[Officium | Ando Kritja] Das Arbeitszimmer

  • Oh ja, es war schon eine lange Zeit vergangen seit den Geschehnissen damals. Witjon kam es allerdings nicht so vor. Stress, Arbeit und all die nötige Planung und Organisation hatten die Zeit wie im Flug vergehen lassen. Und jetzt saß er hier und ließ sich - mal wieder - von Elfleda umgarnen. Herrje, er war manchmal einfach so schwach!
    Auf ihre Aufforderung hin nickte er nur nochmal und atmete erleichtert auf, als sie - nach dem freundlichen Tätscheln - wieder etwas von ihm abrückte. Ein Glück, so musste er sich nicht vor Dummheiten seinerseits fürchten. Elfleda begab sich zurück zum Schreibtisch, woraufhin sie ihm nochmal veranschaulichte, wie Witjon die Causa Sönke zu bewältigen habe. "Liebes, ich krieg das schon hin," meinte er nur etwas genervt. Er war nicht hier, um sich von seiner Schwägerin bevormunden zu lassen. Das war ja manchmal schon richtig peinlich was er sich von ihr alles für besserwisserische Ratschläge anhören musste. Als wüsste er nicht selbst, dass er das Bürgerrecht nicht einfach so bei der Stadtverwaltung beantragen konnte!


    Daraufhin jedoch kloppte Elfleda einen weiteren Hammer raus, der Witjon ganz fies erwischte. Heiraten? Er? Ja, er wusste ja, dass es so nicht weiterging. Aber...wen denn nur? "Öh...uff..." seufzte er also erst einmal, Elfledas Worte verdauend. "Also...eine Römerin? Ich...weiß es ehrlich gesagt nicht." Puh, das war gemein. Er hatte bisher immer vermieden sich ernsthaft Gedanken um das Heiraten zu machen. Und jetzt stellte sie ihn hier so vor die Wand und quetschte ihn aus! "Meine Politik, ja..." begann er dann laut zu grübeln, bevor er etwas geordneter und überzeugter fortfuhr. "Weißt du, ich glaube wir dürfen derzeit die Bindungen zu unseren germanischen Verbündeten nicht unterschätzen. Eine Römerin ist zwar immer hilfreich, doch sieh es mal so: Was hat die Vermählung mit Callista uns gebracht? ...also... ich meine im politischen Sinne!" Nicht, dass er Callista schlechtreden wollte. Sie war eine wundervolle Frau gewesen, liebevoll, warmherzig, ehrgeizig. Und sie hatte die germanische Kultur toleriert und verstehen und zu lernen versucht. Witjon war davon überzeugt, dass sie sich bald sehr hervorragend in ihren Bräuchen ausgekannt hätte, wäre sie nicht so früh gestorben. Ein sanftes Kopfschütteln unterstrich seine rhetorische Frage, als er weitersprach. "Nein, es sollte glaube ich eher eine Germanin sein. Nur: Welche? Eine aus der Umgebung? Eine von unseren ubischen Freunden aus der Colonia? Oder eine Nemeterin? Vielleicht eine Tochter der vielen reichen Kaufleute aus Mogontiacum zur Stärkung der Bindungen zur Freya Mercurioque?" Und mit einem merkwürdigen Gefühl sprach er letztendlich noch eine weitere Möglichkeit aus, die ihm dann in den Sinn kam, als er Elfleda ansah. "Oder gar eine Mattiakerin...um das frisch gerissene Band zu erneuern?" Wohl fühlte er sich nicht, als er diese Frage anfügte. Aber jeder wusste, dass diese Bindung seinerzeit die wichtigste für die Duccii gewesen war. Plötzlich sah er seine Gegenüber einmal mehr in ganz anderem Licht.

  • Liebes? Ganz kurz erntete Witjon “den Blick“ auf seine Worte, ehe sie sich wieder den Tafeln zuwandte. Würde er sich nicht ständig wie ein Kind benehmen, würde sie ihn nicht wie eines behandeln. Abgesehen davon, dass Elfleda so ziemlich jeden hier in ähnlicher Weise behandelte, abgesehen von Marga. Mit der Frau hatte sie recht früh eine stillschweigende Vereinbarung getroffen, dass sie beide die Autorität der jeweils anderen einfach ungeprüft akzeptieren würden und niemand in den Bereich des anderen eindringen werde, um das wahre Ausmaß eben jener Autorität zu prüfen. Und sie waren beide in Naha vernarrt, was besagte Abmachung durchaus erleichterte.
    “Du sollst dir auch kein Mädchen aus Rom kommen lassen, aber die römischen Familien hier haben auch Töchter.“ Früher hätte sie nun die Petronier angeführt, aber seitdem sich Petronius Crispus zurückgezogen hatte, waren diese in der politischen Versenkung verschwunden. Und selbst diesen Mann kannte Elfleda fast ausschließlich vom Hörensagen. “Die Germanici fallen hier ja bald in Schwärmen ein. Du kannst beim Essen die Frau ja fragen, ob sie eine Cousine oder so etwas hat.“ Mit 'die Frau' war Germanica Calvena gemeint, die ein paar Abende später zum Essen kommen sollte. Wenn diese Gens selbst schon ihre Senatoren hierher schickte, sollte man sie im Auge behalten. Wobei die Frage war, ob sie genug Einfluss aufbauen würden, um tatsächlich relevant zu werden. “Oder den LAPP“, der – bzw. dessen Gens - definitiv eine lohnenswerte Investition wäre.
    Doch Witjon kam auch schon auf die germanischen Möglichkeiten zu sprechen. Ihre Frage nach seiner geplanten Politik blieb unbeantwortet, was Elfleda durchaus registrierte, aber sie kümmerte sich erst einmal um die Antworten, die er hatte. “Meinst du nicht, durch dich und deine Schwestern ist in ubischer Richtung schon ausreichend gesorgt? Ich würde unsere Macht eher in der Stadt konsolidieren. Ob die Tochter eines Händlers da gut genug ist, weiß ich nicht. Aber einer der Dorffürsten in der Umgebung muss doch eine Tochter haben.“ Sie überlegte, wer in Frage käme, als Witjon mit seiner nächsten Idee rausplatzte. Eine Mattiakerin.
    “Landulf und Naha sind beide gesund.“ Es klang ein ganz klein wenig schneidend, aber nur ganz graduell. Zerschnittenes Band hörte sie nicht so gerne. Immerhin war sie ja auch hier geblieben. Direkt nach Landos Tod hatte Rodewini ihr zwar angeboten, wieder zurück zu kommen mit ihren Kindern – und sicher hatte er bereits einen Hochzeitskandidaten zu seinen Gunsten im Blick gehabt – aber sie war hier geblieben. Und inzwischen war ihr Onkel wohl froh, dass sie die Lage richtig eingeschätzt hatte. Witjon hatte die Macht, auch durch ihre Hilfe, weitestgehend konsolidieren können, und so war sie für ihre Familie noch immer ein wichtiger Anker im römischen Reich.
    “Ich glaube, die Tochter von Ulbert dürfte jetzt 13 oder 14 sein. Er ist ein Verbündeter von Rodewini, etwa eine Tagesreise südlich von unserem Dorf. Wenn sie noch nicht versprochen ist, könnten wir einen Boten schicken.“ Natürlich bestand noch eine andere Möglichkeit. Noch dazu eine, die nichtmal unüblich wäre. Aber Elfleda wollte diese nicht unbedingt so ansprechen, war Witjon doch recht emotional für einen Kerl. Und sie wusste nicht, wie er das aufnehmen würde. Oder wie sie das aufnehmen sollte.

  • Oh. DER Blick. Für einen Moment nahm Witjon "hab-acht-Stellung" ein, doch die Gefahr ging vorüber und das Gespräch nahm seinen Lauf. Ein Glück, bloß keine weitere Schelte. Die hatte er in den letzten Monaten zuhauf bekommen und er war es leid. Umso mehr schätzte er den Rat, den er nun in umfassender Weise erhalten sollte. Den hatte er in den letzten Monaten genauso oft bekommen wie Schelte, was er aber begrüßte. Er war froh sich regelmäßig Elfledas Meinung einholen zu können über Dinge, die sie distanzierter betrachten konnte und die immer irgendetwas entdeckte, das Witjon übersehen hätte.
    So hörte er sich an, was seine Schwägerin zu sagen hatte. Gefallen tat ihm das auf anhieb nicht, was sie zu sagen hatte. Eine Römerin aus Mogontiacum? Nein, da war keine Gens, in die er wirklich einheiraten wollte. Erst recht nicht die Germanici, egal wie viele Senatoren die hierherschickten. Unwillig zog er eine Schnute. "Im Ernst? Ich will keine Römerin. Und keiner der Römer, die hier etwas mehr politisches Gewicht aufbringen können, würde seine Töchter an einen verlausten Duccius wie mich verscherbeln." Er schüttelte überzeugt den Kopf, während er fortfuhr. "Und die Germanici...ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, wie die so zu uns und Germania insgesamt derzeit stehen. Dieser Avarus ist zwar Stadtpatron, aber was heißt das schon? Aber wir können uns ja mal dezent informieren, wenn wir eine von ihnen schon hier haben. Wie war gleich ihr Name?" Mit einer wegwerfenden Handbewegung machte er klar, dass er nicht zwingend eine Antwort auf die letzte Frage erwartete. Er ging vielmehr auf den LAPP ein. "Vinicius? Puh..." Schwer grübelnd stieß er Luft zwischen seinen Schneidezähnen hervor. "Meinst du nicht, die Vinicii sind eine NUmmer zu groß für mich? Also...ich meine...das sind immerhin Vinicii!" Ein unentschlossener Blick traf Elfleda. Jetzt war Witjon in einer fiesen Zwickmühle. Zu viele Möglichkeiten, zu wenig Entscheidungswille. Götter, helft dem armen Mann!
    Aber nicht, dass die Mattiakerin es dabei bewenden ließ, nein. Sie zählte weitere lohnenswerte Alternativen auf. "Ja, ist wohl richtig. Ubisch genug sind wir," witzelte er kurz, bevor er ernsthafter auf ihre Worte zurückkam. "Ulbert sagst du?" Eine junge Frau, gerade dem Mädchendasein entwachsen, wäre natürlich optimal. Sie wäre im perfekten Alter zur Zeugung weiterer Nachkommen, sofern sie denn in guter gesundheitlicher Verfassung war. Immerhin konnte Witjon nicht mit einem einzigen Sohn verbleiben, undenkbar. Die Kindersterblichkeit war viel zu hoch, da würde er gewiss nicht mit einem einzigen Sohn vorlieb nehmen. Und je jünger die Frau, desto größer die Überlebenschancen für Mutter und Kind(er) zugleich. "Ulbert..." wiederholte er nachdenklich. "Ich weiß nicht. Klingt nach einer vielversprechenden Verbindung. Wie viele Mannen hat er unter sich? Und wie ist sein Verhältnis zu den Römern?" Witjon Gedanken bezüglich der Mattiaker hatte Elfleda mit ihrer vorangegangenen Aussage zunächst einmal verdrängt. Landulf und Naha waren in der Tat gesund und ihre Mutter hatte den Duccii einen großen Dienst erwiesen, als sie hier geblieben war. Ja, er würde sich noch erkenntlich zeigen müssen, gewiss.

  • Verscherbeln? Wieso nur hatten die duccischen Männer allesamt einen schwelenden Minderwertigkeitskomplex? Elfleda ließ ihn reden, wobei ihr Gesichtsausdruck zunehmend strenger wurde. Der Vinicius 'zu groß' für ihn... Elfleda hatte in ihrem Leben dutzende Fürsten auf verschiedenen Things kennengelernt. Jeder war groß gewesen in seinem Gebiet, jeder hatte Einfluss und Männer gehabt. Das hieß aber nicht, dass man sich vor ihnen ducken musste! Man selbst hatte schließlich auch Einfluss, ebenfalls Getreue und es ging bei Politik um die Mehrung von Macht, nicht um das Austesten, wer den nun den Längsten hatte.
    “Witjon Evaxson, jetzt hör mir mal gut zu! Du bist Sippenführer der Duccier, dir gehört der halbe Markt in Mogontiacum, und die andere Hälfte arbeitet mit dir zusammen. Wenn du dich nicht vollkommen idiotisch anstellst, kannst du sicher auf genug Schwertträger zurückgreifen, um auch den Römern ernste Sorgen zu machen. Nicht, dass das deine Absicht wäre, aber das wissen DIE sicher auch. Du bist ein gesunder, kräftiger junger Mann, und nichtmal häßlich. Aber wenn du noch einmal sagst, irgendein Römer wäre etwas besseres als wir, zieh ich dir die Ohren lang und leg dich übers Knie!“ Und ihr Gesichtsausdruck sagte deutlich, das das weder scherzhaft noch metaphorisch gemeint war.
    So, nachdem das gesagt war, kam das Thema auf Ulberts Tochter. “Ulbert selbst kann auf etwa 30 Schwerter zählen, und noch etwa 150 leichter bewaffnete. In den meisten Fällen unterstützt er Rodewini. Auch, was die Römer angeht.“ Auch wenn es nicht nach so viel klang, es war sehr viel. Zumindest für germanische Verhältnisse, wenn auch nicht ganz so viel, wie das, was ihr Vater und ihr Onkel aufstellen konnten.
    Überhaupt begannen Elfledas Gedanken gerade, zu wandern. Warum hatte sie das Mädchen überhaupt eingebracht? War es denn nützlich für sie, wenn er das Mädchen heiratete? Er würde sie mit Liebe überschütten, wie er es mit Callista getan hatte, und sie zur mächtigsten Frau in Mogontiacum machen. Und damit Elfleda auf den zweiten Platz verbannen. Hatte sie eben einen sentimentalen Moment gehabt? Vermutlich, sonst hätte sie weiter gedacht. Und nicht daran, dass sie Lando noch vermisste, so wie Witjon wohl an Callista dachte.
    Daher beschloss sie eine Taktikänderung. Hierbei kam es ihr sehr zupass, dass Witjon sie gerade etwas fragend ansah. “Was ist? Warum schaust du jetzt mich so an?“ stellte sie scheinbar überrascht ihre Frage. Doch ehe er antworten konnte und alles mit einer Erklärung, die ihr nicht in den Plan passte, ruinierte, fuhr sie fort, als hätte sie plötzlich eine Erkenntnis erhalten. “Was? Du denkst doch nicht etwa darüber nach...? Ich meine, sicher, Rodewini hat weitaus mehr Schwerter, und ich bin seine Nichte... und es wär ja auch nicht unüblich, und politisch wär es natürlich auch ein starkes Zeichen...“ Es war immer die beste Taktik, Männer glauben zu lassen, sie hätten die Ideen. Das ersparte einem Diskussionen. Und so stand Elfleda nun auf, lehnte sich ganz leicht gegen den Schreibtisch und legte in einer nachdenklichen Geste den Zeigefinger an ihr Kinn. “Deine Idee ist gar nicht mal so schlecht...“ überlegte sie dabei laut und gab nun Witjon die Gelegenheit, was dazu zu sagen.

  • Oh oh, jetzt aber in Deckung! Da kam ein Sturm der Entrüstung auf ihn zu, der seine Deiche brechen lassen und die Dorfstraße hinfortschwemmen würde. Verdammt, das hieß nichts Gutes. Wort für Wort duckte er sich ein kleines Stückchen, die Augen erschrocken aufgerissen. Das Problem an der Sache: Elfleda hatte ja recht. Sowas von recht. Witjon wusste das doch alles, was sie ihm da um die Ohren haute. Er war Sippenführer der Duccii. Er war Marktkontrolleur von Mogontiacum. Er konnte wahrhaftig auf bewaffnete Männer zurückgreifen, denn es gab genug Sippen in und um Mogontiacum, die ihm gegenüber loyal waren und ihm auch in einen bewaffneten Konflikt folgen würden. Und er wusste, dass er ein stattlicher Mann war, der sich für sein Aussehen nicht zu schämen bräuchte. Endlich war der Sturm vorübergezogen. Witjon schürzte die Lippen in stiller Zustimmung, die Augenbrauen hochgezogen. Er musste nichts sagen. Elfleda würde erkennen, dass er sie verstanden hatte. Und er würde auch danach handeln. Oder es zumindest öfter versuchen. Er konnte sich ja nicht regelmäßig von seiner Schwägerin unterbuttern lassen.


    "Gut," erwiderte er auf ihre Erklärungen bezüglich Ulbert. "Klingt vernünftig..." Tja. Das war's auch schon. Jetzt saß er da, grübelnd. War das wirklich so eine gute Partie? Oder gab es noch andere Möglichkeiten? Er dachte nach, und dachte, und dachte...und starrte offenbar dumm genug drein, um eine Reaktion bei Elfleda hervorzurufen, die ihn ziemlich schockte.
    Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Mattiakerin an, holte tief Luft und versuchte verzweifelt eine passable Antwort zusammenzukriegen. "Ähh..." machte er, wurde jedoch sofort unterbrochen. "Meine Idee?" spuckte er entsetzt aus. "Ich..." - stunned - Witjon war platt. Er hatte zwar über diese eine Möglichkeit nachgedacht, aber ernsthaft war das nicht zu nennen gewesen. Und jetzt rückte Elfleda plötzlich selbst damit heraus. Das war einfach nur...zu viel für den armen Kerl. Ruckartig machte er einen Schritt nach hinten, stammelnd. Noch ein Schritt, als er mit dem Zeigefinger in der Luft zu wedeln begann. Ein weiterer Schritt und er konnte sich so weit zusammenreißen, dass er einen zusammenhängenden Satz rausbrachte. "Interessante Überlegung...ich werde drüber nachdenken. Also...ich muss jetzt los, es wartet noch...Arbeit auf mich. Äh, wegen der neuen Verträge mit den...Nemetern. Du weißt schon." Und damit öffnete er zügigst die Tür und machte sich auf die Flucht. Auf die Flucht vor erschreckender Heiratspolitik.

  • Was hatten die nur alle? Waberte um Elfleda beim Sprechen unbemerkt irgendwo schwarzer Schwefel und züngelten Flammen um sie herum, oder weswegen flüchteten die Männer alle vor ihr? So furchtbar konnte die Vorstellung, sie zu heiraten, ja wohl bitte auch nicht sein.
    Jedenfalls betrachtete sie mit scheinbar unschuldigem Gesichtsausdruck, wie Witjon plötzlich in hektisches Herumfuchteln verfiel, ehe er die Flucht antrat. Nemeter und so, schon klar. Das würde ihm nicht einmal seine eigene Großmutter glauben. Elfleda war so kurz davor, ihn aus reiner Schikane aufzuhalten, um ihn jetzt ein wenig mit “seiner“ Idee zu quälen. Minimal davor. Aber sie ließ es bleiben. Wenn sie das wirklich durchsetzen wollte – und im Moment erschien es ihr als beste Möglichkeit, ihre eigene Stellung hier in Mogontiacum damit auszubauen und die ihrer Kinder gleichsam zu sichern – dann durfte sie nicht zu hektisch werden. Wenn sie ihn zu sehr drängte, sagte er vielleicht am Ende ja, vielleicht aber ging er ihr dann auch nur ganz aus dem Weg und sie verlor ihren Einfluss auf ihn. Abgesehen davon, dass sie nicht als verbitterte, alte Schachtel enden wollte, die den männlichen Mitgliedern des Hausstandes ein Nudelholz schwingend hinterherlief. Nein, das ganze musste subtiler angegangen werden. Sollte er einen Tag darüber nachdenken. Das gab ihr die Zeit, ebenfalls darüber nachzudenken. Und dann konnte sie ihm ja ein paar visuelle Anregungen geben, was durchaus positiv daran wäre, sie zu heiraten – wobei es fast schon einer Frechheit gleich kam, dass er das noch nicht von selbst bemerkt hatte. Sie hatte zwar zwei Kinder geboren, aber sie sah dennoch gut aus. Oder? Verdammte Axt, ja!
    Und so ließ sie ihn gehen und schüttelte nur den Kopf, als er aus dem Zimmer gestolpert war. Männer! Da tat man alles, um ihnen zu helfen, und sie hatten Angst vor einem. Da konnte er ja wirklich froh sein, dass sie auf seiner Seite stand. Wenn er jetzt schon so in Panik verfiel, mochte sie sich nicht ausmalen, wie das ausähe, würde sie ihm wirklich böses wollen. Wobei das auch zu der Frage führte, was er machte, wenn eine Frau ihm böses wollte...
    Elfleda räumte noch alles beiseite und verließ dann selbst das Arbeitszimmer. Es gab einiges, was sie durchdenken musste.

  • Den Hausherrn im Arbeitszimmer wissen klopfte Albin und trat ein um den Gast anzukündigen.
    "Witjon, Besuch. Valgiso will mit dir sprechen..."


    Sprach's, ließ den Gast hinein und verschwand dann wieder seiner Wege..

  • Zitat

    Witjon, Besuch. Valgiso will mit dir sprechen...


    Dieser Albin, irgendwie war er kauzig und ich fragte mich, warum ich kauzige Menschen eigentlich mochte. Mit einem leisen Schrecken vernahm ich, wie meine innere Stimme mir als tieferen Grund dafür andeutete, dass ich schon auf gutem Wege sei, selber kauzig zu werden.


    Ich wandte mich an Marsus.


    "Salve Duccius Marsus, immer noch als Scriba im Dienste des Imperiums bringe ich meinem früheren Magister die Urkunde für Sönke ... oder Marius Madarus. Ich hoffe, es wird dich freuen. Sodann, jetzt aber als unrasierter Einwohner von Mogontiacum bringe ich einige Fragen. Ich hoffe, dass du dafür Zeit aufbringen kannst. Hier erst mal die Urkunde".


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    dem Peregrinus Sönke
    alias
    Marcus Marius Madarus


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM III NON NOV DCCCLX A.U.C. (3.11.2010/107 n.Chr.).


    DAS
    BÜRGERRECHT


    Marcus Vinicius Hungaricus

  • Witjon hob den Blick von Papierkram und freute sich, Valgiso zu sehen. "Salve mein Guter. Schön dich zu sehen. Und dann auch noch zu solch erfreulichem Anlass." Er nahm die Urkunde freudenstrahlend entgegen, überflog sie und legte sie dann zufrieden auf den Schreibtisch. "Setz dich doch. Darf's was zu trinken sein? Wein? Vermutlich lieber Bier? Ich hab' alles da." Valgisos Wunsch kam er dann gerne nach. Dann ging er auf sein privates Anliegen ein. "Du hast als unrasierter Einwohner der Stadt Fragen? Na dann schieß mal los." Ein Schmunzeln konnte er sich bei dieser Bezeichnung beim besten Willen jedoch nicht verkneifen.

  • Zitat

    Du hast als unrasierter Einwohner der Stadt Fragen? Na dann schieß mal los.


    Ich nahm Platz. Ein Bierchen? "Danke, Marsus, ich nehme gerne ein Bier". Ich strich mir über den Schnäuzer, "Ja, unrasiert, so sehen es die Römer, die schauen mich immer etwas schief an, aber ich kann mich nun mal nicht von diesem Schnäuzer trennen".


    Nachdem ich einen Schluck genommen hatte, wischte ich mir den Schaum mit dem Handrücken ab. "Tja, du weisst vielleicht, dass ich mir noch ein bißchen Geld nebenher mit einer Tongrube verdiene und neuerdings auch mit einer Obstplantage. Der Anfang war nicht leicht, bei den horrenden Preisen für die Sklaven. 500 Sesterzen und du kriegst vielleicht einen Friesen, der nicht mal schreiben und lesen kann. Aber ich hatte Glück, ich bekam einen Griechen, der sogar rechnen kann. Damals hat mir Duccius Rufus mit einem Kredit unter die Arme gegriffen. Das ist inzwischen aber abbezahlt. Die Betriebe laufen jetzt ganz gut, obwohl es manchmal etwas eiert".


    Ich hob kurz die Schultern, "Mir stellt sich jetzt die Frage, ob es für mich Sinn macht, Freya Mercurioque beizutreten".

  • Eines Abends suchte Phelan seinen Vetter im Arbeitszimmer auf. Bevor er durch die Tür trat, legte er seine linke Hand auf den Türrahmen und fühlte das Holz. Ein komisches Gefühl, hatte er hier doch meist Lando aufgesucht oder nach Rat gefragt. Es war nicht so, als ob Witjon nie in diesem Zimmer gearbeitet hatte, aber jetzt war er nicht mehr zusammen mit Lando, sondern alleine dort..
    Nach einigen Momenten Gedankenschwelgen trat er ein und fand seinen Vetter am Schreibtisch sitzend auf.


    "Heilsa.. viel Arbeit?"

  • Während Valgiso erzählte nahm Witjon genüsslich einen Schluck Bier. Und noch einen. Er schob ein wissendes Nicken ein, als der Schnäuzerträger sich über die horrenden Sklavenpreisen beschwerte. Wieder ein Schluck Bier. Gut, das wusste er ja alles. Der Kredit, die Betriebe, und so weiter. Die nächste Frage, die Valgiso stellte, hätte Witjon bereits erahnen können, wenn er ganz bei der Sache gewesen wäre. So zauberte Valgiso ein breites Lächeln auf Witjons Miene, der sich abrupt aufrecht hinsetzte. "Du bist an der Freya Mercurioque interessiert? Na, ich kann dir sagen, dass das natürlich nur Sinn macht beizutreten!" Er lachte über die Einfachheit der Antwort, setzte dann jedoch zu einer Erläuterung an. "Nein, ernsthaft: Dir stünde gleich ein weitaus größerer Kundenkreis zu Verfügung. Ganz zu schweigen von den Zulieferern. Und wir Socii pflegen untereinander zu den staatlich empfohlenen Festpreisen zu handeln, was unsere Waren insgesamt oft günstiger macht als die der vielen Kleinkaufleute, die bereits hohe Einkaufs- und Produktionspreise kompensieren müssen." Erwartungsvoll sah er den Kelten an. Witjon schätzte ihn klug genug ein, das bereits im Voraus irgendwie in Erfahrung gebracht zu haben und nicht ohne ein Meinungsbild hergekommen zu sein.

  • "N'abend," machte Witjon, der im Schein einer Öllampe die Listen der Ernteeinfuhren überflog. Er hob den Blick und fand seinen Vetter Phelan vor sich, den er bereits an der Stimme erkannt hatte. Er begrüßte ihn mit einem müden Lächeln. "Geht so. Muss nochmal kontrollesen. Irgendwo muss hier ein Zahlendreher sein, da bin ich mir sicher..." Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Blatt, das jedoch vor seinen Augen bereits zu verschwimmen drohte. Mit einem resignierten Seufzer legte er es zur Seite und sah wieder auf. "Und wie steht's bei dir so?"

  • Zitat

    Marsus: " ... wir Socii pflegen untereinander zu den staatlich empfohlenen Festpreisen zu handeln, was unsere Waren insgesamt oft günstiger macht ... "


    Ich lachte: "Ja, das weiss ich schon, gerade hat mir Albin zu staatlich festgesetzten Preisen mein Tonlager ratzekahl leergekauft. Ein Haufen Zeugs, mit dem kann er den ganzen Markt durcheinander bringen".


    "Sei's drum. Mich interessiert dabei konkret etwas anderes. Ich kann Ton anbieten, da läuft das ja schon freyamercurioquemäßig, wie man an Albin sieht. Ich kann Obst und eingelegtes Obst anbieten. Gibt es da bei Freya Mercurioque Abnehmer? Und weiter: Ich brauche Honig. Der ist oft schwer zu bekommen, weil er offenbar komplett zu Honigwein verwurstet wird. Kann ich das Problem mit Freya Mercurioque lösen?"


    Ich nahm einen Schluck Bier und lehnte mich zurück.

  • Witjon sah ziemlich müde aus, musste er doch jetzt Landos Arbeit ebenfalls stämmen, vor allem bezüglich der Freya Mercurioque.
    "Ich hoffe du brauchst nicht mehr lange, ich könnte ein wenig Bier im Kaminzimmer vertragen." so etwas hatten sie schon lange nicht mehr gemacht, der junge Gode hatte sich auch sehr aus dem Familiengeschehen zurückgezogen, seit dem Lando übergegangen war..
    "Ich werde bald nach Rom reisen. Weißt du wo Vala sich aufhält?"

  • Zitat

    Original von Valgiso
    Ich lachte: "Ja, das weiss ich schon, gerade hat mir Albin zu staatlich festgesetzten Preisen mein Tonlager ratzekahl leergekauft. Ein Haufen Zeugs, mit dem kann er den ganzen Markt durcheinander bringen".


    "Sei's drum. Mich interessiert dabei konkret etwas anderes. Ich kann Ton anbieten, da läuft das ja schon freyamercurioquemäßig, wie man an Albin sieht. Ich kann Obst und eingelegtes Obst anbieten. Gibt es da bei Freya Mercurioque Abnehmer? Und weiter: Ich brauche Honig. Der ist oft schwer zu bekommen, weil er offenbar komplett zu Honigwein verwurstet wird. Kann ich das Problem mit Freya Mercurioque lösen?"


    Ich nahm einen Schluck Bier und lehnte mich zurück.


    Hm. Obst? Honig. Witjon runzelte grübelnd die Stirn. Er tat es Valgiso gleich und lehnte sich zurück, eine Mischung aus 'ööh' und einem Seufzer ausstoßend. "Also Obst, eingelegt oder nicht, braucht jeder. Natürlich kaufen wir bevorzugt von Socii, wenn die es anbieten. Sollte Marga demnächst also Mit Äpfeln kochen oder backen wollen, dann wäre dein Stand in der Basilica ihre erste Wahl." Er lächelte verschwörerisch, wusste er doch was es für einen Händler hieß dem Handelskonsortium anzugehören. Sämtliche Mitglieder setzten klare Prioritäten und kauften dementsprechend alles Notwendige zunächst bei den Socii des Konsortiums.
    "Was den Honig angeht...naja." Hier musste Witjon wieder kurz überlegen. Sie hatten doch einen Imker in ihrem Besitz, oder nicht? Aber wer nur? Achja... "Lucius Purgitius Maecenas hat eine Imkerei, deren Erzeugnisse er in der Basilica anbietet. Sein Betrieb ist bereits komplett ausgelastet, soweit ich weiß." Mit hochgezogenen Augenbrauen fuhr er fort. "Man könnte natürlich darüber nachdenken, eine weitere Imkerei zu eröffnen. Wenn du dann sowieso Socius wärst..."

  • Rom? ROM?! "Rom?" platzte Witjon heraus. "Was willst du denn da?" Vor allem: Was wollte er schon wieder da? War er nicht erst vor ein paar Jahren in Rom gewesen? Jetzt war erstmal alle Arbeit vergessen. Witjon starrte seinen Vetter überrascht an. Die Augenbrauen fragend zusammengezogen hakte er weiter nach: "Hast du nicht Verpflichtungen nachzugehen? Hier, in Mogontiacum?"

  • Zitat

    Man könnte natürlich darüber nachdenken, eine weitere Imkerei zu eröffnen. Wenn du dann sowieso Socius wärst..


    Ich schob den Bierbecher etwas auf die Seite und beugte mich vor. "Ich denke darüber nach. Aber es gibt schon einen ganzen Haufen Imkereien und der Honig versickert trotzdem wie Wasser im Sand. Verstehst du das? Wenn ich eine Imkerei aufmache, dann wäre die praktisch in erster Linie für meinen Eigenbedarf. Das muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen".


    Ich wischte mit einer Hand über den Tisch, um das Thema abzuschließen.


    "Hat Freya Mercurioque denn ein Interesse daran, mich mit meinem, äh, Produktsortiment als Socius aufzunehmen?"

  • Keine Ahnung was jetzt so abstrus an dem war, was er eben gesesagt hatte, aber seinen Vetter schien es doch sehr zu wundern. "Ich werde dem Cultus in Rom einen Brief senden, ich denke Calvena oder andere können für den kurzen Zeitraum meine Verpflichtungen übernehmen." erklärte er. "Ich wollte Tiberius Durus einen Besuch abstatten, wie gesagt Vala aufsuchen und zum Haus der Aurelier.. wollte ich auch gehen."

  • "Nun gut," nickte Witjon. Abstrus am Gesagten war schlichtweg, dass Witjon nicht erwartet hatte seinen Vetter bald nach Rom aufbrechen zu sehen. "Du wartest aber noch bis zum Beginn des Frühjahres, richtig?" Er würde nicht zulassen, dass Phelan jetzt - im tiefsten Winter - den Weg über die Alpen in Angriff nahm. Das war viel zu gefährlich, geradezu lebensmüde! Während er sich zurücklehnte, atmete Witjon einmal tief durch. Sein Vetter war wahrhaft für so manche Überraschung gut.

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