Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Die leichten Schmeicheleien Milos in Bezug auf seine Arbeit wischte Gracchus mit einer Handbewegung hinfort. Zwar erfreuten sie ihn durchaus ein Stück weit, auch und vor allem der Hinweis auf jenes, was die Straßen Roms erzählten, doch würde er eben jenes nicht zum Anlass nehmen, sich auf getaner Arbeit auszuruhen, sondern eher noch als Ansporn, sein Amt in eben dieser Art und Weise auch zu Ende zu führen.
    "Nun, die Liste ist nicht besonders lang. Die Peregrini der Einheiten scheinen sich auf ihre Kommandanten zu verlassen, und jene scheinen zur Zeit keine geeigneten Kandidaten zu sehen, so ist die Liste zur Verleihung des Bürgerrechtes sehr kurz."
    Die Erwähnung etwaiger Namen sparte sich Gracchus, nahm er doch nicht an, dass seinem Vetter jene etwas sagen würden.
    "Viel interessanter sind die Kandidaten zur Erhebung in den Senatorenstand. Da dies noch immer ein abgelegtes Aedilat oder Volkstribunat voraussetzt, halten sich die Namen hierbei ebenfalls in Grenzen. Zu Oberst stehen natürlich die vergangenen Magistrate, Artoria Medeia, Tiberius Vitamalacus und Pompeius Trimalchio. Aber auch die vorherigen Amtszeiten bieten mögliche Kandidaten, Annaeus Florus, Helvetius Tacitus oder auch dein Bruder. Da ein Sitz in den Hallen des Senates jedoch nicht nur ein großes Stück Entscheidungsgewalt über das Imperium und sein Volk, sondern damit auch enorme Verantwortung mit sich bringt, ist es mir ein besonders Anliegen, die Kandidaten sehr genau auf ihre Vergangenheit und ihre Leistungen zu Prüfen."
    Er senkte ein wenig die Stimme, auch wenn sie in diesem Raum niemand sonst hören konnte.
    "Der Kaiser war meines Erachtens in der letzten Zeit ein wenig zu Vorschnell mit seinen Erhebungen. Mag sein, dass jene anderen Motiven folgten, als politischen, mag sein, dass jene Männer dem Kaiser besonders nahe stehen und in Zeiten der Not ihren Daumen für ihn erheben, doch scheint es, dass sich diese Männer weder ihrer Würden, noch Pflichten bewusst sind. Es ist der Geldadel, der sich in die Politik einkauft, der sich mit Senatoren in seinen Familien brüsken, doch von der Verantwortung und Schuldigkeit gegenüber dem Imperium nichts wissen will. Quaestur und Aedilat oder Volkstribunat legen sie ab und glauben damit, der Rechnung genüge getan zu haben, glauben damit ein Recht erwirkt zu haben, ihre Hinterteile auf den Sitzen der Curia Iulia ausruhen zu können."
    Ein wenig in Rage geredet schüttelte Gracchus erbost den Kopf.
    "Vier Quaestores, drei Ämter auf der zweiten Stufe des Cursus Honorum und mit dem Praetor nur ein einziges nachfolgendes. Nach den Regeln der Rechenkunst müssten gerade Praetoren bei jeder Wahl gegeneinander stehen, doch sobald die Herren ihren Fuß im Senat haben, werden sie träge und verzichten gern auf weitere Arbeit. Ich werde dies nicht mittragen und daher meine Vorschläge sehr sorgfältig überprüfen."

    Als sie die Anhöhe des Aventin erreichten waren die archaischen Kämpfer erschöpft, verschwitzt und manche außer Atem. Doch der Tanz hatte sie durch die Stadt getragen, ihre Körper bald wie in Trance bewegt, die rituellen Worte ihre Lungen Luft holen lassen und das fortwährende Stampfen und Schlagen der Schwerter auf die Schilde sie jegliche Gedanken an Erschöpfung vergessen lassen. Sie hatten das Carmen saliare wie die heiligen Ancilia durch Rom getragen, es ein ums andere mal wiederholt, und selbst da bis auf die Anrufungen der Götter die einzelnen Worte und Sätze nicht mehr verständlich waren, in ihren Herzen zweifelte niemand an ihrer Erhabenheit und Bedeutsamkeit. Auf dem Aventin nun wiederholte sich einer der kriegerischen Tänze, bald wurden die Schwerter kräftig gegen die Schilde geschlagen, dann erstarben der Lärm und die Bewegungen auf einen letzten Schlag. Die Salii Palatini standen stramm wie eine Kriegseinheit, längst war der Rausch des Zuges nicht vorrüber und selbst dann hätte keiner von ihnen sich erlaubt, die Starre der Formation zu lösen, waren sie doch alle Patrizier und Härte gewohnt. Mochten vereinzelte Gedanken auch schon bei dem am Abend folgenden Gastmahl angekommen sein, die Disziplin würde auch während des Opfers und der Weihung der heiligen Waffen nicht weichen. Gracchus selbst spürte, wie ihm langsam die Arme schwer wurden. Obwohl er von sich selbst behaupten konnte, einigermaßen gut durchtrainiert zu sein, mit der Ausdauer eines Legionäres konnte er nicht mithalten und er war bereits jetzt sicher, dass dieser Tag ihn noch eine Zeit lang mit Muskelkater verfolgen würde. Doch auch er gestattete sich keine abschweifenden Gedanken, sondern konzentrierte sich auf die bevorstehende Lustratio.

    Gracchus nickte.
    "In der Tat, mein Kaiser. In Paragraph fünf zu den Codices findet sich sowohl in Abschnitt eins, als auch in Abschnitt zwei die Erwähnung des Codex Religiosus, welche zu streichen wären."

    § 5 Codex
    (1)[...] Derzeit sind folgende Codices aufgelegt: CODEX UNIVERSALIS, CODEX IURIDICIALIS[strike], CODEX RELIGIOSUS[/strike] et CODEX MILITARIS.
    (2) Der Codex Universalis (Universalcodex) definiert sich unter Pars Prima, der Codex Iuridicialis (Rechtlicher Codex), ehemals Ulpianus, ist die Sammlung aller strafrechtlich relevanten Leges, [strike]der Codex Religiosus (heiliger/religiöser Codex) regelt alles zum Cultus Deorum, dem Dienst an den Göttern[/strike] und der Codex Militaris ist das im Exercitus Romanus gültige Soldatenrecht.


    "In Paragraph sechs, welcher sich mit dem Decretum Imperatoris befasst, sollte der Veröffentlichungsort von Regia Traiana auf Palatium Augusti geändert werden. Weiters birgt er mit dem vorletzten Satz eine juristisch überflüssige Erklärung, weswegen jener Satz gestrichen werden kann."

    § 6 Decretum Imperatoris
    Das Decretum Imperatoris wird ausschließlich vom Imperator Caesar Augustus erstellt und ratifiziert. Es besitzt sofort Gesetzeskraft und wird im Usus in [strike]der Regia Traiana[/strike] dem Palatium Augusti veröffentlicht. Das Decretum Imperatoris wird nach Ratifizierung und Verkündung in [strike]der Regia Traiana[/strike] dem Palatium Augusti dauerhaft im Tabularium hinterlegt. [strike]Es gilt als Weg zur schnellen Gesetzgebung durch den Imperator Caesar Augustus.[/strike] Das Decretum Imperatoris kann nur durch den Imperator Caesar Augustus selbst geändert, aufgehoben oder benannt werden.


    "In Paragraph sieben könnte Abschnitt 8 gekürzt werden. Es heißt hier 'Eine Anhörung zu einem Decretum Senatus können der Imperator Caesar Augustus, der Princeps Senatus und alle Vollsenatoren, sowie die Consuln und der Tribunus Plebis einbringen.' Der Princeps Senatus ist in § 57, Abschnitt 4 und 5 als Consul oder Consular festgesetzt, der Consul selbst sollte, wenn man die ausstehenden Änderungen an Paragraph § 52 zum Consul beachtet, einen Vollsitz im Senat voraussetzen, ob nun durch Paragraph 52 selbst oder in Folge auf die Praetur. Dahingehend können die Erwähnungen des Princeps Senatus und der Conslun gestrichen werden, da sie bereits durch den Wortlaut 'alle Vollsenatoren' inkludiert werden."

    § 7 Decretum Senatus
    (8) Eine Anhörung zu einem Decretum Senatus können der Imperator Caesar Augustus, [strike]der Princeps Senatus und[/strike] alle Vollsenatoren, sowie [strike]die Consuln und[/strike] der Tribunus Plebis einbringen.


    "In Paragraph 7.1 befindet sich augenscheinlich ein Formulierungsfehler, welcher bei Fortbestehen des Plebiszites korrigiert werden sollte. Das Wort 'stellen' müsste dabei durch 'wenden' korrigiert werden. Andererseits sind möglicherweise der gesamte Halbsatz und der darauf folgende Satz überflüssig, denn woher die Themenvorschläge des Volkstribunen für eine Comitia Plebis Tributa kommen, scheint mir für ein Gesetz eher irrelevant."

    § 7.1 Das Plebiszit
    [...] Nicht nur der Volkstribun kann das Thema einer Comitia Plebis Tributa bestimmen, so können auch einzelne Plebejer sich direkt an den Volkstribun [strike]stellen[/strike] wenden und einen Antrag zu einem Diskussionstheme stellen. Jedoch er allein bestimmt, worüber man abstimmt und diskutiert. Der Volkstribun bestimmt Ort und Dauer der Comitia Plebis Tributa. [...]


    "Der Paragraph 7.2 zur Acta Diurna beinhaltet in den Punkten drei und vier Verweise auf Factiones, welche gestrichen werden können. Der Ausschluss von Verantwortlichkeiten wird zur Zeit in jeder Ausgabe der Acta Diurna mit Hilfe des Impressums geregelt, was sich in Paragraph 7.2 niederschlagen sollte, um bei juristischen Belangen Eindeutigkeit zu bieten."

    § 7.2 Acta Diurna
    (3) Für die in der Acta Diurna veröffentlichten Artikel trägt der Auctor für alle Ressorts die volle Verantwortung. [strike]Es gilt folgende Ausnahme: Für das Ressort "Factiones" trägt die jeweilige Factio die alleinige Verantwortung.[/strike] Ausnahmen davon werden durch das Impressum der Acta Diurna für jede Ausgabe einzeln geregelt.
    (4) Die Artikel der Acta Diurna, ausgenommen sind [strike]Artikel der Rubrik Factionis, sowie[/strike] persönliche Kommentare der Redakteure, haben [strike]die Kriterien der Überparteilichkeit, sowie[/strike] das Kriterium der Kaisertreue zu erfüllen.


    Gracchus reichte jeweils die zugehörigen Schriftrollen und legte Tafel um Tafel mit seinen eigenen Notizen bei Seite. Schließlich wartete er kurz, ob der Kaiser bereits Anmerkungen hatte, hielt jedoch weitere Tafeln und Schriftrollen bereit, war er doch noch lange nicht am Ende seiner Aufzeichnungen angelangt.

    Neben dem Bett stand ein makellos schöner Apollo. Gracchus hatte sich auf den ersten Blick in den wunderschönen Jüngling aus reinstem Marmor verliebt, und dadurch, dass er ihn seiner Gemahlin zum Geschenk machte, erhoffte er sich, dass er künftig in diesem Raum immer den Blick auch auf den wohlgeformten Körper eines Knaben werfen könnte, auch wenn es der Körper seiner Frau war, welcher von ihm die Pflichterfüllung erwartete. Zudem würde die Statue perfekt mit dem Mercurius harmonieren, welchen Antonia zur Verlobung bereits von ihm bekommen hatte, der eine wartete regelrecht auf den anderen, auf dass sie beisammen sein konnten wie ein altes Ehepaar, in vollendeter Einigkeit, wie sie Antonia und Gracchus wohl niemals erreichen würden. Gracchus wartete, bis Antonia ihren Schleier gelüftet hatte und hatte nun zum ersten Mal an diesem Tag die Gelegenheit, sie zu betrachten. Wahrlich, eine Schönheit, makellos wie von Künstlerhand geschaffen. Und doch löste der Anblick in ihm nicht jenes Begehren, jenes drängende Verlangen oder auch nur die heimliche Freude aus, welche dem Ereignis gebührlich gewesen wäre. Ihre Augen blickten ihn an, doch er konnte nicht genau sagen, ob es forderndes Verlangen, sorgenvolle Furcht oder nur abstoßende Verachtung war. Er wandte bald seine Augen von ihr, wollte er ihrem Blick doch nicht länger standhalten müssen, als notwendig, und trat zu ihr heran. Er löste ihren kunstvoll geknoteten Gürtel und schließlich die Schnallen des Kleides.

    Ein wenig irritiert blickte Gracchus zu seinem Mitquaestor, als jener seine Vorschläge in einem langen Monolog darlegte. Obwohl er selbst in einem taktischen Vorgriff bereits auf die Anhänge des Codex, die Lex Octavia, zu sprechen gekommen war, waren seine Anmerkungen zu notwendigen Änderungen am Codex noch lange nicht beendet. Da die Teile, auf welche sich jene bezogen jedoch relativ unabhängig voneinander waren, konnte er sie problemlos auch später anfügen. So wartete er vorerst auf ein weiteres Wort des Augustus.

    Es war ein müßiger Gang von der Villa Claudia bis zur Villa Flavia. Nicht, weil jener Weg sehr weit gewesen wäre, nicht, weil das Wetter nicht passabel oder die Straße schlecht gepflastert war, auch nicht, weil Gracchus die Füße schmerzten. Es war ein in Gedanken müßiger Gang, voller Unbehagen, voller unerfüllter Sehnsüchte, voller Ängste und Furcht. Er sah die Graffiti an den Häuserwänden vorüberziehen, undeutlich beleuchtet von den Fackeln, er sah die Götterschreine an den Straßenecken, das Flackern der Öllampen im lauen Wind, er sah die Tore der Villen und Casen, manche reich verziert, andere halb verlottert, all dies sah er, doch war nichts davon wichtig. Seine Gedanken kreisten um die Ereignisse, welche ihm bevorstanden, und kehrten doch immer wieder zu Ereignissen zurück, welche hinter ihm lagen, Dinge, welche er beendet hatte und doch nie ihr Ende finden würden. Noch ehe Gracchus bereit war für das, was kommen sollte, erreichten sie die Villa Flavia.

    Die Quaestoren folgten dem Augustus bis vor den Thron, denn auch wenn die Akkustik des Raumes sicherlich darauf ausgelegt war, Gracchus wollte dem Kaiser ungern die Vorschläge über mehrere Ellen hinweg darlegen. Die erste Pergamentrolle war schnell bei der Hand, ebenso eine Wachstafel. Da Gracchus der erste Teil des Codex zugefallen war, begann er.
    "Die erste ein wenig missverständliche Passage findet sich in Pars Prima, Allgemeines, in den Paragraphen 2, 3, 4 und 7, und bezieht sich auf das Plebiszit. Ich habe mir erlaubt die entsprechenden Sätze in einer Abschrift hervorzuheben"
    Gracchus reichte dem Imperator die Schriftrolle.



    Pars Prima - Allgemeines


    § 2 Gesetzgebungsverfahren
    (1) Grundsätzlich kann die Gesetzgebung im Imperium Romanum in drei Wege getrennt werden, das Decretum Imperatoris, durch den Imperator Caesar Augustus. Dann das Decretum Senatus, durch den Senat und als dritten Weg das Plebiszit durch das Volk unter der Führung des Volkstribunen. Das Decretum Imperatoris ist allgemein höheres Recht als das Decretum Senatus und das Plebiszit.
    (2) Hierbei gibt es jeweils drei Unterscheidungen: Die Lex (Gesetz), das Mandatum (Order/Weisung) und den Codex (Gesetzessammlung).


    § 3 Lex
    Eine Lex ist ein ausformulierter Gesetzestext, der in einem konkreten Lebensbereich gesetzliche Bestimmungen definiert. Dieses kann neben einem Definitionsnamen auch noch den Namenszug des Erstellers tragen. Diese Leges werden nach Ratifizierung einmalig veröffentlicht und dann dauerhaft im Tabularium hinterlegt. Eine Eingliederung in einen Codex ist möglich. Eine Lex kann sowohl durch Decretum Imperatoris, als auch Decretum Senatus ratifiziert werden.


    § 4 Mandatum
    Das Mandatum ist eine konkrete Weisung um in einem aktuellen Fall bestimmte Handlungsweisen zu bestimmen, zu denen es in keiner Lex oder in einem Codex bisher eindeutige Bestimmungen gibt. Diese Mandati werden einmalig veröffentlicht und müssen nicht im Tabularium hinterlegt werden. Sie behalten ihre rechtsregelnde Wirkung bis zum Erlass eines anderslautenden Mandatums oder wenn eine Lex oder ein Codex dazu beschlossen wurde. Ein Mandatum kann sowohl durch Decretum Imperatoris, als auch Decretum Senatus ratifiziert werden.



    § 7.1 Das Plebiszit
    [...] Gegen ein beschlossenes Plebiszit kann nur der Imperator Caesar Augustus sein Veto einlegen, ansonsten wird es unter die allgemein gültigen Gesetze aufgenommen.Somit hat das Volk mittels dem Plebiszit die Möglichkeit als Gegenstück zum Senat zu fungieren.


    "In Paragraph zwei ist zu lesen, dass die Gesetzgebung durch das Plebiszit vonstatten gehen kann, auch in Paragraph 7.1 steht geschreiben, dass ein Plebiszit als allgemein gültiges Gesetz aufgenommen wird. Dennoch steht in Paragraph 2 ebenfalls, dass jene Gesetzgebung nur in Form einer Lex, eines Mandatum oder des Codex geschieht. Unter den Paragraphen 3 und 4 jedoch steht geschrieben, dass Lex und Mandatum nur durch Decretum Imperatoris oder Decretum Senatus ratifiziert werden können. Für den Codex als Gesetzessammlung gilt dies natürlich ebenfalls. Es drängt sich also der Schluss auf, dass ein Plebiszit zwar im Grunde eine Gesetzgebung ermöglicht, jedoch weder eine Lex noch ein Mandatum ratifizieren kann."
    Gracchus war sich bewusst, dass sein Vorschlag ein wenig wagemutig war, dennoch, als Patrizier musste er jenen anbringen.
    "Da sich die Paragraphen damit widersprechen, sollte man Eindeutigkeit schaffen, möglicherweise, in dem das Plebiszit völlig aus dem Codex entfernt wird."
    Er räusperte sich kurz. Da er ohnehin schon bei jenem heiklen Thema angelangt war, wollte er direkt nachsetzen.
    "Weiters widerspricht damit auch die vor einiger Zeit durch das Plebiszit in Kraft gesetzte Lex Octavia Solidaritatis Patriciarum dem §3. Zwar hat der Senat ohnehin festgesetellt, dass jene Lex nicht angewendet werden kann, dennoch ist sie weiterhin im Codex präsent und sollte, da sich weder der Senat, noch die Volksversammlung dazu bemüßigt fühlt, durch ein Decretum Imperatoris entfernt werden."

    Es dunkelte bereits, als der Brautzug aus der Villa Claudia die Villa Flavia erreichte. Die Hochzeitsfackeln wurden gelöscht und wer von den Gästen schnell war, konnte eine der glückbringenden Fackeln erringen. Nachdem Antonia die Türpfosten mit Öl bestrichen und mit Wolle umwickelt hatte, hob Gracchus ihren leichten Körper mühelos an und trug sie über die Schwelle des Hauses. Im Inneren, genau genommen im Atrium, stand bereits Sciurus mit einer Schale Wasser und einer Schale mit brennendem Holz darin bereit, welche Gracchus sogleich entgegen nahm und Antonia überreichte.
    "Das Heim der Flavia möge auch dein Heim sein."

    Nachdem erst vor wenigen Wochen der Paragraph 26 zur Titulatur des Kaisers neu gefasst worden war, sann Gracchus für den Augenblick eines Herzschlages darüber nach, den Imperator mit vollem Titel anzusprechen, verwarf den Gedanken doch recht schnell, da dies dem Anlass eher unangemessen gewesen wäre.
    "Salve, Imperator! In der Tat, wir haben uns ausgiebig jeder mit einem Teil des Codex Universalis befasst und sind nun hier, um die entsprechenden Ergebnisse unserer Arbeit vorzulegen, welche, um dies vorweg zu sagen, nicht gerade wenige sind."
    Gracchus hoffte, dass dies auch auf die Ergebnisse Tiberius' zutreffen und er somit nichts Falsches sagen würde, doch in Hinblick auf jene Tasche, welche dieser mitgebracht hatte, machte er sich wenig Sorgen darum.

    Langsam neigte sich das Festmahl seinem Ende zu. Nicht, dass die dargebotenen Speisen zur Neige gingen, es war noch immer genügend von allem vorhanden, als dass ein Plebeier eine weitere Hochzeit damit würde feiern können, doch Helios fuhr den Sonnenwagen unaufhaltsam dem endlosen Okeanos weit im Westen entgegen, um schließlich von diesem verschluckt zu werden. Ein rötlich-gelbfarbener Schimmer hing über der unsterblichen Roma, als Gracchus nichts mehr übrig blieb, sich keine weitere Verzögerung bot, und er sich erhob und zu Antonias [namenloser] nächster weiblichen Verwandten trat, um der Deductio Genüge zu tun. Er räusperte sich und wartete einen Moment, bis er sich der Aufmerksamkein der versammelten Gäste sicher war.
    "Werte Claudia, es liegt mir fern, Antonia aus diesem Hause zu entreißen, doch die Tradition gebietet Gewalt. So werde ich jedem, der sich mir auf dem Weg mit meiner Braut entgegen stellt, das Schicksal bereiten, welches er verdient."
    Seine Stimme war tief und ernst, so als würde er tatsächlich über Leichen gehen, um Antonia in die Villa Flavia mit sich zu nehmen. Womöglich war er sogar entschlossener, als er ursprünglich vermutet hätte, doch nun war sie seine Gemahlin und dies war so.
    "Ich werde dich darum auch nicht bitten, Antonia mit mir nehmen zu dürfen, denn Tradition und Recht gebieten mir dies. Doch es mag mir gestattet sein, bereits für ihren Raub um Verzeihung zu bitten."
    Ein leichtes Schmunzeln überzog seine Lippen, als er Antonia die Hand reichte und sie, nachdem sie aufgestanden war, zu sich zog. Sodann wandte er sich an die Gäste.
    "Euch, liebe Verwandte, Freunde und Bekannte, bitte ich, uns zu begleiten zu unserem neuen und alten Heim. Auch dort muss keiner von euch darben, für euer Wohl wird auch dort gesorgt sein."



    Vor dem Tor des Anwesens hielten sich bereits die Sklaven mit den Weißdornfackeln bereit, welche entzündet wurden, als das Paar die Villa verließ, um sie vor bösen Zaubern zu bewahren. Sogleich begannen die Tibicines mit ihrem Spiel und drei junge Knaben gesellten sich um Antonia, um sie durch die Unschuld und Kraft der Jugend auf dem Weg zu schützen. Hinter sie gesellte sich eine Sklavin des Hauses und trug ihr Rocken und Spindel nach.

    Wäre Rom auf einer Holzbühne erbaut, es würde erzittern unter den stampfenden Schritten der Salii Palatini. So jedoch, da die Pflastersteine aus weichem Stein waren, erzitterten nur die Körper der Männer, erbebten die Rüstungen, flatterten die Mäntel um sie herum, wirbelten in ihren Drehungen und beugten ihre Form den Bewegungen. Es war ein Sprung nach Links, und dann ein Schritt nach rechts, mit dem Schwert voran, und in die Knie, ein Schlag auf das Schild und ein Stampfen auf den Grund. Zu beiden Seiten wurden die kriegerischen Männer von den Saliae virgines begleitet, welche ihre Körper in den weiten, weißen Gewändern drehten und beugten, und mit ihren geschmeidigen, grazilen Körpern einen deutlichen Kontrast zu den gerüsteten Männern bildeten. Früher einmal mochte es anders gewesen sein, doch zu heutiger Zeit waren jene Frauen angemietete Schauspielerinnen, was jedoch nicht ihre Darbietung schmälerte, war der Tanz mit den Saliern doch ein begehrtes Ereignis unter ihnen.
    Von der Curia der Salii Palatini auf dem Palatin tanzten die Männer im Tripudium, das Carmen Saliare auf den Lippen, zum Forum hinab und bis zu dem Comitium hin. Dort hielten sie inne in ihrem Vorwärtsstreben, jedoch nicht in den Bewegungen und nicht in ihrem Gesang. Der Dreischritt wurde schneller, das Schlagen auf die Schilde häufiger, donnerte über die gesamte Stadt hinweg, bis es mit einem mal samt der Salii verstummte und die Männer stramm standen, wie Legionäre vor ihrem Legaten. Dann schließlich hob ein Gemurmel an, erst leise, dann verstärkt durch das Stampfen der Füße auf dem Boden, bis ein Ruck durch die Männer ging und sie ihre Bewegungen zu einem der komplizierten Tänze ausweiteten, welche sie auf den Plätzen darboten. Der Abstand zwischen den Männern vergrößerte sich, die leichten Schilde und die Schwerter wirbelten in kultischen Mustern durch die Luft vor ihnen, während die Füße fortwährend in einem Tripudium den Boden berührten.
    Bald darauf zogen die Salii Palatini weiter durch die Stadt. Der Tanz wiederholte sich auf dem Capitolium, von dort aus zogen sie wieder die Straße hinab und zum Aventinhügel hin. Wie ein Mann setzten sie den Linken Fuß schräg nach vorn, zogen alsdann den rechten mit einem kräftigen Stampfen nach vorn nach, wobei sie gleichzeitig mit dem Schwert auf das Schild schlugen um die bösen Geister aus der Stadt und von den Feldern zu treiben, und zogen den linken schließlich wieder neben den rechten, um zum Stehen zu kommen. Sodann gingen sie ein wenig in die Knie, schlugen drei mal auf ihr Schild und sangen den immer wiederkehrenden Refrain des Carmen Saliare. So bewegten sie sich langsam und gleichmäßig durch Rom, die Muskeln angespannt, die Tuniken bald nassgeschwitzt durch die hohe Anstrengung. Ihr Ziel war nun der Aventin, wo das Opfer stattfinden und der Zug in der rituellen Lustratio der Waffen seinen Höhepunkt erreichen würde.

    Die Porta der Curia der Salii Palatini öffnete sich und heraus traten jene zwölf Salii Palatini, gekleidet in traditioneller, archaischer Tracht, der roten Tunica, dem Trabea genannten Mantel, mit ehernem Brustschutz und dem ebenfalls ehernen Spitzhelm auf dem Kopf. An der linken Seite eines jeden hing das einschneidige Hiebschwert, dazu hielt er in der Linken sein Ancilium. Sie erinnerten an Kämpfer aus alten, längst vergangenen Zeiten, in denen Könige über das Land regierten und das Imperium aus kaum mehr als der Stadt Rom bestand. Ihre Schilde, die heiligen Ancilia, waren geschmiedet in der Form einer Acht. Einer unter ihnen, einer dieser Salii Palatini, trugt das Schild, welches der göttliche Mars einst vom Himmel sandte als Garantie für den Bestand des römischen Reiches, als Pfand für das Gedeihen des Imperiums, doch keiner wusste darum, waren doch alle Ancilia gleich in Art und Aussehen. Numa Pompilius, der weise König, des Reiches erster, hatte, nachdem ihm seine Gattin Egeria das Geheimnis verriet, elf exakt gleiche Kopiien des Schildes dem Schmied Mamurius Veturius aufgetragen, so dass ein Raub und das damit einhergehende Verderben des Reiches auf immer erschwert war. Seit jenen Tagen behüteten die Salii Palatini jene Schilde und trugen sie nur an besonderen Tagen, an Tagen wie dem heutigen Armilustrium. Selbst, da keiner von ihnen wusste, ob nicht er derjenige war, welcher das göttliche Schild in Händen hielt, das Ancilium allein reichte aus, um Stolz und Ehrgefühl in einem jeden von ihnen erwachsen zu lassen.


    Wie so oft einstudiert traten die Salii Palatini in Form. Gracchus, als Magister gleichsam Vates und Praesul, setzte sich an die mittlere Position der ersten Reihe von insgesamt vier zu je drei Tänzern. Als das Rascheln und Scharren der Rüstungen hinter ihm verklungen war, hob er die Rechte um das Zeichen zum Start zu geben, zog sodann das Schwert aus der Scheide und hob mit der Linken das Schild an. Sodann schlug er drei mal mit der Waffe auf das Schild. Neben und hinter ihm hoben die Salier ihre Schilde und antworteten ihm, indem sie ebenfalls drei mal auf ihre Schilde schlugen, allesamt in gleichem Takt. Gracchus hob an zum ersten Carmen Saliare und vor den Augen der versammelten Zuschauer begannen sie den ersten Tanz, Kriegs- und Opfertanz gleichermaßen. Der Takt wurde nur gehalten und vorgegeben durch das Stampfen des Dreischrittes, durch das Schlagen der Schwerter auf die Schilde und das Singen der Männer mit ihren tiefen Stimmen.

    Gracchus verabschiedete Severus mit einem kurzen Gruß, ein Sklave brachte den Besucher schließlich zur Tür. Die Schriftrolle lag noch immer entrollt vor ihm und so erging sich Gracchus nun in einer näheren Betrachtung eben jener und studierte auch den Werdegang des Nauta eingehend. Er würde Sciurus zusätzlich auf die Suche nach mehr Information in die Archive schicken und auf Nachricht aus Misenum warten, bis zu dem entsprechenden Vorsprechen beim Imperator waren es immerhin noch einige Tage hin.

    Das Mahl nahm seinen Lauf und Gracchus ließ seinen Blick ab und an über die Gästeschar wandern. Das Amüsement schien dem Anlass angemessen, zumindest unter jenen, welche das Ereibnis nur als Zuschauer betrachteten. Jene, welche es direkt tangierte jedoch, wussten ihre mangelnde Begeisterung perfekt hinter dem Schleier oder der Maske eines aufgesetzten Lächelns zu verbergen. Hinter Gracchus' Stirn aber arbeitete es bereits und in Gedanken eilte er der Zeit voraus, bis zu jenem Augenblick, welcher am Ende des Tages ihn erwarten würde. Beiläufig betrachtete er den Körper seiner Ehefrau, doch schweifte er wieder und wieder von jenem ab, zu den Männern im Raum, nicht zuletzt zu Antonias Bruder Donatus, an welchem Gracchus die familiäre Ähnlichkeit zu entdecken suchte. Ein Gesicht jedoch, einen ganz bestimmten Körper, vermisste er, unterschwellig zuerst, doch bald auch in bewusster Suche. Dies war sein Vetter Aquilius, welchen er an keinem der Tische ausmachen konnte. Womöglich befand er sich noch im Atrium, oder er hatte gar die Villa schon verlassen - wer wollte ihm dies verdenken. Dennoch, Gracchus drang es danach, ihn zu sprechen, brannte ihm der Zettel in der Falte seiner Toga doch plötzlich wie ein heißes Eisen auf der Haut. Es blieb nicht mehr viel Zeit, bis die Gesellschaft aufbrechen würde um Antonia und ihn dorthin zu begleiten, wo sein Leben den Anfang genommen hatte.

    Nach den Vorspeisen wurden im Triclinium erneut feuchte Tücher zum Reinigen der Hände gereicht, dazu brachten Sklaven beständig Kannen mit bestem Wein und klarstem Quellwasser für die Gäste. Sodann folgten die Hauptspeisen in üppiger Weise, Aliter aedinam et agninam excaldatam [Gedünstetes Zicklein- und Lammfleisch], Assaturam [Braten mit Salz und Honig] und Pullum numidicum [Perlhuhnbrustfilet mit Datteln und Pinienkernen] für jene, welche der Vielfalt der ländlichen Tiere zugetan waren, Isicia fiunt de astacis et lucusta [Frikadelle von Seetieren aus Hummer und Langusten] und Patina solearum [Seezungenfilet überbacken] für diejenigen, welche die Schätze des Meeres bevorzugten - natürlich wurde dies auch gemischt gereicht, von diesem und jenem, für all diese, welche keine Praeferenz, nur Hunger oder Freude an der Vielfalt hatten. Dazu reichten die Sklaven an Gemüse Cucurbitas frictas tritas [Kürbis, pürriert], Carotae frictae [Karotten, gebraten] und Cucumeres rasos [Gurken, auf andere Art], und zudem reichlich frisches Brot. Die Speisen wurden versüßt durch musikalische Kurzweil, dazu bot eine kleine Gruppe Tänzer in den Pausen zwischen den Speisegängen ihre Kunst dar.
    Die Nachspeise gestaltete sich weniger raffiniert, waren die Gaumen doch bereits vom Hauptgang zur genüge strapaziert und sollten nun ihre verdiente Ruhe finden. So schloss das Mahl mit einer einfachen Tyropatinam [Eiercreme] als Gustostückerl, weiters wurden nur alle Arten von Obst gereicht.

    Ein feines Lächeln zeichnete sich auf Gracchus' Gesichtszügen ab.
    "Zur Rückerstattung der Münzen sollst du dich weder durch mich, noch durch irgendeinen anderen gedrängt fühlen. Nutze dein Wissen geschickt und es wird den Flavia mehr einbringen, als jene dreihundert Sesterzen."
    Die Arbeit in der Regia des Cultus Deorum schätzte Gracchus nicht aufwändiger, als die eines Commentarius in einem Tempel mit Personalmangel. Dennoch war sie mindestens ebenso notwendig, wie hinreichend.
    "Die Quaestur ist in der Tat sehr zeitaufwändig. Die Chronik verlangt es, tief in Archiven zu stöbern, denn es waren einige Lücken aus länger zurückliegenden Amtszeiten verblieben. Daneben hat auch der vorherige Quaestor Principis unerledigte Arbeiten zurück gelassen."
    Gracchus' Miene konnte nicht ganz verhelen, was er über jenen Mann und dessen vernachlässigte Pflichten dachte.
    "Zudem trug der Imperator dem Quaestor Consulum und mir auf, den Codex Universalis auf notwendige Änderungen zu überprüfen. Es ist wahrlich erstaunlich, was sich hierbei alles an Punkten ergibt. Glücklicherweise ist Tiberius Durus mit den Gesetzen bewandert und hat ein großes Stück des Codex übernommen. Die Feiertage, deren Ausrichtung ich mir selbst auferlegt habe, sind dabei noch der geringste Aufwand und tatsächlich eben jenes, Feiertage. Zur Zeit beschäftige ich mich schließlich mit den Vorschlägen zur Standeserhebung, auch hierbei ist es notwendig, viele Informationen aus den Archiven einzusehen. Dennoch, es ist ein anprechendes und ausfüllendes Amt, dessen Erfahrung ich nicht missen möchte."