Statio I Urbana

  • Es sollte nicht irgendein Tag sein, an dem der Praefectus Urbi die Überreste der ersten Station begutachtete. Er suchte sich dafür einen besonderen Tag aus und der heutige schien ihm dafür bestens geeignet. ANTE DIEM VIII KAL IUN DCCCLXXI A.U.C. (25.5.2021/118 n.Chr.) galt als Festtag zu Ehren der Fortuna. Abgesehen davon, dass Menecrates der wieder aufzubauenden Statio eine lange Lebensdauer wünschte, sollte dieser erhoffte Erfolg in Kombination mit dem Glück gehen. Für beides stand die Göttin, die Menecrates auch privat verehrte. Er wählte sie als Schutzgöttin für die Statio - unabhängig davon, dass es noch eine offizielle Weihe für den Bauplatz geben würde, die ihn zum zweiten Mal reinigen sollte.

    Menecrates Begleitung setzte sich zusammen aus Angehörigen der Cohortes Urbanae, städtischen Mitarbeitern und Personal aus dem Cultus Deorum. Bevor die Erörterungen rund um das Wiederaufbauvorhaben begannen, plante der Praefectus Urbi eine kleine Opfergabe als Geste der Einladung an die erwünschte Göttin. Opferdiener platzierten mitten in der Ruine einen Foculus, legten Kohle hinein und entzündeten sie. Als sich Glut einstellte, winkte Menecrates einen Gehilfen herbei, der frisch gebackenen Opferkuchen, Kekse und loses Getreide trug. In Begleitung dessen - die Toga leicht angehoben - stieg er über Steine und umging größere Trümmerteile, bis er nahe am Foculus stand. Sein Blick richtete sich auf die Flammen und vermied die Kontrolle seiner Kleidung und Schuhe, die ungeeignet für derlei Kletterpartie waren. Er ließ sich die Hände reinigen, bedeckte das Haupt und begann die kurze, aber von einem intensiven Wunsch begleitete Ansprache.


    "Mater Fortuna, durch das Opfern der Kekse und des Getreides bete ich ein gutes Gebet, damit du dieser Station und all seinen Männern in der Zukunft günstig gestimmt bist. Sei geehrte durch diesen Kuchen." In Abständen ließ Menecrates die Opfergaben in den Foculus rutschen und die Flammen griffen gierig danach. Es knackte zuweilen, Rauch stieg auf und ein neuer Geruch erfüllte die Ruine.


    "Ich möchte ein Reliefs der Göttin an der Fassade der Station", entschied er spontan. "Das bezahle ich aus eigener Tasche, weil der Kaiser erwähnte, dass er für alles Grundlegende Mittel bereithält, aber nicht darüber hinaus. Desweiteren möchte ich einen Altar, an dem alle gläubigen Urbaniciani Tag für Tag um Schutz und Beistand bitten können. Wir bekommen dieses Loch in den Griff." Mit Loch meinte er sie Subura und sein Ton wurde gegen Ende kämpferisch. Getragen von dieser Emotion verlief die Rückkehr aus der Ruine zügiger als der Hinweg. Auf dem Pflaster angekommen, wandte er sich wieder um und betrachtete nochmals Trümmerberge und den abziehenden Rauch der langsam verglimmende Kohlereste im Foculus.

  • 25. Mai 2021

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    Es sollte nicht irgendein Tag sein, an dem der Praefectus Urbi die Überreste der ersten Station begutachtete. Er suchte sich dafür einen besonderen Tag aus und der heutige schien ihm dafür bestens geeignet. ANTE DIEM VIII KAL IUN DCCCLXXI A.U.C. (25.5.2021/118 n.Chr.) galt als Festtag zu Ehren der Fortuna. Abgesehen davon, dass Menecrates der wieder aufzubauenden Statio eine lange Lebensdauer wünschte, sollte dieser erhoffte Erfolg in Kombination mit dem Glück gehen. Für beides stand die Göttin, die Menecrates auch privat verehrte. Er wählte sie als Schutzgöttin für die Statio - unabhängig davon, dass es noch eine offizielle Weihe für den Bauplatz geben würde, die ihn zum zweiten Mal reinigen sollte.

    Menecrates Begleitung setzte sich zusammen aus Angehörigen der Cohortes Urbanae, städtischen Mitarbeitern und Personal aus dem Cultus Deorum. Bevor die Erörterungen rund um das Wiederaufbauvorhaben begannen, plante der Praefectus Urbi eine kleine Opfergabe als Geste der Einladung an die erwünschte Göttin. Opferdiener platzierten mitten in der Ruine einen Foculus, legten Kohle hinein und entzündeten sie. Als sich Glut einstellte, winkte Menecrates einen Gehilfen herbei, der frisch gebackenen Opferkuchen, Kekse und loses Getreide trug. In Begleitung dessen - die Toga leicht angehoben - stieg er über Steine und umging größere Trümmerteile, bis er nahe am Foculus stand. Sein Blick richtete sich auf die Flammen und vermied die Kontrolle seiner Kleidung und Schuhe, die ungeeignet für derlei Kletterpartie waren. Er ließ sich die Hände reinigen, bedeckte das Haupt und begann die kurze, aber von einem intensiven Wunsch begleitete Ansprache.


    "Mater Fortuna, durch das Opfern der Kekse und des Getreides bete ich ein gutes Gebet, damit du dieser Station und all seinen Männern in der Zukunft günstig gestimmt bist. Sei geehrte durch diesen Kuchen." In Abständen ließ Menecrates die Opfergaben in den Foculus rutschen und die Flammen griffen gierig danach. Es knackte zuweilen, Rauch stieg auf und ein neuer Geruch erfüllte die Ruine.


    "Ich möchte ein Reliefs der Göttin an der Fassade der Station", entschied er spontan. "Das bezahle ich aus eigener Tasche, weil der Kaiser erwähnte, dass er für alles Grundlegende Mittel bereithält, aber nicht darüber hinaus. Desweiteren möchte ich einen Altar, an dem alle gläubigen Urbaniciani Tag für Tag um Schutz und Beistand bitten können. Wir bekommen dieses Loch in den Griff." Mit Loch meinte er sie Subura und sein Ton wurde gegen Ende kämpferisch. Getragen von dieser Emotion verlief die Rückkehr aus der Ruine zügiger als der Hinweg. Auf dem Pflaster angekommen, wandte er sich wieder um und betrachtete nochmals Trümmerberge und den abziehenden Rauch der langsam verglimmende Kohlereste im Foculus.




    25. November 2021


    Die Ruine der ersten Station lag monatelang unberührt. Gräser fassten auf ihr Fuß, Spinnentiere webte Netze und in Mauerspalten nistete während des Sommers eine kleine Spatzenkolonie. Gegen Ende des Jahres lagen die Nester unberührt. Menecrates' prüfendem Blick entgingen sie trotzdem nicht. Er liebte Vögel. Auf dem claudischen Anwesen hingen diverse Vogelhäuser, die der Praefectus speziell nach seinen Vorstellungen anfertigen ließ. Ganzjährig fütterte er die gefiederten Sänger und verbot den Köchen, sie als Speise auf den Teller zu bringen. Sein Herz schlug kräftig für die Schwachen und Schutzlosen. Vögel zählte er dazu.

    Zum Besichtigungstermin begleiteten den Praefectus Urbi Handwerker und Handlanger, sowie zwei Architekten und eine Urbanerstreife. Sein Cornicularius stand unweit von ihm. Menecrates wandte sich an den Verantwortlichen der Arbeitertruppe. Sein Arm wies in Richtung der Mauerspalten. "Bevor ihr die unbrauchbaren Steine abtragt und den Schutt abfahrt, nehmt ihr diese Nistplätze aus den Spalten. Ich möchte sie unversehrt in die Castra geliefert bekommen."

    Obwohl er wusste, dass Singvögel Jahr für Jahr neue Nester bauten, wollte er mit dieser Aktion verdeutlichen, dass er auf Achtsamkeit Wert legte, zumal diese abgebrannte Station einer besonderen Fürsorge und erneuten Weihung bedurfte. Die Zukunft der Statio I Urbana sollte sowohl für die hier stationierten Soldaten als auch für die gefiederten Bewohner sicherer als die Vergangenheit sein. Dafür würde Menecrates sorgen.

  • Scato konnte das nur gutheißen. Von allen Tieren schlug sein Herz am meisten für die Gefiederten. Diese Vorliebe zog sich als eine harmlose Absonderlichkeit durch seine Familie. Ob Scato es geerbt hatte oder dies ein Resultat seiner Prägung war, vermochte er nicht zu sagen, es war wohl auch kaum wichtig. Die Casa Leonis war aufgrund der Futterstelle und der Vogeltränke voller Nester und deren zwitschernder Bewohner, vom herumschreitenden Pfau abgesehen, und Scato würde alles daran setzen, dass Lurco kein Katzenviech anschleppte, wenn er halb im Scherz vom Löwen sprach, den er sich wünschte. Dort hörte der Spaß auf. Abgesehen davon, dass Scato Katzen schlichtweg nicht mochte, waren die Vögel zuerst dagewesen.


    Einer der Arbeiter zeigte Scato eine winzige Verletzung am Zeigefinger. Scato hob zweifelnd eine Braue, wickelte dann aber doch einen kleinen Verband drum, nachdem er die Wunde mit etwas hochprozentigem Alkohol gereinigt hatte. Glücklich zog der Arbeiter wieder von dannen, auf seinen weiß eingehüllten Finger schauend. Prompt hielten ihm drei Leute gleichzeitig irgendwelche Finger mit winzigen Kratzern hin.


    "Also echt!"

  • Da standen sie wieder vor der Ruine in der Subura die so viele Kollegen das Leben gekostet hatte. Wie tote Finger ragten die Trümmer der schwarzen, verbrannten Holzbalken in die Höhe. Schwarz wie der Tod und der Abgrund der hier über die Kameraden hereingebrochen war. Das dieser Anschlag möglich gewesen war, eine Bankrotterklärung ihrer Einheit. Der Feind hatte im Herzen der Cohortes Urbanae getobt. In einem Nest ihrer Einheit, in eine Statio.


    Verantwortlich dafür die Krähen. Ebenfalls Vögel. Leichenvögel. Aßfresser die sich auf jedem Schlachtfeld an den Toten gütlich taten und ihnen zuerst die Augen aus den Schädeln rissen.


    Die blutigen Winde der Vergeltung hatten durch Mars Segen geweht. Lurco beobachtete stumm das Geschehen und warf sich kurz mit Pullus einen Blick zu. Wer wusste was die Zukunft für die Cohortes Urbanae, die Statio und sie alle noch bringen würde.

  • Während der Vorarbeiter die Hilfskräfte für die einzelnen Arbeiten einteilte und wenig später die Aufräumarbeiten begannen, begab sich der Praefectus Urbi zu seinen Soldaten.

    "Milites, dieses Mal wird bei unserer Statio einiges anders laufen", begann er die Ansprache ohne formellen Anstrich, denn er suchte den Austausch und plante keinen Appell. "Wir werden Möglichkeiten finden, die sowohl den Bau als auch - und vor allem - die Soldaten schützen. Niemand muss sich Sorgen um die Rechtfertigung seines Handelns machen, auch wenn wir Waffen tragen und sakrale Grenzen überschreiten. Den gesellschaftlichen und politischen Rückhalt verschaffen euch unser Imperator und der Senat. Die moralische Unterstützung habe ich in Zusammenarbeit mit dem Pontifex pro Magistro und dem ehemaligen Magistrat Flavius Minor erarbeitet. Es wird für alle hier stationierten Soldaten eine jährliche Entsühnung geben. Demzufolge plane ich hier ein speziell auf diese Station zugeschnittenes Fahnenheiligtum, in dem Schwüre geleistet und Entsühnungen vorgenommen werden."


    Er lief einige Schritte, um die Nähe zu weiteren der anwesenden Soldaten herzustellen. Jeder sollte sich angesprochen fühlen.

    "Wir rekrutieren aktuell neue Soldaten und in absehbarer Zeit erfahrt ihr, welche zweite Centuria mit euch hier fest stationiert wird. Dieser Tag wird eine Art Gründungzeitpunkt darstellen, zu dem euch ein Stationszeichen überreicht wird - ein Feldzeichen in abgewandelter Form, zwar kleiner, auch neuartig, aber in gleichem Maße der Selbstidentifikation und dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu diesem Truppenkörper dienend."


    Wieder wechselte er den Standort.

    "Am Entwurf dieses neuartigen Stationszeichens könnt ihr mitwirken. Es findet zur Eröffnung der Statio Einzug ins Fahengheiligtum, wie auch die Statuen der Genii, der Schutzgeister für dieses Gebäude, und ein Bildnis unseres Kaisers als Mittler zwischen den Göttern und den Menschen."


    Er legte eine Pause ein, denn nunmehr ging es um die ankündigte Mitwirkungsmöglichkeit.

    "Unser Stationszeichen muss zu uns passen, braucht sich aber nicht an anderen Zeichen orientieren. Ich denke, ein Adler schließt sich von selbst aus, wir sind keine ganze Legion. Eine Schwurhand besitzt nahezu jede Centuria und wäre nicht individuell. Vom Prinzip her spricht trotzdem nichts dagegen. Wir werden Vorschläge sammeln, sie können jetzt oder in den nächsten Tagen bei Cornicularius Octavius Frugi eingereicht werden, und ein Gremium wird die Wahl treffen.

    Ich bringe ebenfalls einen Vorschlag ein." Er lächelte, weil er die Situation einzigartig fand.

    "Mein Vorschlag für das Stationszeichen ist ein Turmfalke. Früher lebte der Turmfalke in alten Baumhöhlen, heute ist er uns ins städtische Gebiet gefolgt. Es wäre eine Parallele zum Feldzeichen, das Einzug in einen Teiltruppenkörper einer Stadteinheit hält."

  • Scato, der im ersten Moment etwas Brachiales mit gekreuzten Waffen vor Augen gehabt hatte, fegte seine Idee beiseite. Als Vogelliebhaber fand er den Vorschlag des Praefectus Urbi hervorragend.


    "Pro Turmfalke", verkündete er. "Schöner Vogel, vortreffliche Symbolkraft."


    Er blickte hinüber zu Lurco, der neben Pullus stehend düster vor sich hinstarrte. Die Gründe kannte Scato, sein Freund trauerte noch immer um die Toten, die manch anderer längst vergessen hatte. Er stellte sich auf die andere Seite neben ihn, um wortlos Beistand zu leisten, anwesend zu sein, wo Worte fehlten.

  • Lurco beobachtete das Geschehen und wartete auf weitere Instruktionen. Er musste auch noch einiges einreichen. Ihr Job war hart und gefährlich. Das verdeutlichte die Ruine vor der sie standen. Ein Massengrab, da nützte auch kein Medicus mehr etwas. Selbst für eine Autopsie war es zu spät. Familie hatte er keine, sollte ihm etwas zustoßen, war der Staat Rom wohl der Letzte der sein Vermögen benötigte.


    Lurco schmunzelte Scato dankbar zu, der sich auf die andere Seite neben ihn stellte. Weder Scato, noch Pullus hatten die Toten vergessen.

    Das hatten sie nicht, das würden sie nicht.

  • Als sich Optio Scato als einer der Ersten zu Wort meldete, wandte Menecrates den Kopf und hörte zu. Natürlich freute es ihn, dass sein Vorschlag Zuspruch erhielt, was er mit einem Lächeln zeigte, gleichzeitig erwartete er Gegenvorschläge, von denen einige sicherlich zu weiteren Überlegungen inspirierten. Sein Blick wanderte zum Schreiber, der mittels Nicken angewiesen wurde, jede Wortmeldung festzuhalten.

    "Eure Vorschläge sind nicht limitiert. Ihr könnte mehrere einreichen und, wie gesagt, auch noch in den nächsten Tagen." Menecrates drehte sich zu den Arbeitern, die inzwischen - in Gruppen eingeteilt - verschiedenen Aufgaben nachgingen. Während eine Gruppe die mitgeführten Karren ablud, griffen andere nach Schaufeln, und Hacke. Ein Trupp, bestehend aus fünf Männern, angelte nach den Leitern. Je zwei fassten zu und trugen sie zur Mauer, in deren Spalten die Nester steckten. Es bedurfte Umsicht, tragfähige Mauerabschnitte zu finden, die sowohl das Gewicht der Leiter als auch des Mannes tagen konnten. Kaum ein Stein hielt auf dem anderen. Fast bereute es Menecrates, einen solch gefahrenträchtigen Auftrag erteilt zu haben, aber als sämtliche Nester wohlbehalten in einem Korb lagen, der eigentlich für Schutt Verwendung finden sollte, breitete sich Zufriedenheit und Zuversicht in ihm aus. Er stand ein zweites Mal an diesem Bauplatz, um ganz von vorn ein wichtiges Vorhaben umzusetzen. - doppelte Arbeit, doppelte Kosten, erhebliche Verluste. Beirren ließ er sich jedoch nicht. An dieser Stelle in Rom war eine Statio geplant, hier würde eines Tages auch eine stehen. Komme, was da wolle.


    Wieder drehte er sich zu den Soldaten um.

    "Die Streife geht jetzt den zugewiesenen Bereich ab. Auf dem Rückweg kommt ihr wieder hier vorbei, kontrolliert den Fortschritt der Aufräumarbeiten und kehrt anschließend in die Castra zurück."

    Beim Praefectus Urbi verblieb eine kleine Anzahl persönlicher Offiziere und Sekretäre. Er trat wenig später in Begleitung der beiden Architekten den Rückweg in die Castra Praetoria an. Es galt, weitere Absprachen zu treffen.

  • Mit dem Befehl hatte der Praefectus sie entlassen und Lurco warf einen letzten Blick auf die Ruine. Lange würde die Statio nicht mehr in diesem Zustand sein. Purgitius hoffte, dass dies auch so bleiben würde. Möglicherweise war es ein gutes Zeichen wenn der Falke Einzug hielt, dass hielt anderes Federvieh wie Krähen fern. Und waren nicht Raubvögel ein Zeichen des Gottes Mars?


    "Aufbruch", sagte Lurco leise, knuffte Scato dankbar und trat mit den Kameraden die Streife an.

  • Pinus hatte die Nase voll, wischte sich mit seinen Dreck verschmierten Fingern, den Schweiß von der Stirn. Den ganzen Tag die blöde Schufterei, zuerst der Reinfall mit den Vogelnestern. Er hatte immer angenommen der Alte wäre so ein harter Knochen und nun das. ‚Rettet die Nester‘ Was wollte er damit? Im nächsten Frühjahr einen Verkaufsstand für die Vögel aufmachen. Diese kleinen Krachmacher sah er lieber in seinem Magen.

    Aber dann ging es richtig los. Mauern abtragen, Schutt räumen und ständig die Belästigungen mit blödem Gerede. Wenn schon diese Arbeit, dann ohne ihn. Da war man wenigstens unter sich. Übelgelaunt blickte er hinter der Streife her. Die hatten es gut, gerne wäre er dabei gewesen. Wütend hieb er mit seinem Hammer auf eine besonders hartnäckige Stelle ein. Gleich hieß es wieder Schuttkörbe schleppen. War er dafür zur CU gegangen?

  • In Absprache mit dem Curator Viarum hatte Menecrates eine unmittelbare Verwendung für den abgetragenen Steinschutt gefunden. Zwar haftete den Steinfragmenten Ruß an, aber als Unterschicht einer Straße störte das weder deren Funktion noch die Optik.

    Der instruierte Vorarbeiter brüllte über den Bauplatz: "Der Steinschutt kommt drei Straßenzüge weiter AUF den Lehm, klar? Nicht als Erstes ins Fundament und erst recht nicht auf den Kies. Seht also genau hin, wo ihr abkippt! Die Reihenfolge lautet: Lehm, Steine, Kies, Sand. Wir liefern nur die Steine. Jeder passt auf Jeden auf. Wer Mist baut, bekommt Lohnabzug."


    Nicht alle Mauern waren vom Einsturz gefährdet. Jede einzelne wurde geprüft und mit einer Kennzeichnung versehen - entweder Abriss oder Erhalt. Beim Abriss kamen - wie in einem Steinbruch - Hacke und Hammer zum Einsatz, während die noch brauchbaren Mauern Reihe für Reihe eine versetzte Seitenkante angelegt bekamen, um später eine sichere Verzahnung mit dem Ersatzmauerwerk zu gewährleisten. Mörtel würde die Haftung herstellen.

    Dieser Tage nieselte es zuweilen, weswegen sich der Staub beim Abbruch in Grenzen hielt. Gänzlich ließ er sich freilich nicht vermeiden, sodass jedem Arbeiter beim Niesen oder Schnauben Dreck aus den Nasenlöchern flog, den sie zuvor beständig eingeatmet hatten.

  • Kurz schaute Pinus finster zu dem Vorarbeiter rüber. „Hält der uns wirklich für so dämlich, dass wir uns das andauernd anhören müssen. Dem ist wohl sein Posten zu Kopf gestiegen.“ Grimmig schmiss er ein besonders widerspenstigen Klumpen in den Korb, bevor er diesen hoch wuchtete. Anschließend torkelte er an dem Vorarbeiter vorbei, stolperte und der Inhalt des Korbes landete vor und auf den Füßen des Vorarbeiters. „Entschuldigung“, kam von ihm, bevor gemütlich seinen Korb wieder füllte.

  • "Au!", brüllte der Vorarbeiter, als ein verhältnismäßig großer Klumpen auf seinem großen Zeh landete. Reflexartig zog er den Fuß zurück, sodass der Stein auf den Boden rumpelte, sich zweimal über die eigene Achse rollte und anschließend zum Liegen kam. "Pass doch auf, du Trottel!" Der Vorarbeiter bückte sich, um seinen Zeh zu massieren, damit der Schmerz nachließ. "Das gibt garantiert einen schwarzen Zehennagel." Eine Katastrophe für den Mann, der viel Wert auf gute Optik legte. Daran änderte die Entschuldigung nichts mehr. Als er sich aufrichtete, reifte ein Plan.

    "Gerade habe ich gesagt, wer an der falschen Stelle abkippt, bekommt Lohnabzug. Erstens: Hier ist nicht die Baustelle drei Straßenzüge weiter. Zweitens stellen meine Füße keinen Bauabschnitt dar. Drittens sollt ihr auf die Reihenfolge der unterschiedlichen Materialien achten und die Steine kommen als Nachfolgeschicht auf den Lehm. Viertens hast du eine Person verletzt - fahrlässig!" Er holte Luft, aber zu seinem Bedauern fiel ihm kein fünfter Punkt ein.

    "Medicus! Ich brauche medizinische Versorgung." Er setzte sich auf den Boden und hielt seinen Fuß mit beiden Händen.

  • Die Streife war dem Befehl nachgekommen, den zugewiesenen Bereich abzugehen. Auf dem Rückweg kamen sie erneut an der Ruine der Statio I vorbei, um den Fortschritt der Aufräumarbeiten zu kontrollieren. Im Anschluss daran, sollten sie zur Castra zurückkehren. Aufräumarbeiten. So nannte man dies jetzt also, dachte Lurco als er auf das Geschehen blickte. Eine direkt Verwendung war für den abgetragenen Schutt gefunden worden. Steinschutt dem der Ruß der niedergebrannten Statio I anhaftete.


    Ruß.

    Asche.


    Asche der dort verbrannten Kameraden. Kollegen deren Leichen dem Feuer zum Opfer gefallen waren, nachdem sie in der eigenen Statio auf hinterhältigste Art und Weise ermordet worden waren. Diese Steine samt der Asche der Gefallenen diente nun als Füllmaterial einer Straße.


    Noch im Tode würde man in hundert Jahren auf den gefallenen Kameraden herum trampeln.

    Letzte Ruhestätte, das Fundament einer Straße.


    Die toten Nester der Vögel hatte man geborgen und gesichert. Die Steine die die Asche der toten Kameraden trugen nicht.


    Kein Denkmal.

    Kein Mahnmal.

    Kein aufgeschichteter Hügel, auf dem sich das Gras im Wind wiegen und Blumen wachsen würden. Dieser Moment war voller Symbolik.


    Diese Statio war schon tot, bevor sie neu erstand. Die Gleichgültigkeit, die jenen Kameraden hier das Leben gekostet hatte, war zurückgekehrt.Vermutlich war sie nie fortgewesen.


    Asche.

    Das sollte auf ihrem Fahnenheiligtum prangen.


    Erschöpft schaute Lurco über die Ruine, er war verdammt müde.

  • "Au!", brüllte der Vorarbeiter, als ein verhältnismäßig großer Klumpen auf seinem großen Zeh landete. Reflexartig zog er den Fuß zurück, sodass der Stein auf den Boden rumpelte, sich zweimal über die eigene Achse rollte und anschließend zum Liegen kam. "Pass doch auf, du Trottel!" Der Vorarbeiter bückte sich, um seinen Zeh zu massieren, damit der Schmerz nachließ. "Das gibt garantiert einen schwarzen Zehennagel." Eine Katastrophe für den Mann, der viel Wert auf gute Optik legte. Daran änderte die Entschuldigung nichts mehr. Als er sich aufrichtete, reifte ein Plan.

    "Gerade habe ich gesagt, wer an der falschen Stelle abkippt, bekommt Lohnabzug. Erstens: Hier ist nicht die Baustelle drei Straßenzüge weiter. Zweitens stellen meine Füße keinen Bauabschnitt dar. Drittens sollt ihr auf die Reihenfolge der unterschiedlichen Materialien achten und die Steine kommen als Nachfolgeschicht auf den Lehm. Viertens hast du eine Person verletzt - fahrlässig!" Er holte Luft, aber zu seinem bedauern fiel ihm kein fünfter Pubnkt ein.

    "Medicus! Ich brauche medizinische Versorgung." Er setzte sich auf den Boden und hielt seinen Fuß mit beiden Händen.

    Jetzt konnte Pinus nicht mehr anhalten, gut der dicke Klumpen auf dem Fuß hatte schon wehgetan, aber den Tara den der jetzt veranstaltete, fand er schon übertrieben. „He, nun hör mal zu, das war keine Absicht verstanden? Den ganzen Sermo von Ort und Material kannst du dir sparen, wir können es nicht mehr hööören. Es kommt uns zu den Ohren raus und untersteh dich für mich eine Lohnkürzung an zu ordnen. So und nun lass sehen. Leg den Fuß hoch, ich schau ob ich wen finde der dir helfen kann. Du kannst nicht ins Lazarett, du bist hier unabkömmlich.“

    Damit stand Pinus auf und schaute sich nach einem um der ein wenig in der Krankenpflege bewandert war.

  • Mit der geschulterten Capsa nahte Scato, um das Zipperlein zu begutachten. Er drängelte sich mit seiner Ich-bin-Arzt-Miene vor zum Unfallort. Beim Verletzen ging er auf ein Knie, schubste dessen Hände beiseite und äugte selbst.


    Die Zehen- und Fingerkuppen waren gemeine Stellen. Sie schmerzten und bluteten abgründig, selbst bei winzigen Verletzungen. Er hatte schon gestandene Milites erlebt, die umgekippt waren aufgrund eines eingeklemmten Fingers. Vorsichtig goss er einen dünnen, gleichmäßigen Wasserstrahl über den Zeh, um ihn zu kühlen. Zudem drehte er mit der freien Hand am Zeh herum, um zu sehen, ob das noch ging.


    "In der nächsten Zeit ist auf jeden Fall eine starke Schwellung zu erwarten. Es kann sein, dass dein Zehennagel sich lösen wird, der wirkt hier an der Seite nicht mehr ganz stabil. Da auf der anderen Seite ist er noch fest. Falls das passiert, lass ihn dir am besten rausreißen. Oder soll ich das gleich mal machen? Dann hast du es hinter dir und sparst dir das Theater. So könnte in aller Ruhe ein schöner neuer Nagel nachwachsen."

  • Der Vorarbeiter schnappte nach Luft, als der ungeschickte Miles zuerst Widerworte äußerte und anschließend auch noch seinen Fuß ansehen wollte. Er hörte etwas von Fuß hochlegen und zog sicherheitshalber das lädierte Körperteil noch näher an sich heran. Um nichts in der Welt würde er sich ausliefern, indem er den Fuß höher lagerte und damit den Zugriff erleichterte - dem Zugriff von Händen, die nicht einmal einen Baustellenkorb unfallfrei transportieren konnten.

    Durch die Schmerzen und die Sorge um den Zeh arbeitete sein Hirn langsamer, daher verstand er erst Augenblicke später, dass es nicht um eine Laienuntersuchung, sondern um eine Lagerung der verletzten Gliedmaße ging. Erleichtert atmete er aus und nickte dankbar, als der Tollpatsch einen Helfer suchen wollte. Als die Ablenkung wegfiel, kehrte der Schmerz in das Bewusstsein zurück. Die von Schwielen strotzenden Hände umschlossen liebevoll den Fuß, während der mächtige Oberkörper vor und zurück schaukelte. Der beruhigende Effekt blieb jedoch aus, daher folgte ein Wimmern.


    Die Rettung nahte in Form eines kundigen Offiziers. Erleichterung breitete sich aus, aber auch Sorge - nicht zu unrecht. Die Kühlung empfand der Hüne noch als angenehm, wenngleich das Wasser kein bisschen kälter sein dürfte, um nicht weh zu tun, dann aber folgte das Drama: Der Arzt kurbelte am Zeh herum. "Nicht doch!", rief der Vorarbeiter flehend und hielt schützend die Hände um Fuß und Medicushände. Erst dann bemerkte er, dass kein Schmerz aufkam, sondern die Vorstellung davon ihm einen Streich gespielt hatte. Schweißperlen standen mittlerweile auf seiner Stirn und er pustete mehrfach Atemluft aus, um sich zu beruhigen.

    Als die medizinischen Erklärungen begannen, nickte er eifrig. Er dachte, er hätte das Schlimmste überstanden, aber weit gefehlt: Als die Rede auf einen sich lösenden Zehennagel kam, wurde dem Hünen flau in der Magengegend. Das Wort 'rausreißen' löste Steingeschosse in seinem Bauch aus und die Übelkeit wuchs. "Gleich?" Die Bassstimme kippte in eine schrille Kopfstimme, während die Augäpfel fast aus den Höhlen quollen. "Auf keinen Fall! Mein Nagel ist schön, ich brauche keinen neuen!" Er presste die Hand gegen den Bauch, um dessen Inhalt bei sich zu behalten. "Kannst du mir was drumwickeln? Aber bitte vorsichtig." Er wollte den Nagel schützen, selbst um den Preis kurzfristiger Schmerzen.

  • Pinus stand ein wenig abseits, gerade soweit weg, dass er alles hören konnte. Bei den Herrschern des Untergrundes was habe ich denn da angerichtet, dachte er. Dann aber schmetterte er diese Gedanken ab, verflucht, was musste der Kerl sich denn auch so aufspielen. Selber Schuld würde ich sagen, wenn er seine Quanten da hin stellte. Nur ich sollte mich in nächster Zeit
    aus seinem Sichtfeld bringen.

    Da Medicus und Vorarbeiter beschäftigt waren, pirschte er sich heran, schnappte seinen Korb und suchte sich einen Platz der ihn mit einem Mauerstück verdeckte. Ob der überhaupt meinen Namen kennt. Hoffentlich war der Cornicularius bals und etwas länger außßer Hause beschäftigt, damit er ihn dort vertreten konnte, wie schon einige Male.

  • Scato hätte sich vielleicht vorstellen sollen. "Iunius Scato, Miles Medicus"*, ergänzte er nun. "Also gebrochen oder geprellt scheint mir hier nichts zu sein, wenn der Zeh noch dermaßen gründlich bewegt werden kann. Sehr schön. Den Nagel und den Zeh fixiere ich dir jetzt mit einem Verband. Die lockere Hälfte wird nicht wieder anwachsen, du solltest sie irgendwann abschneiden, wenn du den halben Restnagel behalten willst, damit du dir den nicht abreißt. Das wird dann hässlich."


    Gesagt, getan. Scato holte den Fuß aus der Sandale und verband den großen Zeh, wobei er den Verband zur Fixierung bis über den Fußknöchel wickelte, damit der Zeh auch ordentlich stabilisiert war. Das wirkte bei der Miniverletzung brachial, aber man verarztete halt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele und hier saß ein Sensibelchen. Da halfen Behandlungsmethoden, bei denen es viel zu tun gab, wenn die Zeit es erlaubte, und sonst war hier ja niemand verletzt.


    "So! Jetzt sollte hier nichts mehr wackeln. Verband täglich wechseln, die benutzten Verbände auskochen. Merk dir beim Abwickeln, wie der Verband aufgewickelt war. Benutze den Verband, bis der Schmerz deutlich nachgelassen hat, er stabilisiert den Zeh und dient als Polster, damit er in Ruhe heilen kann. Wegen dem Zehennagel musst du schauen, wann du den abschneidest, aber irgendwann solltest du das tun. Manche Sachen sind eine Gefühlsfrage und dafür gibt es keine Regeln. Notfalls in einigen Tagen noch mal bei einem Medicus vorsprechen. Die Sandale kannst du wieder drüberziehen."


    Konnte etwas eng werden, aber so war es nunmal. Scato stand auf, zufrieden mit seinem Werk. Der arme Lurco hingegen wirkte immer noch bedrückt. Scato begab sich wieder zu ihm und rempelte ihn sanft an.


    "Bratwurst nach Dienstschluss? Vielleicht mit einer Cervisia zur Feier des Tages? Du siehst so aus, als könnte dein Säftehaushalt einen Abend voll ungesunder Naschereien vertragen."


    Sim-Off:

    *war er da noch

  • Lurco betrachtete das Schauspiel. Bei den Göttern, ein Mann war dabei einen Zehnagel zu verlieren und brauchte sofort dringende, medizinische Hilfe. Andere Männer hatten hier ihr Leben verloren. Nun was war das schon gegen einen ganzen Zehnagel? Einmal mehr bestätigte diese Posse Lurco, dass die Statio eine Totgeburt war. Diese Truppe war weder in der Lage sich selbst noch andere zu verteidigen. Wem wollten sie hier etwas vormachen? Das die Kriminellen keinen Respekt vor ihnen hatten, war kein Wunder. Die Zukunft jener Männer die hier dienten war es Straßenfundament zu werden.


    Die Problem-Pediküre war erfolgreich abgeschlossen worden. Scato kehrte zurück und fragte ob sie sich eine Bratwurst nach Dienstschluss genehmigen sollten.

    "Ich könnte einen Happen vertragen. Was möchtest Du feiern Scato?", fragte Lurco und gab das Zeichen zum Aufbruch.

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