Nach seinem Gespräch mit Corvinus hatte Hadamar sich auf den Weg gemacht, ohne sich vorher noch mal umzuziehen. Er war unruhig nach all dem, was zu hören war, und nachdem er jetzt die Erlaubnis bekommen hatte zu gehen, wollte er lieber früher als später mit Witjon reden. Und war er in voller Rüstung in der Casa Duccia eingetrudelt und stand jetzt, den Helm unter den Arm geklemmt, vor der Tür zu Witjons Officium und klopfte lautstark an, nur um gleich darauf einzutreten, ohne auf das Herein zu warten – mal abgesehen von den Offizieren ab Centurio aufwärts hatte er sich bei der Legio angewöhnt, auf solche Sperenzchen zu verzichten, weil das einfach jeder tat...
[Officium | Ando Kritja] Das Arbeitszimmer
- Flavius Duccius Germanicus
- Geschlossen
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Witjon betrachtete gerade drei Wachstafeln, die Berichte aus den verschiedensten Windrichtungen enthielten. Man musste als Geschäftsmann immer die Entwicklungen in der Region und darüber hinaus beobachten, um nicht Opfer einer fatalen Marktveränderung zu werden. Wenn man in die falschen Waren zur falschen Zeit mit den falschen Geschäftspartnern investierte, konnte das den Bankrott bedeuten. Und gerade infolge der Nachricht vom Kaisertod sollte man lieber darauf achten, was sich so tat, bevor man dumm da stand.
"Ja bi..." wollte Witjon den unerwartet Klopfenden hereinrufen, als dieser schon im Raum stand. "Hadamar?!" Witjon war ehrlich überrascht, den Jungen zu sehen. Er erhob sich schnell und etwas unbeholfen und umarmte den Duccius herzlich. "Legionarius Hadamar," schmunzelte Witjon dann. "Wie geht es dir?" fragte er. Eine knappe Geste wies Hadamar, sich zu setzen. Befehle war er ja wohl gewöhnt. Mit einem fragenden Blick deutete Witjon schließlich auf das obligatorische Beistelltischchen, wo sich Dünnbier und etwas verdünnter Wein befanden.
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Obwohl er unruhig war, musste Hadamar trotzdem grinsen, als er Witjons Überraschung sah. „Ja, genau das“, antwortete er, immer noch grinsend, als Witjon ihn Legionarius nannte. Er hatte seiner Familie eine Nachricht zukommen lassen, hatte es aber nicht gewagt, um Freigang zu bitten, nachdem er nach seiner Beförderung ja erst mal die Strafe aufgebrummt bekommen hatte... irgendwie wäre das da... na ja, etwas frech gewesen, danach dann gleich wieder Freigang zu wollen. Was mittlerweile auch wieder eine ganze Weile her war schon, und seitdem hatte er nicht wirklich einen Grund gefunden, seine Familie zu besuchen. Besuchen zu wollen. Irgendwie hatte er sich einfach davor gedrückt nach dem letzten Krach, den er sowohl mit Witjon als auch vor allem mit seiner Mutter gehabt hatte.
Zumindest Witjon allerdings schien ihm nichts übel zu nehmen, gemessen an seiner Reaktion, oder vielleicht war auch einfach nur Hadamars Taktik insofern aufgefangen, dass inzwischen genug Zeit vergangen war, dass er nicht mehr sauer war. „Ganz gut, ja“, antwortete er, nachdem er die Umarmung erwidert hatte, warf seinen Militärumhang, den er vorhin schon abgenommen hatte, über die Lehne des Stuhls und setzte sich dann. „Das Lagerleben ist... anstrengend. Nicht sonderlich abwechslungsreich. Aber es gefällt mir.“ Er neigte sich vor und schenkte sich von dem Bier ein, bevor er fragend zu Witjon sah, ob der was haben wollte. „Was ist mit dir? Ist hier alles in Ordnung?“
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Witjon beantwortete den fragenden Blick bezüglich des Bieres mit einem Nicken. "Oh Wunder," kommentierte er dann auch sogleich Hadamars Schilderung seiner bisherigen Zeit als Soldat. Das klang ja wirklich unglaublich spannend. "Ach ja," ächzte er auf Hadamars Gegenfrage hin, bemüht nicht zu besorgt zu klingen. "Es läuft. Schlechte Nachrichten sind schlecht für's Geschäft und die Verwaltungsarbeit lässt mich auch selten aufatmen. Aber dafür ist Eila wieder hergekommen." Er lächelte vielsagend. Witjon war immer gut gelaunt, wenn Eila in der Nähe war. "Also, ich kann nicht klagen." Witjon zuckte mit den Schultern und prostete seinem frischen Legionär stumm zu, dann trank er einen guten Schluck. "Aaah, gut..." murmelte er, als er den Becher abgesetzt hatte.
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Hadamar trank einen Schluck und musterte Witjon, und ein wenig verblüfft stellte er fest, dass ihn sogar interessierte, wie es lief bei ihm und der Familie. Kannte er gar nicht von sich... aber vielleicht lag das daran, dass er zum ersten Mal etwas von Witjon wissen wollte, etwas, was in direktem Zusammenhang mit seiner Arbeit, seiner Position stand. Dass er zum ersten Mal begriff, dass das nicht einfach von den Göttern gegeben war, sondern nur wenige hatten – und wirklich etwas brachte. Er räusperte sich und grinste dann. „Eila ist wieder da? Was hat sie für Pläne?“ Er trank wieder, räusperte sich erneut. „Hör mal... wegen dieser... ehm, schlechten Neuigkeiten. Der Kaisermord und so. Deswegen bin ich gekommen.“ Hadamar machte eine kurze Pause, gab sich einen Ruck und fuhr fort: „Was weißt du darüber?“
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"Pläne? Mann, wir sprechen hier von Eila! Woher soll ich das wissen?!" Hadamar traf ein empört-amüsierter Blick. Witjon wusste alles, nur nicht was in Eilas Kopf vorging.
Aber er konnte erahnen, was in Hadamars Kopf vorging. Denn der kam dann auch recht schnell auf den eigentlichen Grund seines Besuches zu sprechen. Witjon hätte es wissen müssen. Er dachte, Witjon wüsste etwas über den Kaisermord. Alle dachten das, alle kamen in letzter Zeit zu ihm. Er war Duumvir, er war Sippenoberhaupt, er hatte Kontakte, bla bla bla.
"Ich. Habe. Keinen. Blassen. Schimmer." Das war das einzige, was Witjon konkret sagen konnte. "Ich habe seit Ewigkeiten nichts von meinem Patron gehört. Alrik ist in Aegyptus, der hat auch nichts näheres verlauten lassen. Und die Kaufleute, die aus Raetia oder Noricum herkommen, können auch nichts genaueres sagen." Er schüttelte entschuldigend den Kopf und trank lieber noch einen Schluck. "Die Alpen sind noch immer verschneit, es dringen nur wenige klare Nachrichten aus Italia durch. Man spürt überall die große Unsicherheit." -
Hadamar grinste schief. Seine Tante Eila hatte ihm immer irgendwie Respekt eingeflößt, aber dass Witjon da genauso wenig sagen konnte, hätte er nicht gedacht – früher jedenfalls nicht, als er noch kleiner gewesen war. „Sag ihr mal nen schönen Gruß von mir.“
Als er dann allerdings auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu sprechen kam, musste Hadamar feststellen, dass er enttäuscht wurde. Witjon wusste nichts. Wenn überhaupt schien er sogar noch weniger zu wissen als er selbst, der immerhin beim Appell vom Legat das ein oder andere gehört hatte. „Und... was hältst du davon? Was denkst du? Ich meine...“ Hadamar biss sich kurz auf die Unterlippe, unschlüssig, ob er weiter reden sollte. Er wusste nicht, ob er da überhaupt was sagen durfte, aber er wusste immerhin, dass das Eis dünn war, wenn er mit jemandem über etwas sprach, was die Legion anging, der nicht der Legion angehörte. Aber das war Witjon. Familie. Sippenoberhaupt. „Ich weiß nicht ob das uns nicht bald betreffen wird. Und ich wüsst gern... mehr.“
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"Mach ich," sagte Witjon gerne zu. Er würde Eila sicherlich beim Abendessen wiedersehen, da gab es immer eine Gelegenheit.
"Mehr. Wir alle wüssten gern mehr." Witjon hob hilfslos die Hände. "Ich kann auch nicht mehr sagen, als dass die Kaiserfamilie tot ist. Und ich will nicht hoffen, dass wir bald betroffen sein werden. Denn das würde nur Unglück bedeuten. Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert, wenn ein Konflikt um den Thron entbrennt. Du kannst nur beten, dass deine Legion nicht marschieren wird." Witjon wollte sich gar nicht vorstellen, was ein Bürgerkrieg für Folgen haben würde. Erst recht, wenn er bis nach Germania Superior ausgreifen würrde. Das war das schlimmste Szenario, das Witjon sich im moment denken konnte. "Du willst wissen was von denke? Das kann ich dir sagen: Ich denke, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Eine friedliche oder eine kriegerische Lösung des Nachfolgeproblems. Wir wissen nicht, ob der Princeps einen Nachfolger bestimmt hat. Und selbst wenn, könnte es Streitigkeiten geben. Du hast sicherlich bereits die Proskriptionslisten gesehen? Wenn unser Statthalter mit einem dieser Männer sympathisiert, wird es vielleicht Krieg geben. Und der wird hoffentlich nicht in Germania stattfinden, sondern weit entfernt. Möglichst ohne die Secunda."
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Hadamar presste die Lippen aufeinander, während er Witjon zuhörte. Er hatte gehofft, sein Onkel wüsste mehr über die ganze Sache, wenigstens ein bisschen. Er ließ sich zurückfallen, bis sein Rücken die Lehne berührte, und nahm noch einen Zug, einen tiefen diesmal. Er dachte an das, was der Legat gesagt hatte: wir folgen keinem Kaisermörder. Er neigte sich wieder nach vorn und stützte seine Unterarme auf den Oberschenkeln ab, den Krug Bier in seinen Händen. „Die Secunda wird marschieren“, antwortete er, mehr in den Krug hinein – und erst in diesem Augenblick, in dem er das aussprach, wurde es ihm wirklich bewusst. Die Secunda würde marschieren... wenn der Kaisermörder, oder der, den der Legat dafür hielt, sich selbst zum Kaiser machen würde. Anders ließen sich die Worte des Legaten beim Appell nicht erklären. „Bei dem Appell, wo wir von der ganzen Sache erfahren haben... da hat der Legat gesagt, er folgt keinem Kaisermörder.“ Nachdenklich starrte Hadamar wieder in den Krug hinein, unschlüssig, was er davon halten sollte. Es kribbelte. Natürlich war ihm irgendwie bewusst, dass er sich wohl besser wünschen sollte, die Secunda würde nicht involviert werden – schon gar nicht wo er selbst keine Ahnung hatte, was die richtige Seite war, weil er das gar nicht einschätzen konnte. Und selbst wenn er es gekonnt hätte... hatte er ja kaum eine Wahl als seinem Legaten zu folgen. Aber... es kribbelte. Die Aussicht auf einen Kampf... auf Aufregung, auf Abenteuer... er war nicht deswegen zur Legio gegangen, das waren Sönkes Träume gewesen – er hatte sich gemeldet, weil er einfach das Gegenteil von dem hatte tun wollen, was seine Familie gewollt hatte. Aber das hieß noch lange nicht, dass ihm diese Aussichten nicht gefallen würden, ganz im Gegenteil. Das Manöver war schon ein Abenteuer gewesen, was würde es erst sein, wenn sie wirklich in einen Krieg zogen?`Hadamar, der in seinem Leben in noch keinem schlimmeren Kampf als einer handfesten Prügelei gesteckt hatte, der noch nie gesehen hatte wie andere um ihn herum umgebracht wurden und der schon gar nicht selbst jemanden getötet hatte bisher, stellte fest, dass er sich... nun ja... darauf freute, dass die Secunda möglicherweise losziehen würde. „Wen hältst du für den Mörder?“
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Hadamars Worte vernichteten Witjons Hoffnungen ein für alle Mal. Der junge Duccius sprach das Grauen aus, das das Sippenoberhaupt befürchtete. Er hatte Angst vor dem Krieg. Witjon hatte bereits gesehen, wie Männer getötet wurden. Er hatte zwar keinen Krieg erlebt, keinen Kampf zwischen den Stämmen, nicht einmal den Bauernaufstand damals in Borbetomagus hatte er wirklich mitbekommen. Aber er hatte gesehen, wie Männer starben. Lando war vor seinen Augen aus dem Leben geschieden und er selbst hatte damals den Tudicius erschlagen. Ein Schauer durchfuhr ihn, als er an diesen schrecklichen Augenblick zurückdachte.
"Mögen die Götter uns beistehen," presste Witjon hervor. "Ich habe keine Ahnung," gab er dann auf Hadamars Frage zurück. Wie sollte er auch? "Ich habe nicht die leiseste Ahnung von den Verhältnissen in Rom. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Vescularius den Kaiser hat umbringen lassen, um seinen Thron usurpieren zu können. Oder aber die offiziellen Informationen sind wahr und eine Verschwörerclique aus dem Senat hat den Anschlag verübt und dem Praefectus Urbi dadurch den Weg geebnet. Wer weiß das schon?" Er zuckte mit den Schultern und zog seinen Becher leer, setzte ihn geräuschvoll auf dem Tisch ab. "Weißt du denn etwas Konkreteres? Was hat der Legat noch gesagt?"
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Hadamar konnte sehen, was seine Worte bei Witjon auslösten, und das holte ihn ein bisschen wieder auf den Boden zurück. Genug jedenfalls, dass er ahnte dass es besser war, den Mund zu halten über das, was er darüber dachte. „Vescularius. Das... ist...“ Er kratzte sich am Kopf. Wie sollte er selbst das alles auch nur annähernd einschätzen können, wenn er keine Ahnung hatte, wer was war und warum? „Kannst du mir erst mal in Kurzform erklären, wer da überhaupt was ist? Und wie das zusammenhängt?“ Er kratzte sich wieder am Kopf und sah Witjon zögernd an. „Das... also... Ich weiß nicht, ob ich da überhaupt was drüber sagen darf. Das bleibt unter uns, ja?“ Nachdem er sich dessen versichert hatte, fuhr er fort: „So wie ich das begriffen hab, hält der Legat den... diesen... der in Rom das Sagen hat für den Mörder. Und er glaubt, dass der Treue einfordern wird von den Truppen. Was der Legat ihm aber verweigern will. Er... will...“ Was hatte er noch gesagt? „... dass der Mörder bestraft wird. Und dann meinte er noch, dass wir den Eid auf den Kaiser geschworen haben. Valerianus. Und solange es keinen Nachfolger gibt, also keinen richtigen, regulären, gilt unser Eid nach wie vor ihm.“
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"Der Praefectus Urbi, Stellvertreter des verstorbenen Kaisers, außerdem sein ehemaliger Kampfgefährte in Illyricum und Dacia. Er führt seit Jahren schon die laufenden Geschäfte des Reiches, seit Princeps Valerianus von seiner Krankheit darniedergehalten wurde. Er ist zur Zeit einer der mächtigsten Männer des Imperium Romanum, mal abgesehen vielleicht von den beiden Praefecti Praetoriorum und diversen Statthaltern, die eine gewisse Anzahl Legionen unter sich vereinen." Womit der Belehrung wohl erstmal Genüge getan war.
"Selbstverständlich bleibt das unter uns," sicherte Witjon Hadamar auf dessen Frage hin zu und hörte sich dann an, was der junge Duccius zu sagen hatte. Und das war eine ganze Menge, die Witjon nicht gerade in seinen Befürchtungen beruhigte.
"Das...kann nur Krieg geben," ächzte Witjon und ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen. "Du wirst für einen toten Mann in den Krieg ziehen, Hadamar." -
Während Hadamar zuhörte, stellte er fast schon überrascht fest, dass ihm das ein oder andere tatsächlich bekannt vorkam. Er hatte ja nicht geglaubt, dass er sich an die Sachen aus dem drögen Unterricht würde erinnern können – und schon gar nicht, dass der sogar zu was nütze sein würde. Jedenfalls dann, wenn man das in irgendeinen praktischen Kontext setzen konnte... Hadamar nickte langsam und prägte sich ein, was Witjon erzählte, während er einen weiteren Zug aus seinem Krug nahm, der den Inhalt nun auch bei ihm zur Neige brachte.
Witjons nächste Reaktion war dann beinahe noch fassungsloser als die davor. Und Hadamar war davon erst mal verdutzt. „Für. Eh. Jaaa...“, machte er gedehnt, um Zeit zu schinden, und versuchte sich dann selbst drüber klar zu werden, was Witjon meinte. „Aber... auf den haben wir unseren Eid geschworen. Und es geht um das Imperium. Wer das... in Zukunft beherrscht. Willst du da den an der Spitze haben, der den bisherigen Kaiser umgebracht hat?“ Er trank auch noch den letzten Schluck aus und stellte seinen Krug zu Witjons. „Also ist das Problem doch nur rauszufinden, wer's war. … Wie war das noch mal mit diesen Proskriptionslisten?“ Corvinus' Vetter hatte in seinem Brief auch irgendwas davon gefaselt. „Die da drauf stehen hat dieser Praefectus Urbi für die Mörder erklärt. Oder?“
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"Nein," stimmte Witjon Hadamars Ansicht zu, dass ein Kaisermörder nicht den Thron übernehmen sollte. "Aber wie willst du denn denjenigen ermitteln? Ich glaube kaum, dass das so einfach zu machen sein wird. Und die Proskriptionslisten werden immerhin auch vom Vescularius ausgestellt. Wenn er selbst der Kaisermörder ist, werden die Listen uns wohl kaum weiterhelfen." Er füllte die Becher auf und reichte Hadamar seinen zurück. "Sollte der Praefectus Urbi allerdings Recht haben mit seiner Beschuldigung, dann würde es wenig Sinn machen, gegen ihn zu marschieren, falls er der rechtmäßige Erbe des Kaisers ist. Natürlich nur, falls er das ist. Falls nicht...nun...irgendwer wird wohl bald Anspruch auf den Thron erheben, wenn sich jemand dazu in der Lage und Position sieht." Witjon trank wieder etwas Bier und warf einen Blick aus dem Fenster, der sich für einen kurzen Moment irgendwo in der Weite verlor. "Vielleicht tritt ja sehr bald einer der Männer in Aktion, die bereits auf der Proskriptionsliste stehen, wer weiß?" Er konnte keinen der Namen wirklich zuordnen. Ein Flavier, ein Aurelier und ein Cornelier. Allesamt Patrizier, allesamt Senatoren. Witjon hatte nur letzteren marginal im Gedächtnis behalten, weil der Cornelius im Krieg in Raetia aktiv gewesen war. Aber da hörte es bei ihm auch schon auf.
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„Ich?“ machte Hadamar überrascht. „Gar nicht. Ich... also, ich geh davon aus, dass unser Legat sich da schon seine Gedanken machen wird.“ Er zuckte die Achseln und spielte kurz mit dem Gedanken, sich noch mal nachzuschenken, entschied sich dann aber dagegen. „Er... er kennt die immerhin persönlich in Rom. Oder wenigstens ein paar von denen. Und er hat da... noch mal andere Möglichkeiten...“ versuchte er dann Gründe zu finden, auch wenn die in seinen eigenen Ohren ein wenig schal klangen. Aber was für eine Wahl hatte er schon? Es gab nicht großartig etwas, was er hätte tun können. Schon gar nichts, um herauszufinden wer nun eigentlich der Kaisermörder war. „Ich glaub einfach, dass der Legat der II. da ehrlich versuchen wird, die Wahrheit rauszufinden. Er hat ja noch net mal gesagt, wenn er für den Mörder hält, beim Appell. Also, er hat zumindest keinen Namen genannt.“
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"Keine Namen?" Witjon wiederholte letztgenanntes mehr für sich selbst, als dass es eine ernsthafte Nachfrage darstellte. Kurz dachte er darüber nach, was Hadamar gesagt hatte, kam jedoch zu keinerlei Ergebnis. Die Situation war unlösbar. Zumindest fiel Witjon auf Anhieb nichts ein, was irgendwie befriedigend geklungen hätte. "Tja. Ich fürchte, da können wir nichts tun. Du wirst dem Legaten folgen. Und wenn es nicht zu einem Zerwürfnis kommt, folgt der Legatus Legionis dem Legatus Augusti Pro Praetore. Und wem der folgt, falls er denn irgendwem folgen wird, das..." Er seufzte resigniert und drückte damit seine ganze Hilflosigkeit in diesem Moment aus. "...das wird letztlich entscheiden, wohin und gegen wen die Secunda marschieren wird." Verlegen betrachtete Witjon seinen Becher, denn sah er Hadamar direkt in die Augen. "Wir können nur hoffen, dass die Götter deiner Einheit ein glückliches Schicksal bestimmt haben. Opfere, Hadamar, opfere für dein Kampfesglück." Nachdem er so eine düstere Aufforderung abgegeben hatte, lächelte Witjon allerdings aufmunternd, soweit er das hinbekam. "Aber ich will die Zukunft nicht schwarz malen. Bis dahin kann noch viel Zeit vergehen. Vielleicht kommt alles anders. Bereiten wir uns bestmöglich auf die vorhersehbaren Varianten vor und wappnen wir uns gegen die Unwägbarkeiten." Witjon klang plötzlich wie ein richtiger Sippenführer, auch wenn er sich unglaublich albern dabei vorkam.
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Hadamar strich nachdenklich mit einem Finger über den Rand seines Bierkrugs, während er Witjon zuhörte. Nicht dass es ihm gefiel, selbst so überhaupt keine Entscheidung treffen zu können – aber so war es halt. Und es war so, wie er gesagt hatte: er traute seinem Legaten. So sehr man einem Mann eben trauen konnte, den man im Grunde gar nicht kannte und nur ein paar Mal gesehen hatte. Aber er führte die II gut, jedenfalls hatte Hadamar keinen Grund was zu bemängeln, und er hörte auch von anderen keine Beschwerden. Trotzdem wäre es wohl deutlich einfacher, wenn es einfach gegen einen Feind ginge, der das Reich von außen bedrohte... wo die Sache halt klar war.
Witjon allerdings schien sich darüber hinaus noch Sorgen zu machen, ob Hadamar auch am Leben bleiben würde... und das wiederum war etwas, worüber er selbst sich eigentlich gar keine Gedanken machte. Und auch gar nicht machen wollte. Er war jung, die Götter waren bisher immer irgendwie auf seiner Seite gewesen – er würde da schon heil rauskommen.
Das äußerte er Witjon gegenüber allerdings nicht. Er nickte nur und versprach ihm, für sein Kampfglück zu opfern und unterhielt sich noch ein wenig mit seinem Sippenführer, bevor er sich dann schließlich verabschiedete.~~~ Tage später ~~~
Die Tage vergingen seit jenem Gespräch, und irgendwann stand Hadamar wieder vor Witjons Tür – und hämmerte dagegen, nur um dann gleich wieder mitten im Raum zu stehen, ohne eine Antwort abgewartet zu haben. „Heilsa!“
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Witjon brütete ausnahmsweise mal nicht über irgendwelchen Berichten, Geschäftsstatistiken oder Rechnungen. Statt dessen dachte er über die Entwicklungen der Lex Municipalis nach, die immer noch viel Aufmerksamkeit von den Decuriones forderten. Oder er versuchte es zumindest, denn in der vergangenen Stunde hatte er kaum einen klaren Gedanken auf die Lex fokussieren können. Es gab viel zu viele Gerüchte oder halb bestätigte Nachrichten, von denen er sich bereitwillig ablenken ließ.
"Heilsa Hadamar", grüßte und winkte mit einer lässigen Handbewegung. "Lass dich nieder", wies er den jungen Mann dann freundlich an. Witjon hätte ihm auch die Hand gegeben, aber heute war er einfach mal faul und müde und blieb wie der letzte Schlunz in seinem Stuhl hängen. "Was gibt's Neues im Castellum?" fragte er und fügte mit einem Fingerzeig auf den gut gefüllten Beistelltisch sogleich an: "Bier? Oder sowas?"
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Hadamar ließ es sich nicht zwei mal sagen sich zu setzen, ging zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder – nur um gleich darauf wieder aufzuspringen und sich ein Bier einzuschenken. Nach dem Treffen mit dem hübschen Mädel war er fast schon verdächtig gut gelaunt, und mehr noch, er hatte das Gefühl nicht still sitzen zu können. Wie gut, dass er heute auch noch vor hatte seine Mutter zu besuchen, auf dem Weg dahin konnte er durch Laufen etwas überschüssige Energie los werden... andererseits: so viel Zeit hatte er nun nicht mehr, weil er auf dem Markt mehr davon vertrödelt hatte als ursprünglich geplant. Aber er konnte sich hier von der Hros ja ein Pferd ausleihen. Beim Reiten wurde man auch Energie los. Und es ging wesentlich schneller.
„Du auch?“ fragte er mit einem Schwenk des Bierkrugs in Richtung Witjon, um diesem dann einzuschenken, was der wollte – falls er was wollte. „Oh, einiges“, grinste er dann zurück – und das Grinsen, das wusste er selbst, war eigentlich völlig und absolut unangebracht bei dem, was die wichtigste Information war. Aber die anderen machten das irgendwie wieder wett. Und, natürlich, die Erinnerung an die Petronia. Hadamar räusperte sich und versuchte trotzdem, zuerst mal ein angemessen ernstes Gesicht zu machen. „Falls du's noch net mitgekriegt hast: die Legio II hat diesen... äh. Diesen... C... irgendwas mit Korn war's. Korni... Kornius? Cornelius! Den Cornelius als Kaiser ausgerufen. Der grad irgendwo im Osten wohl unterwegs ist. Und dem sein Bruder in Britannia der LAPP ist.“ Hadamar hatte sich nach dem Appell mal ein bisschen mit seinem Centurien-Scriba unterhalten, um ein bisschen klarere Sicht auf manche Dinge zu kriegen. Nicht dass er so wirklich durchblickte, aber nach und nach hatte er doch das Gefühl, wenigstens ein bisschen mehr Ahnung zu kriegen. „Hab außerdem nen Auftrag gekriegt, muss morgen nach Raetia. Und: ich bin Optio.“ Jetzt grinste Hadamar wieder fröhlich.
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"Immer", beantwortete Witjon Hadamars Nachfrage grinsend und hörte sich dann erstmal höchst interessiert an, was sein Gegenüber so zu erzählen hatte. "Der patrizische Senator, der auf den Proskriptionslisten stand", stellte Witjon nüchtern fest, als der Name Cornelius fiel. "Jetzt ist es also offiziell." Er sah kurz nachdenklich drein. "Weißt du denn etwas aus Britannia? Gibt es Nachrichten von dort? Haben sich Truppen in Bewegung gesetzt?" Immerhin standen auf der Insel auch einige Legionen, die Einsatz im Bürgerkrieg finden könnten.
"Nach Raetia?" platzte es dann aus Witjon heraus. "Und was hast du da zu tun? Und überhaupt, meinen Glückwunsch zur Beförderung!" Er freute sich für seinen Verwandten und erhob gut gelaunt seinen Becher. "Auf den Optio Lucius Duccius Ferox!" Das waren ja endlich mal gute Neuigkeiten. Es schien, als wäre Hadamar ja wirklich fähiger, als so einige ihm zutrauten.
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