Furianus hatte sich lange geweigert aus der flavischen Sänfte auszusteigen. Lange saß er da und dachte darüber nach, ob er dies schändliche Gebaren hinnehmen sollte oder einfach absent sein würde. Eine Entschuldigung war ja immer parrat, das war kein Problem, doch plötzlich zog ein alter Bekannter, nämlich Senator Marcus Cornelius Barbatus, ein ehemaliger Prätor, den Vorhang der flavischen Sänfte zur Seite.
"Komm´ schon Lucius, ich werde nicht ewig warten.", sprach er lächelnd und machte eine Seitwärtsbewegung mit dem Kopf in Richtung der schon aufgestellten Senatoren.
Ein leichtes Lächeln huschte über das flavische Gesicht und äußerst langsam hob er das eine, dann das andere Bein aus der Sänfte.
"Kaum zu glauben, dass ich dem hier beiwohnen muss! Sieh´ dir das doch an, Marcus, er benutzt uns! Er benutzt den Senat, um seinen kleinen persönlichen Wahlkampf zu führen. Schändlich ist das, sage ich dir, und wir spielen da mit wie dumme Schaafe.", stieß Furianus erbost aus, als er sich die Toga zurecht zupfte. Barbatus lächelte leicht und nickte, um zu bedeuten, dass er nun gehen würde.
Seite an Seite passierten die beiden Männer den Pöbel, bahnten sich ihren Weg mit Hilfe einiger kräftiger Sklaven und standen dann dort, in der Nähe eben jenes Vescularius Salinator, als dieser anfing zu lachen.
Verwundert und mit einer markant hoch gezogenen Augenbraue musterte Furianus den Glatzköpfigen, wollte sich schon ein eher negativ gezeichnetes Bild von diesem ungehobelten Pflegel machen, als jener offen und laut die letzten Worte ausstieß. Das Bild wandelte sich um, aus dem einfachen Emporkömmling ohne Manieren, wurde anscheinend ein Mitkämpfer, ein Gleichgesinnter. Einer, der dies alles ebenso verpöhnte wie Furianus.
Ein leichtes Lächeln, ein leichtes Nicken in die Richtung des Unbekannten und Furianus wandte sich wieder seinem Freunde, dem Cornelier, zu.
"Wir sollten hier schleunigst verschwinden, wenn das aller Offiziellste vorüber ist."
Der Cornelier gab Furianus einen leichten Stoß in die Seite.
"Nun sei doch nicht so, alter Freund. Er ist zurück gekehrt, er verdient seinen Empfang."
Kaum, dass Barbatus hatte die letzten Worte vollenden können, sah ihn Furianus entgeistert an.
"Verdient?! Pah! Weißt du was, Marcus, damals hätte sich ein römischer Legat viel lieber in sein eigenes Schwert gestürzt, als vom Feind gefangen genommen zu werden! Und ich würde das Gleiche tun! Aber sieh es dir an, statt dessen begrüßen wir einen Mann, von dem wir nicht wissen, was er den Parthern schon alles über unsere Militärmaschinerie, die Geheimakten, unsere wunden Punkte und alles Mögliche erzählt hat. Ohja, Marcus! Statt dessen begrüßen wir ihn so, als hätte er beinahe einen Sieg errungen, ein Triumphator ist er, ohja!", Furianus wurde lauter, so dass einige um ihn stehende Senatoren aufmerksam hinhorchten.
"Ach komm, Lucius, Cäsar wurde auch gefangen genommen!", entgegnete Marcus Cornelius scharf.
"Oh ja, Cäsar. Der große Unterschied bei Cäsar war, er wurde nicht durch die Karthager, Parther oder Sonstwem gefangen genommen, Cäsar wurde nicht in Gallien seinen Legionen im Kampfe entrissen, sondern schlicht und einfach bei einer Überfahrt als Zivilperson von Piraten gefangen genommen!
Und für Cäsar mussten wir keine Männer abertausende von Meilen gen Osten schicken, um ihn zu befreien, denn er tat dies selbst!
Schaue dir das an und vergleiche diesen Legionslegaten, der auf ganzer Linie versagt hat, mit Cäsar, und ich kehre dir den Rücken.
Und anstatt, dass er als Ehrenmann wenigstens Rom die Schmach ersparen würde, trägt der Decimer diese doch öffentlich noch vor! Seht her, Rom Legaten müssen von den Feinden befreit werden, um hier in Rom gefeiert zu werden! Mir wird schlecht, Marcus, ganz schlecht!
Ein gewiefter Politiker ist er, oder sollte ich besser sagen, sie beide?! Avarus und dieser Decimus Livianus! Oh ja, ein kluger Schachzug! Avarus verschafft den Decimer die gewünschte Aufmerksamkeit und dieser macht daraus gleich eine Wahlveranstaltung sondergleichen! Er zwingt uns sogar ihn zum Prätor zu wählen, schließlich trägt ihn das Volk nun auf Händen mit dieser reudigen Aktion! Sollen wir einen Mann des Volkes verschmähen und ihm ein Amt verwehren?! Oh nein, klug war das, Marcus, ein kluger Schachzug dieser beiden! Bravo, ich gratuliere, sie haben den ganzen Senat an der Nase herum geführt! Und nun stehen wir da, wie die Esel, und müssen doch mitspielen.", Furianus, vertieft in seine Rede, wurde indes immer lauter und lauter, bis er abrupt verstummte.
Langsam beugte er sich zu dem nachdenkend wirkenden Balbatus und sagte ruhig und besonnen...
"Mich würde es nicht wundern, mein Freund, wenn diese Geschichte gänzlich inszeniert ist. Decimus Livianus wird von seinen eigenen Mannen, verkleidet als Parther, entführt, zieht sich an eines seiner bequemen Landsitze im tiefsten Osten zurück, lebt dort unbekannt, bis zwei strahlende Helden, wie abgemacht, kommen, um ihn zu befreien. Alle zusammen reisen sie zurück nach Rom, der liebe Avarus inszeniert einen pompösen Empfang, Decimus Livianus wird gefeiert, diese neue Popularität täuscht über sein Versagen als Legat hinweg. Und weil ja gerade, welch ein Wunder, Wahlen abgehalten werden, wird er Prätor, wenn die Popularität anhält sogar Consul, hilft seinem Kumpanen Avarus zu eben solch einem Amte, welches dieser schon mehrmals kläglich nicht erringen konnte und alle sind sie am Ende glücklich.
Und Rom, der Senat und die ehrlichen Römer dort unten stehen da, betrogen, angelogen und benutzt. So schmutzig kann Politik auch sein, mein Freund. Sieh´genau hin."
Und mehr sagte der Flavier auch nicht mehr, sondern schüttelte lediglich den Kopf ob des elenden Schauspiels und blickte hinweg, um die Vergewaltigung des Volkes, des Staates und seines Ideales nicht mitansehen zu müssen.