[Triclinium] Cena zur Ankunft der Seia Fusca

  • Ich hörte Fusca aufmerksam zu, wobei ich mich zwar bemühte, meine Freude nicht zu offenkundig zu zeigen, als sie mich in die Reihe gebildeter Männer Athens stellte, jedoch betrogen mich meine Augen, die leuchteten, während ich höflich lächelte.


    "Nur wenige Vorteile sind absolut, doch nützlich sind sie allemal. Deine Tugenden scheinen mir außer Frage zu stehen, wobei Athen dafür ein ungewöhnlicher Ort ist. Ohne jemals dort gewesen zu sein, muss ich leider zu meiner Schande gestehen. Am Museion lernt man recht schnell den Glauben, dass man nicht die Welt bereisen müsse, weil alles Interessante über jeden Ort der Welt in den Büchern der Bibliothek zu finden ist. Ein Irrglaube, doch einer, der nur allzu verlockend ist."


    Mein Mund fühlte sich etwas trocken an, was mir seltsam vorkam. Schließlich hielt ich vor Gericht sehr viel längere Reden. Nachdem ich einen kleinen Schluck aus meinem Glas genommen hatte, fuhr ich fort.


    "Im Übrigen denke ich, dass du mehr als nur den einen oder anderen Gedanken aufgenommen hast. Und ich denke auch nicht, dass es eine bloße Aufnahme war. Vielmehr denke ich, dass du viele Gedanken aufgenommen hast, und sie auch selbst weiterentwickelt hast. Wobei ich natürlich anerkenne, dass dich deine Bescheidenheit ehrt und deinen Glanz verstärkt."


    In Erwartung einer Erwiderung sah ich sie an.

  • Fusca richtete sich etwas auf und führte den Becher Mulsum erneut zu ihren Lippen, wobei sie Tacitus über den Rand ihres Gefäßes hinweg ansah. Die vormals neugierige Musterung war aus ihren dunklen Augen gewichen und hatte einem wohlwollend zugeneigten Ausdruck Platz gemacht. Mit ausgestrecktem Arm stellte sie den Becher vor sich auf dem Tisch ab. "Vielleicht eine Täuschung im Versuch, einen möglichst guten, ersten Eindruck zu hinterlassen", sagte Fusca kess und lächelte schelmisch. "Immerhin bin ich eine Seia."


    Dann senkte sie ihren Wimpernschlag einen auffällig langen Moment. "Vielen Dank, verehrter Tacitus, für Deine freundlichen Worte. Lass mich Dir empfehlen, die Welt mit eigenen Augen zu entdecken. Zugegeben, das mag reichlich vermessen klingen von jemanden, der kaum mehr kennt als das eigene Atrium. Doch beschreiben Bücher und Schriftrollen nur, was der Autor gesehen hat. Ich selbst glaube, für jeden sieht die Welt ein klein wenig anders aus." Fusca legte eine kurze Pause ein. "Außerdem", fügte sie schließlich mit leiser, andeutungsvoller Stimme hinzu, "verspricht eine Reise nach Athen in angenehmer Begleitung gewiss mehr Unterhaltung als ein trockenes Pergament."

  • Ich lauschte ihren Ausführungen, doch verstand ich die Andeutungen nicht, wenngleich mir ihr schelmisches Lächeln gefiel. Auch den langen Wimpernschlag nahm ich zwar wahr und mir gefiel dieser Moment, doch vermochte ich es nicht zu deuten. Ein Problem, das ich bereits am Museion hatte.


    "Ob ein Buch tatsächlich nur die subjektive Wahrnehmung des Autors wiedergibt, sei dahingestellt. Sicher ist es niemals völlig objektiv, aber vielleicht doch näher an der idéa einer Stadt, eines Landstrichs oder auch nur eines Gebäudes, als es die eigene subjektive Wahrnehmung je sein wird. Denn um etwas auf das Pergament zu bringen, bedarf es einer genauen Überlegung, die zwangsläufig zu einer Abstraktion führt. Bücher können also durchaus den der Vergänglichkeit entzogenen Kern einer Sache beschreiben. Vor allem dann, wenn man die gleiche Sache von verschiedenen Autoren beschrieben findet."


    Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen legte.


    "Allerdings hat die subjektive Erfahrung durchaus auch ihren Reiz. Man sollte nur den Moment des Staunens gut auskosten, doch nicht zu lange in diesem verharren, sondern zum wahren Wesen vorzudringen suchen, wohlwissend, dass dies niemals zur Gänze gelingen wird. Das gilt auch für eine Reise nach Athen, wenngleich es dort viel zu entdecken und zu bestaunen geben sollte und... ähm..."


    In diesem Moment war bei mir der Groschen gefallen und mir wurde klar, wie das mit der angenehmen Begleitung gemeint war. Besser spät als nie. Ich errötete leicht, was mir schon sehr lange nicht mehr passiert war.


    "Ähm... was wollte ich sagen? Achja, also... in angenehmer Begleitung wäre so eine Reise sicher unterhaltsamer, um nicht zu sagen interessanter."


    Gut gerettet? Wohl eher nicht. Danke, Minerva, dass du mir immerhin spät ein wenig Erleuchtung gegeben hast.

  • Als die Dame Fusca den Raum betrat, schnappte Stilo kurz nach Luft. Sie war schön, definitiv schön! Um es einfacher zu beschreiben, verschlug es ihm die Sprache. So lag er still da und hörte interessiert den Gesprächen zu, ohne sich groß einzumischen. Aber eine Sache wurde ihm klar. Später mal, wenn er das passende Alter erreichen sollte, würde seine Frau ebenfalls so nobel aussehen sollen.


    Allerdings bemerkte er auch, dass Tacitus sich gänzlich anders benahm. Es schien, als würde Tacitus ebenfalls das Gleiche denken, allerdings war bei ihm die Möglichkeit bereits vorhanden.

    Stilo schmunzelte bei der Vorstellung und freute sich darüber. So hob er sein Becher zum Gruße auf, ohne die Unterhaltung groß stören zu wollen und rief, " Auf Fusca!".

  • Fusca sah Tacitus einen langen Moment unverwandt an, lauschte seinen Ausführungen - die, wie sie feststellte, ausgesprochen vernünftig klangen - und rang darum, das Zucken ihrer Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. Letztlich aber versagte ihre Selbstbeherrschung und sie begann leise zu kichern, was sich schon nach wenigen Sekunden in ein melodisches Lachen verwandelte; - nicht von der Art, dass es sie schüttelte, sondern vielmehr herzlich amüsiert. Fusca mochte Tacitus und seine offene Art, für die ihr spontan das Wort 'unschuldig' einfiel, obschon es seinem Wesen nicht in Gänze gerecht wurde.


    "Du bist wahrhaftig ein Philosoph, verehrter Tacitus, und vor Gericht gewiss ein gewiefter Anwalt, stringent auf das Ziel konzentriert, da durch keine Verlockung abzulenken." Fusca zwinkerte ihm zu. "Mein Gefühl sagt mir, dass auch Deiner Feder eines Tages - oder gar schon heute - wertvolle Schriften entspringen. Gerne würde ich diese lesen. Behalte nur stets im Blick, dass es neben Städten, Landschaften und Gebäuden viele Formen gibt, die der Betrachtung und Beschreibung lohnen." Wie zufällig hob sie ihre Hüfte und positionierte sich neu, um so auch Sextus Iunius Stilo in das Gespräch einbinden zu können. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, erhob der Mann seinen Becher zu einem Trinkspruch und Fusca lächelte. Sie angelte nach ihrem Gefäß. "Vielen Dank. Doch erlaube mir, den Kreis ein wenig weiter zu fassen: Auf uns, Bürger Roms."

  • Mir gefiel ihr Lachen. Es klang schön. Ein wenig musste ich auch schmunzeln und nahm noch einen Schluck verdünnten Wein, während Fusca sprach. Spätestens mit dem Zwinkern war mir klar, was sie wohl damit meinte, dass ich durch keine Verlockung abzulenken sei. Sie brachte mich damit fast zum Lachen, weshalb ich mich beinahe am Wein verschluckt hätte. Aber nur beinahe.


    Während sie weitersprach, hörte ich aufmerksam zu. Sie würde meine Bücher gerne lesen? Vielleicht sollte ich ihr eins schenken? Doch dann war auch schon der nächste Gedanke im Vordergrund. Ja, es gab ganz sicher noch andere Formen, die der Betrachtung und Beschreibung lohnten. Beispielsweise könnte ich Fusca stundenlang ansehen. Nicht nur ihre physis, sondern auch ihre kínēsis war es zweifellos wert, betrachtet zu werden. Sie bewegte sich so schön.


    Der Trinkspruch meines Vetters unterbrach meine Gedanken jäh. Doch zu meiner Überraschung - warum war ich eigentlich überrascht? - erweiterte Fusca den Kreis auf uns in unserer Eigenschaft als römische Bürger. Oder auf die Bürger Roms allgemein und uns im Speziellen? Ich würde die Worte später einmal als Übung in Philologie tiefergehend analysieren. Im Moment fehlte dazu die Zeit, denn ich musste meinen Becher heben.


    "Auf uns, Bürger Roms."


    Dabei lächelte ich und nickte zuerst Fusca, dann Iunius Stilo und schließlich Seius Stilo zu,

  • Ausgerechnet jetzt hatte er natürlich reines Wasser in seinem Glasbecher. Er hob ihn trotzdem und sagte ebenfalls: "Auf uns, Bürger Roms!"


    Er selbst kam nicht auf den Gedanken, dass vielleicht alle Bürger damit gemeint sein könnten, dafür gab es einfach zu viele Subjekte, die keinen guten Gedanken verdienten oder zum Wohle des Kaisers und des Volkes aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Ginge es nach Stilo, wären das noch weitaus mehr. So bezog er das Trinksprüchlein rein auf ihren beschaulichen Kreis.

  • Fusca hob ihren Becher empor, sah den anwesenden Männern der Reihe nach in die Augen und schob mit zwei ausgestreckten Fingern ihrer linken Hand den Blumenkranz, der ihr Haupt zierte und als Folge der letzten Bewegung ein wenig verrutscht war, um einige Millimeter zurecht. Dann lächelte sie und nahm einen tiefen Zug aus dem Gefäß. Der Mulsum war kräftig, wurde von einer einnehmenden Süße beherrscht und offenbarte zu ihrer Überraschung eine herbe, aber nicht unangenehme Note im Abgang. Fusca spürte schon jetzt, wie das Getränk ihren Geist zu umnebeln begann, die Gedanken einfing und ihre Zunge zu allzu provokanten Antworten verlockte. Die unweigerliche Folge des Genusses auf leeren Magen.


    Sie schloss für einen Moment die Augen, ganz so, als würde sie sich ihren Sinneseindrücken ergeben, sammelte sich innerlich, ehe sie von Vitalität erfüllt die Lider wieder öffnete. "Nun, meine Herren, welche Ereignisse treiben die Bewohner dieser Stadt derzeit um? Was sollte ich wissen, um nicht allzu offensichtlich preiszugeben, dass ich lange Zeit in der Ferne weilte?"

  • Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich bei einigen der aktuellen Ereignisse involviert war. Aber ich wollte mich hier nicht in den Mittelpunkt stellen. Das konnten andere machen. So entschied ich mich, das zu erwähnen, wo meine Person nicht unbedingt genannt werden musste.


    "Im Senat wird ein neues Ehegesetz diskutiert, welches der Praetor Urbanus eingebracht hat. Soweit ich das erkenne, wird damit der status quo festgeschrieben. Das heißt, dass eine Ehe grundsätzlich sine manu geschlossen wird. Und dass eine funktionierende Ehe nicht durch den Vater eines Ehepartners geschieden werden kann. Also letztlich soll die bestehende Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen werden. Das ist für uns alle in Zukunft sicher nicht ganz unwichtig."


    Dabei versuchte ich, sie möglichst neutral anzusehen, was mir aber nur bedingt gelang.


    "Frag mich jetzt aber nicht, wie weit die Debatte fortgeschritten ist. Ansonsten fällt mir noch ein, dass wir momentan einen Aemilier als Vigintivir haben, der... sagen wir... bereits zu ziemlicher Bekanntheit gekommen ist. Er hat recht... wie soll ich sagen... konservative Ansichten. Und damit meine ich nicht römische Tugenden, sondern eher Ansichten, wie man sie in einer Adelsherrschaft bei Barbaren erwarten würde. Mal sehen, ob er sich damit nicht selbst im Weg steht."


    Ich fand, dass ich mich hier sehr diplomatisch ausgedrückt hatte.


    "Allerdings hat er sich mir gegenüber stets einwandfrei benommen. Ich habe also keinen Grund zur Klage. Des Weiteren scheint es wohl ein Problem mit Falschmünzern zu geben. Da scheint besagter Vigintivir aber bereits an einer Lösung zu arbeiten."


    Kurz dachte ich nach, bevor ich weiter erzählte.


    "Es gab wohl auch eine Gruppe von radikalen Christianern, die Tempel geschändet und - weit schlimmer - die Virgo Vestalis Maxima ermordet hatten. Das Problem scheint aber durch die Cohortes Praetoriae und Cohortes Urbanae inzwischen gelöst worden zu sein. Will sagen, die Täter wurden gefasst und hingerichtet."


    Ich nahm einen Schluck meines verdünnten Weins und sah zu Seius Stilo.


    "Korrigiere mich bitte, wenn ich mich darin irre. Ansonsten bist du sicher auch für weitere aktuelle Ereignisse die beste Quelle hier im Raum. Wobei natürlich fraglich ist, ob du über alles reden darfst, wovon du weißt."

  • "Über alles?" Sein Lächeln war nicht so zauberhaft wie das seiner Schwester, doch auch Stilo sah in diesem Moment entspannt und freundlich aus, denn er freute sich sehr über Fuscas Heimkehr. "Natürlich nicht, Stichwort Dienstgeheimnis. Ich erzähle euch die Dinge, die ihr theoretisch auch ohne mich in Erfahrung bringen könntet, Dinge, die sowieso in der Öffentlichkeit kursieren."


    Und weil es die Familie war, gab es gelegentlich auch mal einen Happen an ausgewählten Informationen zusätzlich, doch das durfte Stilo nicht einmal in den eigenen vier Wänden aussprechen. Sie mussten es selbst erahnen.


    "Aber von jenen Dingen höre ich viel. Was interessiert dich, Schwesterchen? Das Militär wohl kaum. Oder doch? Vielleicht eher Wagenrennen? Gladiatorenkämpfe? Hoffentlich nicht die feine Gesellschaft, dafür müsste ich dich an Ravilla verweisen. Was möchtest du von mir hören? Wie hat Athen dich verändert - oder bist du immer noch die Gleiche?"


    Wer kannte schon Fuscas langfristige Pläne? Allenfalls Ravilla ... ihre anderen Bruder hatte sie bislang nicht eingeweiht. Er trank noch einen Schluck.

  • Als der Mundschenk in Richtung Küche marschierte, weil die Häppchen zur Neige gingen, erhielt er außerhalb der Sichtweite der Herrschaften einen saftigen Hieb auf den Hinterkopf. Dazu einen strengen Blick von Terpander. Eine Erklärung erhielt er nicht.


    Die übrigen Sklaven begannen derweil, den Hauptgang aufzutischen. In Anbetracht des schwülen Wetters gab es heute Fisch statt Fleisch: Fangfrischen Kabeljau vom Markt, in mundgerechte Häppchen geschnitten und in Weißwein gebraten. Garniert wurde das Ganze mit frischen Kräutern, schwarzem Pfeffer und Rosinen. Wem das nicht zusagte, der konnte Brot und Obst essen oder sich vertrauensvoll an Terpander wenden, der äußerst liebenswürdig in die Runde schaute, während er die Mimik der Herrschaften beobachtete, um herauszufinden, wie gut (oder auch nicht) ihnen das heutige Essen schmeckte.


    Auch der gerügte Mundschenk war wieder dabei, um für die passenden Getränke zu sorgen.


    Und endlich perlten auch die Klänge einer wunderbaren Melodie durchs Triclinium ...

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