• Nun konnte Maximian ein herzhaftes Lachen nicht mehr unterdrücken. Als er sich wieder gefangen hatte, hielt er sich eine Hand auf den Rücken, eine der Dame entgegen und sah sie aufrichtig, allerdings mit zuckenden Mundwinkeln, an, während er tief Luft holte.


    "Nun gut... äh...", murmelte er leise. "Wenn Majestät mir ihre durchlauchte Hand leiht, würde ich ihr gerne auf die engelsgleichen Füßlein helfen."


    Die Lippen aufeinanderpressend, blinzelte er Viola erwartungsvoll, aber nicht minder höflich entgegen.

  • Sim-Off:

    Mich dünkt, das war eher das Verhalten im Mittelalter ;)


    Ernst, mir mit Mühe das Lachen verkneifend, nahm ich seine Hand und liess mir aufhelfen.
    Nun, das war schon besser. Und nun erzähl mir einmal, was Du denn noch so über höfliches Benehmen, Sprachen und Literatur weisst.

  • "Also..."


    Sich am Kopf kratzend und dann entschuldigend lächelnd, verfielen die beiden nun wieder in einen leichten Schritt, bei dem Maximian die Felder ein wenig sehnsüchtig überblickte. Zuhause war er täglich in den Feldern unterwegs gewesen, sie boten ja auch reichlich Versteck für allerlei... Aktivitäten.


    "Mein Ziehvater ist römischer Advocat, so bekam ich Unterricht im Schreiben, Rechnen und auch im Anstand. Dort bei Valencia war selten ein höheres Maß an gutem Benehmen gefordert - andere Dinge waren wichtiger, wie die Kunst des Sprechens, Fechtens oder Reitens. Er wollte immer, dass ich ihm nacheifere, aber meine jüngeren Brüder waren schlichtweg begabter und interessierten sich dafür, so beschränkte ich mich auf den Unterricht und ließ ihnen ihren Vater. Andere Sprachen kenne ich nicht und auch gelesen haben wir nur selten."


    Seine dunklen Augen, die wegen der weißen Schneedecke leicht zugekniffen waren, musterten nun Violas Gesicht und wie sie reagieren würde.

  • Dann sollten wir das vielleicht ändern, was hälst Du davon? Ein wenig die Griechen und die Römer, vielleicht auch noch andere Literatur. Lesen kannst Du aber, ja? Nun, dann denke ich, ist es nicht so das Problem. ;)
    Und was alles andere betrifft....
    Sofern Du Lust hast.

  • Maximian nickte grinsend und zwinkernd.


    "Hört sich nach schwerer Arbeit an, aber da ich lesen kann und meinen Vater zufriedenstellen möchte, nehme ich das auf mich."


    Einen Moment überlegte er.


    "Ich weiß zwar nicht, was genau du mit 'alles andere' meinst, aber auch das hört sich nicht schlecht an."

  • "Nicht allzu viele", erwiderte Maximian, während sie wieder einen Moment schweigend nebeneinander herliefen.


    "Homer, Herodot, Archilochos, Euripides, Platon und Cicero. Jedenfalls haben wir die mit unserem Lehrer gelesen. Meine Mutter hatte ein paar Schriftstücke, in die ich manchmal reingesehen habe."

  • Ovid? Tacitus? Aristophanes? All jene nicht?
    Nun, Du besitzt eine nette Basis, aber mal sehen, wie viel Du davon auch wirklich weisst. ;)
    Erzähl mir ein bisschen über Homer.

  • Autsch... Na gut, wie Viola will. Jetzt würde man erkennen, wie gut Maximian aufgepasst hatte, wenn eine kleine Gruppe um einen Lehrer herum saß und bei seinen Reden aufmerksam sein sollte.


    "Homer, oder Melesigenes... Nun, obgleich über den Künstler wenig bekannt ist, schrieb er unter vielen anderen die großartige Ilias und Odyssee, beide vor etwa 800 Jahren. Auf diese beiden berühmten Stücke von den vielen von Homer beschränkte sich unser Unterricht. Nun... Die Ilias ist aufgeteilt in 24 Gesänge über den Untergang von Troja, jede einzelne davon mir bestens bekannt. Das Thema interessierte mich, starben damals doch einige ruhmreiche Männer. Die Odyssee... handelt sich um Odysseus, der 10 Jahre nach der Vernichtung Trojas immer noch nicht wieder heimgekehrt ist. Interessanter ist aber viel mehr der Vergleich der Bevölkerung der Phaiken und... und... wenn ich mich nicht irre der Kyklopen."


    An der Stelle unterbrach er seine Ausführungen und sah seine Begleiterin an. Hatte er sie zufriedengestellt und wenn nein, was sollte er ihr erzählen?

  • "Homer schrieb, dass die Götter Odysseus nicht heimkehren lassen wollten, da die 20 Jahre, die sie ihm einst bevor er in den Krieg zog wahrsagten, noch nicht gänzlich verstrichen waren. Erst im 10. Jahre nach dem Fall Trojas erlaubt der Rat der Götter, dass der redegewandte Odysseus nach seinen Irrfahrten an Land gespühlt wird und von König Alkinoos von Phaiaken aufgenommen wird. Doch lange hält es ihn nicht dort und als er nach Ithaka heimkehrt, erschlägt er mitsamt seinem Sohn die vielen Freier, die um die Hand seiner Frau angehalten hatten."


    Maximian war innerlich sehr überrascht von sich selber, dass so viele Einzelheiten hängen geblieben waren. Nicht zuletzt mochte das daran gelegen haben, dass ihm die Schriften Homers immer besonders viel Spaß gemacht hatten.
    Nun sah er seine frisch ernannte Lehrerin an und grinste selbstsicher.


    "Von da an lebte er glücklich mit seiner Familie vereint und herrschte über seine Insel, wie er es vor dem großen Krieg um Troja getan hatte."

  • Als wir jetzo die Flut des Oceanstromes durchsegelt,
    Fuhren wir über die Woge des weithinwogenden Meeres
    Zur ääischen Insel, allwo der dämmernden Frühe
    Wohnung und Tänze sind, und Helios leuchtender Aufgang.
    Jetzo landeten wir am sandigen Ufer der Insel,
    Stiegen alsdann aus dem Schiff' ans krumme Gestade des Meeres,
    Schlummerten dort ein wenig, und harrten der heiligen Frühe.
    Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
    Sandt' ich einige Freunde zur Wohnung der göttlichen Kirke,

    Unsers toten Gefährten Elpenors Leichnam zu holen.
    Eilig fällten wir Holz auf der höchsten Spitze des Landes,
    Und bestatteten ihn mit vielen Tränen und Seufzern.
    Als der Tote nunmehr und des Toten Rüstung verbrannt war,
    Häuften wir ihm ein Grab, und errichteten drüber ein Denkmal,
    Pflanzten dann hoch auf das Grab sein schöngeglättetes Ruder.

  • Maximian lächelte und hätte beinahe mitsprechen können, als ihm nach und nach die Worte wieder einfielen. Kaum hatte Viola aufgehört, fuhr er an ihrer Statt fort:


    "Also bestellten wir dies nach der Ordnung. Doch unsre Zurückkunft
    Aus dem Reiche der Nacht blieb Kirke nicht lange verborgen;
    Denn bald kam sie geschmückt, und ihre begleitenden Jungfraun
    Trugen Gebacknes und Fleisch samt rotem funkelnden Weine.


    Und sie trat in die Mitte, die hehre Göttin, und sagte:
    Arme, die ihr lebendig in Aïdes Wohnung hinabfuhrt!
    Zweimal schmeckt ihr den Tod, den andre nur einmal empfinden.
    Aber wohlan, erquickt euch mit Speis' und funkelndem Weine
    Hier, bis die Sonne sinkt; und sobald der Morgen sich rötet,


    Schifft! Ich will euch den Weg und alle Gefahren des Weges
    Selbst verkünden, damit nicht hinfort unselige Torheit,
    Weder zu Wasser noch Land', euch neuen Jammer bereite."


    Merhmals war er ins Stocken geraten, doch schließlich hatte er den Text wieder zusammenfügen können, wie eine längst verlassene Landschaft, die sich doch nicht verändert hatte. Er lächelte.


    "Wunderbare Worte."

  • Ich sehe, Deinen Homer hast Du gelernt, lächelte ich leicht.
    Hast Du schon einmal von Aristophanes gehört? Lysistrata?
    Ich musterte ihn von der Seite, während wir weiter durch den Schnee spazierten.
    "Oh, hilf uns Goettin, dass die Narren nie ihr schlimmes Ziel erreichen!"
    oder
    "Nun wagt es nur, die Hand an uns zu legen, feige Lumpen!"

  • Maximian schüttelte leicht den Kopf.


    "Nein, die Namen sagen mir zwar was, die Zitate jedoch nicht; obwohl ich mir bei ersterem nicht sicher bin, ob meine Mutter etwas von ihm hatte, das ich gelesen haben könnte."

  • Plötzlich wurde es lauter. Eine Turma römischer Reiter bog in die Strasse ein und trabte die Strasse herunter, dahinter eine zweite an deren Spitze Meridius ritt. Er war in Gedanken versunken, nahm ihn das Gespräch mit Lucidus doch immer noch mit. Er konnte alles noch nicht wirklich glauben, noch nicht wirklich einordnen. Das Attentat - Der Rücktritt - dass es einen neuen Legatus Augusti Pro Praetore geben sollte. Er musste jetzt nur noch schnell nach Hause, die eine und andere Sache regeln, vielleicht würde er noch Zeit haben...


    Er bekam nicht mit, wie ein Decurio die beiden Spazierenden von der Strasse verscheuchte.


    "He, ihr da, macht Platz für den Legatus!"


    Meridius passierte die Stelle ohne zu erkennen, dass sein Sohn am Straßenrand stand.

  • Maximian hatte Viola zur Seite genommen, als der Legionär sie forsch zur Seite wies. Er sah zu den Reitern auf, während sie sie passierten, als wäre er ein kleiner Junge. Schon immer wollte Maximian für Rom kämpfen, doch sein Ziehvater hatte ihm diesen Wunsch immerzu verwehrt und auch die Mutter war froh, dass Maximian diese Idee scheinbar schnell wieder verwarf.
    Seit seiner Ankunft in Tarraco war er allerdings noch neugieriger, denn Mercator hatte ihm ja erzählt, dass Meridius auf einem Feldzug war. Dass sein Vater Legatus war, wusste er nicht. Deswegen sah er Viola nur kurz an und meinte dann abenteuerlustig:


    "Komm!"


    Schon lief er den wesentlich schnelleren Reitern hinterher, sodass Viola gut mitkam.

  • Oh ihr Götter, dachte ich nur und eilte hinterher. Waffen und Soldaten bedeuteten meist Gewalt und Gewalt war wahrlich nicht die Lösung aller Dinge. Aber ihm zuliebe lief ich mit.

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