Kaminzimmer

  • Es war eine unglaublich harte Woche gewesen für Witjon. Elfleda trauerte. Eila trauerte. Naha hasste ihn seit Landos Bestattung und er wusste nicht warum. Etliche Aufgaben türmten sich vor Witjon auf wie die winterlichen Alpen vor dem Reisenden. Nachdem ein Großteil der organisatorischen Aufgaben rund um die Freya Mercurioque, die Casa Duccia und den Landbesitz der Sippe beziehungsweise deren Munt abgearbeitet war, fiel der junge Ubier der Verzweiflung anheim. Er hatte so viel Arbeit gehabt, dass er seine Gefühle getrost verdrängen konnte. Das klappte so lange gut, wie er keine Zeit zum Nachdenken hatte. Das war dann leider allerdings nach einigen Tagen der Fall und so kam der Abend, an dem Witjon seine Trauer, Verzweiflung und Wut im Alkohol zu ertränken versuchte. Das war nun drei Tage her. Seitdem hatten ihn bereits acht verschiedene Spelunken in Hafennähe seine Anwesenheit begrüßen dürfen und viel Geld an ihm verdient.


    Es war tief nachts, als ein völlig betrunkener Witjon zur Tür der Casa Duccia hereinstolperte. Er rempelte die Kommode an, warf seine Schuhe in irgendeine Ecke und steuerte das Kaminzimmer an in der weisen Ahnung, dass die Treppe ein unüberwindliches Hindernis darstellen würde. Jetzt - nachdem er genüsslich an die eigene Hauswand gepisst, an die Nachbarshauswand gekotzt und mit dem Kopf gegen die Laterne am gegenüberliegenden Haus gestoßen war - konnte er getrost auf einem der Sessel einschlafen. Er torkelte durchs Atrium und fand irgendwie seinen Weg ins Kaminzimmer, wobei er sich an der Wand festhalten musste, eine Bank im Atrium anrempelte, sich das Knie anstieß und lauthals fluchend eine Blumenvase vom Sockel pfefferte. Ungerührt latschte er barfuß durch die Tonscherben und steuerte einen der ach so bequemen Sessel an. Schade nur, dass er den kleinen Beistelltisch vergessen hatte, der nur ungefähr bis zum Knie reichte. Ein lautes Krachen zeugte davon, dass er sich das Schienbein am Tisch aufschürfte, vornüber kippte und mit rudernden Armen gen Boden geschleudert wurde. Völlig unfreiwillig natürlich!
    "UUUAAARGHLB!"
    Mit dumpfem Klatschen schlug er zwischen Sessel und Tisch auf dem Boden auf und blieb auf dem - zum Glück recht gemütlichen - Teppich liegen. Mit dröhnendem Kopf, zerschlissenen Füßen, blaugeflecktem Knie und aufgeschürftem Schienbein blieb er dort liegen. Kurz war ein schmerzerfülltes Grummeln zu hören, dann erklang das leise, unregelmäßige Schnarchen eines Trunkenboldes.

  • Auch wenn Elfleda nachts aufwachte und den Lärm hörte, blieb sie in ihrem Bett liegen, die Arme leicht um Naha geschlungen. Sie hatte gelauscht, ob noch etwas passieren würde, ob Albin den Poltergeist zur Rede stellen würde oder ob der Lärm von etwas wirklich gefährlichem herrührte, aber nach einigen Momenten war er verklungen und es geschah auch nichts weiter, so dass die Mattiakerin wieder einschlief. Mit ihrem dicken Bauch würde sie nachts nicht durchs Haus stapfen, am besten noch mit einem Teppichklopfer bewaffnet, und Kobolde jagen. Und da weiter nichts passierte, schlief sie nach etwa einer Stunde auch wieder ein.


    Am nächsten Morgen erwachte sie wie immer, weil Naha sie geweckt hatte. Das Kind war besser als jeder Hahn, denn während man das Federvieh noch ignorieren konnte, schaffte man das bei kleinen Kindern nur schwerlich. So also stand sie sehr früh auf, wusch das Kind und sich und machte sich dann daran, herunterzugehen und einen neuen Tag zu überstehen. Seit Landos Tag schien ihr das von Morgen zu Morgen schwerer zu werden, denn jeden Tag erwachte sie kurz mit dem Gefühl, ihn noch bei sich zu haben, ehe die Erkenntnis zuschlug, dass das nicht wahr war. Und jeden Morgen schien es ihr, als sterbe auch sie ein Stückchen mehr. Und es wurde nicht besser, wie alle sagten. Es wurde nur immer trostloser und verzweifelter.


    Sie ging die Treppe hinunter und gelangte schließlich ins Kaminzimmer. Eine zerbrochene Vase lag auf dem Boden, dazwischen Blumen. Der Rest vom Blumenwasser hatte auf den Holzdielen einen schicken Fleck hinterlassen. In einer anderen Ecke lagen zwei dreckige Stiefel wild übereinander geworfen. Elfleda umging den Scherbenhaufen und schritt weiter ins Kaminzimmer, wo noch immer lautes Schnarchen den Täter preisgab. Barfuß, etwas angetrocknete Galle im Mundwinkel, mit nur halb zugebundener Hose, lag er auf dem Teppich zwischen Sessel und Tisch und hielt sich am Fußboden fest, um nicht runterzufallen. Elfleda stand über ihm wie eine Walkyre, die über einem Schlachtfeld kreiste und auf die ersten Gefallenen wartete. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Lag der Kerl hier im Suff auf dem Fußboden!
    Elfleda hatte schon häufig besoffene Männer auf diversen Fußböden liegen sehen, das war es nicht. Männer waren manchmal einfach so. Aber musste er das ausgerechnet jetzt machen? Sie ging ein wenig im Raum entlang und suchte eine andere Blumenvase. Sie entfernte vorsichtig das Grünzeug und legte es auf den Tisch, ehe sie mit einer Schwungvollen Bewegung das Wasser über dem Schlafenden entleerte, damit dieser aufwachte. Das war das erste, was sie gelernt hatte: Man durfte mit betrunkenen Männern keine Gnade haben, sonst waren sie jeden Tag besoffen. Und das konnte Elfleda gerade nicht gebrauchen. Sie konnte sich nicht um ein Kind, eine Schwangerschaft und einen Trunkenbold kümmern.

  • Überall waren Frauen! Sie tanzten im fröhlichen Reigen auf einer weiten Blumenwiese, die Sonne schien und lustige Klänge drangen an des Beobachters Ohr. All die Frauen waren wundervoll anzusehen. Und das beste war: Sie trugen praktisch nichts am Leib! Und noch viel besser war: Witjon stand mittendrin! Er grinste überbreit und wollte auf die nächstbeste Schönheit zugehen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er sah sich um und blickte - oh Schreck! - in Landos Augen. Der sagte jedoch nichts, sondern wies mit einem stummen Nicken wieder nach vorn, wo die jungen Frauen tanzten. Witjon sah hin und - noch ein Schreck! - blickte in Callistas Gesicht! Überall war sie plötzlich, egal wo er hinsah. Grauenvoll war es, fühlte er sich doch urplötzlich sonderbar schuldig. Er riss sich los und begann zu laufen, weg, hinfort. Hauptsache nicht mehr schuldig sein. Und dann war da plötzlich Eiseskälte....


    "WAAAAHHHAAAACCCHHHLLLLBLLBL!!!!!!!" gurgelte der so unsanft geweckte Säufer und schlug halbherzig wild um sich. Dabei stieß er sich natürlich doppelt und dreifach am Tisch, am Sessel und an sonstigen anderen Gegenständen, die sich im Weg befanden. "Was zum....?" fragte er blind in den Raum, während er sich die Haare aus dem Gesicht wischte. Danach wischte er noch einmal durch's Gesicht, um das Zerknautschtheitsgefühl und die brummenden Kopfschmerzen zu vertreiben. Beiderlei gelang selbstredend nicht, weshalb er sich träge auf den nassen Boden zurückfallen ließ, die Hand vor's Gesicht hob zum Schutz gegen die Sonne und erst einmal (beinahe) herzzerreißend stöhnte. "Was'n los?" nuschelte er, immer noch unwissend wer der Übeltäter war, der ihn so früh zu wecken wagte. Uh, waren das Halsschmerzen? Urghs, und wieso war seine Zunge so pelzig? Öh, wo lag er überhaupt? Vernäht und zugeflixt, was bei allen fiesen kleinen bösartigen Kopfschmerzalben hatte er gestern eigentlich gemacht? Scheiße, hatte er einen Schädel!

  • Wie ein Nichtschwimmer im See ruderte Witjon hektisch herum, stieß dabei gegen den Tisch und den Sessel, und blieb schließlich hektisch herumschauend halbaufgerichtet liegen. Er wischte sich das Blumenwasser aus dem Gesicht und blinzelte gegen das ohnehin spärliche Licht der Morgensonne durch den Raum, ohne Elfleda zu sehen. Die stand nur über ihm und wartete, dass er in ihre Richtung kniepelte, so dass er wenigstens die Chance hatte, in ihr geradezu überfreundlich lächelndes Gesicht zu schauen.
    “Guten Morgen, Witjon Evaxson. Geruhsame Nacht auf dem Fußboden gehabt?“ Ihre Stimme trällerte geradezu durch das Kaminzimmer. Allerdings war das weniger aus Fröhlichkeit oder gar Freundlichkeit, sondern vielmehr, da Elfleda ganz genau wusste, dass gerade die hohen Stimmlagen bei einem Kater ganz besonders fies im Kopf klingelten.
    Sie ging leicht um ihn herum und ruckte trotz ihres Babybauches den Sessel beiseite, so dass er mehr Platz – und weniger Halt – zum Aufstehen hatte. Denn dass er jetzt aufstehen würde, das stand für sie außer Frage. “Nun, so als neuer Hausherr mag es dir vielleicht entgangen sein, aber Betten sind im allgemeinen bequemer. Und du solltest beten, dass Sveija den Fleck nicht sieht, den dein Zusammenstoß mit der Vase auf dem Fußboden hinterlassen hat. Oder die Scherben. Am besten, du fegst sie gleich auf.“
    Jetzt stand sie wieder vor ihm, die Hände zur Entlastung ihres Rückens ins Kreuz gestemmt, und sah auf Witjon runter. Jedes noch so kleine Gefühl des Mitleids wurde dabei sorgfältigst unterdrückt.

  • Eine Walkyre! Jetzt war es um ihn geschehen. Ach nein, es war doch nur Elfleda, aber das konnte im Endeffekt auf's Gleiche hinauslaufen. Einige Male kniff Witjon die Augen zusammen, bis sein Blick nicht mehr völlig verschwommen war, dann versuchte er sich halbwegs aufzurichten. Ein zynisch zustimmendes Grummeln beantwortete Elfledas Frage, während der Säufer sich erneut den Kopf rieb. Ihr Götter! Macht, dass es aufhört! Uaaaaah und dann bewegte sich auch noch seine Stütze, als Elfleda den Sessel wegschob. Unsanft fiel Witjon nach hinten, wo er kurz reglos liegen blieb. "Gnaaah..." machte er als klare Antwort auf die langsam anrollende Ärgerwelle, die sich über ihn ergießen wollte. Ungelenk stützte er sich auf seine Ellenbogen und kam so halbwegs hoch. "Fleck? Vase? Fegen... oh mann..." Sein Kopf brummte noch immer, doch war er zumindest insofern fähig zu denken, dass er entschied Elfledas gut gemeinten Rat - oder ihre Befehle, je nachdem wie man das sah - zu befolgen. Er raffte sich auf, wobei er sich am Sessel festklammerte wie ein Bergesteiger am Abhang kurz vor dem Fall in die Tiefe. So stand er dann erstmal einen Augenblick wankend im Raum und begutachtete sein Werk. Tolle Leistung, dachte er bei sich und sah dann an sich herunter. Boar, sah er fertig aus! "Wo sin'...sind meine...Schuhe?" Ja, wo hatte er die denn gelassen? Hoffentlich hatte er sie nicht letzte Nacht irgendwo verspielt. Aus einem Reflex heraus griff er nach seiner rutschenden Hose, die mittlerweile auf Halbmast hing und mehr zu sehen preisgab, als man sich wünschen mochte. Ganz ungeniert kratzte er sich dabei an seinem besten Stück, bevor er sich unsicher herumdrehte und seine Schuhe entdeckte. "Ha...da sind'se ja..." Nicht, dass er die Dinger jetzt aufhob. Er blieb lieber stehen wo er war und zog geräuschvoll die Nase hoch. Mann, war das eine Nacht gewesen.

  • Es dauerte eine Weile, bis der Herr sich entschieden hatte, ihrer Bitte folge zu leisten und sich vom Boden zu erheben. Elfleda hatte wenig Mitleid mit ihm. Wer saufen konnte, der konnte auch aufstehen, so einfach war das. Vor allem, wenn er meinte, sich gerade jetzt dermaßen einen hinter die Binde kippen zu müssen, wo er doch eigentlich eine Sippe führen sollte und alles daran setzen sollte, die momentane Macht zu erhalten. Aber nein, der Herr ging lieber den ganzen Abend feiern. FEIERN! Allein deshalb hatte er in ihren Augen kein Mitleid verdient. Ja, das Leben ging weiter, ja, Lando war ehrenhaft und ruhmreich gestorben. Dennoch war ihr nicht im geringsten nach feiern, also hatte er gefälligst auch nicht zu feiern! Himmelwodandonarswetteraberauch! Dass Kerle nur so begriffsstutzig sein mussten! Und gefühlskalt obendrein! Nicht das geringste Feingefühl!
    Elfleda stand also nur da und sah zu, wie Witjon sich aufrappelte. Als ihm dabei seine Hose bis in die Kniekehlen rutschte, verdrehte sie etwas entnervt die Augen. Dass er sich, anstatt sich anzuziehen, erstmal kratzte, machte da auch schon keinen großen Unterschied mehr. “Also, wenn du mich beeindrucken willst, musst du dich aber noch ein bisschen mehr ins Zeug legen“, meinte sie nur trocken. Mit seiner Nacktheit an sich hatte sie keine Probleme, auch wenn der Anstand verlangte, dass er sich endlich anzog.
    Ihr Blick folgte dem seinen nach seinen Schuhen, und sie wartete einen Augenblick, bis sie realisierte, dass er sich wohl nicht bewegen würde sondern vorhatte, weiter hier herumzustehen und dümmlich zu grinsen. Ein leichtes Grollen wie von fernem Gewitter war zu hören, nur, dass es von Elfleda ausging und nicht von draußen hereinkam. In einem letzten Versuch, sich zu beherrschen, atmete sie noch einmal durch und fasste sich mit ihrer linken an den Kopf, rieb sich die Schläfen. “Gedenkst du sie auch anzuziehen oder wenigstens aufzuheben?“ Und wehe, er sagte jetzt nein!

  • 'Hä?' sagte Witjons Blick aus, als Elfleda sein Benehmen so trocken kommentierte. Es dauerte etliche Sekunden bis er kapierte was sie meinte. Eine Reaktion darauf ließ noch viel länger auf sich warten. Endlich war das Gesagte von seinem Trommelfell im Hirn angelangt und er schaute kurz auf seinen Schritt, der ja - welch Überraschung! - entblößt war. "Ach...tschuld'ng." Er zog die Hose halbwegs hoch und kniff dann angestrengt nachdenkend die Augen zusammen, als das Thema auf seine Schuhe gelenkt wurde. Er wischte sich noch einmal mit der Hand durchs Gesicht, wobei das Gefühl der Zerknautschtheit und die Kopfschmerzen natürlich nicht verschwanden. Dann grunzte er irgendetwas zustimmendes und schlurfte zu dem so achtlos hingeworfenen Lederwerk, um es unter schmerzerfülltem Stöhnen aufzuheben. Uaaaah, Bücken war eine schlechte Idee. Unvermittelt wurde ihm richtig übel und das Zimmer drehte sich mit einem Mal wieder merkwürdig unregelmäßig. Tief Luft holend stützte er sich an der nächstbesten Wand ab und versuchte der Übelkeit Herr zu werden, was auch gelang. Jetzt hatte er nur noch übelsten Nachdurst. Und dann kam der Moment, vor dem er sich für gewöhnlich nach einer Suffnacht am meisten fürchtete: Das aufkeimende schlechte Gewissen.
    Er hatte gesoffen. Das war ja grundsätzlich nichts Verwerfliches. Doch, WANN er gesoffen hatte, das war verwerflich. Es standen harte Zeiten bevor für seine Sippe, die er nun zu führen hatte und was tat er? Er zog sich den Arsch zu und brachte Verwüstung ins Kaminzimmer (und seinen Kopf)! Auf einmal wurde ihm wieder übel, aber nicht wegen des Alkohols. Eher weil er sich so richtig mies vorkam, besonders weil Elfleda mit einem übervorwurfsvollen Gesichtsausdruck dastand und ihn anstierte, als wolle sie ihn durchbohren. So kam es Witjon zumindest vor. "Elfleda, ich..." setzte er zu einem Erklärungsversuch an, den er jedoch zügig wieder abbrach, um schuldbewusst zu Boden zu sehen. Was sollte er denn tun? Sie würde seine Situation ja sowieso nicht verstehen und ihn vermutlich wie wild ausschimpfen für seine Dummheit. Mit etwas Mut konnte er das einfach durchstehen und sich dann in sein Zimmer verkrümeln, um den Rest des Tages zu verschlafen. Oder besser, sich in die Ställe der Hros verkrümeln, um dort in Ruhe zu pennen. Oder irgendwo im Garten unter einem Busch. Hauptsache weit weg von der mattiakischen Walkyre!

  • Auch wenn Elfleda nicht laut geworden war, zeigten ihre Worte wohl doch eine gewisse Wirkung. Witjon entschuldigte sich wie ein kleiner Junge, der von seiner Mutter bei einer Dummheit erwischt worden war, zog sich an und schlurfte auch gehorsam zu seinen Schuhen, um diese aufzuheben. Auch wenn er dabei stöhnte wie ein im Sterben liegender Esel und sich erstmal an der Wand festklammern musste. Zu seinem eigenen Besten behielt er aber weiteren Mageninhalt in sich und verzichtete darauf, die Zerstörung des Kaminzimmers zu komplettieren.
    Sie wartete, stützte wieder ihre Hände in ihr Kreuz und entlastete so ihren Rücken, und sah ihm dabei zu, wie er sich sammelte. Sie hatte eigentlich nicht vor, hier stehen zu bleiben, bis er fertig aufgeräumt hatte, aber sie wollte durchaus noch sichergehen, dass er denn damit anfing und es nicht wieder vergaß. Sie sah also streng zu, wie er herumschlurfte, als er zu ihr kam und zu einer Erklärung ansetzen wollte. Ihre Augenbrauen hoben sich leicht, als er auch schon wieder verstummte und zu Boden sah.
    Sie starrte ihn einfach einen Moment an. Wollte sie wirklich eine Erklärung oder eine Entschuldigung? Es war jetzt ganz leicht, eine solche aus ihm herauszupressen. Sie musste einfach nur mit 'ja?' antworten, und er stand unter Zugzwang. Aber wollte sie wirklich hören, warum er sich so idiotisch benahm, gerade jetzt? Sie schüttelte den Kopf, als müsse sie diese unausgesprochene Frage für sich selbst beantworten, und sah ihn einfach an.
    “Ich kann mich nicht um noch mehr Kinder kümmern, Witjon“, meinte sie nur, aber ihre Stimme hatte nicht die Kraft, wirklich giftig dabei zu klingen. Es war mehr eine stumme Resignation, beinahe Verzweiflung, die sie aber nicht zuließ. Irgendjemand musste hier ja den Überblick behalten und retten, was zu retten war. Und wenn sie selbst dabei niemanden hatte, bei dem sie selbst sich etwas fallen lassen konnte, dann war dem eben so. Aber es gab wichtigeres als die eigene Gemütsverfassung. Sie war Mutter, sie konnte sich sowas einfach nicht leisten.

  • Na toll. Die Frau MUSSTE es einem aber auch schwer machen. Seine Stirn legte sich in Falten, als er sich dafür entschied, nicht weiter dummes Zeug reden zu wollen. Lieber erstmal aufräumen, ausnüchtern, sacken lassen. Es gab später noch genug Zeit zu reden. So drehte er sich einfach mit einem gegrummelten 'joa' um und machte sich daran die Möbel gerade zu rücken und die Scherben aufzusammeln. Das tat er selbstverständlich unter halbwegs unterdrücktem Ächzen und versuchte nicht ganz so sehr zu wanken, aber eine gute Figur konnte wohl kein Mann machen, der so arg mit Restalkohol vollgepumpt war. Er hatte jedenfalls nicht vor jetzt seine eigenen Probleme vor der gerade verwitweten Duccia darzulegen und kehrte ihr daher den Rücken zu, um in Ruhe seine Arbeit tun zu können.

  • Ein Glück, er lamentierte nicht weiter rum, sondern machte sich daran, wirklich aufzuräumen. Nunja, was Männer unter Aufräumen eben so verstanden. Aber er bewegte sich und auch, wenn er noch ächzte, er tat, was er sollte. Elfleda atmete einmal tief durch und gab ihren Gedanken einen Moment, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie durfte nur nicht zu sehr darüber nachdenken, das war auch schon der ganze Trick. Es gab genug zu tun, was ihre ungeteilte Aufmerksamkeit forderte, da brachte es rein gar nichts, sich mit Dingen zu befassen, die sie ohnehin nicht abändern konnte.


    Sie sah also noch eine Weile Witjon beim Aufräumen zu, auch wenn sie ihn gar nicht so wirklich wahrnahm, und als sie im Kopf geordnet hatte, was denn heute sonst noch anstand – außer die duccischen Männer durch die Gegend zu scheuchen, damit die taten, was sie sollten – verließ sie dann auch das Kaminzimmer wieder und überließ das neue Oberhaupt der Söhne Wolfriks seinem Tun.

  • Es war bereits mehr als eine Woche nach Landos Bestattung vergangen und Witjon hatte endlich die Zeit gefunden, abends Gäste zu empfangen. Es handelte sich um den Quintilius, der sich als Arbjons Freund vorgestellt hatte. Witjon hatte den Mann für den heutigen Abend zum Essen eingeladen. Er hatte auch das Weib des Quintilius mit eingeladen und Elfleda ebenfalls mit eingeplant, auch wenn sie nach der Geburt vielleicht noch nicht völlig auf der Höhe war. Das Kaminzimmer war etwas umgebaut worden. Wo für gewöhnlich ausschließlich Sessel standen, waren nun nach römischem Geschmack ein paar Liegen aufgestellt worden. Römer aßen bekanntlich vorzugsweise im Liegen. In der Mitte der insgesamt vier Klinen war ein niedriger Tisch platziert worden, wo dann das Mahl serviert würde. Im Kamin glommen die spärlichen Reste eines kleineren Feuers vom Vormittag, das jedoch schnell wieder entzündet werden konnte, denn die Tage wurden wieder kühler. Witjon stand vor dem Kamin und starrte gedankenverloren in die Glut, während er auf Elfleda und die Gäste wartete.

  • Landulf hatte die ersten Tage seines Lebens gut überstanden. Auch wenn er Elfleda gerade ziemlich viel Kraft kostete, er entwickelte sich gut. Seine Lungen waren kräftig – was sie alle zwei Stunden zu hören bekam, wenn er Hunger hatte – und auch sonst war er gesund. Kein Fieber, kein Husten, nichts von den Dingen, die einem Säugling gerne gefährlich wurden. Und Elfleda liebte ihn. Zumindest, wenn sie nicht gerade völlig fertig irgendwo lag und von jetzt auf gleich auch einschlief, weil sie einfach nur so unendlich müde war.
    Warum Witjon jetzt Gäste eingeladen hatte, wusste sie nicht. Noch dazu Römer. Elfleda hatte nichts (wirksames) gegen Römer, nur waren solche Empfänge meistens doch etwas steif. Römer durfte man nicht anfassen, Römer tranken nicht, höchstens Wein, Römer sangen nicht und Römer konnten kein Germanisch. Alles in allem Dinge, die es Elfleda nicht unbedingt einfacher machten, diesen Typus Mensch für sich zu gewinnen. Und erst recht nicht, wenn sie übermüdet war.


    Und so kam sie auch ins Kaminzimmer. Die Augenringe hatte sie mit ein paar Kräutern den Tag über noch gut wegbekommen, aber dennoch konnte man ihr ansehen, dass sie einfach müde war. Landulf trug sie mit sich herum. Gerade eben hatte sie ihn noch gestillt, wenn sie ihn jetzt ein wenig spazieren trug, schlief er gleich ein und sie hatten hoffentlich etwas Ruhe für das Essen.
    “Hey, Witjon“, begrüßte sie das Sippenoberhaupt mit gedämpfter Stimme. Ihr Blick fiel auf die Liegen und den Tisch. “Ich kann aber sitzen, oder?“
    Landulf machte einen kleinen Mucks, den man nicht wirklich als Quäken bezeichnen konnte, und Elfleda fing schon gewohnheitsmäßig an, leicht zu wippen. “Meinst du, ich kann Landulf wirklich bei Ida lassen?“ Elfleda gab ihn momentan zwar durchaus gerne her und ließ jemand anderen mit ihm herumlaufen und singen, so dass sie schlafen konnte. Aber sie hatte ihn gerne einfach in Sichtweite. “Wann kommen die Römer überhaupt?“

  • Elfledas angenehme Stimme erklang in seinem Rücken und er drehte sich um, ein Lächeln auf den Lippen. Sie sah unglaublich erschöpft aus und sprach auch nur sehr leise. Hätte er lieber nur den Quintilier ohne seine Frau einladen sollen? "Heilsa," erwiderte er ebenso gedämpft wie sie sprach. Landulf schlief. Was sollte er auch sonst tun, neben essen und schreien? Dem sein Leben beneidete doch jedermann!


    Auf ihre Frage hin fiel sein Blick auf die Liegen. Er runzelte die Stirn. "Natürlich. Mit ein paar Kissen bekommen wir dich auch gemütlich aufgerichtet." Er würde Albin bescheid geben. Irgendwo würden sich ja noch ein paar Kissen auftreiben lassen. Witjon sah wieder das kleine Etwas in Elfledas Armen an, während sie den Jungen wippte. "Warum nicht?" gab er einfach zurück. Ida war eine gute Amme. Er hatte nicht umsonst auch seinen eigenen Sohn in ihre Obhut gegeben. "Gibt es etwa Probleme?" Er hatte schon genug Stress gehabt. Ärger mit dem Kindermädchen war jetzt nicht gerade nach seinem Geschmack.


    "Du musst nicht lange bleiben, wenn du dich nicht gut fühlst," entgegnete er auf ihre Frage hin. "Ich dachte nur, du wolltest vielleicht einen Freund meines Bruders kennen lernen. Er kann aus erster Hand aus Rom berichten, auch was Valas Treiben da unten angeht." Er zog eine Grimasse, kombiniert mit einem entschuldigenden Blick.

  • Mit Kissen aufgerichtet? Witjon erhielt einen Blick, der geradezu vor Sarkasmus troff. Sie wollte einen Stuhl, aus Hartholz, und keine Kissen. Da schlief sie ja ein und erfreute alle Gäste mit wenig Geschnarche (wobei sie nicht schnarchte!). “Wenn alle liegen, dann liege ich auch. Auch wenn es furchtbar verweichlicht.“ Elfleda hatte zwar nicht so eine Abneigung gegen den Luxus der römischen Welt, wie Lando ihn immer zur Schau getragen hatte, aber man musste es mit der Bequemlichkeit nicht übertreiben. Überhaupt fühlte sie sich immernoch ganz unformig, und es würde noch eine Weile brauchen, bis ihr Bauch wieder so stramm und schlank war wie vor der Schwangerschaft. An ihre Hüften wollte sie nichtmal denken.


    Und dann fragte Witjon noch, ob es ein Problem mit Landulf gäbe. Bei den Göttern, klang sie so anhänglich und weinerlich? Das musste sie dringend abstellen. “Nein, natürlich nicht. Ida weiß schon, was sie tut. Ich wollte nur sichergehen, dass es keine Probleme gibt.“ Glattzüngig gelogen, aber besser als Schwäche zugeben. “Da fällt mir ein, du musst noch die Decuriones zusammentrommeln. Wir können uns nicht leisten, Landos Platz im Rat zu verlieren.“ Dass sie sich selbst auf diesem Platz sah, erwähnte sie nicht noch extra, und es unterstrich auch noch einmal, dass sie keine überfürsorgliche Mutter zu sein gedachte. Auch wenn sie großes Unbehagen spürte, ihren Sohn aus den Augen zu lassen, und sei es zu Ida und nur für ein paar Stunden.
    “Und natürlich bleib ich. Ich kann mich ja schlecht gleich wieder verabschieden, weil ich müde bin. Wenn du sie schon einlädst, werd ich auch mein bestes tun, dass sie sich wohl fühlen.“ Wobei sie noch keine Ahnung hatte, wie das bei Römern funktionierte mit ihrem Ernst und ihrem seltsamen Sinn für Humor.


    Landulf merkte, dass seine Mutter gerade etwas aufbrauste, und rührte sich ein wenig im Schlaf. Noch wachte er nicht richtig auf, aber er gab schon kleine Laute von sich und bewegte ein wenig die Ärmchen, was Elfleda gleich als Aufforderung nahm, leise vor sich hinzusummen und ihr Gesicht nur dem Sohn zuzuwenden in der vagen Hoffnung, er würde weiterschlafen.

  • "Verweichlicht...ja..." Er nickte, wirkte jedoch nicht gerade überzeugt. Überhaupt wirkte er nicht so sehr, als sei er bei der Sache. Nein, Witjons Gedanken schweiften erneut nach Rom ab. Wie es Arbjon wohl ging? Hatte er es gut bei den Praetorianern? Wie lebte es sich in Rom? Alrik konnte man ja auch nichts aus der Nase ziehen. Witjon kam ins hier und jetzt zurück und sah Elfleda mit einer Mischung aus Melancholie und Bewunderung an, während sie weitersprach.
    "Das ist Aufgabe der Duumvirn," erwiderte er unbewegt. Der Ordo Decurionum war im Grunde genommen das Letzte, was ihn derzeit wirklich interessierte. Aber Elfleda hatte recht. Sie konnten es sich einfach nicht leisten, jetzt irgendwo nachzulassen. Schwäche zeigen war für Duccii einfach nicht drin. Witjon seufzte. Er schluckte, wobei er eine störende Trockenheit in seinem Hals feststellte. "Bier?" fragte er, als er sich selbst bereits einen Becher am dafür vorgesehenen Beistelltisch füllte.
    Nachdenklich starrte er die Frau an, die wenig später aufbrauste und beinahe ihren Sohn aus dem Schlaf riss. Er nahm einen tiefen Zug aus seinem Becher und sah kurz zum Fenster hinaus, wo der bewölkte Himmel sich langsam dunkelgrau färbte. Die letzten Tage waren teilweise sonnig, teilweise bewölkt gewesen, doch Regen hatte es noch keinen gegeben. Die Bauern freute das ungemein, Witjon war es jedoch egal. Ihm war vieles eigentlich egal, doch alles musste irgendwie weiterlaufen, also beschäftigte er sich damit.
    Er drehte sich wieder zu Elfleda um, die sich gerade mit ihrem Kind beschäftigte. "Danke," sagte er nur leise. Der Anflug eines dankbaren Lächelns umspielte dabei seine Mundwinkel, verflog jedoch sogleich wieder.

  • Er war wieder mit seinen Gedanken ganz wo anders, wie häufiger in letzter Zeit. Und wie immer schwankte Elfleda, ob sie ihn einfach lassen sollte und ihm seine grüblerische Melancholie ein wenig lassen sollte, oder ob sie ihn nicht doch draußen solange mit dem Kopf in das Regenfass tunken sollte, bis er sich wie ein Sippenführer benahm. Im Moment entschied sie sich für ersteres. Mit einem Säugling auf dem Arm tunkte es sich so schlecht.


    “Na, dann tritt den Duumviren in den Hintern, damit die das machen. Ich würde ja selber hingehen, aber wenn du hingehst, wirkt das besser nach außen.“ Wenn er so in Gedanken war, war er irgendwie langsamer als sonst. Elfleda erklärte zwar gerne den Herren in der Casa, was sie zu tun und zu lassen hatten, aber meistens machten diese dabei den Eindruck, dass man es ihnen eigentlich nicht sagen müsste. Was natürlich weder Marga noch sie davon abhielt, es ihnen dennoch zu sagen. Nur im Moment machte Witjon eher den Eindruck, als wär er in Gedanken ganz weit weg und mitnichten bei den Problemen der Sippe, wie sie am effektivsten die Macht in der Stadt erhalten oder besser, ausweiten konnten. Und dabei durfte man in Sachen Politik nicht eine Sekunde nachlassen. Wenn Elfleda eines von ihrem Onkel gelernt hatte, dann das: Wer sich ausruhte, war so gut wie tot. Denn alle anderen ruhten sich nicht aus und warteten nur auf einen Fehler. Und nach ihrem persönlichen Geschmack hatten sie nun schon viel zu lange gewartet und den anderen Familien Mogontiacums erlaubt, Pläne und Allianzen zu schmieden, an denen die Söhne Wolriks keinen Anteil hatten. “Aber es sollte bald geschehen.“


    Witjon bot ihr ein Bier an, und Elfleda winkte ab. Im Moment war sie damit beschäftigt, Landulf herumzuwippen und am Aufwachen zu hindern. “Trinken die Römer eigentlich auch Bier?“ Elfleda mochte Wein nicht besonders, davon bekam sie Kopfschmerzen. Aber sie würde ihn anstandslos trinken und sich nichts anmerken lassen, während der Besuch hier war. Doch das dünne Bier oder Met wären ihr allemal lieber. Aber wie ihr Besuch das sehen würde, hatte sie keine Ahnung. Vermutlich würden diese wie in ihrer Heimat gewohnt verdünnten Wein haben wollen, vielleicht noch mit Honig, damit er besonders süß war. Elfleda hatte davon nur wenig Ahnung und sie hoffte nur, Witjon hatte da einen dezenten Weg gefunden, die Vorlieben des Quintiliers und seiner Frau herauszufinden.


    Und dann dreht Witjon sich mit einem Mal um und sah sie etwas merkwürdig an. So dankbar. Und er sprach das Wort auch aus, wenngleich leise, und Elfleda war sich ziemlich sicher, dass er damit nicht ihre Anwesenheit am heutigen Abend meinte. Mitgefühl machte sich in ihr breit, und das erhabene Gefühl, wenn man Anerkennung auf persönlicher Ebene erhielt. Kurz wurden ihre Miene und ihr Blick weich, als sie Witjon ansah, aber nur einen Moment. Sie konnte sich Schwäche nicht erlauben. Wenn sie allein war, wenn ihre Kinder schliefen und im Bett lagen, dann konnte sie sich kurz einen Moment der schwäche erlauben und um Lando trauern und vor Verzweiflung weinen. Aber jedes Mal, wenn es sie überkam, dauerte es nur ein paar Augenblicke, ehe sie sich fing. Ihre Familie brauchte sie. Die Sippe brauchte sie. Da war kein Spielraum für Schwäche. Und so bekämpfte sie die eigene Melancholie auch in diesem Augenblick und sah kurz zum Tisch. “Dank mir, wenn der Abend vorbei ist und die beiden Römer noch ihre Köpfe auf den Schultern tragen.“

  • Es war nicht so, als würden die Duccii großartig Wert darauf legen ihren Wohlstand nach außen zu tragen. Nein, ganz im Gegenteil: es fiel ihnen schwer aus der altgewohnten Rolle der Bauern, Krieger und Handwerker auszubrechen, dafür war der errungene Wohlstand einfach noch zu neu, wie frische Farbe an der Wand, deren Geruch einen immer daran erinnerte, dass der schöne Schein noch nicht allzu alt war.
    Und dennoch hatte die Art und Weise, wie der alte Albin in das Kaminzimmer geschlurft kam und die beiden Gäste ankündigte etwas von der Art, wie man anderthalb Jahrtausende Neuankömmlinge am Hof ankündigte. Fehlte nurnoch ein langer Stock, mit dem der alte Mann dreimal auf den hölzernen Boden stampfte.


    "Der ehrenwerte Lucius Quintilius Valerian..", dröhnte die tiefe Stimme Albins durch den Raum, jedwedes vorhergehendes Gespräch unterbrechend, "..und seine reizende Ehefrau, Germanica Calvena."
    Es gab dunkle und helle Momente. Dieser war ein heller, denn ihm war auf dem Weg der Name des Gasts entfallen. Während er vor den beiden hergestiefelt war, hatte er zwanghaft darüber nachgedacht wie die beiden Römer nun denn hießen. Dann war ihm irgendwie der Name der Frau zugefallen, und der Name des Mannes kam gleich hinterhergepurzelt. Eine glückliche Fügung, möchte man meinen, und so war der Auftritt des alten Mannes auch recht feierlich. Er trat einen Schritt zur Seite, um dem eintretenden Gästepaar Platz zu machen, und blieb dort stehen um darauf zu warten ob etwaige Extrawünsche zu erfüllen waren..

  • Arm in Arm folgten sie dem alten Mann und ließen sich ankündigten. Dabei staunte Valerian, wie formvollendet dies geschah. Selbst im Palast des Kaisers hätte das nicht feierlicher geschehen können. So betraten sie nun das Kaminzimmer, das wie damals vor Jahren gemütlich-rustikal eingerichtet war. Bequeme Liegen standen bereit. Ob die Duccier inzwischen die römische Art, beim Essen zu liegen, übernommen hatten? Oder ob die Liegen wohl extra für sie aufgestellt worden waren?


    "Salvete, ehrenwerter Duccius Marsus und ehrenwerte Duccia Elva. Habt Dank für eure freundliche Einladung. Anscheinend gibt es auch Grund, Glückwünsche auszusprechen zur Geburt des neuen Familienmitglieds." Er deutete lächelnd auf das Kind in den Armen der Frau*. "Möge es stets stark und gesund sein und euch nur Freude bereiten." Er hoffte, daß gute Wünsche zu diesem Zeitpunkt nicht den Traditionen der Germanen widersprachen.




    Sim-Off:

    Ich hoffe, ich habe nichts überlesen. Wenn das Kind nicht mehr dabei sein sollte, dann bitte ich um einen kurzen Hinweis, damit ich editieren kann.

  • Lange mussten sie nicht warten, auch wenn sie zu gern gewusst hätte, welche Erfahrungen ihr Mann mit Met gemacht hatte. Sicherlich war der Abend feucht fröhlich geendet. Germanen waren mitunter sehr gesellig und trinkfest. Das konnte einen Römer dann schon aus seinen Sandalen werfen, während Germanen dann gerade erst angeheitert waren. So hatte sie zumindest ihre Erfahrungen mit diesem Volk gemacht, auch wenn dies schon einige Jahre her war und die Tag auf Reisen vorbei. Es war schon verwunderlich, wie sehr ihr Leben sich doch geändert hatte.
    Der ältere Mann der sie ins Haus ließ machte einen leicht kauzigen, aber irgendwie sympathischen Eindruck auf. Mit einem freundlichen Lächeln erwiderte sie seinen Gruß und folgte ihm dann an der Seite Valerians ins Haus. Das Haus war weder typisch germanisch noch römisch. Es war vor allem zweckmäßig, ein wenig rustikal und es waren deutlich die Einflüsse beider Kulturen zu erkennen. Waren die Duccii nun germanische Römer oder römische Germanen? Eine Frage, welche sich sicherlich nicht nur ihr stellte. Sie war neugierig darauf was sie erwarten würde.


    Albin, welcher sich nicht vorgestellt hatte, als er sie ins Haus gelassen hatte, kündigte die Besucher ein. Fast kam sie sich vor wie die Kaiserin persönlich, es war irgendwie imposant so vorgestellt zu werden. Es war jedenfalls eigentlich sonst nicht üblich. Fast könnte man meinen, dass der alte Mann aus einem anderen Jahrhundert.
    Der Raum in den sie geführt wurden, war gemütlich, der große Kamin an der Rückseite zeugte davon wie eiskalt es in den langen Wintermonaten werden konnte. Zu ihrem erstaunen gab es hier mehr römische Einflüsse, als in den übrigen Räumen, durch die sie geführt worden waren. Klinen waren um einen niedrigen Tisch gruppiert.
    Ihre Gastgeber waren schon anwesend, eine etwas erschöpft wirkende junge Frau in ihrem Alter, in den Armen hielt sie einen Säugling und dann ein junger Germane. „Heilsa!“ grüßte sie in die Runde. Es war eine ganze Weile her, dass sie ihre germanischen Sprachkenntnisse hatte nutzen können. „Vielen Dank für die Einladung“, lächelte sie freundlich. Ihr Blick blieb an dem Kind hängen. Kinder waren ja so putzig. Sie mochte Kinder und fand es gar nicht störend, dass ein Säugling mit im Raum war.

  • "Ich kümmere mich drum," nahm er Elfledas nett gesagte Anweisung entgegen. Der Ordo war wahrhaftig viel zu lange schon nicht mehr zusammengekommen. Ihre darauffolgende Frage ließ Witjon schmunzeln. "Wenn sie einmal auf den Geschmack gekommen sind, bestimmt. Aber ich habe noch nicht so viele Römer kennen gelernt, die Bier einem guten Wein wirklich vorziehen würden." Ein Schulterzucken drückte in etwa aus, wie schade er das fand. Oder eben nicht. Selber schuld. Dass Elfleda mit ihrer Frage eine etwas andere Absicht hatte, als etwas über die Trinkgewohnheiten der Römer zu erfahren, nämlich vielmehr auf ihr eigenes Befinden nach dem anstehenden Mahl anspielte, kam ihm nicht in den Sinn.


    Der seltsame Moment, kurz gefüllt von Dankbarkeit und Melancholie, wurde von Albin unterbrochen, bevor Witjon es weiterführendes sagen konnte. Blitzschnell setzte er eine freundliche Miene auf und wandte sich zu den Gästen um. Albin stellte die Römer vor, was ihm mit einem knappen Nicken gedankt wurde. "Salvete," begrüßte er das Paar. "Und herzlich willkommen im Haus meiner Sippe." Er sprach wohlbedacht Lateinisch, auch wenn Calvena sie in der Sprache seiner Ahnen grüßte. Er unterdrückte ein amüsiertes Lächeln ob dieses oft gesehenen Versuchs des Entgegenkommens von römischer Seite, was ihm viel zu häufig in seinen Ohren lächerlich klang. Notiert wurde es dennoch als freundliche Geste, die zum Gesamtbild des gelieferten Ersteindrucks hinzugefügt wurde. Valerian hatte er ja schon kennen gelernt, den er nun mit einem kräftigen Händedruck noch einmal willkommen hieß. Calvenas Hand erfuhr einen sanfteren Händedruck und erhielt ein breites Lächeln. "Calvena, es ist mir wahrhaftig eine große Freude eine so reizende Frau in der Casa Duccia begrüßen zu dürfen." Und an Valerian gewandt fuhr er fort mit seinen Schmeicheleien. "Valerian, die Götter müssen dich lieben, dass sie dir diese Frau geschenkt haben." Oder hassen, denn von gemeinsamen Kindern hatte er noch kein Wörtchen vernommen. Ebensowenig konnte man an Calvenas Bauch Anzeichen von Schwangerschaft erkennen. Und wieso bei Loki der Quintilius überhaupt nach Mogontiacum versetzt wurde, wollte er am besten erst gar nicht wissen, denn niemand kam hier wirklich freiwillig her, wenn er in Rom etwas aus sich machen konnte.


    Freilich behielt er seine Gedanken für sich, die er hinter einem flüchtigen Grinsen zu verstecken wusste. Es war zwar eine Zeit der Trauer, doch man sollte von den Duccii dennoch nicht als leidselige Jammerlappen reden. Er wies auf Elfleda, als er weitersprach. "Danke für die Glückwünsche. Trotz des vergangenen harten Schicksalsschlags ist das Haus voller Freude über das neu geborene Leben. Calvena, darf ich dir Elfleda vorstellen, meine Schwägerin." Er adressierte konkret die Ehefrau des Quintilius, denn dieser hatte die Mattiakerin ja bereits kennen gelernt.
    Während Elfleda nun kurz Gelegenheit hatte, ein paar Worte zu wechseln, ließ Witjon beiläufig seinen Blick schweifen. Valerian hatte wahrlich einen guten Geschmack bewiesen, als er seine Frau ausgesucht hatte. Hoffentlich hatte er dabei jedoch nicht nur auf Schönheit, sondern auch auf die Kröten geachtet. Anders als die beiden römischen Gäste waren ihre Gastgeber in germanischer Art gekleidet. Witjon trug Hemd und Hose, beide aus guten Stoffen gefertigt. Die Hose zierte ein Gürtel mit einer Silberschnalle, die einen Wolfskopf als Symbol zeigte. Einzig die Hausschuhe, römischen Haussandalen nachempfunden, trug er an den sonst an warmen Tagen meist nackten Füßen. Witjons Haare hatten weiterhin mehr Freiheit als früher und wuchsen kräftig. Er war es leid, sich römisch zu geben, nur weil er einen römischen Namen trug. So wie sein Haupthaar spross auch sein Bart, jedoch kontrolliert. Einmal die Woche ließ er sich den Vollbart von Lanthilda stilgerecht kürzen. Witjon fühlte sich wohl und auch einige junge Damen aus germanischem Hause hatten bereits des öfteren ein Auge auf den adretten jungen Mann geworfen.
    Nicht, dass sie das nicht schon vorher getan hätten, wo er sein Haar römisch kurz trug und sich zu rasieren pflegte.

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