Die Geburt war bereits ein paar Tage her und das kleine schreiende Bündel Mensch hatte den Haushalt doch ein wenig umgekrempelt. Hungi war aufgefallen, daß sich die Sklavinnen sehr gerne um seine Tochter scharten, doch war ihm das eigentlich egal, solange sie ihre Arbeit machten. Der Zustand seiner Frau hingegen war etwas besorgniserregender, denn die Geburt hatte Livia etwas mehr mitgenommen als gut war. Allerdings war ihr Sturkopf weiter vorhanden, ergo konnte ihr es auch nicht soo schlecht gehen. Dennoch hat der Medicus um eine Unterredung gebeten und das was dieser vorschlug fand Gefallen in Hungis Ohren. Er rief seine Leibsklaven herbei und trug ihnen die Verlegung seiner Frau und des Kindes nach Misenum auf, in seine erst vor kurzem erbaute Villa, in welcher er selber eigentlich noch gar keine Zeit verbracht hatte. Aber ihr würde es sicher gefallen dort. Und außerdem würde sie so der brütenden Hitze Roms entkommen, eine Tatsache, um die er sie sogar beneidete.
Als der Auftrag erteilt und die deswegen anstehenden Fragen ausdiskutiert waren wandte er sich seiner Korrespondenz zu, die wirklich dringend erledigt werden sollte. So wie der Brief an seinen Bruder.
An Marcus Vinicius Lucianus
Regia Legati Augusti pro Praetore
Mogontiacum, Germania
Salve mein Bruder,
ich dachte mir schon, daß du mit deinem neuen Posten mehr als genug Arbeit haben wirst und freue mich, daß du die schwierige Anfangsphase hinter dir zu haben scheinst. Wie es uns in Rom ergeht? Rom steht noch und erfreut sich gerade brütender Hitze. Man sagt, in Germania wäre es um diese Jahreszeit kühler und falls nicht, so sei die Hitze angenehmer zu ertragen. Wenn das stimmt, dann beneide ich dich, denn hier scheint jeder Tag heißer zu sein als der vorherige. Schon längst wäre ich geflüchtet aufs Land, auf meine Güter, wenn nicht diese leidige Pflicht im Senat meine Anwesenheit hier binden würde. Sei ohne Sorge, im Senat versäumst du nichts. Die Themen sind zum Großteil langweilig und bei vielen Senatoren hat man das Gefühl, sie würden nur heiße Luft produzieren, ein Gedanke, der angesichts des Wetters bei mir keine Hochgefühle entstehen lässt. Auch die leidige Geschichte mit den Parthern wurde andiskutiert, doch viel mehr als die Gerüchte von der Subura in die Curia Iulia zu tragen wurde auch nicht getan. Doch wie du sicher schon weißt, hat der Kaiser Rom verlassen und ist mit der Legio Prima nach Syria gereist. Ich muß zugeben, ich war erstaunt als ich davon erfuhr, denn der jüngste ist unser Kaiser ja wirklich nicht mehr. Entweder ist die Lage so prekär, daß er das zu seiner eigenen Sache erklärt hat oder er will auf seine alten Tage nochmal ein Abenteuer erleben. Vielleicht auch eine Mischung von beiden. Oder er ist vor seiner Frau geflüchtet, aber das ist Weibertratsch und zugleich auch eine schöne Überleitung. Was ist denn mit deiner Heirat? Es wird nun wirklich Zeit dafür, die Verlobung ist ja auch schon eine schöne Zeit lang her. Ansonsten kann ich dir nur mehr erzählen, daß Livia vor kurzem entbunden hat, ich also Vater geworden bin. Leider ist es nur ein Mädchen, aber es ist gesund und wird irgendwann einmal auf den Namen Livilla hören. In den nächsten Tagen werden sie nach Misenum aufbrechen, in unsere Villa dort, du weißt ja, die Hitze in Rom und die Geburt war für Livia ziemlich anstrengend. Und mit diesen Neuigkeiten schließe ich auch den Brief, du hast ja gewiss mehr zu tun als mein Geschwätz zu lesen.
Vale bene, mein Bruder, und mögen die Götter dir ihren Segen geben.
M. Vinicius Hungaricus
Der hier war eigentlich nicht so dringend, er gehörte aber zum guten Ton.
An Valeria Amatia
Casa Terentia
Roma
Salve Valeria,
mit größtem Bedauern habe ich vom Tod deines Bruders, des Septemvirs Valerius Victor erfahren und möchte dir hiermit mein Beileid aussprechen. Auch hörte ich vom Unglück, das deinem Elternhaus bei dieser Gelegenheit widerfuhr. Als Patron deiner Brüder werde ich dir sicher keine Unterstützung entsagen, sollten Schwierigkeiten jedweder Art auftreten.
Vale bene.
M. Vinicius Hungaricus
Kurz überlegte er noch, ob er einen dritten Brief schreiben wolle, allerdings war er nicht motiviert genug dafür. Er rief daher nach einem seiner Boten, drückte diesem die Briefe in die Hand und schickte ihn fort.