Küche der Casa

  • Amüsiert beobachtete Witjon, wie Dagwin das Brot herunterschlang. Zehn war er also. "Nun, Faustus. Dies ist die Casa Duccia und wir sind ein germanisches Haus. In diesen Mauern wird die Sprache unserer Väter gesprochen und in diesen Mauern heißt du Dagwin, verstanden?" erklärte er in freundlichem Ton und machte noch eine Scheibe Brot fertig. Auch die bekam Dagwin hingehalten, dann stand Witjon kurz auf, holte einen mit Dünnbier gefüllten Trinkschlauch aus einem Wandregal und gab ihn ebenfalls dem Pimpf. "Du bist bestimmt auch durstig. Trink."


    "Ich," fuhr er fort, während er sich wieder setzte, "bin Witjon, Sohn des Evax, den die Römer Numerius Duccius Marsus nennen. Ich bin der Hausherr und führe die Sippe der Kinder Wolfriks an." Er lächelte freundlich und hoffte, dass der Junge verstand, wen er vor sich hatte. "Nun Dagwin, willst du mir ein wenig über dein Zuhause erzählen? Wie war es dort, wo du mit Ferun gelebt hast?"

  • Kurz hörte der Junge auf zu essen, als Witjon ihn über dieses Haus belehrte. Der war ja schon wie seine Großmutter, nur nicht so garstig und alt. Irgendwie verstand Dagwin es nicht, sie lebten doch hier in einer römischen Stadt, wieso also noch all das germanische? Aber er war vermutlich der Jüngste im Haus der Duccier, also müsste er sich wohl damit abfinden. Er nickte zum Verständnis.
    Auch den Trinkschlauch nahm er entgegen und trank und trank und trank, so dass es ihm schon an den Mundwinkeln herunter lief. Schnell wischte er sich mit dem Ärmel alles weg. Wo Witjon seinen Namen und den seines Vaters wiederholte erinnerte sich wieder daran, was er vor kurzem in der Eingangshalle gesehen hatte, den Stammbaum. Natürlich waren es viel zu viele Namen gewesen, als das er sich alles hätte auf die Schnelle merken können, aber der Zweig des Evax war direkt neben dem seines Großvaters gewesen, er war der Bruder von Gunnar und so fiel ihm auch ein, dass Witjon in der selben Generation wie sein Vater, sein Onkel und seine Tante war. Jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, dass er nach seinem Onkel und seiner Tante fragen wollte!
    "Wenn du Witjon bist, dann kennst du doch bestimmt meinen Onkel und meine Tante! Verus und Ver.. ehm, ich meine Phelan und Sontje! Sind sie hier? Wissen sie, dass ich hier bin?!" fragte er also aufgeregt.


    Witjon fragte ihn nach seinem Leben auf dem Hof, was er ihm kindlich bis ins kleinte Detail erzählen wollte.
    "An das als ich klein war, kann ich mich nicht mehr erinnern.. aber in den letzten Wintern lebte ich alleine mit Großmutter auf dem Hof des Römers Paullus Volcatius Lanatus!" Eine tolle Sache, wie er fand, also auf dem Hof eines Römers zu leben!
    "Das war nämlich so.." und Dagwin erzählte wie ein Wasserfall, was er alles auf dem Hof erlebt hatte. "Und dann .. starb Großmutter." schob er traurig nach und beendete somit seine Erzählung.

  • "Allerdings kenne ich Phelan und Sontje," bejahte Witjon die Frage nach der Verwandtschaft. Mit entschuldigendem Blick musste er dann jedoch die Freude dämpfen. "Allerdings ist keiner von beiden hier in Mogontiacum. Dein Onkel hat den Ort verlassen und die Tochter eines reichen Mannes auf dem Land geheiratet. Vielleicht kannst du ihn dort irgendwann einmal besuchen." Er lächelte Dagwin aufmunternd an. Vielleicht vergaß er das ja über die Zeit erst einmal, denn er würde Ablenkung finden im Versuch sich in Mogontiacum einzuleben.
    "Deine Tante dagegen..." Witjon zögerte. Sollte er davon erzählen, dass sie angeblich in Rom weilte, wie der Germanicus ihm kürzlich berichtet hatte? Er entschied sich dagegen.
    "Ich weiß nicht wo sie ist, tut mir leid. Wir haben sie zu ihrer Mutter Ferun geschickt, aber bei euch war sie nie, oder?" Vielleicht wusste der Junge ja doch mehr, als er sagte. Ob man dahingehend mehr aus ihm herauskitzeln konnte?


    Und dann erzählte Dagwin von seinem Leben. Witjon verstand nicht alles, denn es war viel zu viel und viel zu schnell und viel zu durcheinander. Aber was Witjon verstand war, dass Dagwin nicht nur ein typisch germanisches Bauernleben gelebt hatte, sondern auf der Villa Rustica wesentlich mehr erlebt hatte. Er hatte eine Ahnung von der römischen Lebensweise und hatte trotzdem nicht die germanischen Bräuche vergessen, so hoffte Witjon zumindest.
    "Tut mir leid," versuchte Witjon den Kleinen etwas zu trösten. "Wir werden den Göttern eine Gabe für ihr Heil darbringen, ja?" Man musste Kindern Zuversicht geben und Witjon war sich sicher, dass es das beste war, wenn Dagwin den Tod der Großmutter durch aktives Tun verarbeitete. Opfern war da genau das richtige. Zu den alten Göttern, nicht zu diesen neumodischen mogontinischen Göttern oder den anderen keltischen Gottheiten der Region. Und natürlich nicht zum römischen Totengott, denn was konnte der schon für Ferun tun, die jetzt in Hels Reich wandelte?

  • In Dagwins Kopf ging nur eins um und das war ein riesiges Fragezeichen mit einem noch riesigerem Punkt. Onkel Phelan sollte geheiratet haben und auf dem Land wohnen? Das machte ja gar keinen Sinn, der Junge schüttelte den Kopf. Wie konnte man nur aufs Land ziehen, wenn man in einer Stadt wohnen konnte? Als er dann noch hörte, dass seine Tante bei ihm auf dem Hof hätte sein sollen, schaute er seinen Gegenüber mit großen Augen an. "Nein nein.." schüttelte er wieder den Kopf "Tante Sontje war nicht mehr auf dem Hof, seit ich vier oder fünf Winter alt war Aber Großmutter hätte sie bestimmt wieder weggeschickt, sie hielt sie nämlich für schwachsinnig." mit seinem Zeigefinger kreiste er neben seinen Schläfen. Sehr seltsam. Irgendwann realisierte er aber eines: Weder sein Onkel, noch seine Tante war hier. Er war also.. allein?
    "Mh.. ich dachte Phelan oder Sontje wären hier .. ich kenne hier doch gar keinen." auch wenn der Junge sehr mutig war, er ringte mit sich, seine Traurigkeit und vielleicht die ein oder andere Träne zu verbergen.
    "Das mit Großmutter ist schon in Ordnung.. sie war eine alte Frau weißt du? Aber ich bin mir sicher, dass sie sich bestimmt gefreut hätte, wenn wir ein Opfer dar bringen! Großmutter hat oft und viel von den Göttern erzählt, von Frigg ganz besonders viel.." kein Wunder, dass der Junge sich so für die römische Kultur interessierte, über die germanischen Götter wusste er genug für zwei Menschenleben.

  • "Schwachsinnig?" Witjon verkniff sich ein Grinsen, als der Junge so unbekümmert über seine Tante sprach. Amüsant irgendwie, aber auch traurig, dass Sontje nicht einmal mehr von ihrer Mutter für voll genommen worden war. Und dann...ach herrje, der Kleine begann doch nicht etwa zu heulen? Witjon fühlte sich überfordert. Sein Sohn hatte nie vor ihm geweint, soweit er sich erinnern konnte. Und wenn, dann vielleicht ganz beginn in sehr jungem Alter, bevor Witjon es ihm ausgetrieben hatte. 'Ein Duccius weint nicht', das hatte sein Vetter Lando immer gesagt. So würde er es auch mit seinen Nachkommen halten. Und falls Audaod trotzdem irgendwann einmal geweint hatte, dann womöglich vor seiner Amme oder Marga, aber gewiss nicht vor seinem Vater.
    "He, na komm...öh...du wirst die anderen bald kennen lernen. Am besten gleich morgen, ja?" Witjons Tröstungsversuch musste kläglich klingen, aber vielleicht reichte es für den Jungen. "Komm, wir bringen dich jetzt erstmal ins Bett. Das Zimmer deines Onkels ist frei, das kannst du gerne haben. Und dann, morgen, werden wir auch für deine Großmutter opfern." Witjon stand auf und bedeutete Dagwin es ihm gleichzutun. Dann nahm er die Öllampe und ging hinaus auf den Gang, womit er den Jungen quasi zwang ihm zu folgen, sofern er nicht im Dunkeln sitzen bleiben wollte. Es dauerte nicht lange, bis sie dann Dawins neues Zimmer erreichten.

  • Zitat

    Original von Albin

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    Marga:
    Margas kurzer skeptischer Blick auf die Bande wich schnell einem herzlichen Lächeln. "Ach schau, der junge Hadamar ist ja auch hier!" Und dem Betteln der Kleinen konnte sie schließlich auch nicht lange standhalten. Kapitulierend wischte sie das Gejaule der duccischen Welpen beiseite und nuschelte so etwas wie: "Na, dann bleibt halt erstmal und fresst mir wieder die Haare vom Schädel..."
    Woraufhin sie den Gemüsekorb auf den Tisch wuchtete und sich erst einmal setzte, die verschwitzte Stirn abwischte und den achso schlauen Wolfrhaban amüsiert anfunkelte. Dagny schenkte sie einen liebevollen Blick, bevor sie feststellte: "Bei den Göttern, ich werde alt. Hörst du Eldrid? Ein Segen, dass du mir jetzt hier so tüchtig aushilfst!" Dann wandte der besänftigte Küchendrache sich wieder Hadamar zu. "Und du? Müsstest du nicht gerade wieder irgendwas tun? Schwerter wetzen, Caligae schrubben, oder sowas soldatisches?" Ihre Augen verrieten, dass sie nicht sonderlich viel Ahnung vom Legionärsleben hatte, sich aber dennoch dafür interessierte, warum der junge Duccius trotzdem so viel Zeit hatte, hier noch lange herumzuturnen. Soldaten hatten viel zu tun, davon war Marga nämlich zumindest überzeugt.


    „Ja, bin ich...“ Hadamar grinste etwas verlegen und kratzte sich am Kopf. Puh. Marga reihte sich also nicht zu denen ein, die ihn heute zur Sau machen wollten. Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter, als er Dagny und Rhaban jubeln hörte, als Marga entschied, dass sie bleiben konnten – so laut, dass er fast schon wieder befürchtete, die Alte würde ihre Entscheidung widerrufen. Er bückte sich, um Dagny unterm Tisch hervorzuholen, platzierte sie auf der Bank neben Iring und holte sich dann von Eldrid brav eine Scheibe Brot. Als er dann jedoch zum Tisch zurückgehen wollte, hörte er etwas, was ihn erstaunte. „Wie, du hilfst hier aus?“ Er warf Eldrid einen verblüfften Blick zu. Die zuckte nur die Achseln. „Ma hat mich hergeschickt. Kurz nachdem du fortgel... fort bist“, antwortete sie nur. Hadamar musterte sie noch einen Augenblick – und zuckte dann die Achseln. Er wusste gar nicht, warum ihn das so überraschte... eigentlich war es ja logisch. Eldrid war ja mittlerweile auch in einem Alter, in dem es auf dem Hof für sie kaum mehr weiter gehen konnte, nicht als Wolfrikstochter, nicht als Duccia. Er hakte seinen Fuß so unter den umgefallenen Stuhl, dass er ihn mit einer Bewegung seines Beins wieder aufrecht hinstellen konnte, und setzte sich darauf. „Ich?“ machte er dann überrascht auf Margas Frage hin. Und spürte, wie seine Ohren sich leicht röteten. „Äh, nein. Ich hab... ich muss morgen erst wieder antreten.“ Was genau genommen nicht gelogen war. Er hatte heute ja keinen Nachtschicht bei der Wache abbekommen, also hatte er tatsächlich erst morgen wieder Dienst... nur glaubte halt jeder im Castellum, dass er auf seiner Pritsche war und schlief. Und nicht sich irgendwo außerhalb herumtrieb.

  • Dagwin streckte sich. "Ich bin auch ganz schön müde.." bekannte er sich vor Witjon und folgte ihm raus auf den Gang. Mit einer Öllampe in der Hand ging er vorraus und führte den Jungen durch die Casa ins Obergeschoss. Er staunte nicht schlecht über sein neues Heim, es war riesig und die massiven Mauern fand er ziemlich beeindruckend, das war nichts gegen die kleine Hütte, die er mit seiner Großmutter bewohnt hatte.

  • Zitat

    Original von Lucius Duccius Ferox
    „Ja, bin ich...“ Hadamar grinste etwas verlegen und kratzte sich am Kopf. Puh. Marga reihte sich also nicht zu denen ein, die ihn heute zur Sau machen wollten. Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter, als er Dagny und Rhaban jubeln hörte, als Marga entschied, dass sie bleiben konnten – so laut, dass er fast schon wieder befürchtete, die Alte würde ihre Entscheidung widerrufen. Er bückte sich, um Dagny unterm Tisch hervorzuholen, platzierte sie auf der Bank neben Iring und holte sich dann von Eldrid brav eine Scheibe Brot. Als er dann jedoch zum Tisch zurückgehen wollte, hörte er etwas, was ihn erstaunte. „Wie, du hilfst hier aus?“ Er warf Eldrid einen verblüfften Blick zu. Die zuckte nur die Achseln. „Ma hat mich hergeschickt. Kurz nachdem du fortgel... fort bist“, antwortete sie nur. Hadamar musterte sie noch einen Augenblick – und zuckte dann die Achseln. Er wusste gar nicht, warum ihn das so überraschte... eigentlich war es ja logisch. Eldrid war ja mittlerweile auch in einem Alter, in dem es auf dem Hof für sie kaum mehr weiter gehen konnte, nicht als Wolfrikstochter, nicht als Duccia. Er hakte seinen Fuß so unter den umgefallenen Stuhl, dass er ihn mit einer Bewegung seines Beins wieder aufrecht hinstellen konnte, und setzte sich darauf. „Ich?“ machte er dann überrascht auf Margas Frage hin. Und spürte, wie seine Ohren sich leicht röteten. „Äh, nein. Ich hab... ich muss morgen erst wieder antreten.“ Was genau genommen nicht gelogen war. Er hatte heute ja keinen Nachtschicht bei der Wache abbekommen, also hatte er tatsächlich erst morgen wieder Dienst... nur glaubte halt jeder im Castellum, dass er auf seiner Pritsche war und schlief. Und nicht sich irgendwo außerhalb herumtrieb.



    [WRAPIMG=left]http://farm2.static.flickr.com/1054/1438934292_07488844c3_t.jpg[/WRAPIMG]
    "Ja, du," bestätigte Marga mit einem spöttischen Schmunzeln. Wo hatte der Junge nur wieder seinen Kopf? Aber offenbar war er etwas durcheinandergekommen bei der Information, dass Eldrid jetzt in der Casa Duccia ihren Dienst tat. Tja, Zeiten änderten sich und junge Mädchen mussten lernen den Haushalt zu führen. Marga wusste das ganz genau! "Und was hast du morgen dann zu tun, wenn du angetreten bist?" fragte sie also weiter und ließ sich von einem der Kinder nach knapper Anweisung einen Becher Dünnbier reichen, den sie durstig zur Hälfte leerte. Mit wachem Blick fixierte sie dann Hadamar in Erwartung seiner Antwort.

  • „Eh“, machte Hadamar. Morgen. Wenn er angetreten war. Seit wann interessierte Marga sich denn für seinen Tagesablauf? Hatte sie nie, als er noch hier in der Casa gewohnt hatte. Andererseits: hier in der Casa kannte sie ja auch die Tagesabläufe der Bewohner, wenigstens so ungefähr. „Also, nach dem Appell... Ausbildung. Bin ja noch Tiro. Morgen...“ Hadamar überlegte kurz. „Wenn der Centurio nichts anderes anordnet, steht zuerst Waffentraining auf dem Plan.“ Er grinste flüchtig, als er bemerkte, wie ihn seine drei jüngsten Geschwister jetzt ansahen. Da war ganz eindeutig Bewunderung im Blick... und Hadamar genoss das total.

  • Mit den Römern im Schlepptau kam Albin in die Küche und deutete der alten Marga mit den Fingern auf den Lippen den Besuch einfach unkommentiert und nicht mit Küchenwerkzeugen beworfen eintreten zu lassen. Die Küche selbst war nicht im Atriumhaus, sondern ein kleiner Anbau an dessen hinterem Teil sich zwei in Stein und Keramik gefügte Herdstellen befanden.


    "Das hier wäre dann die Küche...", fügte er unnnötiger Weise mit freundlichem Lächeln an.

  • Witjon war an diesem Dezembermorgen noch vor Tagesanbruch aufgestanden und hatte sich vor der Kälte der Flure in die Küche der Casa Duccia geflüchtet, wo Marga bereits ein Feuer entzündet und Frühstück vorbereitet hatte. Mogontiacum erging sich einmal mehr in den Festlichkeiten anlässlich der Saturnalien, die auch im Hause der Nachfahren Wolfriks zur Tradition geworden waren. Den Pilleus hatte Witjon noch in seinem Zimmer gelassen, ebenso wie seine Frau, die sich noch ein bisschen zwischen den Laken rekeln durfte. Da Marga es vorgezogen hatte die Anwesenheit des Hausherrn zugunsten des ungestörten Fortgangs ihrer Arbeit zu ignorieren, saß Witjon still mampfend am Küchentisch, die Ellenbogen aufgestützt. Ein Humpen Dünnbier spülte zwar das dicke Brot herunter, schaffte es jedoch nicht die Müdigkeit aus Witjons Gesicht zu vertreiben, die sich noch hartnäckig an die draußen nur langsam weichende Dunkelheit klammerte.


    In Kürze würde die Sonne sich durch die Wolkendecke Bahn brechen und die Civitas aus ihrem Festschlaf wecken. Viele noch berauschte Nachtschwärmer würden sich auf ihrer Schlafstatt noch einmal herumdrehen und vielleicht an ihren Bettnachbarn anschmiegen, der die Nacht mit ihnen geteilt hatte. Witjon dagegen dachte schon wieder an die Notwendigkeiten des Lebens. Legion und Ala waren zwar in ihre Standlager heimgekehrt, aber es gab noch immer keine Nachricht über einen neuen Statthalter. Dazu kam, dass die Civitates entlang des Rheins sich zusehends über den Zustand der Straßen beschwerten. In solcherlei Gedanken versunken rieb Witjon sich müde die Schläfen, lustlos ein Käsebrot kauend.

  • Dagmar hatte nicht besonders gut schlafen können. So war sie auch recht früh wach geworden. Es war noch still im Haus als sie sich auf den Weg in die Küche machte. Es war einfach der wärmste Ort. Sie hoffte auf eine heiße Milch mit Honig und einen kleinen Plausch mit Marga. Also tappste sie leise durch die Casa bis sie de duftenden Gerüche aus der Küche wahrnahm. Ihr Schritt beflügelte sich und voller Schwung öffnete sie die Tür.
    "Guten Morgen,"
    rief sie gut gelaunt aus und sah, dass sie wohl mit Marga nicht so allein sein würde. Also setzte sie sich neben Witjon und musterte ihn. So richtig wach sah er nicht wirklich aus. Marga brachte ihr wie jeden Morgen ihre Milche und sie trank einen Schluck davon. Heute schien sie besonders heiß zu sein.
    "Was beschäftigt denn deinen Kopf so sehr, dass du nicht schlafen kannst?"
    Irgendwas musste ihm auf der Seele liegen sonst würde er wohl kaum so aussehen.


    Ein Junge kam in die Küche und grüßte alle. Dann legte er dem müden Marsus die Post hin. Er dachte wohl, dass man das so schnell wie möglich zur Kenntnis nehmen wollte.
    "Das scheint wohl etwas Wichtiges zu sein wenn es dir sogar schon in die Küche gebracht wird."
    Geduldig wartete sie ab ob sie erfahren würde was darin stand.

  • Die Küchentür flog auf und mit der Vehemenz einer gut gelaunten Frühaufsteherin erschien Dagmar. Witjon gähnte herzhaft, bevor er sich zu einem underdurchschnittlich motivierten "Morg'n", durchrang.


    "Ach, frag nicht", wehrte er die Frage nach seinem Befinden zunächst ab, um sie dann aber doch brummelnd zu beantworten: "Wehe denjenigen, die sich mit dieser Provinz herumschlagen müssen." Er seufzte. "Aber das kennst du ja", sagte er mit einem müden Lächeln. Dagmar hatte ja schon in früheren Zeiten verantwortungsvolle Posten in Germania inne gehabt.


    Den Brief nahm Witjon überrascht aber lustlos zur Hand. "Was Wichtiges...? Tatsache, der ist von Alrik." Er erbrach das Siegel, das die zusammengeklappten Wachstafeln verschloss und überflog die Zeilen, wobei sich seine Stirn mehr und mehr runzelte.


    "Das gibt's ja gar nicht", stieß er schließlich schnaubend hervor und reichte Dagmar das Schreiben. "So ein...", knurrte Witjon und hielt auf der Suche nach einer passenden Beschreibung kurz inne, bevor er "dreister Sack" hervorpresste. "Lies selbst. Rom bekommt ihm nicht besonders gut, scheint's mir..." Wäre er nicht noch so müde gewesen, er hätte sich wohl deutlich stärker über Alriks Nachrichten exaltiert.

  • Manchmal machte es ihr wirklich Spaß allen Morgenmuffeln die Laune noch mehr damit zu vermiesen einfach gute Laune zu haben. Fröhlich lief sie durch die Gegend, strahlte jeden an und zwang sie dazu mit dem Muffeln aufzuhören. Es gelang ihr nicht immer, aber es war ein ausgezeichneter Morgensport. An diesem Morgen hatte sie jedoch nicht so viel Elan übrig, das sie ihn hätte teilen können. Noch ein Schluck Milch und sie sah Witjon weiter fröhlich an.
    "Die Provinz ist wirklich keine leichte Aufgabe, aber man kann ausgezeichnet an ihr wachsen. Wer mit Germanien zurecht kommt, schafft auch den Rest des Reiches. Selbst Roma ist dann gar nicht mehr so schlimm."
    Sie konnte gar nicht mehr sagen wieviel ihrer Nerven diese Provinz schon gekostet hatte, aber inzwischen war sie einfache Zivilistin und das hatte seine Vorteile. Es war ein deutlich ruhigeres Leben.


    Der Brief weckte dann tatsächlich auch ihr Interesse. Aber Witjon war der Hausherr und somit oblag ihm das Vorrecht ihn zu lesen und zu entscheiden was sie wissen durfte. Sehr zufrieden sah er nicht aus und seine Äußerungen schienen ihre Vermutung zu bestätigen. Bei dem Wort Sack zog Dagmar ihre Augenbraue etwas hoch. Solch Worte mochte sie gar nicht. Sie nahm also die Wachstafeln und las. Während sie das tat, zog sich die andere Augenbraue weiter nach oben und sämtliche Freundlichkeit wich aus ihrem Gesicht.
    "Ich hatte ja bisher nicht gewusst, dass ich Ambitionen zur Großgrundbesitzerin habe und auch so viel Vermögen."
    Einen richtigen Überblick hatte sie da wirklich nicht, da alle Betriebe hier waren und man ihr in regelmäßigen Abständen Geld zukommen ließ. Sie sprach sehr ruhig weiter und jeder der Venusia kannte, wusste dass sie wenn sie besonders ruhig war kurz vor dem explodieren war. Der schlafende Vesuv war gar kein Vergleich in solchen Momenten.
    "Manchen scheint es in Roma ein wenig zu gut zu gehen und sie scheinen zu vergessen wem sie das zu verdanken haben."
    Sie hatte ihren Neffen wirklich sehr gern, aber so mit der Familie zu reden war wirklich dreist und der Ausruf Sack war nicht ganz unberechtigt.
    "Wir sollen also jemanden aus der Familie mit diesem Quintilius verheiraten? Der ist ja lustig."
    Sie kannte die Familie und sie hatten in der Tat schon eine menge gemeinsam durchlebt und lange Verbindungen. Dennoch war der Ton sehr daneben. Venusia blickte zu Marsus.
    "Was gedenkst du zu tun um diese despektierliche Art zu unterbinden?"

  • "Lustig trifft es wirklich", ätzte Witjon. "Alrik scheint unter die Komödiendichter gegangen zu sein." Er runzelte die Stirn und während er kurz nachdachte, rieb Witjon sich die verschlafenen Augen.


    "Also...", seufzte er daraufhin. "Die Idee einer neuen Verbindung mit den Quintiliern ist gar nicht mal so übel, das muss ich ihm lasse." Aus einem großen Krug schenkte er sich erstmal noch etwas Dünnbier nach. "Aber du hast Recht wenn du sagst, dass er sich im Ton vergriffen hat. Nur weil er jetzt Senator ist denkt er wohl uns wie sein Gefolge kommandieren zu können. Oder das kommt von der langen Zeit beim Exercitus Romanus?" Er nahm noch einmal die Wachstafel zur Hand und betrachtete die Sätze. Ein Holzscheit knackte in der Feuerstelle.


    "Nun, was gedenke ich zu tun? Ich könnte ihm schreiben, dass ich ihn mal gehörig schröpfe, wenn er sich weiter so frech gebärdet. Wäre das in deinem Sinne?" Witjon Blick und sein schiefes Lächeln verrieten, dass dieser Vorschlag nur halb ernst gemeint waren. Er wurde allerdings schnell wieder ernst, als er Dagmars Miene gewahr wurde. "Hm, also. Ich werde ihm wohl schreiben müssen, dass unser Vermögen nicht seine Selbstbedienungskasse ist. Meine zuletzt zugesagte Unterstützung bezog sich nicht darauf, dass er mit unserem Hab und Gut nach eigenem Gutdünken verfahren kann..."

  • Venusia musste trotz ihrer aufgekommenen Wut schmunzeln. Komödiendichter. Das fand sie gut.
    "Es stimmt schon. Die Familie hat bisher seit ih mich erinnern kann zu uns gehalten. Die Freundschaft früher war deutlich intensiver als heute. Es wäre vermitlich im Sinne aller die Beziehung zu festigen. Da hat er schon recht."
    Dann kam sie nicht umhin zu seufzen.
    "Nein, der Exercitus ist es eigentlich auch nicht, der Männer so mit seiner Familie umspringen lässt. Zumindestens bisher nicht. Nicht hier im Hause."
    Wieder musste sie lachen.
    "Wenn du ihn schröpfen lassen würdest, dann wüsste er zumindestens, dass er wirklich zu weit gegangen ist. Aber wahrscheinlich wäre es wirklich etwas zu viel."
    Den Becher mit der warmen Milch hielt sie in der Hand und ließ die Flüssigkeit ein wenig darin kreisen während sie sich kurz ihren Gedanken überließ. In Roma war er ihr gegenüber durchaus höflich gewesen, sehr zielstrebig, aber im Ton hatte er sich nicht vergriffen. Soweit sie wusste war außer seinem Wahlsieg auch nichts passiert was ihn zu diesem Höhenflügen animieren hätte können und bsiher hatte auch noch kein Duccius seine Wurzeln vergessen und woher er kam. Es musste wohl wirklich am Charakter des jungen Mannes liegen, der ihn zu diesen Worte animierte und so den falschen Ton fanden ließ.
    "ich denke, das solltest du ihm wirklich mitteilen und vielleicht sollte er auch wieder daran erinnert werden wie es sich mit abgezähltem Vermögen so lebte. Scheinbar hat er da ein wenig den Bezug zu verloren und muss daran etwas rüder einnert werden."
    Dagmar war die Letzte, die jemandem aus ihrer Familie etwas Böses wünschte, aber gegen Erziehungsmaßnahmen hatte sie nie etwas einzuwenden wenn es den Kopf wieder gerade rückte und man sich daran erinnerte wer da welchen Weg frei gemacht hatte und von wessen Schultern man getragen wurde...

  • Die Familie hat immer zu uns gehalten? Witjon konnte Dagmar einen Moment lang nicht folgen, bis er begriff, dass sie nicht ihre eigene Sippe sondern die Quintilier meinte. "Äh...na dann werde ich mich mit diesem Praefectus Alae Quintilius mal unterhalten. Was meinst du, wen könnten wir an ihn verheiraten?" Und noch bevor er diese Frage vollendet hatte, war ihm eine junge Nachfahrin duccischen Blutes in den Sinn gekommen. Mal sehen, ob Dagmar den gleichen Gedanken hatte.


    "Du hast ja recht", gab Witjon zu als seine Base einräumte eine Schröpfung des einzigen lebenden duccischen Senators sei wohl doch etwas übertrieben. Dass ein Alrik Habenichts ihnen hier unverhältnismäßig weniger nützte wie ein Alrik IchkannsogeradeebenmeineGladiatorenspielebezahlen sah sogar Witjon ein. "So werde ich es machen. Alrik muss endlich mal eine Investition tätigen, die ihn befähigt aus eigener Tasche zu leben. Und damit meine ich das politische Leben. Ist ja nicht so als hätte ich hier nicht auch finanzielle Pflichten als Decurio." Wobei er natürlich verschwieg, dass diese weitaus geringer sein mussten als die Ausgaben eines Senators.


    Schlussendlich besah sich Witjon dann nochmal den Brief und fügte milder gestimmt hinzu: "Jedenfalls bin ich gespannt, ob er diese Gesandtschaft ordentlich unter seine Fittiche nimmt. Vielleicht hat er ja schon genug Einfluss um bei den wichtigen Leuten Zustimmung und Unterstützung für die Sache der Civitas herauszuholen." Und verschmitzt grinsend ergänzte er: "Dass er bei der Wahl einer Heiratskandidatin in Schwierigkeiten kommen könnte, hätte ich dagegen nie gedacht...kennst du vielleicht jemanden aus deiner Zeit in Rom, dem du mal einen Brief schreiben kannst? Und sei es nur, um mal ein paar Ratschläge für Alrik zu ergattern?"

  • "Wen wir an ihn verheiraten könnten," sinnierte Dagmar und sah Witjon an. "Nun, wenn ich das richtig sehe, gibt es ja nicht so viele Möglichkeiten, oder? Wenn ich noch richtig zählen kann, haben wir nur zwei Möglichkeiten. Naha oder mich. Das wirst du wohl entscheiden müssen. Du bist der Sippenchef."
    Dagmars Blick senkte sich auf ihr Brett mit ihrem Frühstück und nahm ein wenig was davon. Solch Entscheidungen hatte sie nicht zu treffen und wenn sie ehrlich war, war sie auch froh darüber.


    "So leid es mir tut, ich kenne keinen in Roma, der sich darum kümmern könnte. Viele unserer alten Freunde leben nicht mehr und kennst Alrik selbst. Auf wessen Rat hört er schon?"
    Wieder fiel ihr auf wie anders ihr Verwandter im Vergelich mit den anderen Duccii war.
    "In Roma hatte ich auch nicht viele Kontakte neben den Decimii. Hier in Germania sind wir bekannt, in Roma ist es etwas anders. Dort beschäftigt man sich nicht großartig mit der Kommunalpolitik im Norden und so sind manche Namen in Vergessenheit geraten. Ich fürchte also, dass Alrik dort auf sich allein gestellt ist und selbst Ratgeber finden muss. Nur auf diese würde er hören egal wem wir hier aus der Ferne empfehlen."
    Da war er einfach zu dickköpfig für.


    "Dann können wir nur hoffen, dass er diese Investition auch bald tätigt ehe du den deinen nicht mehr nachkommen kannst."
    Kurz sah sie ihr Gegenüber über den Becherrand an ehe sie trank.

  • "Ich werde darüber nachdenken", erwiderte Witjon. Er war der Sippenchef, das stand fest. Aber klüger fühlte er sich deshalb auch nicht unbedingt. "Ich werde dem Quintilius einfach mal meine Aufwartung machen und dann sehen wir weiter."


    "So weit wie Alrik bereits gekommen ist, wird er wohl bereits ganz ordentliche Lehrer gefunden haben, die ihm das gesellschaftliche und politische A und O beigebracht haben", fasste Witjon seine Überlegungen zu Alriks Fortkommen in Rom zusammen.


    "Andererseits hat er uns Land beschert. Ich hoffe dieses Geschäft hat sich gelohnt. Die Grundstücke werde ich mir wohl bald mal ansehen müssen."

  • "Das ist wohl die beste Variante," kommentierte sie Witjons Vorschlag. "Bei Alrik bleibt uns wohl nicht viel etwas Anderes übrig als davon auszugehen, dass er schon darauf achten wird. Es wird schon werden," hoffte sie.
    "Bei der Besichtigung der Ländereien könnte ich dir helfen wenn du es gern möchtest. Ich habe nicht viel Anderes zu tun und wenn es dich nicht stört, könnte ich dich da auch etwas bei der Arbeit entlasten."
    Etwas durch die Gegend reisen, das konnte sie ja tun.

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