Eine ungewohnt lange Reihe von Soldaten in spe zog in Richtung Osten durch das regennasse Land. Die heutige Übung war Resultat von Ravillas Planung, die er in Absprache mit den Ausbildern getroffen hatte. Er hoffte tunlichst, sie möge reibungslos verlaufen.
Unter dem Marschgepäck litten die zumeist sehr jungen Männer sichtlich, doch mussten sie lernen, auch schwer beladen große Strecken zu marschieren. Kahle Hütewälder säumten die Straße. Pelzige, gefleckte Schweine wühlten im Laub nach Eicheln und Bucheckern, ohne sich an den Menschen zu stören. Das gesamte Aufgebot an Tirones der Legio XXII Primigenia wurde heute auf einmal zu einem Übungsmarsch geführt. Anbei marschierten ihre Ausbilder zu Fuß. In den Gefilden, die zwar östlich des Rheins, doch noch hinter dem Schutz des Limes lagen, war keine böse Überraschung zu imaginieren.
Hinterdrein ritten zwei Gestalten hoch zu Ross, welche sich in ihren aufwändigen Rüstungen optisch beträchtlich vom Fußvolk abhoben: Tribun Seius Ravilla und Tribun Saltius Philippus, Ersterer ein Musterbild der Eleganz, Letzterer ein Quadratschädel mit dem Charme eines Gladiators. Für Ravilla wurde es der erste Ritt mit der Legio. Durchnässt und frierend schmeichelte Ravillas Anblick dem Auge weniger als sonst, doch hielt er sich als geübter Reiter wacker im Sattel und konservierte alle nur denkbaren Klagen für später in seinem Gedächtnis.
Es stellte sich heraus, dass Philippus bei Übungen bislang eine rein beobachtende Funktion unter der Anleitung älterer Offiziere wahrgenommen hatte, was Ravilla ein wenig ernüchterte, denn nun war niemand vor Ort, der sie mit seiner Weisheit leiten mochte, was wohl dem nasskalten Wetter geschuldet ward. Beide Tribuni waren jung und unerfahren, gänzlich bar jeglicher Erfahrung im Gefecht. Zu einer Bedrohung würde dies heut nicht führen, doch hätte Ravilla einen Ansprechpartner mit größerem Erfahrungsschatz sich gewünscht.
Nach der Querung des Rhenus folgten sie der Straße in Richtung Süden und hielten sich in Sichtweite des Flusses, der braun und träge mäanderte, doppelt so breit noch, wie er es bei Ravillas Ankunft gewesen war. Ravilla schneuzte in ein Stofftaschentuch, sich fragend, wie er seine Anwesenheit sinnstiftend einzubringen vermochte. Die heutige Ausbildung selbst oblag freilich nicht dem senatorischen Tribun und auch nicht dem ritterlichen, welcher momentan seinen Dienst versah, sondern den Optiones. So lernten heute nicht allein die Tirones dazu, sondern auch die jungen Stabsoffiziere.