Ein Ausritt zu zweit

  • Maximian sah ihr grinsend und mit leicht schräg gelegtem Kopf hinterher und quittierte ihr neckisches Zungerausstrecken mit leisem Lachen. Eine ganze Weile lang stand er noch da und sah dorthin, wo Valeria verschwunden war. Was sie nur mit ihm angestellt hatte, als er vom Pferd gefallen war und sie ihn küsste?


    Ja, jetzt sah die Welt wirklich schon besser aus und das Donnern war auch erträglicher geworden. Maximian gönnte sich noch ein wenig Ruhe, schloss einen Moment die Augen, bevor Mummias markerschütternder Raum sich durch die Zimmer fortpflanzte bis hin zum kleinen Gästezimmer, in dem es war, als würden die Wände erzittern, wenn Mummia so laut rief.


    Maximian saß dann auch recht schnell kerzengerade und erhob sich, um Mummia und die anderen nicht warten zu lassen. Dann ging er hinaus in den größeren Aufenthaltsraum, wo schon alles gedeckt war und gut roch. Da kam auch grad Aurelius rein. Plitschnass offensichtlich, aber er nahm einfach nur ein Tuch, rubbelte sich damit so gut es ging ab und setzte sich an den Tisch.


    Der junge Decimus lächelte ihm zu und pflanzte sich neben ihm auf eine Kliene. Dabei entgingen ihm nicht die neugierigen Blicke seines Liegennachbarn. Irgendwann wandte Max den Kopf zu ihm, worauf der geheimnisvoll guckend mit dem Kopf Richtung Küche deuete.


    'Sie ist nicht deine Frau? Was habt ihr dann nur die ganze Nacht dadrin gemacht?'


    Aurelius sah seinen jungen beinahe Adoptivsohn fragend, skeptisch und auch wissend an. Maximian hatte sich eine Hand in den Nacken gelegt, die Stirn nachdenklich kraus gezogen und unschlüssig auf den Tisch gesehen, als die Damen der Welt den Raum betraten.
    Max war erleichtert und zeigte das auch, indem er breit grinste. Oh, und Hunger hatte er...

  • Mummia und Valeria kamen aus der Küche heraus und trugen zusammen mit der Sklavin die restlichen Speisen auf. Vom hauseigenen Käse fehlte natürlich nichts. Valeria setzte sich in einen Korbsessel neben Maximian und Mummia, dann sprachen sie das Tischgebet und das Essen begann. Beim ersten Bissen von dem Ziegenkäse spürte Valeria erst, wie hungrig sie doch war.


    Während des Essens warf sie immer mal wieder einen zaghaften Blick zu Maximian hinüber, der sie kauend ebenfalls ansah. Mummia und Aurelius vermieden es, verfängliche Fragen zu stellen, sahen sich aber hin und wieder vielsagend an. Deswegen war es Valeria auch etwas unangenehm; und sie war froh, als das Mahl soweit beendet war und es ans Abräumen ging. In der Küche dann hielt Mummia sie zurück und sagte:


    'Kindchen, wenn ihr nicht verheiratet seid, solltet ihr acht geben. Ich werde nachher noch einmal mit Aurelius reden. Aus diesem Haus gelangt nichts an die Öffentlichkeit...aber ihr solltet wirklich vernünftig sein.'


    Und dann war der ernste Moment vorüber und sie fuhr weiter fort mit ihrem üblichen Geschwätz. Valeria jedoch gab das zu denken. Sie nahm sich vor, mit Maximian darüber zu reden. Später. Doch nun ging sie ersteinmal zurück zu Maximian.

  • Maximian aß sich ordendlich satt. Das letzte mal, dass er etwas zu sich genommen hatte, war kurz bevor Valeria und er am Vortag wieder abgeritten waren. Und dass das eine ganz schön lange Zeit für einen Lucius Decimus Maximian war, wusste so gut wie jeder, den ihn auch nur annähernd kannte.


    So war er also auch derjeniege, der sich die meisten Teller vollschlug und auch der, der am längsten mit dem Essen beschäftigt war. Aber es war auch wirklich gut, was die Frauen da aufgetragen hatten...


    Und mit Valeria, die er immerzu angesehen hatte, war der Appetit noch einmal größer gewesen, kam es Maximian vor. Auch sie aß ordentlich und schien sich recht wohl zu fühlen. Das stimmte Maximian glücklich, auch wenn die gedrückte Stimmung, die Mummia und Aurelius verbreiteten, weil sie andauernd komisch guckten oder dummes Zeug plapperten, teilweise auf die Nerven ging.


    Irgendwann war auch Maximian satt und die Vorräte damit um einiges ärmer geworden, sodass Valeria und Mummia sich mit der Sklavin daran machten, alles wieder in die Küche zu bringen.
    Zurück blieben Aurelius, der sich und Maximian einen Becher voll Wein eingoss und es sich auf seiner Kliene bequem machte, und eben dieser Maximian, der es dem Hausherren grinsend nachmachte.


    Und während man geschäftiges Klappern und Räumen von der Küche her vernehmen konnte, meinte Aurelius, der sich seinen Weinbecher an die Lippen hielt und den anderen Arm hinterm Kopf gelegt hatte:


    'Vor ettlichen Jahren saß ich dort, wo du jetzt sitzt. Damals war ich Mummia begegnet, die zu dem Zeitpunkt noch ganz anders aussah...'


    Aurelius machte eine Pause und ließ Maximian so Zeit, sich Mummia in jung vorzustellen. Aber es gelang ihm nicht wirklich. Irgendwie sah Mummia trotzdem immer aus wie jetzt...


    'Ich war etwa in deinem Alter, vielleicht schon ein Jahr älter. Und ich hatte nur noch Augen für sie. Wenn Vater unterwegs oder auf den Feldern war, versteckten wir uns im Stall und entweihten das Stroh...'


    Max kniff die Augen zu. Oh nein, das wollte er sich jetzt nicht vorstellen. Nicht Mummia und Aurelius, wie sie es in jungen Jahren aber mit gleichen Körpern im Stall trieben.
    Neben ihm lachte Aurelius leise in seinen Bart hinein und wandte den Kopf zu Maximian, der da ein schiefes Lächeln versuchte.


    "Im... Stall?"


    Aurelius nickte ernst und sprach weiter.


    'Natürlich mussten wir einmal erwischt werden und zwar von meinem Vater. Oh, ich sage dir, nie hatte ich mehr Respekt vor ihm als da. Wenn Väter eins nicht wollen, dann dass ihre Söhne Liebschaften haben... Heimliche Liebschaften.'


    Langsam fiel bei Max die Münze. Aurelius versuchte Maximian klar zu machen, was er nicht tun sollte, während sie hier waren und er seine Zeit mit Valeria verbrachte, die ja nicht seine Frau war.
    Aurelius sah "seinen" Schützling von der Seite her an, während Maximian einen großen Schluck vom Wein trank.


    'Dein Vater weiß doch von ihr, oder, Maximian?'


    Beinahe hätte er sich verschluckt. Er wandte den Kopf zu Aurelius und sah ihn an, ohne etwas zu sagen.


    'Dachte ich es mir doch. Da sind wir wohl alle gleich, was?'


    Aurelius lachte, fuhr den Arm aus und klopfte Max auf die Schulter. Auf die Schulter, an der der Arm in der Schlaufe hing, weshalb ein ziehender Schmerz dadurch zog. Aurelius sah wieder nach vorn und lachte noch ein wenig.


    Gerade wollte Max etwas erwidern, als er aber Valeria eintreten sah. Aurelius sah sie auch und deutete auf einen der Korbstühle neben sich.


    'Über dich redeten wir gerade, hübsches Kind. Komm, setz dich noch einen Moment zu uns.'


    Am liebsten hätte Maximian was dagegen eingewendet, seufzte aber nur und begegnete Valeria lächelnd. Bestimmt würde Aurelius jetzt nicht solch ein verfängliches Thema ansprechen, nein.

  • Valeria kam nun wieder ins Zimmer, nachdem sie noch einen ganzen Redeschwall von Mummia über sich hatte ergehen lassen müssen. Sie blickte von Maximian, der sie anlächelte, zu Aurelius, der ihr ein Kompliment machte. Valeria lächelte sie beide an und setzte sich dann gehorsam. Sie wollte gerade etwas sagen, als Mummia auch herein kam und sich ächzend in einen der Korbsessel fallen ließ.


    'Na, so könnt ihr nicht weg, Kinder. Maximian, Junge, sag, wie geht es denn deinem Arm? Das mit der Schlinge war schon gar keine schlechte Idee, aber du solltest trotzdem einen Medicus aufsuchen, wenn du wieder zu Hause bist. Das heißt, wenn du überhaupt reiten kannst, so. Aurelius hatte einmal.....'


    Valeria hörte gegen Ende nicht mehr hin, sondern besah sich nur stumm das Zimmer, wobei ihr Blick wie zufällig immer mal in Maximians Richtugn fiel und sie ihm häufig ein vielsagendes Schmunzeln zuwerfen konnte. Sie hätte ihn gern wieder geküsst....


    "Ich danke euch beiden, dass ihr uns Obdach gewährt habt", sagte sie, um von den zu schönen Gedanken weg zu kommen.

  • Mummia brach wieder einmal in eine Glanzleistung von Alleinunterhaltung aus. Maximian hatte zu Aurelius gesehen, der eigentlich schon recht bald, nachdem seine Frau anfing zu schnattern, weggesehen und abgeschaltet hatte. Maximian überlegte sich, was der Alte vor seinem inneren Auge sah. Etwa von Mummia, wie er sich mit ihr im Stroh versteckt?


    Er wandte den Kopf wieder weg und ließ den Blick scheinbar schweifen. Natürlich schweifte der häufig an Valeria vorbei, die anscheinend auch eher lieber woanders wäre.... Im Zimmer nebenan zum Beispiel.


    Dann aber räusperte sich Mummia, die irgendwann geendet hatte und erwartungsvoll in den Gesichtern der Anwesenden auf eine Reaktion gewartet hatte, und Valeria war geistesanwesend genug, um etwas zu sagen. Sie bedankte sich für die Unterkunft, die ihnen gewährt worden war, was Maximian die Zeit ließ, den Arm zu betasten, der sich dabei nicht so doll anfühlte.


    "Dem Dank schließe ich mich an. Und ich fürchte, dass es dem Arm nicht sonderlich gut tun würde, wenn wir jetzt nicht hier wegkönnten."


    Kurz sah er am Schluss seiner Worte zu Valeria.

  • Nicht nur Valeria hatte abgeschaltet, nein, auch Maximian und Aurelius hörten gegen Ende Mummias' Vortrags nicht mehr hin. Die junge Decima musste leicht schmunzeln und zwinkerte Maximian zu, der sich nun ebenfalls für die freundliche Aufnahme in diesem Haus bedankte.


    Er betastete seinen Arm und verzog dabei leicht das Gesicht. Valeria runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. Als er nicht reagierte, meinte sie:
    "Wenn wir zurück in Tarraco sind, gehst du am besten gleich zu einem Medicus, der sich das mal ansieht. Ich frage mich auch noch immer, wie wir zurück kommen können...du wirs ohne Hilfe nicht einmal auf Nigidius raufkommen, geschweige denn reiten können..."

  • Maximian nickte. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Zum Reiten brauchte man zwei Hände und er hatte nur noch eine. Nicht auszumalen, was geschehen könnte, wenn er nicht schnell genug reagieren konnte. Nein, nach dem Sturz war selbst Maximian das zu heikel.


    "Da hast du recht. Das wäre nur ein unnötiges Wagnis, das ich nicht eingehen möchte."


    Er lächelte leicht gequält, suchte nach einer Lösung, als Mummias Stimme ertönte.


    'Dann lauft doch. Besser gesagt du, Maximian läufst, -hast ja zwei kräftige, junge Beine - und Valeria reitet neben dir her.'


    Gleich wandten sich alle Gesichter der rundlichen Frau zu, die das anscheinend total im Bereich des Möglichen sah. Dass es mit dem Pferd allein zwei Stunden nach Tarraco waren, hatte sie wohl vergessen. Maximian auf jeden Fall wollte den weiten Weg nicht laufen.
    Aurelius schien die gleichen Gedanken gehabt zu haben und lachte leise los.


    'Laufen? Von hier nach Tarraco? Da sieht man wieder einmal, Weib, wie du denkst.'


    Mummia konterte sogleich:


    'Ich finde das gar nicht so abwegig, Aurelius. Maximian ist doch kräftig. Oder täusch ich mich, Junga?'


    Die Blicke richteten sich auf Maximian, der große Augen machte und herumgestete, als würde ihm gerade kein einziges Wort mehr einfallen. Aurelius sprang ein.


    'Nene, auf keinen Fall läuft er den Weg. Nicht mal ich möchte so weit gehen müssen. Den Wagen kann er nehmen.'


    Wieder sahen alle zum jungen Decimus, der erstmals einverstanden war mit dem, was die Alten da sagten. Er warf Valeria einen wohligen Blick zu und antwortete dann:


    "Also diese Idee gefällt mir wesentlich besser."

  • Valeria grinste unverhohlen.


    "Schade, mich hätte es doch in der Tat interessiert, wie schnell du laufen kannst..." stichelte sie todernst.
    "Aber ihr habt natürlich recht, mit dem Wagen ist es sicherer. Wir werden ihn dann wiederbringen, so schnell es geht."


    Sie nickte bekräftigend und sah dann aus dem Fenster.
    "Nur heute wird das nichts mehr, fürchte ich. Es regnet und regnet und scheint gar nicht mehr aufhören zu wollen."


    Valeria seufzte und sah dann von Mummia zu Aurelius und schließlich zu Maximian. Und ihr Blick wurde zusehends liebevoller, während sie ihn so ansah. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass sie noch hierbleiben mussten. Meridius würde sicher kein Gefallen daran finden, wenn er erfuhr, dass sein Sohn etwas mit seiner Cousine anfing. Ihr Blick ging durch Maximian hindurch und wurde leicht glasig, wie sie so nachdachte.


    Ein Blitz holte sie aus ihrem Tagtraum. Sie zuckte zusammen und sah erschrocken nach draußen. Und sagte meinte sie leise, dass ihr nicht gut war. Sie entschuldigte sich und stand auf, um in das Gästezimmer zurückzugehen. Dort angekommen, setzte sie sich falsch herum in den Sessel vor dem Fenster und sah hinaus, die Ellbogen auf das Fensterbrett gestützt. Draußen ging sie Welt unter.


    Maximian war noch im Aufenthaltsraum, doch Mummia, die ein weiches Herz hatte, wusste, wonach dem jungen Mann nun der Sinn stehen musste.


    'Nun geh schon', sagte sie herzlich und leise, während sie Valeria hinterher nickte. Dann zwinkerte sie.
    'Aber stellt nichts an, ja?'

  • Maximian hatte Valerias liebevollen Blick standgehalten. Sein Herz machte kleine Sprüge, doch dann wurden ihre Augen unklar. Er sah sie weiterhin an und erkannte, dass sie sich erschrak. Wo sie wohl gewesen war? Sorgenvoll suchte Maximian ihren Blick, doch sie entschuldigte sich und verschwand im Gästezimmer.


    Er saß noch eine ganze Weile in seinem Korbsessel und hing seinen Gedanken nach. Auch ward sein Blick immerzu auf die Tür gerichtet, hinter der die junge Decima verschwunden war.


    Da hörte er Mummias Stimme und vernahm ihre guttuenden Worte. Er konnte nicht anders, als ihr dankend zuzulächeln und stand seufzend auf, um gleich ein paar Schritte auf die Tür zu zu machen, als ihn Mummias Stimme noch einmal aufhielt.


    'Aber stellt nichts an, ja?'


    Er wandte sich zu ihr herum und setzte eines seiner engelsgleichen Gesichter auf. Das konnte er wirklich gut. Bei seiner Mutter, die ja nicht nur einen Sohn hatte und daher in vielen Sachen ziemlich abgehärtet war, hatten sie immer noch gezogen. Selbst noch vor knapp einem Jahr, als er nach Tarraco ausgezogen war.
    Mummia sah ihn mütterlich warnend an, Aurelius aber grinste hinter ihrem Rücken, als wäre er selber noch nicht älter als 20. Beinahe wäre das unschuldige Gesicht Maximians unter dem Anblick der zwei ungleichen Gesichtsausdrücke gebröckelt, doch er rettete es auch über diese äußert schwere Situation hinweg und erwiderte vertrauenerweckend:


    "Mummia, was denkst du denn von mir? Vertraust du mir denn immer noch nicht? Nach so vielen Besuchen...."


    Maximian ließ theatralisch Augenbrauen und Schultern hängen, während seine Mundwinkel kaum sichtbar Zuckungen taten. Das nämlich, weil Mummia ihn recht ungläubisch ansah und den Finger drohend erhon.


    'Du Lausebengel, nichts davon glaub ich dir!'


    Und Aurelius hinter seinem Rücken hustete verhalten, während er offensichtlich arg gegen einen Lachkrampft ankämpfte. Dennoch erhob er sein Wort.


    'Och, als ich in seinem Alter war, haben mich die Frauen auch kein bisschen interessiert. Ich glaube ihm. Stimmt's, Maximian?'


    Wie sich das anhörte. Also Aurelius war ein schlechter Flunkerer, notierte Maximian sich auf den Seiten seines Lebensbuches, während seine Mundwinkel nun schon heftiger zuckten.
    Mummia wandte sich ihrem Mann zu und dann wieder dem jungen Decimus.


    'Rede du nur. Aber ich hab Augen im Kopf... und gute Ohren. Ach, verschwinde, du freches Balk.'


    Nun ließ Maximian seine schuldlose Miene aufbrechen und lachte leise vor sich hin. Wie hatte sie ihn genannt? Lausebengel? Ein freches Balk? Ach, er mochte Mummia. Gerade auch, weil sie sich einer Stickarbeit zuwendete und dabei selbst grinste und den Kopf schüttelte.


    Maximian verließ nun aber den Aufenthaltsraum des kleinen Bauernhauses und ging hinüber in das Gästezimmer. Leise öffnete er die Tür, hinter der Valeria auf einem der Korbsessel am Fenster zum Vorschein kam. Sie schien ihn gar nicht zu bemerken, als er die Tür schloss und sie einen Moment lang einfach nur ansah. Woran dachte sie? Was ging durch ihren hübschen Kopf?
    Dann ging er auf leisen Sohlen zu ihr ans Fenster, beugte sich zu ihr und legte seine Lippen an ihr Ohr, die Hand des gesunden Armes auf ihren Unterarm, der auf einer Art Fensterbrett ruhte. Dabei brummte er leise wohlig, musterte sie, so gut es ging, aus seinem Winkel der Betrachtung und richtete dann den Blick nach vorn, um einfach nur das zu sehen, was auch sie sah, während seine Hand zärtlich die Haut ihres Armes streichelte.

  • Sie hörte, wie er hinter ihr die Tür schloss, wandte sich aber nicht um, sondern sah weiterhin fasziniert dem Regen zu, wie er sich von dem bleigrauen Himmel ergoss und auf der Erde in kleinen und großen Pfützen zusammenlief. Sie merkte, dass Maximian neben sie trat und ihr sachte über den Arm streichelte, sein Gesicht nahe ihrem Ohr. Sie lächelte flüchtig und hob die Hand, über dessen Arm Maximian nicht strich, an seine Wange. Dann erst wandte sie den Kopf. Seine und ihre Stirn berührten sich nun. Verliebt sah sie ihn an, dann schloss sie ihre Augen und küsste ihn zärtlich.


    "Wie geht es dir?" flüsterte sie leise und liebevoll, während ihre schmalen Finger über seine Wange glitten und ihre Augen die seinen suchten. Sie seufzte leise auf und rutschte herum, sodass sie nun nicht mehr gen Fenster blickte sondern direkt vor ihm saß. Nur leider konnten sie so nicht wirklich kuscheln, was Valeria ziemlich schade fand, denn das war es, was sie sich gerade wünschte.

  • Man hätte meinen können, sie hätten sich schon immer so begrüßt, wenn da nicht der schnellere Herzschlag gewesen wäre, der sich sogleich einstellte, als ihre Lippen sich berührten. Dann schmunzelte er, als ihre Lippen sich trennten, dafür aber ihre Augen sich finden konnten. Und leise antwortet er:


    "Ich habe das Gefühl, Mummia klebt mit dem Ohr an der Tür, aber ansonsten..." Sein Blick strich über ihre Gesichtszüge und wieder hinauf zu ihren haselnussbraunen Augen. "Gut."


    Valeria rutschte auf dem Korbsessel herum, was bedeutete, dass er weder den Arm um sie legen konnte noch sonst etwas. Ohne lang zu zuckeln zog er sich den zweiten Korbsessel heran, stellte ihn so, dass auch er vor dem Fenster stand und setzte sich dort hinein. Nicht gut für den Rücken, aber gut für Valeria. Denn deren Hand ergriff Maximian, an der er sie zu sich zog. Er fand es gemütlich hier am Fenster. Der Regen rauschte vor dem Fenster und prasselte auf dem Dach und noch war gerade so Licht, dass man der Welt beim Einschlafen zusehen konnte.


    Dann, als sie sich in seine Arme begeben hatte, legte er den Kopf schief und sah sie verträumt an. Seine gesunde Hand hielt eine von ihren und ihre Finger verzahnten sich ineinander, nur um sich wieder zu lösen und dann wieder miteinander zu verschmelzen.


    "Aber du bist nachdenklich."

  • Valeria seufzte glücklich. Sie schmunzelte leicht bei seinen Worten, Mummia betreffend. Auch sie hatte das Gefühl, ihre Augen selbst durch die Wand hindurch noch zu spüren.


    "Tjaja, Mummia..." seufzte Valeria und wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. Sie hätte nun von ihrem Gespräch in der Küche erzählen können, doch das hätte die wunderbare Stimmung verfliegen lassen. Und so entschloss sie sich dagegen. Maximian hatte sich sicher ebenso Gedanken darüber gemacht - und ebenfalls nichts gesagt.


    Sie lag nun fast in seinem gesunden Arm. Seine Hand verflocht sich mit der ihren, löste sich wieder von ihr, wiederholte das Spiel immer wieder. Valeria sah auf ihre Hände hinab und fühlte sich wie nie zuvor. Das einzige Geräusch, das man hören konnte, war das Prasseln des Regens draußen. Ab und an grollte es in weiter Ferne. Das Gewitter war weiter gezogen, doch der Regen folgte als Nachhut. Maximian sah Valeria verträumt an.


    "Ja... Ich frage mich, was die Zukunft wohl bringen mag. In der Casa würde man uns nicht mit offenen Armen empfangen, wenn sie wüssten, was aus einem harmlosen Ausritt geworden ist..."

  • Das hatte er bislang erfolgreich verdrängt. Es war auch nötig gewesen, damit er Valeria küssen konnte. Sie war... sie war seine Cousine. Ein Spezialist war er in diesen Sachen gewiss nicht, doch reichte sein Wissen über das Recht Roms aus, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es nicht ganz rechtens war, was sie hier taten. Dass es aber schlicht verboten war und hohe Strafen darauf ausstanden, wusste er nicht. Oder er wollte es nicht wissen.


    Nun senkte er seinen Blick, sah wie sie auf ihre Hände. Dann stellte er sich vor, dass in ihnen das gleiche Blut floss und eine Vermischung angeblich häufig ungesunde Kinder niederkommen ließ. Maximian hatte kein solches bislang gesehen, konnte sich also nicht viel darunter vorstellen. Und groß über die Vermischung von Familienmitgliedern hatte er ebenfalls noch nicht nachgedacht. Es erschien ihm immer sehr unwahrscheinlich, dass ihm soetwas passieren würde.


    "Das ist wahr. Vielleicht... vielleicht wäre es deshalb besser, sie würden davon gar nicht erst erfahren."


    Nun hob er den Kopf wieder an. Hatte sie sich mit dem Gedanken schon beschäftigt? Er hatte es noch nicht getan, wollte aber im Moment nicht über die Tragweite des Problems nachdenken.

  • "Hmm", war deswegen auch das einzige, was sie dazu sagte, denn sie wollte auch nicht weiter nachdenken. Sie tat es aber leider doch. Es gab für sie nicht viele Möglichkeiten, wenn ihre Liebe nicht mit der Heimkehr ein Ende finden sollte. Sie würden sie verbergen müssen, oder aber...sich trennen. Und dann war da noch diese Julia. Valeria kannte sie nicht, und doch kam eine Welle der Eifersucht in ihr hoch. Sie mühte sich, diese zu verebben lassen. Es gelang, aber nicht ganz. Sie hätte gern gewusst, wie diese Julia aussah, was ihren Charakter ausmachte und...ob sie beide sich irgendwie ähnlich waren.


    Valeria seufzte und schloss die Augen. Sie wollte den Moment genießen und nicht an die Fremde, ihre Mutter, ihre Verwandtschaft miteinander oder die Heimkehr denken. Maximian. An ihn wollte sie denken. Und als sie sich so in seinem Arm fand, fiel ihr auch wieder ein, was er am tag zuvor zu Aurelius gesagt hatte. Nämlich, dass er in die Legion entreten wollte.


    Mit geschlossenen Augen und unbekümmert fragte sie ihn:
    "Mmmh....du, Max? Gestern, als du dich mit Aurelius unterhalten hast, da hast du gesagt, dass die ein Soldat werden willst.... Meinst du das ernst?"

  • Er hatte sie angesehen, wie sie offensichtlich tief in ihren Gedanken versunken war. Seine Hand hatte die ihre umfasst und sie auf ihre Oberschenkel gelegt, weil das Gespiele ablenkte.


    Wieder fragte er sich, was ihr durch den Kopf ging. Würde es etwas geben, um das zu erfahren, hätte Maximian es gegeben. Vielleicht würde er ihr dann helfen können. Und dann schloss sie die Augen, doch Maximians betrachteten sie weiter. Er zog wieder ihre Gesichtszüge nach, ummalte ihre Lippen, stubste ihre Nase und küsste ihre geschlossenen Augen mit mehr nichts als seinen Blicken.


    Dann hörte er ihre Frage. Er brauchte gar nicht über eine Antwort nachdenken, auch wenn es ihn überraschte, dass sie ausgerechnet das nun fragte. Ein sehnsüchtiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht, während seine Augen ein begeistertes Glänzen annahmen.


    "Aber ja. Mein Vater ist ein großer Legat, ich will auch einmal einer sein. Seit ich ein kleiner Junge schon bin, ist das mein Ziel. Aber welcher junge, römische Mann wünscht sich das nicht?"

  • "Vielleicht solche, die zu Hause Frau und Kinder wissen, die dort sitzen und bangen müssen, wenn der Mann in den Krieg gezogen und fern der Heimat ist", entgegnete Valeria und lächelte matt, wobei sie die Augen wieder öffnete und direkt in Maximians blaue hineinsah.


    Sie hob die Hand wieder und fuhr damit die Konturen seines Gesichts nach, so wie er es mit seinen Blicken bei ihr getan hatte. Wohltuend strich sie ihm durchs Haar, wobei die Fingernägel sanft seine Kopfhaut massierten. Verträumt sah sie ihn an; und ein verliebtes Lächeln stahl sich auf ihre Züge.


    "Ich liebe dich", sagte sie ernst und sah ihm direkt in die Augen. Der Regen trommelte von außen gegen die Fensterscheibe; und dies und die Dämmerung, die im Raum herrschte, machten eine wunderbar romantische Stimmung her.

  • Dieses Argument schien Standart bei den Frauen zu sein, schmunzelte Maximian. Seine Mutter selbst hatte es häufig gebracht, ihren Sohn dennoch aber nicht die Illusion vom einst erfolgreichen Legionär nehmen können.


    Nun war es Valeria, die es darbrachte. Er sah sie an und konnte in diesem Moment vielleicht verstehen, was die Frauen meinten. Denn er würde in solch einem Falle auch von ihr getrennt sein. Wochen, Monate, vielleicht Jahre.


    Valeria strich ihm durchs Haar und er blinzelte müde. Nicht, weil er müde war, sondern weil er es genoss. Als er seine Augen wieder öffnete, lächelte sie ihn in der Art und Weise an, die ihn immer wieder von den verschiedensten Gedanken fortriss.


    Und dann sagte sie ihm die drei lieben Worte. Ja, er liebte sie auch. Und er wollte nicht, dass ihre Zeit hier draußen endete und sie nach Tarraco heimkehren mussten, wo sie nicht zueinander würden stehen können. Wo man es ihnen versagen würde sich zu lieben.


    Seine Hand löste sich von ihrer und fuhr ihr durchs Haar, während er verträumt dreinblickte und er sie aus kleinen Augen anblinzelte. Dabei sah er ihren Mund an, wieder zu ihren Augen und hin zu seiner Hand, die ihr Haar fühlte, sich darin vertiefte und wieder zum Vorschein kam.


    Sein Mudn öffnete sich ein Stückchen, doch vorerst entkam ihm kein Wort. Er zerzauste ihr Haar noch eine Weile, legte dann seine Hand in ihren Nacken und richtete den Kopf ein bisschen auf. Er zog sie zu sich, legte seine Lippen auf ihre. Der Muskel in seiner Brust pumpte gleich mehr Blut durch den Körper und der Kuss wurde leidenschaftlicher.


    Sollte Mummia gute Ohren haben, das würde sie nicht hören können. Und es war mehr, als Maximian jetzt sagen konnte, als Worte fassen würden... All die Gefühle, die in einem übersprudelten, wenn man verliebt war.

  • Valeria schloss genießend die Augen und beinahe wie von selbst beugte sich ihr Kopf immer weiter zurück. Ein Zeichen des Vertrauens, der Nähe, Liebe und Geborgenheit. Sie spürte seine Hand, die sie liebkoste, fühlte, wie sie sacht in ihren Nacken fuhr und ihren Kopf aufrichtete, sodass sie nun wieder direkt in Maximians Augen blicken konnte. Dann zog er sie zu sich, setzte einen liebevollen Kuss auf ihre Lippen, den sie hingebungsvoll und mit geschlossenen Augen erwiderte. All ihre Liebe legte sie in diesen Kuss, sodass er von ihrer Seite ebenso leidenschaftlich - gar fordernd? - wurde wie von seiner.


    Valerias Hand fuhr über seine Wange, seinen Hals, seine Schulter und an seinem Arm herab, soweit sie das konnte. Dann kehrte sie zu seiner Brust zurück, verweilte dort und streichelte ihn fortwährend.


    Was würde nur aus ihnen werden?

  • Der Kuss endete nicht. Valeria unterbrach ihn nicht, sie spielte ihn mit. Und sie steigerte ihn, legte ihre Liebe in ihn hinein, zeigte Leidenschaft, von der Maximian sich freilich schon längst angesteckt fühlte. Seine Hand wurschtelte in ihren Haaren herum, während seine Lippen nicht von Valerias abließen.


    Und sein Kopf war nur noch bei ihr. Er dachte nicht mehr an Mummia, nicht mehr an die Familie, nicht mehr an nichts. Außer Valeria. Seine Cousine. Eine Decima.


    Sein Rücken schmerzte. Wohl oder übel, ob er es wollte oder nicht, er musste den Kuss verlangsamen. Es war inzwischen recht dunkel im Raum geworden, sodass er fast nur noch Valerias Umrisse erkennen konnte, als er die Augen öffnete, während ihre Lippen noch aufeinanderlagen.


    Dann, als sie sich gänzlich trennten, blieb er ganz nah vor ihrem Kopf. Sein Atem ging schneller, während er noch ein paar mal zärtlichst seine Nasespitze an ihrer reiben ließ. Valerias warmer Atem brandete gegen sein Gesicht und ihre Augen glänzten im schummrigen Licht.


    Es war, als würde er in ihrem Bann stehen. Und doch schaffte er es den Kopf noch ein bissl mehr von ihr zu ziehen. Schließlich schmunzelte er leise und zog seine Hand aus Valerias Nacken nach vorn an ihre Wange.


    "Langsam findet mein Rücken es aber nicht mehr lustig..."


    Er sah auf ihre Lippen. Die Augen wollten davon nicht weg. Und doch huschten sie gerade auch jetzt hoch zu ihren wunderschönen dunklen Augen, um zu lesen, was in ihr vorging.

  • Auch Valerias Atem hatte sich beschleunigt. Das, was Maximian in ihr auslöste, hatte sie noch niemals zuvor gespürt. Sie war deswegen auch leicht verwirrt, als das elektrisierende Kribbeln in ihrem Körper stärker wurde, je länger sie sich küssten. Nun saßen sie wieder voreinander. Es war beinahe dunkel. Hatten sie so lange in diesem Raum gesessen? Sich so lange geküsst? Valeria war beinahe erstaunt, wie schnell die Zeit verflogen war.


    Maximians Hand fand sich nun auf ihrer Wange wieder. Er redete von seinem schmerzenden Rücken, während er sie ansah und scheinbar ihren Blick zu deuten versuchte. Valeria seufzte leise und nickte lautlos, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Sie wandte den Kopf und sah zum Bett hinüber, ehe sie ihren Geliebten wieder betrachtete und den Kopf schief legte. Verlegen zog sie die Unterlippe in den Mund und biss darauf herum, ganz so, als überlegte sie, was sie als nächstes anstellte. Dann griff sie nach Maximians Hand, zog sie von ihrer Wange und stand aus der selben, fließenden Bewegung heraus auf. Sie sah zum Bett, dann wieder zu ihm. Und dann zog sie sachte, ganz sachte an seiner Hand, so als sei sie sich nicht sicher, ob es auch wirklich eine gute Idee sei.

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