Auf Befehl des Caesar Augustus war für den Tag ein Officium für die Audienz mit dem Pontifex pro Magistro M. Flavius Gracchus vorbereitet worden.
Falls etwas abgezeichnet werden sollte, lag das kaiserliche Siegel bereit.
Auf Befehl des Caesar Augustus war für den Tag ein Officium für die Audienz mit dem Pontifex pro Magistro M. Flavius Gracchus vorbereitet worden.
Falls etwas abgezeichnet werden sollte, lag das kaiserliche Siegel bereit.
So der Pontifex Maximus dringend bat kam dies selbstredend einem Befehl gleich, welchen der pro magistro nicht konnte ignorieren, zu was er indes ohnehin keinen Anlass hatte. So also fand Flavius Gracchus sich in der Domus Flaviana ein, betrat das ihm gewiesene Officium und grüßte den Kaiser mit einem angemessenen
"Ave, Augustus"
, durchaus gespannt auf die Causa, deretwegen Aquilius ihn hatte herbei geordert.
Ich hoffe, es ist in Ordung die Palastwache zu überspringen...
Tatsächlich war der Kaiser bereits in sein Officium gekommen, um von dort aus ein paar Schreiben aufsetzen zu lassen. Als der Pro Magistro endlich eintrat, bedeutete er ihm mit einer Geste, auf dem Stuhl vor ihm Platz zu nehmen.
"Flavius, sehr gut!" lobte er das schnelle Erscheinen seines Oberpriesters. "Es geht um eine sehr delikate... Angelegenheit. Vielleicht hast du auch schon davon gehört." Er versuchte in den Augen des Pontifex zu lesen, ob er diesbezüglich etwas ahnte. Immerhin ermittelten die Cohortes Urbanae bereits und wenn jemand Gerüchte über die Vestalinnen schnell erreichten, dann wohl einen Pontifex!
Angesichts des Ernsts der Lage verzichtete er aber auf ein Ratespiel: "Die Virgo Vestalis Maxima wurde ermordet. Wir wissen noch nicht sehr viel über die Hintergründe und haben deshalb versucht, die Sache geheim zu halten. Du bist der erste der Pontifices, den ich darüber informiere." Er sah den Flavier fragend an. "Kriminalistisch wird der Fall bereits bearbeitet, aber was kultisch zu tun ist, da habe ich keine Ahnung!"
Nachdem er hatte Platz genommen, ließ Gracchus einen Augenblick diesen, wie die vorigen Tage Revue passieren, konnte doch keiner delikaten Angelegenheit sich entsinnen, was zweifelsohne in diesem Falle nicht etwa daran lag, dass der Flavier solcherlei bisweilen nur allzu gerne verdrängte, sondern daran, dass die Cohortes Urbanae in der Angelegenheit überaus diskret ermittelten. Ehedem er indes in Verlegenheit kam, von nichts zu wissen, fuhr der Augustus bereits fort mit der ungeheuerlichen Neuigkeit.
"Die Virgo ... Vestalis Maxima?"
, presste Gracchus hervor, während alle Farbe aus seinem Gesichte wich, in seiner Brust die Luft zum Atmen ausblieb und sein einziges Glück war, dass er saß, hätte er sonstig doch den Boden unter seinen Füßen verloren. Augenblicklich war er Jahrzehnte jünger und sank neben dem Leichnam der Virgo Vestalis Maxima, seiner Schwester Agrippina, auf den Stufen zum Heiligtum der Göttin nieder, während ihr Blut auf den marmornen Stein allmählich zu einer zähen, braunfarbenen Masse gerann. Mühsam suchte der Flavier das Bild zu verdrängen, den Schmerz zu verdrängen, seinen Atem wieder in Gang zu setzen. Seine Schwester war viele Jahre bereits tot, sein Schmerz viele Jahre vergangen - zumindest verdrängt. Dies war nicht sein persönlicher Verlust, dies war Roms Verlust.
"Das... das ist eine Katastrophe. Eine Devastation der pax deorum von ungeheuerli'hem Ausmaße. Ein Frevel ohnegleichen. Eine Katas..trophe für Rom. "
Atmen. Er musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Auf Rom. Die pax deorum. Atmen.
"Indes... es ist nicht das erste Mal, dass eine Virgo Vestalis Maxima er..mordet wurde."
Atmen. Er musste sich auf die Gegenwart konzentrieren, gleichwohl in der Vergangenheit stöbern ob der angemessenen Reaktion.
"Es ist ... schwer erträglich, doch es gibt tatsä'hlich bereits ein kultisches Prozedere für einen solchen Fall."
Nicht etwa, dass jenes Prozedere in die allgemeingültigen kultischen Riten war aufgenommen worden, denn niemand rechnete schlussendlich, dass überhaupt je wieder es zu einer solch ungeheuerlichen Tat würde kommen können. Die Konzentration auf das Fachliche jener Angelegenheit half Gracchus allmählich zurück zu seiner Obliegenschaft angemessener Ruhe und Kompetenz zu finden, gleichwohl ein gewisses Maß an Anspannung in ihm verblieb, das vorwiegend weiterhin in seiner Aussprache sich offenbarte, was indes ihm selbst nicht bewusst war.
"Ein Präzedenzfall schafft in solchen Ange..legenheiten neue kultische Richtlinien. Sofern ich mich recht entsinne"
, und für die Anzahl an Jahren, welche dies bereits zurücklag, und der sonstigen Lücken in seiner Erinnerung war dies bereits beträchtlich,
"bedingt dies eine große Entsühnung, mehrere Rinder als Gabe an das gesamte göttli'he Pantheon - ich meine, es waren neun."
Da der Zahl Drei im Kult eine besondere Bedeutung zukam, war ihre Verdreifachung durchaus plausibel, dennoch vetat der Flavier sich in dieser Angelegenheit um ein Rind, respektive einen weißen Ochsen.
"Diese werden durch den Senat um das Pomerium geführt und hernach auf dem Kapitolium den Göttern dargebra'ht."
Gracchus ließ eine kurze Pause folgen, atmete noch einmal bewusst, ehedem er vorsichtig nachhakte.
"Gibt es... bereits Hinweise auf die Täter? Ein Angriff auf die Virgo Vestalis Maxima kommt einem Ver..brechen gleich, welches kaum größer könnte sein."
Allfällig die Ermordung eines Kaisers samt seiner Familie, doch solcherlei Gedanken wollte der Flavier in diesem Augenblicke sich auf keinen Falle hingeben.
"Sie ist Symbol für die ältesten Ordnungen und Ge..setze unseres Reiches, für den Frieden mit den Göttern, für die Reinheit und Hehrheit Roms. Ein Angriff auf sie, im Herzen unserer Stadt, im Herzen des Rei'hes... Die pax deorum wiederherzustellen ist nur ein Aspekt - ein Aspekt, der Rom letztenendes nur einige Mühen und Gelder wird kosten. Doch das Verlangen des Volkes nach Ver..geltung für diesen Frevel zu befriedigen ... dies wird uns im schlimmsten Falle in einen Krieg führen."
Es stand für Gracchus außer Frage, dass die Täter in den Reihen der Feinde Roms zu finden sein mussten, denn kein Römer würde eine solche Tat vollbringen. Die Parther kamen allen voran ihm in den Sinn, waren sie doch ein hinterlistiges Volk, das vor Meuchelmord kaum würde zurückschrecken. Und auch wenn dieser Krieg weit fort an den Grenzen des Reiches würde ausgetragen werden, so saß doch der Schrecken davor tief in Rom, und selbst in Gracchus - denn nicht ohne Grund war das parthische Reich kein Teil des römischen, nicht einmal ein Verbündeter.
Die Reaktion des Flaviers entsprach dem, was der Kaiser erwartet hatte. Er war nicht in aller Tiefe vertraut mit dem Cultus Deorum. Aber wenn das Haupt der Vestalinnen ermordet wurde, war dies eine ernste Sache. Eine sehr ernste.
Glücklicherweise war der Pontifex pro Magistro Profi genug, um sofort eine Reaktion parat zu haben. Ein großes Opfer, natürlich! Und als der Flavier erläuterte, was zu tun war, erinnerte sich der Augustus sogar selbst an die denkwürdige Zeremonie. "Ich erinnere mich..." bemerkte er daher zwischendurch. Er hatte damals einen schwarzen Stier auf den Schultern getragen. Was für eine Plackerei das gewesen war!
Doch dass man das würde organisieren können, war keine Frage. Die spannendere Frage war das nächste Thema, das sein Berater ansprach. "Die Cohortes Urbanae ermitteln noch. Ich werde mir vom Praefectus Urbi persönlich Bericht erstatten lassen, sobald etwas bekannt ist."Mehr konnte er nicht tun. "Davon wird abhängen, wie wir politisch reagieren können."
Einen Moment schien er nachzudenken und strich sich durch den Bart, dann wischte er die Gedanken mit einer Geste beiseite. "Ich benötige die Unterstützung des Collegium Pontificium, um diese Zeremonien durchzuführen. Dazu brauche ich Informationen, was weiter zu tun ist. Die Vestalinnen haben schon berichtet, dass die freie Stelle nicht sofort zu besetzen ist. Wir benötigen aber eine Nachfolgerin, nehme ich an?" Er hoffte, dass Flavius Gracchus ihm hier ebenfalls weiterhelfen konnte. Vielleicht sogar mit einer Personalempfehlung.
Der Flavier nickte nachdenklich. Wie er Aquilius einschätzte, würde jener zweifelsohne eher einen Krieg zu verhindern suchen als ihn heraufzubeschwören. Indes, so dies ein dreister Akt der Feinde Roms war, welche sich allfällig auch noch dessen würden rühmen, würde ihm kaum etwas übrig bleiben als dem mit aller Härte zu begegnen - die Virgo Vestalis Maxima war nun einmal die Virgo Vestalis Maxima.
"Wievie Zeugen gibt es für diesen Mord? Ist es möglich ihn bis zum Abschluss der Ermittlungen aus der Öffentli'hkeit fernzuhalten? Es wäre von Vorteil so Umsicht und strategische Überlegungen die nachfolgenden Reaktionen diktieren können, und nicht ein aufgebrachter Mob oder feindliche Lager."
Da die Ereignisse noch nicht einmal bis zum Pontifex pro Magistro waren vorgedrungen standen die Aussichten allfällig günstig - zumindest so Claudius seine Soldaten im Griff hatte, wovon Gracchus ausging.
"Das Collegium Pontificum steht selbstredend zu deiner Verfügung, indes werde ich es vorerst noch nicht offiziell informieren. Ich werde selbst in den Akten nachsehen, welche Vorbereitungen notwendig sind, und dafür Sorge tragen, dass im rechten Augenblicke alles vorgebra'ht werden kann und bereit ist. Der Vorteil eines Präzedenzfalles ist, dass wir weder das Collegium, noch den Senat einbeziehen müssen, um das Vorgehen zu prüfen oder zu ratifizieren, sondern schlichtweg umsetzen, was notwendig ist."
Dass der Kult sich starr an vorgegebene Regeln und Riten hielt brachte nicht nur Verlässlichkeit und Stabilität, sondern auch Vereinfachungen.
"Die Besetzung der Sacerdos Vestalis Maxima ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig. Solange das Feuer der Vesta nicht erlischt kann die Schwesternschaft einige Zeit ohne sie auskommen. Die neue Maxima kann ohnehin erst dann eingesetzt werden, wenn die pax deorum wieder hergestellt ist. Bis dahin wird zweifelsohne die Sacerdos Papiria die Aufsicht übernehmen können. Letzendlich obliegt es natürlich dir, welche der Sacerdotes du erhebst, doch Papiria wäre ebenfalls die logische Nachfolgerin, nicht nur an Alter und Erfahrung, sie hat stets viele ver..antwortungsvolle Aufgaben übernommen."
Der Flavier wollte dem Augustus in diese Angelegenheit nicht hineinreden, doch in die kultpraktischen Alltagsgeschäfte - selbst der Vestalinnen - hatte er vermutlich mehr Einsicht als Aquilius.
Der Kaiser strich sich durch den Bart. "Wenn es keine kultischen Hindernisse gibt, das ganze möglichst unter der Decke zu halten, habe ich nichts dagegen." Er beantwortete die Frage nach der Zahl der Zeugen nicht. Vor allem, weil er keine Antwort wusste. Aber seine Spitzel würden ihn schon warnen, wenn die Nachricht im Volk die Runde machte!
Dass bis dahin nicht einmal die Pontifices eingeschaltet werden mussten, war ebenfalls erfreulich. Es wunderte den Pontifex Maximus zwar ein wenig, aber er vertraute auf das Urteil des Flaviers. Was natürlich auch für die Empfehlung der neuen Vestalis Maxima galt: "Papiria Occia ist mir auch schon aufgefallen. Vielleicht ist sie wirklich eine gute Wahl... sobald sich die Lage beruhigt hat." Damit waren vorerst alle Fragen abgehandelt, die dem Kaiser einfielen.
Blieb also nur noch zu demonstrieren, dass auch der Pontifex Maximus sein Amt ernst nahm: "Benötigst du irgendeine Unterstützung für die Vorbereitungen?"
Der Flavier dachte einige Augenblicke nach, ob es etwas gab, das der Augustus gegenwärtig in Hinblick auf seine Rolle als oberster Bewahrer des Kultes für ihn konnte tun, kam letzendlich indes zu der Folgerung, dass nichts weiter vonnöten war. So er als pro Magistro im Auftrage des Pontifex Maximus agierte, genügte üblicherweise einzig dieses Amt, um alle notwendigen Hebel in Bewegung zu setzen.
"Danke, Augustus, doch ich bin zuversi'htlich, dass ich die Vorbereitungen ohne deine Unterstützung umsetzen kann. Sollte es nicht gelingen, werde ich dich dies selbstredend wissen lasssen."
Selbst im Falle einer übermäßigen Orderung großer Opfertiere würde derzeit wohl niemand Gracchus' Kommittiv in Frage stellen, galt das Verhältnis zwischen Pontifex Maximus und seinem pro Magistro doch als ein durch Vertrauen geprägtes - zumindest in kultischen Belangen.
"Sehr gut." antwortete der Kaiser erleichtert. "Dann will ich dich nicht weiter aufhalten. Gib mir Bescheid, wenn wir mit den Handlungen beginnen sollten und den Senat informieren können." Das war vorerst alles, wie es schien.
"Das werde ich"
, bestätigte der Flavier. Die Vorbereitung der Zeremonie würden sich in Grenzen halten, denn obgleich sie durchaus groß und aufwändig war, so waren die einzelnen Bestandteile doch nicht außergewöhnlich. Gracchus verabschiedete sich gebührlich und überließ den Augustus seinen weiteren Pflichten.
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