Ein Ausritt zu zweit

  • Valeria hatte immer seelenruhig geschlafen, wenn Maximian wegen Schmerzen in seinem Arm, der dann meist irgendwie blöd dalag, erwacht war. Er hatte sich aber sehr viel Mühe gegeben möglichst leise zu sein, was ihm anscheinend auch immer geglückt war. Valeria war nie erwacht, auch nicht, wenn er ihr noch einen Kuss gegeben hatte.


    Am nächsten Morgen schlief er wegen der zahlreichen Schlafunterbrechungen daher länger als die junge Decima. Als sie schon erwacht war, grunzte er noch vergnügt in seiner Traumlandschaft durch die Gegend und dachte nicht einmal daran, sich von den warmen Strahlen der Sonne im neuen Tag begrüßen zu lassen.


    Aber irgendwann wurde auch sein Schlaf immer flacher. Die Traumbilder wurden immer konfuser, während auch seine Mundwinkel zuckten, als wären sie verwirrt. Und dann, irgendwann nachdem das Grunzen schon verklungen war, fing es an sich unter seinen Lidern zu bewegen, bis schließlich seine blauen Augen gucken wollten.
    Und was sie sahen, war hell. Es war die Sonne, die inzwischen auch Maximians Gesicht erreicht hatte und ihn nicht nur wärmte, sondern auch blendete. Gleich kniff er wieder die Augen zu und sah dennoch farbige Punkte auf und ab tanzen.


    Und dann brummte er. Nein, er murrte, und schien auch nicht vorzuhaben, die Augen noch einmal zu öffnen.

  • Selbst die Sonne vermochte es zuerst nicht, den jungen Mann aufzuwecken. Doch irgendwann hörte sein Schnarchen auf und er versuchte mühsam, die Augen zu öffnen, schloss sie doch sofort wieder, nachdem er einen verschlafenen Blick in das helle Sonnenlicht geworfen hatte.


    Valeria grinste. Maximian schien ein kleiner Morgenmuffel zu sein. Sie drehte sich auf die Seite und stützte ihren Kopf mit einem Arm ab, während sie weiterhin auf den Mann neben ihr hinab sah. Dann nahm eine Strähne ihres Haares zwischen Daumen und Zeigefinger und begann, Maximian an der Nase damit zu kitzeln. Sie selbst kicherte leise dabei und beobachtete seine Reaktion darauf.


    "Guten Morgen, Schlafmütze..." lachte sie.

  • Der arme junge Mann rümpfte die Nase und versuchte sie dieser frühmorgendlichen Folter zu entziehen, doch Valeria zeigte kein Erbarmen und quälte mit hörbar großer Freude weiter. Da bemerkte er, dass er zufällig gerade seinen gesunden Arm zur freien Verfügung hatte und ließ seine Hand nach Valerias kurz über seinem Gesicht schnappen.


    Tatsächlich bekam er sie, zwang sie ohne große diplomatische Glanzleistungen ihr Folterinstrument fallen zu lassen und wurschtelte dann seinen Arm hinter Valerias Kopf um ihren Oberkörper, um sie zu sich zu sich zu ziehen und erstmal eine Weile lang festzuhalten. Ganz still lag er, zuckte nicht mal mit den Mundwinkeln und atmete ganz gleichmäßig, als wäre er wieder eingeschlafen.


    Hörte er da leises Kichern? Wie ein gemeingefährlicher Pirat schlunzte er aus einem Auge seiner Liebsten ins Gesicht, trug aber selber ein fröhliches Lächeln. Auch strich er ihr jetzt sanft über den Rücken, während er auch das zweite Auge sein Tagewerk aufnahm, sodass er seine Valeria irgendwann verliebt ansah.


    "Guten Morgen, Augenstern."


    Maximian sah in ihr Gesicht, das seins vor dem grellen Sonnenlicht abschirmte. Ihr Haar aber glänzte wie golden. Noch goldener, als es das in der Nacht getan hatte.


    Er erinnerte sich an die Nacht. Sein Gedächtnis hatte nicht wieder ausgesetzt, denn die Gefühle für Valeria waren da und sie waren unheimlich stark. Nun hatten sie also ihre zweite Nacht miteinander verbracht und da sie so schön gewesen war, wusste Maximian, wie auch die vorletzte gewesen sein musste. Ein Teil Erinnerungen wurde somit wieder für ihn lebendig, was ihn erleichterte.
    Langsam hob Max seinen Kopf, um sich den ersten Kuss zu so früher Stunde zu holen, den er je von Valeria bekommen hatte.

  • Valeria kicherte noch immer, als er ihr die Strähne entrang und sie dann zu sich zog. Eine Weile lagen sie einfach nur nebeneinander und genossen die Nähe des jeweils anderen. Valeria seufzte glücklich. Als sie dann irgendwann wieder zu Maximian lugte und diesen scheinbar wieder schlafend vorfand, musste sie wieder grinsen. Ihre Hand war schon wieder auf dem Weg zu einer Haarsträhne, um ihr Tun fortzusetzen, da verzog sich sein Mund zu einem Lächeln und er linste sie wie ein alter Halunke aus einem Auge an. Er drehte den Kopf und öffnete auch das zweite Auge, ehe er sie mit Worten begrüßte, die ihr Herz zum ersten Mal an diesem Tage zum Hüpfen brachten. Sie lächelte nun auch verliebt und sah, wie seine Augen über ihr Gesicht und ihr Haar wanderten. Valeria legte den Kopf schräg, um Maximian zu küssen; just in dem Moment, als auch er den Kopf hob. Doch Valeria war schneller; und so sank er wieder in die Kissen zurück und musste sich einfach nur von ihr küssen lassen, ohne, dass er etwas dazutun musste.


    Zuerst berührten ihre Lippen die seinen nur flüchtig, dann ließ sie ihre Zungenspitze darüberwandern und schließlich küsste sie ihn zärtlich. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, löste sie sich von ihm und strich sanft mit einer Hand über seinen leichten Bart. Er sah irgendwie seltsam aus so, fand sie. Es brachte sie zum Schmunzeln.


    "Ich liebe dich!" sagte sie innbrünstig. Und einen Moment später fügte sie hinzu:
    "Wie geht es dir?"

  • Freilich ließ Maximian sich die Liebkosung Valerias Lippen gefallen. Sein Kopf sank zurück ins weiche Kissen, während sie ihm genau das gab, was er sich gewünscht hatte. Und als ihre Lippen sich von seinen lösten, wuselte seine Hand in ihrem Haar herum, während seine Augen sich mit ihren verankerten und darüber weitere Zärtlichkeiten austauschten. Zärtlichkeiten für ihre Seelen.
    Ihre Hand strich über sein Kinn, das inzwischen vor schwarzen Stoppeln nur so strotzte, während die Hand des gebrochenen Armes an ihrer Taille ruhte, eigentlich aber gern auch ein wenig verwöhnt hätte.


    Dann bestätigte sie ihm ihre Liebe. Sie, die ihn am frühen Morgen schon mit Freude und guter Laune erfüllen konnte, die wie ein goldener Engel schien, unter dessen weichen Flügeln Maximian weilen durfte. Es musste ein Traum sein... oder aber das vollkommene Glück.


    Er hatte gesehen, wie ihre Lippen sich kaum später noch einmal bewegt hatten, doch ihre Worte waren nicht gleich in sein Bewusstsein vorgedrungen, denn das war mit seinen glückseligen Gefühlen beschäftigt und konnte nur mit Verzögerung von ihnen ablassen, um Maximian zu verstehen zu geben, was sie fragte.


    Er sah gar nicht von ihr weg, sah ihr unentwegt in die haselnussbraunen Augen, die für ihre Leidenschaft standen.


    "Ich glaube nicht, dass es mir jemals besser ging.", sprach er ganz leise, während seine Finger zärtlichst Valerias Kopfhaut massierten. "Und dir? Gut geschlafen?"

  • Valeria schmunzelte leicht verlegen, als Maximian sie ständig ansah. Sie hatte das Gefühl, er würde sich selbst mit dem Zwinkern beeilen, nur um wieder in ihre Augen tauchen zu können. Ihr Herz pochte unwillkürlich schneller. Vergessen waren die Gedanken an alle Steine, die sich ihnen in den Weg legten und noch legen würden. Was zählte war, dass sie in seinen Armen lag und es noch weiterhin konnte.


    Mit geschlossenen Augen ließ sie seine kleine Massage über sich ergehen und antwortete ihm ebenso leise.


    "Ja, ich hab gut geschlafen....wenn ich auch neben einem Eber genächtigt haben muss, den Geräuschen nach zu urteilen..." sagte sie und öffnete während des zweiten Teils des Satzes ein Auge. Sie konnte ein Grinsen kaum unterdrücken.


    Valeria küsste ihn auf die Nasenspitze und runzelte dann die Stirn.


    "Seit dem ersten Kuss von dir fühle ich mich, als könnte ich heim nach Tarraco fliegen. Die arme Alfidia...sie müsste allein laufen. Aber wo wir gerade dabei sind..." begann sie, doch dann....


    'Hee, Kinder, wollt ihr nicht langsam aufstehen? Es gibt bald Frühstück und ich brauche eine helfende Hand!' quäkte es von außen durch die Tür, begleitet von einem lautstarken Klopfen. Mummia. Wenigstens besaß sie den Anstand, diesmal nicht herein zu kommen.


    Valeria grinste nur und seufzte dann bedauernd.

  • Ein Eber? Hatte sie ihn da gerade einen Eber genannt? Im ersten Moment verstand der junge Decimus kaum, doch dann hatte er einen Geistesblitz: Seine Mutter hatte ihm, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, häufig gesagt, dass er leise schnarchen würde.
    Nun, er hörte das nie. Aber der Vergleich mit einem Eber...


    Er schmunzelte verliebt, während Valeria anfing von ihrem ersten gemeinsamen Kuss zu sprechen und dann gerade zu Alfidia kam, irgendetwas sagen wollte, als es an die Tür zum Gästezimmer hämmerte und Maximian in sich zusammen fuhr.
    Dass Mummia und Aurelius auch noch da waren, hatte er völlig vergessen. Während er sich vom Schrecken erholte, hörte er mit geschlossenen Augen und leise brummend den Worten der Hausdame zu.


    Als er seine Augen wieder öffnete, grinste Valeria an und seufzte dann ebenfalls. So schnell konnte die Stimmung hinüber sein, dachte Maximian sich, machte aber keine Anstalten. Im Gegenteil.
    Jetzt galt es die Zeit mit Valeria zu genießen, wollte partout nicht darauf verzichten. Später am Tage würde er sich nämlich sicherlich in diese unbeschwerte Morgenstimmung hineinversetzen wollen, weil dann alles anders, schwerer sein würde.


    "Was wolltest du gerade sagen?"


    Nein, jetzt war Max trotzig. Es war ohnehin viel zu früh... Für seinen Geschmack ja noch fast Nacht. Da würde Mummia sich gut und gerne noch 5 Minuten gedulden können...

  • Auch Valeria fand es schade, dass Mummia sie schon so früh wieder trennen wollte. Andererseits konnte sie sie aber verstehen. Mummia mochte eine redselige Frau sein, doch sie schien auch sehr vernünftig zu sein und eine gute Auffassungsgabe zu haben. Vermutlich wollte sie schlimmeres als nur ein harmloses Im-Bett-nebeneinander-liegen vermeiden.


    Maximian schien nicht aufstehen zu wollen. Valeria sah noch einmal zur Tür und dann zurück zu Maximian, als dieser ihr die Frage stellte. Sie dachte eine Weile nach, kam aber zu keinem Ergebnis.


    "Mummia hat mich aus dem Konzept gebracht", gestand sie.
    "Das hast in den letzten Tagen nur du geschafft. Ich weiß nicht mehr, was ich eben sagen wollte."


    Die junge Decima seufzte stirnrunzelnd und setzte sich dann auf. Beinahe gewaltsam musste sie sich innerlich von Maximian losreißen. Aber schließlich konnten sie die Gastfreundschaft des alten Ehepaares nicht missbrauchen. Valeria würde aufstehen und helfen.


    "Wenn wir wieder in der Casa sind...." begann sie schweren Herzens und mit dem Rücken zu Maximians Gesicht. Dann wandte sie sich um.
    "Wir müssen vorsichtig sein. Sie werden sich Sorgen gemacht haben und uns allerlei Fragen stellen."

  • Das Bett schaukelte leicht, als Valeria sich aufsetzte. Max sah ihr dabei zu, ließ sich schaukeln, rührte sich aber keinen Deut weit. Er wollte nicht. Und als sie die Casa ansprach, zu der sie nun schon bald aufbrechen würden, schloss er innerlich seufzend die Augen. Wie er gehofft hatte, die Realität würde ihn, würde sie, Valeria und ihn, eine Weile lang noch verschonen...


    Dann öffnete er die Augen aber wieder und legte den Arm in den Rücken. Kaum hatte Valeria seine Arme verlassen, bildete sich eine Gänsehaut. Stammte sie wirklich daher oder vielleicht doch eher davon, dass die Gedanken an die Casa ihn nicht erfreuten?


    "Ja, das werden sie...", meinte er offensichtlich wenig begeistert. Er griff nach ihrer Hand und betrachtete die mit ahnender und deshalb trüber Miene.


    "Valeria?"


    Er suchte ihren Blick und als sie sich begegnete, versuchte er wieder so auszusehen, wie er vor wenigen Minuten noch ausgesehen haben musste. So von Glück erfüllt, unbeschwert und frei. Hm, mit minder gutem Erfolg.


    "Sie werden es nicht entdecken. Und wir werden einen Weg finden, damit wir uns nicht verstecken müssen."


    Noch einmal versuchte er optimistisch dreinzuschauen, kämpfte sich dann kurz hoch zu ihr und strich ihr eine Haarstähne hinters Ohr. Und während er folgende Worte sprach, huschten seine Augen zwischen ihren hin und her.


    "Verzage nicht, Liebste. Wenn wir erst in Tarraco angekommen sind, werde ich die erste Gelegenheit nutzen, um dich aufzusuchen."

  • Valeria runzelte die Stirn. Er schien sich noch mehr Gedanken zu machen als sie. So sah es zumindest aus. Sie drückte seine Hand und lächelte aufmunternd zu seinen Worten.


    "Ich werde auf dich warten, Liebster. Immer", sagte Valeria, die von seinen Worten vollkommen ergriffen war und sich kaum mehr rühren konnte, so sehr pochte ihr Herz gegen den Brustkorb. Eine Weile saß sie noch so da, sah ihn an. Dann senkte sie den Blick und sah zur Tür hinüber.


    "Es hilft nichts, ich möchte nicht undankbar sein, was die Gastfreundschaft der beiden angeht", sagte sie seufzend und stand auf. Seine Hand entglitt der ihren, wie sie so neben dem Bett stand und lächelnd auf ihn hinunter sah.


    "Ruh dich noch etwas aus", meinte sie, als sie ihm flüchtig über den Kopf strich.
    "Der Heimweg wird kein Zuckerschlecken."


    Und dann pflanzte sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn und verließ hastig den Raum, um Mummia bei der Bereitung des Frühstücks zu helfen.

  • Ihren Ratschlag freilich nicht von sich stoßend, kuschelte Max sich, nachdem Valeria das Gästezimmer verlassen hatte, nochmal in die Decke ein und schloss die Augen. Das Bett war noch herrlich warm und hatte den Geruch seiner Liebsten angenommen. Die Nase ins Kissen drückend schlummerte Max so noch eine ganzw Weile ungestört vor sich hin...


    'Maximiahaaaan!'


    Der erste Ruf aus dem Raum nebenan, war er auch noch so gut gelaunt und schrill, flog ungehört am Gerufenen vorbei und erwirkte ergo rein nichts.


    'Das Essen ist gleich fertig, komm endlich da raus!'


    Da, es hatte was genützt, die Tonlage noch ein wenig anzuheben. Maximian brummte brummelig und wurschtelte sich verschlafen das Kissen über den Kopf.


    "Nein, nein. Ich habe keinen Hunger, ich will... schla... fen..."


    Ersticktes Schnarchen kam unter dem Kissen hervor, dass sich dennoch nicht weiter bewegte.


    Der nächste Störenfired war dann aber den Göttern sei Dank nicht Mummia. Nein, es war Valeria, die schmunzelnd in das Gästezimmer gelaufen kam, sich nochmal eben zu Max aufs Bett setzte und ihm das Kissen wegnahm. Zum Unterschied zu Mummia, die nur wieder gebrüllt hätte - und das war wahrscheinlich der springende Punkt - küsste sie ihn sanft und holte ihn so aus dem Reich der Schlafenden zurück.


    Nicht sehr viel später erschien dann auch Maximian, gewaschen aber nicht rasiert, am Tisch. Valeria saß schon dort, schmunzelte ihm entgegen, während Aurelius leise lachte und sich neben Maximian auf eine Kliene pflanzte. Mummia wirbelte noch einen Moment, scheuchte dann die Sklavin und setzte sich schließlich auch.
    Es wurde wenig geredet, während die gedeckten Speisen langsam aber sicher immer geringer wurden. Naja, Mummia redete frelich ununterbrochen und auch Aurelius kam ab und zu zum Wort, doch Valeria und Maximian hatten wenig Lust an einer richtigen Unterhaltung und antworteten so nur der Höfligkeit wegen, wenn es nötig war.


    Dann war auch das Frühstück beendet und während sie die Frauen ans Abtragen machten, zerrte Aurelius Maximian mit sich nach draußen, wo die Sonne schon herrlich warm war. Aurelius führte Maximian um den Stall herum, wo ein kleiner, alter Wagen zum Vorschein kam. Maximian sah sich das Gefährt stirnrunzelnd an, hatte der Wagen seine besten Tage doch wohl eher schon weit hinter sich gelassen, und ließ Aurelius dann die Arbeit.


    'Du ruh dich mal noch aus, mein Junge, der alte Aurelius macht das schon.'


    Bitte, wenn Aurelius es so wollte. Maximian nutzte die Zeit, um sich die Beine ein wenig zu vertreten. Die Luft war angenehm warm, die Sonne noch nicht allzu heiß. Die Vögel sangen immer noch kräftig und von der Weide her konnte man das Blöken der Ziegen vernehmen.
    Dorthin lenkte Maximian seine Schritte, während seine Gedanken in eine ganz andere Richtung gingen.


    Was würde werden? Wie würde es sein? Wann würden sie getrennt sein und wie lange würden sie ihre Liebe geheimhalten müssen?
    Das alles waren Fragen, die Maximians Herz schwerer schlagen ließen. Ach, wenn er doch nur hier bleiben könnte, zusammen mit Valeria. Wie wunderbar müsste das Leben dann sein? Wieso hatten sie sich nicht kennengelernt, als er noch in Valentia gelebt hatte und nur auf Besuch in Tarraco war. Dann wäre er noch Lucius Iuventius Maximian, kein Decimus. Einer, der zumindest was den Namen betreffen würde nicht mit Valeria verwandt war.
    Er ging bestimmt eine halbe Stunde lang spazieren. Er brauchte die Zeit, um sich darüber klar zu werden, was auf ihn, auf sie, zukommen würde.


    Aber als er zurückkam, hatte er ein leichtes Schmunzeln auf dem Gesicht. Von weitem konnte er schon Aurelius erkennen, der den Wagen bereitgestellt hatte und am vorgespannten Pferd rumfummelte. Doch wo war Mummia? Wo war Valeria?

  • Diese Frage ließ sich eigentlich einfach beantworten, wenn man genauer darüber nachdachte - und vor allem hinhörte. Denn Mummias Stimme war eigentlich im ganzen Haus und selbst durch den Eingang hindurch noch zu vernehmen, wie sie Valeria von allerlei Dingen und eigentlich nichts erzählte. Glücklicherweise hatte sie nicht noch einmal versucht, der jungen Frau ins Gewissen zu reden (was gewiss sowieso nichts genützt hätte). Nein, sie beließ es dabei, ihr allerlei Rezepte und Hausmittelchen einzutrichtern, die die arme Valeria sich auf die Schnelle und ohne ein Pergament sich eh nicht würde merken können.


    Valeria stand nun also drin in der Küche, nickte hilflos und hörte Mummia einfach nur zu, während sie unbemerkt immer weiter Richtung Tür rutschte und Mummia ihr wie von selbst folgte. Schließlich standen sie im Flur und Mummias Worte prasselten noch immer auf sie hinab. Glücklicherweise kam Aurelius in diesem Moment herein, um Valeria zu holen und zu verkünden, dass er fertig sei. Valeria nickte dankbar (auch, weil sie damit nun endlich Mummia entkommen konnte, die ein furchtbar enttäuschtes Gesicht machte) und entschwand dann erst einmal nach draußen, wo Maximian neben der kleinen Kutsche stand, die nebenbeibemerkt so aussah, als stamme sie noch aus der Zeit vor Aurelius' Geburt.


    Valeria ging auf ihn zu und hätte ihn am liebsten umarmt oder nach seiner Hand gegriffen, doch Aurelius und Mummia kamen in diesem Moment nach draußen und wollten die beiden verabschieden.

  • Der Wagen, der sonst zum Transportieren von allen möglichen Dingen diente und vor den ein Maultier gespannt war, stand also bereit, als Maximian zu Aurelius hinzutrat, der noch am Geschirr rumknotete. Offensichtlich war nicht nur das Gefährt sondern auch das Zubehör marode. Maximian aber bemängelte nichts, war das Angebot doch großzügig genug und er dankbar, dass der alte Karren noch rollte und Valeria und ihn nach Tarraco bringen würde.


    Dann ging Aurelius hinein, um die Frauen herauszuholen. Kaum später schienen Valeria und Mummia angeführt vom Landbesitzer und alle tauschten Blicke ob der Aufbruchsstimmung.


    'Na kommt schon her...', meinte Mummia und begann so die Abschiedsorgie, die freilich mit Tränen und Umarmungen einherging.


    Irgendwann, nachdem alle ausreichend geherzt, der Dank mehrmals ausgesprochen worden und die Ladefläche mit einem großen Laib Käse geziert war, saßen Valeria und Maximian vorn auf dem alten Lastkarren und ließen das Tier laufen, damit sie den Landsitz des Aurelius schließlich, nach zwei Nächten, verlassen konnten.

  • Valeria hatte sich noch einmal überschwenglich bedankt und Mummia hatte ihr mit einem Kopfnicken in Maximians Richtung und der berühmten, tadelnden Zeigefingergeste noch einmal zu verstehen gegeben, dass sie nichts anstellen sollten. Valeria hatte allerdings nur gelächelt. Es war ohnehin schon zu spät und ihr Herz war spätestens seit dem vergangenen Tag nicht mehr in ihrem Besitz. Es gehörte nun Maximian.


    Ihre eigenen Pferde waren hinten an den Karren gebunden worden. Einer der Sklaven würde später genauso verfahren und den Wagen zurückbringen. Nun aber ruckelte und zuckelte es ersteinmal ziemlich heftig, während Maximian mit nur einer Hand die Zügel des Mulis hielt, der den Karren zog. Kaum waren sie außer Sichtweite des Hofs, lehnte Valeria sich an ihren Liebsten und legte ihre Hand auf seine, die die Zügel hielt.


    "Nicht so schnell, ich möchte gern noch so viel mehr Zeit mit dir verbringen, ehe wir in der Casa ankommen", bat sie ihn leise und küsste ihn dann auf die Wange.

  • Maximian hatte in Valentia schon häufiger solche Wagen gelenkt, weshalb ihm die Aufgabe nun nicht sonderlich schwer fiel. Schwerer war es schon, sich auf der kleinen Bank zu halten, denn der Wagen verfügte über keinerlei Federung und übertrug so jede noch so kleine Unebenheit des Bodens auf die Fahrenden. Und von diesen Unebenheiten gab es genug auf dem Weg, der vor Valeria und Maximian lag...


    Er hatte unterschiedlichste Gefühle, als hinter ihnen Aurelius Haus immer kleiner wurde. Er freute sich auf Tarraco, auf ärztliche Versorgung, fürchtete aber jetzt schon jeden Moment, den er Valeria verleumden musste, damit niemand etwas bemerkte.


    Als Valeria zu ihm rückte, ihn leise bat langsamer zu machen und ihn küsste, entspannte Maximian sich von seinen Gedanken. Naja, so weit man sich entspannen konnte, wenn man nicht vom Bock fallen wollte.
    Er schmunzelte Valeria an, wobei er leise schnaufte, und legte die Hand mit den Zügeln auf seinem Oberschenkel ab, während das Maultier langsamer wurde und dann seelenruhig trottete.


    "Noch langsamer kann das Maultier schon nicht mehr laufen", scherzte er, zwinkerte gleich und drückte nun seinerseits seiner Liebsten einen Kuss auf die Wange. "Ob wir dieses Mal unbeschadet nach Tarraco gelangen?"

  • Valeria seufzte und sah lächelnd vor sich hin.


    "Ich hoffe doch. Es wäre nicht gerade gut, wenn du dir auch noch den anderen Arm brechen würdest....sofern der überhaupt gebrochen ist. Vielleicht hast du Glück und es ist nichts ernstes", meinte sie, während ihre Hand die seine umschloss, die die Zügel hielten.


    So fuhren sie eine ganze Weile stumm dahin, ließen sich die Sonne auf den Pelz und das Gemüt scheinen, und zumindest Valeria grübelte nach, wie man sie wohl empfangen würde. Sicher würde Maximian größere Aufmerksamkeit gebühren als sie, die sie ja praktisch noch eine Fremde war.


    "Schon seltsam...ob es das Wetter war, das uns zusammengebracht hat?" sinnierte Valeria im strahlenden Sonnenschein.

  • Maximian sah auf seinen kaputten Arm hinab, der immer noch in der Schlinge hing und für nichts ernstes irgendwie viel zu unbeweglich war und auch zu doll schmerzte, wenn man ihn falsch berührte. Er nickte trotzdem, war er ja kein Arzt und schwieg dann für eine ganze Weile.


    Und dann, als Valeria laut zu denken schien, sah Maximian kurz zu ihr und dann in den blauen Himmel hinauf. Es war schon seltsam. Gestern waren sie auseinandergegangen und kaum später hatte es angefangen zu gewittern. In der Nacht hörte es auf zu regnen, als sie Arm in Arm einschliefen und nun, da alles sortiert erschien, war keine einzige Wolke mehr am strahlendblauem Himmel zu sehen.


    "Ja, da scheinen Venus und Fortuna keine Mühen gescheut zu haben."


    Er schmunzelte leise. Eine wirklich schöne Idee, dass die Götter all das hatten geschehen lassen, damit Valeria und Maximian zueinanderfanden. Eine Vorstellung, die durchaus Mut machte.


    "Vielleicht ist Fortuna uns ja auch was unsere Heimkehr betrifft gut gesinnt?"

  • "Ich hoffe es, Maximian. Ich hoffe es", sagte Valeria nachdrücklich. Sie hoffte auch, dass die Götter ihnen beiden darüberhinaus gut gesinnt bleiben würden. Wenn es aufflog...


    Unwillkürlich rutschte Valeria noch etwas näher an ihn heran und legte den Kopf auf seine Schulter, während sie so nachdachte. Sie fuhren noch eine ganze Zeit lang ruckelnder Weise umher. Dann bogen sie auf den gepflasterten Weg ein, der nach Tarraco führte. Bald schon konnte man die ersten Gebäude sehen. Valeria schluckte und rutschte schweren Herzens ein Stückchen von Maximian weg. Sie nahm auch die Hand von seiner, ganz so, wie es sich für Cousin und Cousine gehörte.


    "Maximian? Ganz gleich, was du sagen musst, ich werde wissen, dass du es nicht so meinst", sagte Valeria noch.


    Und dann befanden sie sich vor den Toren Tarracos.

  • Maximian merkte Valeria von sich wegrutschen und sah dabei weniger fröhlich nach vorne, sah die Tore Tarracos an, die immer näher kame. Der Wagen rumpelte monoton über die Via und wurde nur von Valerias Stimme freundlicher.


    Er sah zu ihr und versuchte ein Lächeln. Bevor er aber etwas erwidern konnte, passierten sie einen entgegenkommenden Wagen. Er nickte dem anderen Fahrer, ein in eine verdreckte Tunika gewickelter alternder Mann, zu und seufzte dann kaum merklich, als er nochmal den Blick seiner Beifahrerin suchte.


    "Ich liebe dich, Valeria."


    Dann passierten sie auch schon die Tore, mussten den Karren nicht wie in Rom stehenlassen, und Maximian gab sich Mühe, nicht allzu düster drein zu blicken. Der Wagen rumpelte unaufhaltsam, so schien es zumindest, dem Ziel entgegen, bis sie schließlich an der Casa Decima angelangten.

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