Kalkriese als Ort der Varusschlacht bestätigt

  • Schön, dass es die Forschung immer wieder schafft, neue Beweise zu finden. Doch leider schafft es die Presse noch immer nicht, ihre Schlagzeilen an die Wirklichkeit anzupassen!

    DIE Varusschlacht gibt es nicht. Sie zog sich über viele Tage und dutzende Kilometer dahin. Kalkriese ist demnach auch nicht DER Ort der Schlacht, sondern EIN Ort. Vermutlich sogar einer erst ganz am Ende.

    Ausserdem beweist die neue Methode nicht, wie ein Fund in den Boden gelangte, sondern lediglich wem er gehörte. Sie beweist also nicht, dass die 19. Legion an dem Ort in einer Schlacht untergegangen ist, sondern bloss, dass eine Person aus der 19. Legion dort den untersuchten Gegenstand verloren hat. Ein kleiner aber wichtiger Unterschied!


    Aber naja, das sind alles Details, welche die Mehrheit der Leute nicht interessieren, sondern bloss uns Historiker. :D

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  • Natürlich ist das nur ein Presseartikel, aber ich dachte, dass er für den Überblick interessant sei. Das kann er natürlich nur sein, sofern kein totaler Blödsinn drin steht. :D


    Zitat

    Unstrittig sei, dass dort eine römische Armee untergegangen ist. Für das Forschungsprojekt wurden rund 550 Proben chemisch untersucht.

    Ich hätte bei der Menge an Proben nicht gedeutet, dass nur eine einzige Person aus der Legio zugegen war, es sei denn, die verlor 550 Gürtelschnallen, Gewandnadeln und Riemenhalter. Zumindest in diesem Presseartikel wird zitiert, dass "unstrittig sei, dass dort eine römische Armee untergegangen ist." Ich nahm an, bei so klarer Aussage seitens des Museum sei dieses neue archäologische Urteil ohne Zweifel.


    Inwieweit das stimmt oder nicht, wäre interessant. Vielleicht hast du weiterführende Links?

  • Ich muss zustimmen und ebenfalls klar kommunizieren das es die Varusschlacht nie gegeben hat. Vom militärischen Standpunkt muss ich einen überlegenen Gegner durch Geländegegebenheiten strapazieren. Hinzu kommt dass die Legionen voll ausgerüstet marschierten, da es Feindesland war und sie auf einem kleinen Abstecher zur Befriedung eines angeblich überschaubaren Gegners waren. Weiterhin dürfte es unwahrscheinlich sein, dass genügend germanische Krieger anfänglich vorhanden waren um einen starken Gegner wie die Legionen auch im bekannten Gelände zu erledigen. Somit blieb nur die Nadelstichtaktik über einen längeren Zeitraum auf einem schwer passierbaren Weg auf dem die römischen Schlachtreihen nur bedingt genutzt werden konnten. Das hieß folglich ein auseinanderziehen der Römischen Verbände, dadurch bildeten sich Lücken in der Formation die durch schnelle Überfälle eine überschaubare Anzahl von Römern tötete, jedoch nicht so viele das man argwöhnisch geworden wäre. Verluste kommen im Krieg eben vor. Aus meiner Sicht kann Kalkriese nur ein Zwischenlager oder ein Endlager gewesen sein, da anfänglich die römische Disziplin vorherrschte und die Soldaten noch besser auf ihre Ausrüstung und Habseligkeiten aufpassten. Wenn also erhebliche Teile gefunden wurden die angeblich der 19. Legion gehörten, dann beweist das Ganze nur das die Disziplin an diesem Standort schon erheblich nachgelassen hatte und viele Teile einfach vergessen, liegengelassen oder weggeworfen worden sind. Weiterhin dürften im Laufe der Kampfhandlungen germanische Krieger als Verstärkung eingetroffen sein um die ebenfalls vorhandene Lücken durch den Kampf zu schließen. Ganz verrückt dürften die Germanen früher nicht gewesen sein und wohl eine Zeitlang die Kampfhandlungen abgewartet haben um zu erkennen ob die genutzte Taktik Erfolg hatte. Ganz unbedarft in militärischen Strategien waren die germanischen Führer auch nicht, da sie di Nadelstichtaktik anwenden konnten und daher ganz klar die Fähigkeiten der Legionen einschätzen konnten. Das sind nur kurz meine Gedanken zur sogenannten Varuschlacht.

  • Zur möglichen Taktik der Germanen gibt es hier eine interessante, herrlich altmodische und ruhige Dokumentation für jene, die des Englischen mächtig sind. Die habe ich schon zig mal geschaut, weil mich die Sprecher so entspannen:


    The Lost Legions of Varus

  • Ich stimme Aurelius Romanus zu. Natürlich ist es unbestritten, dass in Kalkriese nicht bloss 1 Soldat etwas verlor, sondern eine ganze Menge an Personen anwesend waren. Doch auch die Anzahl der Funde im Vergleich zur Anzahl der Soldaten in einer Legion stimmt in meinen Augen nicht wirklich überein. Eine Legion hat über 5000 Mann. Dass diese, wenn sie auf einem Haufen abgeschlachtet werden, bloss 550 Dinge verlieren, halte ich nicht für logisch. ;)


    Wie gesagt, ich gehe einig damit, dass Kalkriese EIN Ort der Geschehnisse ist, aber die Wissenschaft ist sich in der Zwischenzeit auch einig, dass es noch viele andere geben muss. Dies lässt sich aber in den Medien natürlich nicht so gut verkaufen und auch der Leiter des Museums in Kalkriese hätte es sicherlich lieber, wenn sein Standort der einzige wäre. Das ist menschlich, aber leider der Wahrheit nicht dienlich.

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  • Mir fehlt hier der Vergleich, der besagt, ob 550 Proben viel oder wenig sind und ob das überhaupt alle Fundstücke sind oder eben nur eine Auswahl. Die Diskussion ist momentan zu spekulativ, als dass man das zuverlässig evaluieren könnte, welche Bedeutung das Kampfgeschehen auf dem Gebiet von Kalkriese im Laufe der Ereignisse hatten. Mir fehlt der wissenschaftliche Part der Argumentation (pro wie contra) und die Einordnung in den historischen und archäologischen Kontext. :/


    Die Ergebnisse kann man vielleicht für bare Münze in Form eines Buches oder einer Broschüre des Museums erwerben? Mein neuestes Buch "Gefährliches Pflaster - Kriminalität im Römischen Reich" wurde beispielsweise vom Römer-Museum Xanten und dessen wissenschaftlicher Arbeitsgruppe herausgegeben. Vergleichbares kaufbares Material mit Zugriff auf die jüngsten wissenschaftlichen Fakten zur Varusschlacht bietet vielleicht Kalkriese an? Irgendwie müssen sie die Forschungen ja finanzieren.

  • Da kann ich leider nicht helfen, da bin ich in Basel zu weit von Kalkriese entfernt.


    Wie gesagt, die Wissenschaft ist sich heute einige, dass diese Schlacht nicht an 1 Ort stattgefunden hat.


    Als einfachste Quelle inklusive weiterführender Hinweise kann ich da gerne Wikipedia nennen. Selbst dort steht deutlich, dass die Schlacht über 3 (-4) Tage andauerte und alleine der Tross der Legionen selbst 15-20 Kilometer lang gewesen sein musste. Es ist also vollkommen unmöglich, dass dies alles AUSSCHLIESSLICH an der einen Fundstelle in Kalkriese geschehen ist. ;)


    Varusschlacht – Wikipedia
    de.wikipedia.org


    Der Artikel ist scheinbar sehr aktuell, denn im Abschnitt "Kalkrieser-Niewedder Senke" wird auch auf die Untersuchung der Buntmetallfunde dieses Jahres hingewiesen.


    Zitate:

    - Man geht davon aus, dass der Zug der Streitmacht, die drei Legionen XVII, XVIII, XIX, drei Alen (Reitereinheiten) und sechs Kohorten mit insgesamt 15.000 bis 20.000 Soldaten, dazu 4.000 bis 5.000 Reit-, Zug- und Tragtiere umfasste, 15 bis 20 km lang gewesen sein muss.


    - Dennoch gelang es den Römern während der Kämpfe, zeitweise offenes Gelände zu erreichen und auf einem bewaldeten Hügel ein Lager aufzuschlagen.


    - Von Historikern, Archäologen, Heimatforschern und anderweitig Interessierten wurden seit dem 16. Jahrhundert mindestens 700 Theorien und Spekulationen zum Ort der Varusschlacht entwickelt. Der Prähistoriker und Provinzialarchäologe Harald von Petrikovits bündelte die Vielzahl möglicher Orte geographisch zu größeren Theorie-Einheiten.[79] Die von Fachleuten als am wahrscheinlichsten angesehenen Plätze liegen dabei fast alle in Ostwestfalen oder in daran angrenzenden Gebieten. Petrikovits zufolge gibt es dort vier Gruppen von Orten, an denen das Schlachtgeschehen jeweils angesiedelt wird:

    • nach der Nordtheorie am nördlichen Rand von Wiehen- und Wesergebirge, wo sich der Fundplatz Kalkriese befindet;
    • nach der Nordosttheorie im Gebiet des Teutoburger Waldes oder zwischen ihm und der Weser;
    • nach der Münsterländer Theorie im Gebiet westlich bzw. südwestlich des Teutoburger Waldes;
    • nach der Südtheorie in dem Bergland südöstlich der Münsterländer Bucht.

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  • Danke, das werde ich mir mal in Ruhe durchlesen. :)


    Davon, dass die Schlacht ausschließlich in Kalkriese stattgefunden hätte, steht im Artikel allerdings auch gar nichts. Nur, dass dort der Untergangs der 19. Legion lokalisiert wurde.


    Ich selbst hocke auch viel zu weit weg von Kalkriese, Xanten & Co. aber das Infomaterial lässt sich oft auch online bestellen. Hätte ja sein können, dass du in deiner etliche Regale umfassenden Bibliothek was Passendes vorliegen hast. Meine Römerbibliothek umfasst noch nicht mal ein Regalfach. :D

  • Hätte ja sein können, dass du in deiner etliche Regale umfassenden Bibliothek was Passendes vorliegen hast. Meine Römerbibliothek umfasst noch nicht mal ein Regalfach. :D

    Ach so. Nein, meine Bibliothek ist zwar gross, aber sie ist nicht mehr ganz aktuell. Neuste Beschaffung datiert glaube ich aus dem Jahr 2015.

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  • Ich möchte noch eine Anmerkung zur römischen Truppenstärke machen. Wenn man die politische Situation der damaligen Zeit betrachtet herrschten erhebliche Kriegswirren an der Adriaküste und im Hinterland Dalmatiens. Dort waren große Teile des römischen Heeres gebunden. Betrachtet man die gängige Praxis das Truppenteile von den Legionen abgezogen wurden um anderweitig zeitlich eingesetzt zu werden, so möchte ich fest davon ausgehen, dass die germanischen Legionen nicht die volle Truppenstärke besessen hatten. Ich würde daher bei den drei Legionen rein vom militärischen davon ausgehen, dass sie max. 3000 - 4000 Mann gezählt hatten. Die germanische Grenze war relativ ruhig und daher würde ich davon ausgehen, dass Truppen abgegeben worden sind. Somit reduziert sich die Gesamtstärke der Legionen auf 9.000 bis 12.000 Kämpfer. Ich gehe daher auch davon aus, dass sich dadurch auch der mitzuführende Tross erheblich reduzierte. Weiterhin gehe ich auch davon aus, dass hier und da von den drei Legionen Zwischenlager errichtet wurden zum Schutz der Truppen, aber auch um ein militärisches Gewicht regional zu manifestieren. Wir betrachten meistens die Truppenstärken von der optimalsten Situation, jedoch möchte ich erwähnen, dass die wenigsten Legionen die volle Truppenstärke hatten. Ich gehe sogar soweit, dass ich behaupten möchte das die Römer verstärkt in Germanien Hilfstruppen einsetzten um eine gewisse Mannstärke zu halten. Sind jetzt rein meine Einschätzung von der militärischen Sichtweise.

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