Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Die Kandidatur seines Neffen war die zweite Kandidatur eines Flavius in diesem Wahlkampf und selbstredend erwartete Gracchus auch von dieser nicht weniger als einen Erfolg. Allfällig weil er sie bereits erwartete schien ihm die Zeit bis dass Scato begann obgleich nur wenige Minuten mochten vergehen beinahe schon als wäre es die Hälfte der Dauer, welche dem Kandidaten für seine Rede, sowie dem Senat für Rückfragen oder Zuspruchbekundungen überhaupt gegeben war. „Er ist wohl nervös, dein Neffe“, erheiterte sich der Consular neben dem Flavier leise, was ihm einen bösen Blick einbrachte, ehedem Gracchus diesen ein wenig besorgt nach vorn wandte, um zu sehen was die Verzögerung tatsächlich verursachte.

    Wiewohl dem Vater bewusst war, dass nicht Minors Desiderat ihn vor die Sodales hatte geführt, sondern das Diktat seiner Herkunft, so glaubte er doch gleichsam, dass die große Ehre einer Teilhabe genügend Lohn - und auch Glück - für einen jeden jungen Mann würde bieten, so dass ihn die pflichtbewusste und fügsame Vorstellung seines Sohnes kaum erstaunte, sondern dies eben zu erwarten gewesen war. Ebenso zu erwarten war nun seine Kooptation, welche nach jener Vorstellung zweifelsohne unausweichlich war.

    Lange Zeit hatte Gracchus diesen Tempel nicht betreten, Jahre allfällig, hatte den inferiores nur dann ihren Tribut gezollt, so die jährlichen Feiertage dies geboten. Eine Gabe stand noch aus, das Blut der Löwen der Imago-Weihe, um den Fluch der flavischen Töchter zu lösen, doch dieses Opfer musste von Minor und ihm gemeinsam gebracht werden, was er in Anbetracht der Wahlvorbereitungen seines Sohnes bisherig hatte aufgeschoben. Die Entscheidung, den Tempel des Dis aufzusuchen war zudem keiner vorausschauenden Planung entsprungen, sondern schlichtweg eine Laune als die flavische Sänfte das Areal aleatorisch passierte. Einen Augenblick nur wartete Gracchus in der mittäglichen Hitze vor dem Tempel bis dass einer der Sklaven bei einem Händler einige Querstraßen entfernt ein wenig Räucherung hatte erstanden, dann trat er allein die Stufen empor, verharrte nur einen Herzschlag vor der Porta, um eine Stoffbahn seiner Toga über sein Haupt zu schlagen, ehedem er die cella betrat. Eisig kalt schlug der Hauch des Dis pater ihm entgegen, kroch unter den Stoff seiner Kleidung während der Flavier darauf wartete, dass seine Augen sich an das dämmrige Licht gewöhnten. Gleichwohl wollte kein Schauder sich einstellen, keine drückende Schwere oder furchtsame Beklommenheit, lediglich ein befreiendes Seufzen löste sich aus Gracchus‘ Kehle und vermengte sich mit dem Flüstern der Untergründigen. Schweigend trat er an die immerwährend glühenden Kohlen zu Füßen des Götterbildes und streute sukzessive den gesamten Inhalt des Beutels an Räucherung darüber, dass beißende Schwaden aus Rauch sich erhoben und ihn gemeinsam mit Dis pater umhüllten. Welches Prinzip der Urgewalten konnte ihm näher sein als das der Zerstörung, welche er selbst so mannigfach über Rom hatte gebracht? Nicht den Staatsmann voll Pflicht, Tugend und Ehre in sich musste er besänftigen, nicht den Krieger, der er nie gewesen war, und nicht den Künstler, der er gerne gewesen wäre. Ohne eine einzige Legion, ohne einen einzigen Soldaten oder auch nur das eigene Schwert hatte er Tod und Verderben gebracht, hatte er den Hauch des Dis geatmet in das Antlitz tausender Römer und seiner eigenen Familie. Nicht im Tempel des Iuppiter, nicht vor dem Tor des Ianus, nicht unter den Tänzern des Mars war sein Platz, sondern hier, zu Füßen des untergründigen Herrschers, dessen Flüstern er sein Leben lang hatte vernommen, dessen dienstbare Geister er stets um sich scharrte und dessen Idee ihm inhärent war ohne Studium und Reflexion. Allfällig gierten die krallenbewehrten Klauen der Larven und Lemuren nicht nach seinem Leibe, sondern klammerten sich nur an ihn wie Kinder an die Mutter, die sie nährte, allfällig war es kein Fluch, unter dem er geboren war, sondern eine Gabe - allfällig war das größte Opfer der Welt schlichtweg der Mensch. Unwillkürlich zog Gracchus von seinem kleinen Finger einen Ring - aus Gold gearbeitet mit einer Gemme aus orangefarbenem Karneol, welche einen Hirsch zeigte - ein Andenken an die lange Zeit, welche der Flavier in Achaia hatte verbracht, und welches er oft und gerne an der Seite seines Siegelringes trug.
    “Do ut resistas“
    , flüsterte er und legte das Schmuckstück zwischen die Füße des Dis pater, ehedem er diese berührte und die Augen schloss. Die steinerne Kühle der Statue vermengte sich mit dem eisigen Hauch der daimones, das leise Knisterten der Kohlen mit ihrem rauen Flüstern. Als Gracchus seine Augen wieder öffnete hatte der Rauch sich aufgelöst, hatten seine Augen sich gleichsam an die Dunkelheit gewöhnt. Klar und deutlich schien ihm das Innere des templum, wiewohl der Blick auf sein Leben weiter im Nebel blieb als er kurz darauf wieder hinaus trat in die sommerliche Sonne.

    Mit geradem Rücken, erhobenem Haupte und von Stolz geschwellter Brust saß Manius Flavius Gracchus in Reihen der Consulare als sein Sohn vor den Senatoren sich präsentierte. Detachiert unbewegt war sein Antlitz und selbst seine Freunde mochten kaum das schmale Lächeln um seine Lippen entdecken, doch in seinem Inneren pochte sein Herz geradezu vor Übermut. Vergessen war aller Groll über Minors aegyptische Eskapaden - im Angesichte dieses tadellosen Auftrittes, Sonorität und Harmonie, Auslese und Gehalt seiner Worte schien gar der Brief des Sulpicius wie ein Trug, ein Scherz allfällig oder ein bloßes Missverständnis - und auch der schmerzliche Augenblick seiner Rebellion bei Ankunft in der heimischen Villa. Die Wahl hatte noch nicht einmal begonnen, doch für den älteren Gracchus stand bereits fest, dass sein Sohn jener Manius Flavius Gracchus würde werden, den er selbst auf seinem eigenen Wege längst hatte verloren. Als die Stimme Minors vorerst erstarb zog darob für einen Herzschlag auch ein Stich durch seine Brust, denn während dieser Tag den Beginn eines wahrhaftigen Manius Flavius Gracchus einläutete, so klang doch gleichsam sein eigenes Ende darin mit. Iulius Dives war es, welcher ihn alsbald aus seinen Gedanken riss und dem jüngeren Gracchus eine perfekte Vorlage lieferte, seine Entscheidung zu explizieren, was dem Senator zweifelsohne einen wohlwollenden Gedanken in Hinblick auf seine eigene Kandidatur einbrachte.

    In seiner aus Schlafmangel resultierenden missmutigen Laune war Gracchus nicht bereit zu Zugeständnissen, insbesondere nicht so sie die politische Zukunft Minors betrafen.
    "Der Hund folgt der Hand, die ihn tagtägli'h füttert, nicht jener, welche ihm einmalig ein Stück Wurst zukommen lässt"
    , warf er darob ein.
    "Heute essen sie dein Brot und trinken deinen Wein, morgen nehmen sie es von einem anderen. Ist dann jedoch der Tag gekommen an welchem ihr Einfluss maßgeblich ist, so folgen sie blindlings ihrem Patron oder schli'htweg jenem, welcher in diesem Augenblicke das meiste bietet - und sei er ein Tyrann und Usurpator."
    Mit einem Schluck Wein spülte er diese bittere Erkenntnis hinab.
    "Darob haltet euch besser an jene Männer, welche tatsächlich hochmögend sind. Ihr Preis mag ver..meintlich höher sein, doch langfristig gesehen ist dies weitaus einträglicher."
    Um den Pöbel schnellstmöglich von diesem Tische zu verbannen, setzte Gracchus hernach:
    "Welche Gäste hast du geladen, Caius?"

    Der Flavier folgte den Worten der Medica zwar durchaus aufmerksam, doch letztendlich schien dies alles eine überaus komplexe Wissenschaft für sich zu sein. Zumindest ein See fiel ob der stehenden Gewässer wohl aus.
    "Wie wäre es mit einem Gelände am Almo südlich von Rom, allfällig nahe der Via Appia? Er entspringt in den Ausläufern der albaner Berge und damit dur'haus erhöht. Allerdings fließt er von Südosten nach Nordwesten, somit eher dem Sonnenuntergang entgegen. Oder ist nicht die Flussrichtung, sondern schlichtweg die Quellenlage ent..scheidend? "
    Im Zweifelsfalle würde diese genaue Lage herauszufinden sein.

    In der Art wie sie ihre Worte wählte, wie sie ihre Entscheidungen traf und - soweit er dies bisher erlebt hatte - ihre Welt sah, erinnerte die Augusta Gracchus stets ein wenig an seine verblichene Base Leontia, und der Ort, welchen sie an diesem Abend für die Cena hatte ausgewählt, vermochte diese Reminiszenz nur mehr noch zu verstärken. Er öffnete leicht den Mund, um seiner Gemahlin eine Bemerkung über die Harmonie und Ästhetik der Räumlichkeit zuzuflüstern, doch letztendlich entfleuchte ihm nur ein leises Seufzen stiller Entzückung - und es überkam ihn ein seltener Moment, in welchem er gar bedauerte, nicht mehr sich um die kaiserliche Macht bemüht zu haben. Er fragte sich einen Augenblick ob man sich an solcher Schönheit wohl je konnte satt sehen, bezweifelte dies indes und glaubte viel eher daran, dass man sich einen jeden Tag auf ein Neues würde daran erfreuen können - ganz ähnlich wie im Garten der Villa Flavia etwa an den Statuen der Musen.
    "Salve Augusta Veturia Serena"
    , begrüßte er die Kaiserin als Prisca und er jener angesichtig wurden.
    "Ich vermag kaum Worte dafür zu finden wie groß meine Freude bereits jetzt über diesen Abend ist, welcher mir nicht nur ver..gönnt ist in Gesellschaft der schönsten Damen Roms, sondern zudem in einem geradezu elysäischen Ambiente."
    Sodann wies er auf Prisca, um jene der Augusta vorzustellen.
    "Dies ist meine wundervolle Gemahlin, Aurelia Prisca."

    "Vielen Dank"
    , quittierte der Flavier die Worte des wachhabenden Soldaten mit einem feinen Lächeln, denn stets war er in Anblick der praetorianischen Garde in Gedanken bei Faustus.
    "Das Nymphaeum der Domus Augustana ist eine besondere Augenweide, meine Liebe"
    , fuhr er sodann an seine Gemahlin gewandt fort während sie bereits vom Inneren des Palastes verschluckt wurden.

    Der ältere Flavier nickte mit einem schmalen Lächeln und wies sodann einen zuvor instruierten Sklaven mit einem Wink an, seinen Sohn einzulassen. Minor mochte auf den ersten Blick allfällig nicht wie der perfekte Salier erscheinen, doch die Herkunft war schon lange maßgebliches Kriterium in diesem Kultverein, wiewohl passende Kandidaten ihm nicht eben die Türe einrannten.
    "Dies ist mein erstge..borener Sohn, Manius Gracchus Minor. Minor, bitte erläutere den Sodales, was dich prädestiniert in ihre Reihen aufgenommen zu werden."
    Unbeteiligte würden sein auffordernes Nicken zweifelsohne als ermunternde Geste deuten, doch der in die familiäre Konstellation Eingeweihten mochte auch die inhärente Drohung darin bemerken.

    In einer der mehr oder minder regelmäßigen Sitzungen der Salii palatini erbat Gracchus das Wort.
    "Sodales salii palatini! Seit vielen Jahren, gar Jahrzehten bin ich Teil dieser Gemeinschaft, einige Zeit als Magister, lange Zeit als Soadlis - und stets war mir diese Partizipation eine große Ehre. Glei'hwohl wurde diese Sodalität vor langer Zeit als Bund junger Männer gegründet und obgleich zweifelsohne nichts dagegen spricht in ihm zu altern, so ist doch irgendwann einmal der Zeitpunkt erreicht, an welchem ein reifer Mann sich daraus ver..abschieden muss."
    Damit war Gracchus' Ansinnen zweifelsfrei eindeutig.
    "Dieser Zeitpunkt ist für mich gekommen, und obgleich der Abschied mich dauert, so ist es mir dennoch ein lei'htes zu gehen, da ich dessen versichert bin, dass mein Platz nicht lange leer bleiben muss. Sodales salii palatini, im gleichen Atemzuge, da ich meinen Rückzug aus euren Reihen verlauten lasse, möchte ich euch meinen Sohn, Manius Flavius Gracchus Minor, für eine Aufnahme empfehlen. Seit frühester Kindheit war er bereits in den cultus publicus involviert als minister bei zahlreichen großen Opferungen und Festzügen und ist darob noch über seine tadellose Herkunft hinaus als Sodalis prä..destiniert. Ich bitte euch darum, meinen Abschied zu akzeptieren, sowie ihn in eure Reihe zu kooptieren."
    Selbstredend wartete der junge Flavius im Vorraum des Sitzungssaales, um sich - so die Salier dem zustimmten - selbst vorzustellen und bei Bedarf sich einer Prüfung der Sodales zu unterziehen.

    Auf einem Stück Huhn, welches er zuvor in eine scharfe Soße hatte getunkt, kauend lauschte der Flavier den Ausführungen der Plinia, wiegte von Zeit zu Zeit seinen Kopf nachdenklich ein wenig. Schlussendlich gab er zu bedenken:
    “Eine Quelle zu finden, an welcher nicht bereits eine Nymphe ver..ehrt wird, wird im Umkreise Roms nicht trivial werden - wenn nicht gar unmöglich. Im Hinterland gibt es durchaus Quellen, deren Nymphen beinahe in Vergessenheit geraten sind, welche mit ein wenig Vorbereitung allfällig neu geweiht werden könnten, doch Roms Nymphen sind dur'haus populär.“
    Zweifelsohne würde es zu einem kleinen Aufstand der Bevölkerung kommen, würde man die Heiligtümer der Egeria oder Iuturna etwa schlichtweg umfunktionieren.
    “Eine Alternative wäre darob präferabel.“

    "Dies ist in der Tat nicht nur schön, Caius, sondern ein Glück für die ganze Familie"
    , griff der ältere Gracchus die Worte seines Neffen auf und wandte seinen Blick sodann auf seinen Sohn.
    "Fehlte es Minimus in Alexandria doch an re'hter Orientierung, so dass er statt dem unschätzbaren Reichtum an Wissen der Stadt sich hinzugeben maßlose Kapriolen und infantile Eskapaden bevorzugte und seinen Gastgeber, wiewohl seine eigene Familie durch sein schamloses Gebaren kompromittierte."
    Die Couleur seiner Stimme war bei dieser Feststellung überaus sachlich, nur marginal von einem eisigen Hauch gleich dem des Boreas durchzogen, lag es doch nicht in Gracchus' Intention Minor vorzuführen. Indes hatte es keinen Sinn, diesen Fehltritt vor der Familie zu verheimlichen, gegenteilig würden im Zuge der Kandidaturen allfällig alsbald Gerüchte über jene Ereignisse in Rom angelangen, so dass Scato besser darauf war vorbereitet. Sein Blick wandte sich zurück zu seinem Neffen, seine Explikation fortführend.
    "Um ein tieferes Ver..ständnis zu entwickeln, was es bedeutet, ein Flavius zu sein, wird Minimus darob zur nächsten Wahl um ein Vigintivirat kandidieren. Allfällig hast du einige Ratschläge für ihn in Hinblick auf eine bestmögli'he Wahlvorbereitung?"
    Obgleich dies aus dem Alter und der Erfahrung eines Lebens heraus rückwirkend betrachtet zweifelsohne für einen jeden Mann überaus unverständlich war, so schien es in der Jugend doch stets einfacher den Rat eines nicht wesentlich Älteren anzunehmen als den des Vaters. Auch in Gracchus' eigener Jugend war dies nicht anders gewesen, ob dessen er hoffte, dass Minor Scatos' Rat allfällig eher würde akzeptieren denn seinen eigenen.

    Es war Gracchus immer noch ein wenig merkwürdig seinen Sitz nun in Reihen der Consulare zu finden, auch da das Ende cursus honorischen Strebens einen Mann doch irgendwie in die Riege der alten Männer katapultierte. Es fühlte sich alles gleich ein wenig gesetzter an, selbst die Senatssitzungen. Als nach einigen Themen, welche zwar durchaus als wichtig waren zu erachten, doch nicht besonders spannend, Senator Iulius das Wort erhielt, richtete der Flavier sich ein wenig auf - und wohl hatte er nicht zu viel erwartet, gelang es Dives doch einmal mehr ein überaus marginales, wenn auch berechtigtes Anliegen in eine wohlformulierte, kurzweilige Abhandlung zu hüllen, deren Explikation insbesondere in Anbetracht vorheriger Gleichförmigkeit durchaus ein Genuss war.
    "Ich unterstütze das Anliegen Senator Iulius', der Ordo sollte bleiben, was er ist, ebenso der römische Bürgerstand - und dies sich auch in unserem Gesetz widerspiegeln."

    "Oh, wie deplorabel"
    , bekundete Gracchus sein Bedauern über das Scheitern der Eheverhandlungen mit den Claudiern.
    "Nun"
    , überlegte er sodann.
    "Menenius Lanatus' Enkelin, die Tochter Marcellinus' allfällig? Eine Verbindung zum Rex Sacrorum wäre zweifelsohne nicht ohne Vorteil. Wiewohl ich nicht gänzlich sicher bin, ob sie nicht bereits verlobt ist. Ich werde dies na'hprüfen lassen."
    Seit dem Bürgerkrieg legte Gracchus noch weniger wert auf Beziehungen als bereits zuvor, ob dessen er nicht sonderlich gut war informiert über den Heiratsmarkt der Stadt.
    "Und ich meine Aemilius Genucius hat ebenfalls noch eine unverheiratete Tochter. Sie würde abgesehen von einer wohlmeinenden Stimme im Senat allfällig nicht allzu viel Einfluss mitbringen, doch zweifels..ohne ein gutes Stück Land."

    Nicht allein, sondern in Begleitung seiner liebreizenden Gattin Aurelia Prisca, welche wie stets überaus bezaubernd aussah, gelangte Gracchus an diesem späten Nachmittage vor die Tore des Palastes. Galant half er seiner Angetrauten aus der Sänfte, welche sie den Hügel hatte hinaufgetragen, während bereits ein Sklave das Paar ankündigte:
    "Der Pontifex pro magistro Flavius Gracchus und seine Gemahlin Aurelia Prisca kommen auf Einladung der Augusta Veturia Serena" und wies das Schreiben vor.

    Während der Aufzählung Scatos nickte Gracchus leicht, um schlussendlich den Kopf zu schütteln.
    "Nein, dies hört sich bereits recht vollumfänglich an, dass ich dem nichts hinzuzufügen habe. Der ein oder andere mag es mit der Aussi'ht auf radikale Gesetzesinitiativen versuchen, doch sofern du nicht tatsächlich ein ausgereiftes und stichhaltiges Konzept vorlegen kannst, würde ich von solcherlei absehen."
    Populismus war letztlich nichts, mit dem Flavier sich schmückten.
    "In der Tat, ich wünschte ich hätte die Stadt einst selbst besuchen können. Ich bin schon überaus gespannt, was er alles zu erzählen haben wird, ver..mutlich werden wir ihn kaum wiedererkennen!"
    Wie wahr dies werden sollte vermochte der ältere Gracchus in diesem Augenblicke noch nicht zu antizipieren, gleichsam in welch anderer Art als er dies vermutete - hatte er doch noch das Bild eines gereiften und gestandenen jungen Mannes vor sich.
    "Wie weit sind eigentlich deine Ehepläne gediehen?"
    fiel ihm sodann ein.
    "Eine Gemahlin oder zumindest Verlobte an deiner Seite wäre dur'haus opportun für den Wahlkampf, respektive die Senatorenschaft."

    Auf die Horen zu trinken wäre dem Flavier wohl kaum in den Sinn gelangt obwohl dies bei näherer Betrachtung keineswegs absurd war, so dass auch er sein Glas hob.
    "Interessant"
    , bemerkte er sodann ein wenig knapp, doch überaus imponiert bezüglich ihrer Herkunft, gelangte indes nicht zu weiterer Recherche, da in diesem Augenblicke Casca eintraf.
    "Decimus Casca, willkommen! Keineswegs bist du zu spät, wir sind über ein wenig Plauderei noch nicht hinausgelangt."
    Dem Decimus war der lectus summus gegenüber des Flaviers zugewiesen und da letztere den ersteren bereits in dessen Abwesenheit hatte vorgestellt, introduzierte er nurmehr die Medica.
    "Dies ist Plinia Chrysogona, die Leibmedica unseres geschätzten Augustus. Wie ich soeben er..fahren habe ist dies Tradition in ihrer Familie."
    Da alle Beteiligten nun versammelt waren konnten sie sich neben der beiläufigen Beschäftigung des Mahles auch direkt der Angelegenheit widmen, wegen der dieses Treffen war anberaumt worden - war Gracchus doch ein Mensch, welcher gerne ohne Umschweife zur Sache kam.
    "Die Medica ist an das Collegium Pontificum herangetreten da sie um Roms Gesundheit sich sorgt"
    , erläuterte er Casca.
    "Denn um Heilung im Tempel des Aesculapius auf der Tiberinsel zu erfahren müssen die Kranken derzeit erst halb Rom dur'hqueren, wodurch die Gefahr steigt, dass ansteckende Krankheiten und insbesondere Seuchen sich in der Stadt verbreiten, gleichwohl auch die Ver..weildauer der Kranken im Tempel ob des beständig steigenden Andranges und daraus resultierender Wartezeiten immer länger wird. Der Augustus hat darob zugestimmt, dem Aesculapius ein neues Heiligtum außerhalb der Stadt zu errichten, an welchem eine Art ... medizinische Behandlungsstätte anschließen kann. Unsere Aufgabe ist es nun, einen geeigneten Ort zu erkiesen, welcher die kultischen Notwendigkeiten, aber auch die Anforderungen einer sol'hen Behandlungsstätte erfüllt."
    Diese Behandlungsstätte an sich war Gracchus noch immer ein wenig suspekt, doch solange das Heiligtum des Aesculapius den göttlichen Ansprüchen würde genügen, mochte er diesem Unterfangen durchaus eine Chance geben.
    "Welche Anforderungen sind dies, Medica?"

    Der ältere Gracchus hatte kaum geschlafen in der vorangegangenen Nacht, hatte die Pflichten des Tages vorwiegend unbeteiligt über sich ergehen lassen, in seinem Geiste beständig schwankend zwischen frustriertem Ingrimm - ob der Eskapaden seines Sohnes -, defätistischer Desperation - ob seines vermeintlichen Schicksales -, väterlicher Sorge - ob der Zukunft Minors - und sinnfreier Leere - aus purem Schlafmangel.
    "Minimus"
    , grüßte er knapp seinen Sohn, der bereits vor ihm im Triclinium angelangt war, und nahm auf der ihm angestammten Position Platz.
    "Nun, welche Strategie hast du dir für die nächsten Wochen erda'ht?"
    fragte er sodann in weitaus gestrenger Couleur als er dies eigentlich intendierte, und griff zu den sauer eingelegten Oliven, um die Wartezeit zu überbrücken bis die Speisen würden kredenzt werden.