhnlich lediglich bedingt zu ponderieren wusste) seine geliebte Mutter stets für überaus attraktiv hatte gehalten, ja mit ihrem ebenmäßigen Antlitz und ihrer schlanken Gestalt gar für eine Schönheit, die ex post betrachtet durchaus den meisten Männern zur Beiwohnung agreabel wäre erschienen. Da er nichts hinsichtlich der sexuellen Neigungen seines Vaters ahnte, beschied er, dass es wohl dessen mentaler Hyperkomplexität musste geschuldet sein, dass er hinsichtlich der Zeugung von Nachkommen - ihm und seiner Geschwister - Schwierigkeiten gehabt hatte. In seinem Fall lag der Casus indessen gänzlich anders, denn Cornelia Philonica mochte manche Vorzüge besitzen, doch zählte ein gefälliges Äußeres nicht dazu, ja sie stieß Minor geradehin ab, wenn er auch nur den Odeur aus ihrem Munde bedachte.


    Die Betäubung des Geistes lag insofern nahe, indessen fröstelte ihn bereits bei dem Gedanken, neuerlich den Opiumbecher zu ergreifen, fürchtete er doch wieder zu seinem Sklaven zu werden, sobald er von seinem bitter-süßen Saft kostete, während die Wirkung des Weines auf seine Libido ihm als überaus abträglich bekannt war.


    Ratlos blickte er daher in die Augen seines Vaters, ehe er sich zu einem Lächeln durchrang.

    "Ich danke dir für deinen Rat und werde es versuchen."

    , erwiderte er sodann und schwieg neuerlich verlegen.


    Um zu vermeiden, jenes unerquickliche Thema weiter zu vertiefen, wechselte endlich er unvermittelt das Sujet:

    "Indessen, wie geht es den Zwillingen und ihrer Mutter?"

    Obschon ihn nicht eben brüderliche Sorge hinsichtlich seiner Stief-Familie bewegte, so erschien es ihm doch wissenswert, welches Befinden sie derzeitig pflegten.

  • Da Minor den Ratschlag ohne Aufbegehren annahm, insistierte auch der ältere Gracchus nicht weiter die Causa zu vertiefen.

    "Die Zwillinge gedeihen ganz prä'htig. Quintus kommt augenscheinlich nach seinem Onkel und beschäftigt sich lieber mit dem Holzschwert als mit Worten, doch ich bin sicher dies wird sich mit der Zeit noch geben. Und Prisca lässt bereits erahnen, dass sie die Anmut ihrer Mutter geerbt hat."

    Sodann jedoch wich die Freude über seine Nachkommen aus Gracchus' Antlitz und Sorge breitete darüber sich aus.

    "Doch ihre Mutter bereitet mir zunehmend Sorge"
    , gestand er offen.
    "Gleichwohl du während deiner Amtszeit überaus geschäftig warst, wird auch dir kaum wohl ver..borgen bleiben, dass sie zu lange schon den Cenae der Familie fern bleibt, generell jedem familiären Zusammenkommen. Wann immer ich sie aufsuche schient einzig Müdigkeit sie zu beherrschen, doch sonstig befindet sie sich nach eigener Aussage wohl."
    Ein Seufzen echappierte Gracchus' Kehle. Seit Monaten nun schon hatte seine Gemahlin sich zurückgezogen, vor den Kindern, vor ihm, hatte ihn gar aufgefordert, seinen Neigungen und Vorlieben nachzugehen. Hätte die Aurelia nur das Haus verlassen, so hätte Gracchus geglaubt, sie würde eine Liebschaft pflegen. Doch sie ließ nur ab und an diverse Händler kommen, verbrachte Tag um Tag im Hause, zumeist in ihren Gemächern.*
    "Ich sorgen mich um sie, Minor, doch ich weiß nicht, an was es ihr fehlt. Sie möchte keine Luftver..änderung, nicht aufs Land hinaus oder ans Meer, sie möchte hier bleiben in Rom, an meiner Seite. Und doch scheint ihr Geist mir weiter entfernt als die fernste Provinz."



    Sim-Off:

    *Mit Priscas Spielerin abgesprochen.

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  • Noch trefflich memorierte Manius Minor, dass auch er als Knabe seinem bewunderten Onkel Aristides hatte nachgeeifert, dass er das Spiel mit dem Gladius hatte geliebt und stets davon geträumt hatte, selbst als Feldherr im Triumphzuge durch Rom zu fahren. Doch hatte sich jene Faszination mit wachsender Adoleszenz verflüchtigt, waren schöngeistigere Okkupationen und weniger ennuyante Praktiken als das beständige Exerzieren des Leibes hinzugetreten, sodass er selbst als Tribun wohl ein eher erbärmliches Bild hatte präsentiert. Obschon mit Quintus sein Rivale, die Brut der Natter, heranwuchs, so vermochte er daher dennoch nicht, jenem Knäblein Hass entgegenzubringen, war er doch unschuldig an jener misslichen Lage.


    Als die Worte indessen auf die Aurelia zu sprechen kamen, horchte er auf, wenn auch nicht aus Sorge als vielmehr aus unerwarteter Freude über jene Entwicklung, die doch lediglich konnte heißen, dass die Natter sich in ihrem Neste doch weniger wohl entwickelte, als er dies hatte befürchtet. Müdigkeit mochte vielerlei Ursachen haben, sei es eine schleichende Krankheit, sei es ein Vorwand, um der ehelichen Beiwohnung zu echappieren, doch implizierte der Rückzug aus dem familiären wie von den ehelichen Konversationen doch eine insgesamt positive Entwicklung, worauf immer sie basierte.

    "Sie wird doch nicht erkrankt sein?"

    , erwiderte er endlich mit jedweder Sorge, die zu heucheln imstande war.

    "Ich hatte Notiz genommen, dass sie überaus häufig unpässlich ist, doch hatte ich vermutet, dass es die Last der Kinder ist, welche an ihr zehrt."

    In Wahrheit hatte er selbstredend geargwöhnt, dass seine Antipathie es gewesen war, die sie vom gemeinsamen Tische hatte vertrieben, da er doch nur bedingt einen Hehl daraus machte, dass er die Aurelia wenig schätzte, weshalb selbst Cornelia ihm das ein oder andere Mal Vorhaltungen hatte gemacht.

  • Gegenteilig zu den meisten Bewohnern der Villa hielt Gracchus seine Augen, wie seinen Verstand verschlossen vor familiären Zwistigkeiten, dass er hinter der Besorgnis in Minors Stimme nichts anderes vermutete. Ein wenig ratlos hob er die Schultern und ließ sie gleich darauf wieder fallen.

    "Nein"

    , schüttelte er den Kopf.

    "Die Kinder sind kaum noch bei ihr."

    In seinem Innersten fürchtete Gracchus stets den Tod seiner Familienangehörigen, doch insbesondere in Hinblick auf seine Gemahlin hing eine Schuld über ihm, welche diese Furcht regelrecht komplementierte.

    "Allfällig sollte ich die Sibylle um Rat befragen ..."

    Da die Sibylle fern war, blickte er vorerst ratsuchend zu seinem Sohn.

    "Bist du der Ansi'ht, dies wäre angemessen? Oder doch zu übereifert? Immerhin klagt Prisca selbst über keinerlei Leid."

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  • Ehrliches Erstaunen zeigte sich im Antlitz des jüngeren Flavius, als er gewahr wurde, dass die aurelische Natter derzeitig nicht war imstande, ihn Gift an ihre Brut weiterzugeben, was einerseits ihn erfreute, andererseits ihm Anlass zum Rätseln bot. Noch trefflich entsann er sich seines Fluches, welchen er einst gegen die ungeliebte Stiefmutter hatte ausgestoßen, und womöglich hatte er die Magna Mater durch seine megalensischen Spiele dermaßen saturiert, dass sie nun endlich seinem Flehen war gefolgt. Andererseits erschien es ihm nahezu undenkbar, dass eine Mutter nicht gewillt war, ihr eigen Fleisch und Blut zu sehen, was den Gedanken nahelegte, dass sie, wie er es befürchtet hatte, der Liebe inkapabel war.


    Vor jenem Hintergrund erschien auch die Konsultation der Sibylla ambivalent, da sie seinem Vater auf der einen Seite den Fluch des Sohnes mochte entdecken, zum anderen die widernatürliche Lieblosigkeit seiner Gattin, welche ihn womöglich motivierte, sich aus jener toxischen Liasion zu erretten. Da die Weissagungen der Weisen indessen für gewöhnlich das Zukünftige und weniger das Vergangene betrafen, beschied er endlich, einen eindeutigen Rat zu erteilen:

    "Es wäre womöglich ein Weg, mehr zu erfahren, immerhin ist ein derartiges Betragen für eine Mutter höchst ungewöhnlich."

    Selbst wenn die meisten Mütter nobilitären Geblüts ihre Kinder der Obhut einer Amme anvertrauten, so empfanden doch die meisten dennoch warme Liebe für ihre Sprösslinge, zumindest solange diese sie nicht durch Defäkation oder penetrantes Schreien belästigten.

  • Nachdenklich blickte Gracchus auf die Platte Minors Arbeitstisches, welche ihm gegensätzlich zu seiner eigenen gänzlich unvertraut war und darob nur wenig Halt bot. Die Sibylle zu konsultieren war in Rom in den vergangenen Jahren ein wenig aus der Mode geraten, zudem bedingte es die mühsame Reise nach Misenum, doch wenn auch Minor eine Hoffnung darin sah, wiewohl eine Notwendigkeit ob Priscas Gebaren, so würde Gracchus dies auf sich nehmen. Allfällig würde er es einrichten können, ein oder zwei Tage länger bei der Familie in Baiae zu verweilen. Er nickte darob - nun bereits mehr entschlossen, denn allen einen Plan zu haben gab ihm ein wenig mehr Zuversicht zurück, ob desssen er gänzlich das Thema wechselte.

    "Wie hat sich Seius entwickelt? Glaubst du, er taugt zu einem Staatsmanne?"

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  • Schweigend bot Manius Minor Manius Maior den erforderlichen Raum, seine familiären Komplikationen gedanklich zu ordnen, in der Stille hoffend, dass sie zugunsten der Flavia wie seiner eigenen Person würden sich wenden und seine Flüche nun endlich ihre Erfüllung würden finden.


    Als endlich er wieder den Blick hob, griff er indessen ein gänzlich anderes Sujet auf, sodass der jüngere Flavius zunächst irritiert dreinblickte, ehe er endlich seinerseits seine Gedanken hatte geordnet:

    "Ravilla war ein gelehriger Schüler, er verfügt durchaus über einiges Potential. Indessen steckt er wie viele Homines novi noch voller Flausen, vermeintlich großer Ideen. Hier und da gelang es mir wohl, seine Ambitionen ein wenig zu stutzen. Ebenso wird sein familiärer Rahmen womöglich ihm noch ein Hindernis sein, da mir doch scheint, dass die Familie zumindest in den westlichen Gefilden nicht mit übermäßigen Verbindungen gesegnet ist. Und schlussendlich stelle ich an ihm eine gewisse Sprunghaftigkeit fest, in Zukunft wird er noch in Beharrlichkeit und Kontinuität sich schulen müssen. Doch ist all dies wohl nichts, was nicht vielen Jünglingen zueigen ist, insofern bin ich sicher, dass er mit unserer Hilfe und einer Portion Frustrationstoleranz seinen Weg wird machen. Und so ihm dies gelingt, bin ich mir seiner Loyalität sicher."
    Dies zumindest sollte implizieren, dass die Investition in den Jüngling, dem man immerhin Obdach und einen Lehrmeister hatte geboten, nicht vergebens war.

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