Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    'Non mortalis sum sed Caligula.'
    Eisig kalt zog der Hauch der Vergänglichkeit ihm über den Rücken, dass augenblicklich die feinen Härchen auf seinem Leibe sich aufstellten. Entsetzen war es nun, welches in Gracchus' Augen sich spiegelte, Furcht zudem und allfällig ein leichtes Flackern des Wahns, welcher in seinem flavischen Blut ihm gegeben war, denn obgleich Aktion, Reaktion und Gegenreaktion kein vordergründig sinnvolles Gebilde errichteten, so schien doch gerade der daraus resultierende Schluss Gracchus als verständlichste Realität, welche kreisförmig ineinander griff der Schlange gleich, welche in ihren eigenen Schwanz biss. Caligula hatte ein Pferd in den Senat gesetzt, Valerianus einen Esel, welcher doch gleichsam wiederum der wahnsinnige Caligula war, dass letztlich Salinator sich selbst zum Kaiser hatte bestimmt. Quod erat demonstrandum.
    "Ich bin tot"
    , flüsterte er tonlos, den Blick in die Unendlichkeit gekehrt. Kraftlos schloss er schlussendlich die Augen und sank vornüber, sein Haupt dem Schoße Serapios entgegen.
    "Ich habe solche Angst, Faustus, grenzenlose Angst."

    Die Liebkosungen des Geliebten verhallten bereits in jenem Augenblicke, da sie Serapios Lippen hatten überquert, denn nichts davon erreichte auch nur im Anklang Gracchus' Geist.
    "Das … Tes..ta..ment?"
    stammelte er derangiert wiewohl jede Leichtigkeit von seinem Leibe abfiel, denn es brachte dies ihm Fetzen der Erinnerung in seine Sinne, welche ganz deutlich belegten, dass er dieses Testament bereits hatte in seinen Händen gehalten, mehr noch, dass er den Inhalt dessen kannte - doch Vescularius war nicht Teil davon, wiewohl ihm in diesem Augenblicke nicht gewahr war, wann und wo dies mochte gewesen sein.
    "Valerianus' Testament?"
    fragte er noch immer überaus irritiert weiter, so als bestünde die Möglichkeit, dass etwa zwischen Valerianus' Tod dessen legitime Nachfolger hätte Kaiser gewesen sein und eben dieser den Vescularier als seinen Erben mochte eingeführt haben können.
    "Wer …wer hat es geöffnet?"

    Sobald Serapio aus der Castra Praetoria nach Hause in die Casa Decima zurückkehrte, war Gracchus, respektive Aton bereits regelrecht ausgehungert nach dem Geliebten, bot jener doch nicht nur für einige Zeit Ablenkung von allen zermürbenden Gedanken, Sorgen und Grübeleien, zudem sorgte er auch für Linderung des tiefen, noch immer ein wenig unerklärlichen Sehnens, welches Gracchus stets dann überkam, sobald Serapio sich anschickte das Haus wieder zu verlassen. Er wollte Faustus nicht in Vergleich stellen, mit nichts und mit niemandem, nicht mit den vorsichtigen Liebeleien seiner Jugend, nicht mit den bedeutungslosen Namen, welche stets nur seinen Leib hatten befriedigt, und auch nicht mit Caius, zu welchem seine Bande körperlicher, geistiger, wie seelischer Natur die stärksten in seinem Leben waren gewesen - denn Faustus, endlich dauerhaft in seiner Nähe und erreichbar, schien alles zu übertreffen, schien jeden Traum noch zu überflügeln, dass Gracchus nichts und niemanden mehr wollte als nur trunken vor Glück in des Geliebten Armen zu verweilen. Gänzlich hätte er so sich verlieren können, wäre nur nicht die Welt um sie her, ein Krieg um das Imperium, und nicht zuletzt in Gracchus' Innerstem ein Krieg um sein Leben - gefochten zwischen seinem Verstand und seiner Seele. So kam es, dass Faustus und Aton an diesem frühen Abend glücklich und zufrieden nach wonnevoller Befriedigung aller Lust und Gelüste nebeneinander auf Serapios Bette lagen, ihre Leiber überzogen von einer schimmernden Membran aus Schweißperlen, überschwemmt von zufriedener Euphorie, und ihre Gedanken in einer wohligen Leere treibend, da Manius Gracchus sich wieder zwischen sie schob, langsam zuerst, dass Aton sein Nahen anfangs nicht einmal bemerkte, immer zudringlicher jedoch, immer aufdringlicher schlussendlich, dass nichts ihm übrig blieb als dem Drängen nachzugeben.
    "Faustus"
    , drehte Gracchus sich auf die Seite, den Geliebten anblickend, seine Hand empor hebend und sanft über Serapios Schläfe streichend.
    "Eines scheint mir bei alledem doch noch immer merkwürdig. Wie konnte der Vescularier so schnell und mühelos alle in Rom von sich über..zeugen? Die Cohortes Urbanae mögen bereits auf seiner Seite gestanden haben, doch weshalb haben die Praetorianer ihn unterstützt? Weshalb hat der Senat nach nur so kurzer Zeit ihn als Princeps akzeptiert? Doch nicht nur wegen einiger ferner Legionen im Osten? Was hat er ihnen verspro'hen, womit hat er ihnen gedroht, Faustus, dass sie ihm so bereitwillig freie Hand ließen?"

    Spärlich nur fiel das Licht auf den hölzernen Boden unter dem einfachen Bett in Atons Cubiculum, doch Gracchus kniff seine Augen zusammen und ritzte unbeirrt mit dem scharfen Stein Muster in das weiche Holz, dabei Worte in altitalischer Sprache vor sich hinmurmelnd, deren Sinne kaum mehr jemand würde erfassen können, deren Sinn ihm selbst nicht im einzelnen, sondern nur im Gesamten war verständlich. Zuletzt schlussendlich legte er seine linke Hand einige Augenblicke flach in das entstandene Gewirr aus Kreisen und Linien, schloss die Beschwörungsformel mit der abschließenden Anrufung der nächtlichen Schutzgeister und kroch sodann ein wenig umständlich unter der Bettstatt hervor. Seufzend blieb er einige Augenblicke auf dem Boden davor sitzen, zufrieden über die Sicherheit, welche des Nachts nun ihn würde umfangen, doch unmutig über das leise, schmerzhafte Ziehen und die Enge in seinem Brustkorb, als würde dort eine gewaltige Hand ihn umfasst halten. Zwar mochte er kein junger Knabe mehr sein, welcher flink unter Betten und Tische kroch, um sich beim Versteckspiel darunter zu verbergen, doch seit der Flucht aus Rom, aus seinem angestammten Leben, hatte Gracchus fortwährend das Gefühl, sein Leib würde ihn im Stich lassen, würde über alle Maßen hinaus ihn piesacken und gängeln, sich eines siebzigjährigen Greises würdig gebaren, doch keines Mannes im besten Alter. Nur in Faustus' Gegenwart ließ er noch sich entspannen, nur in Faustus' Armen mochte er jedes Ziehen und Zerren vergessen - doch zu oft weilte der Geliebte in der Castra als das Gracchus sein Unwohlsein mochte dauerhaft verdrängen können. Mit einem neuerlichen Seufzer zog er sich am Bett empor und trat zu dem kleinen Tisch mit der flachen Schüssel voll Wasser darauf, um sich seine staubigen Hände darin zu reinigen, stockte jedoch als sein Blick auf die spiegelnde Oberfläche fiel. In dem klaren Nass zappelte ein kleiner, schwarzfarbener Käfer, suchte vergeblich aus dem für ihn gewaltigen See zu entkommen.
    Was für ein jämmerliches Wesen in seinem jämmerlichen Kampf um sein jämmerliches Leben!
    Gracchus achtete nicht auf die Stimme in seinem Rücken, hob seine Hand und tauchte sie unter das zappelnde Insekt, dieses in seiner Handfläche empor zu heben aus dem Wasser.
    "Auch ein Käfer hat seinen Nutzen, seine Aufgabe in der Welt, und es steht dir nicht zu, darüber be..stimmen zu wollen, ob dies jämmerlich ist oder nicht."
    Er schüttelte das Insekt von seiner Hand auf die Tischplatte und drehte sich um zu dem dröhnenden, tiefen Lachen, welches hinter ihm hatte eingesetzt, welches doch nur in seinen Ohren, in seinem Geiste zu vernehmen war.
    Hahaha! Ich spreche von dir, Bruder, nicht von dem Käfer! Von deinem jämmerlichen Leben und diesem jämmerlichen Versuch, es dir zu bewahren - wie du dich hier verkriechst, dich versteckst und verleugnest, wer du bist und was du getan hast!
    Quintus Tullius' Stimme troff von Verachtung und Abscheu, doch Gracchus starrte das Trugbild nur einige Augenblicke an, ehedem er langsam den Kopf schüttelte.
    "Ich habe nichts getan"
    , sprach er leise.
    Wieder lachte sein Zwilling abschätzig auf.
    Oh ja, und du bist auch niemand! Du bist ein jämmerlicher Wurm, jämmerlicher noch als dieser Käfer!
    Mit einem schnellen Schritt trat er an Gracchus heran, so dass jener glaubte seinen Atem in seinem Gesicht spüren zu können - ein fahler, eisiger Hauch, eine leise Ahnung des Todes.
    Du hast es nicht verdient, mein Leben zu leben! Was auch immer du getan hast oder nicht getan hast, du hast in allem versagt, du hast die Wahrheit, das Imperium und die Familie verraten!
    "Ich habe ihn nicht umgebra'ht!"
    suchte Gracchus halbherzig sich zur Wehr zu setzen, doch während sein Verstand, sein Geist dies mochte glauben, so wusste sein Leib um die Qual in seinem Inneren, spürte er neuerlich die Enge in seiner Brust.
    Du warst immer ein schlechter Lügner, Manius, schon als kleiner Junge.
    Tröstend fuhr Flavia Nyreti ihrem Sohn über den Kopf.
    Die Wahrheit war doch stets dein höchstes Gut, mein Sohn. Was ist nur aus dir geworden?
    "Aber es ist die Wahrheit!"
    fuhr Gracchus in den leeren Raum herum.
    "Ich ... ich habe ihn nicht ermordet!"
    Es klangen diese Worte alles andere als überzeugt aus seinem Munde, ausgelaugt und ausgezehrt im Bemühen beständig das fragile Konstrukt der Lüge in und um sich her aufrecht zu erhalten.
    Ja, du bist frei von Schuld, Flavius Gracchus, denn er war längst tot! Kaltblütig ermordet von den finsteren Plänen des Vescularius Salinator! Der Kaiser und das Imperium waren längst tot bevor wir auch nur den Gedanken fassten, etwas zu tun.
    Ein wenig erschrocken drehte Gracchus zu der neuen Stimme sich um, deren Couleur ihm zwar bekannt, doch nicht traut war, welche nicht zu jenem Stimmenorchester gehörte, welches beständig und immer wieder ihn quälte.
    "Auch du, Tiberius Durus, auch du!?"
    Er wollte nicht den verloren Freund sich einreihen lassen in die Reihe der verlorenen, rastlosen Schatten um ihn her.
    "Du bist tot, Tiberius, tot und längst fort!"
    Zögernd wich er zurück bis dass er hinter sich das Bett spürte, ließ darauf sich hernieder.
    Ich bin tot und doch bin ich es nicht, Gracchus, denn was wir begonnen haben ist nicht beendet und das Imperium noch immer in Gefahr. Ich bin tot, doch du nicht, Gracchus, du nicht! Du musst beenden, was wir begonnen haben, du musst das Imperium vor dem Unheil bewahren!
    "Nein!"
    Er schüttelte seinen Kopf, hielt seine Handflächen an die Schläfen, schloss seine Augen, im vergeblichen Versuch die Larven aus seinem Leben zu vertreiben wenn er nur sie nicht mehr würde sehen können.
    "Nein, ich muss nichts tun, ich habe bereits alles getan! Ich … habe ihn nicht er..mordet! Ich kann nichts mehr tun, denn ... ich bin nicht mehr ich selbst, ich … habe alles getan,... ich kann nicht ich selbst sein, ich ... habe ihn nicht ermordet, ... ich kann nichts mehr tun ..."
    Langsam wiegte sein Körper im Strom der Worte sich vor und zurück, während stille Tränen durch die schmalen Spalte zwischen seinen Fingern sich drückten.

    Seit geraumer Weile hatte Gracchus seine Identität gänzlich abgelegt, lebte und agierte unter falschem Namen in der Casa seines Geliebten und verrichtete dort die Aufgaben eines Bibliothecarius - sofern er nicht unter Andeutung fadenscheiniger Vorwände sich zurückzog in das Gästezimmer mit einigen Schriften, diese wie er vorgab zu studieren. Die erste Zeit hatte er tatsächlich dazu genutzt, die Titel der vorrätigen Stücke in der Bibliothek der Casa Decima zu sichten, und wohl hatte diese ein wenig eintönige Tätigkeit ihn vorerst abhalten können von weiteren Grübeleien über seine Zukunft, wiewohl die seiner Familie und des Imperium Romanum. Viele Schriftstücke waren ihm traut gewesen, bisweilen schlich gar sich ein schmales Lächeln über seine Lippen im Anblick der Titel, alsbald indes entdeckte er einige Schriftrollen, deren Inhalt ihm unbekannt waren - welche gleichsam die kurze, beinahe unbeschwerte Zeit wieder zu einem Ende führten, denn im Versuch, die Texte zu lesen musste Gracchus wie stets nach wenigen Worten wieder scheitern, vermengten die Sätze sich doch zu undurchdringlichem Gewirr, reihten die Bruchstücke derer sich zu wirren Sinnen, welche nicht einmal die modernsten Schreiber derart mochten gestalten. Wozu Manius Flavius Gracchus nicht in der Lage war, dies würde auch "Aton" nicht können - und ein Bibliothecarius, welcher nicht konnte die Texte in seiner Bibliothek lesen, dies war wie ein Streitwagen ohne Räder, ein Löffel mit einem Loch oder eine Lyra ohne Saiten - unbrauchbar und unglaubwürdig. Im Bewusstsein dessen wurde Gracchus zunehmend unruhig, schlich zwischen dem Mobiliar der Bibliothek ruhelos auf und ab - eine Schriftrolle stets nur als Alibi in seinen Händen haltend -, zog mehr und mehr sich mit Schriftstücken in sein Cubiculum zurück, doch dachte beständig wieder an die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Des Nachts wurde sein Schlaf unruhig, oft lag er wach, des Tags war er rastlos und nervös, erwartete instinktiv hinter jeder Biegung des Hauses eine Abordnung des Vesculariers, welche in den Carcer ihn würde schleifen wollen - und nur in den Augenblicken, wenn Faustus bei ihm war, fand er ein wenig Ruhe, konnte die Welt um sich her gänzlich ausblenden, in Aton aufgehen und alles vergessen. Serapio jedoch hatte weiter sein alltägliches Leben, sich um Belange seiner Familie zu kümmern und seinen Dienst als Praefectus Praetorio zu verrichten, dass Gracchus-Aton viel Zeit in dem ihm fremden Haus alleine verbrachte, beständig gequält von Gedanken aus seinem Innersten, beständig unter der Oberfläche seines Selbst mit sich ringend, beständig im Kampf zwischen seinem nichts wissen wollenden Geist und seiner wissenden Seele.

    In Hinblick auf dräuende Gefahr mochte Gracchus den beinahe leichtfertig gesprochenen Worten des Geliebten nicht recht Glauben schenken, fürchtete er doch, der Vescularius würde auch seinen Praefectus nicht nur leichthin fallen lassen, sobald er ihm irgendwann in naher oder ferner Zukunft nicht mehr von Nutzen war, sondern im gleichen Atemzuge noch ihn zu beseitigen wissen, da Faustus sodann nurmehr eine Gefahr würde darstellen. Und doch wog für einige Augenblicke die Gegenwart weit schwerer als alle düstere Zukunft, waren Serapios ergötzliche Küsse alles, was noch um ihn her von Bestand war, mochte er sich verlieren in dessen Worte über Liebe und Trennung, welche nie wieder durfte sein - doch allzu schnell wurde auch diese kurze Zuflucht zerstört durch die Aussicht auf die nahe Zukunft.
    "Verstecken?"
    Ein wenig skeptisch hob Gracchus' linke Braue sich empor, denn obgleich er nichts anderes seit Tagen und Wochen schon tat, so schien ihm die Aussicht, sich unter falschem Namen im Hause des Praefectus Praetorio ganz offen zu verbergen doch mehr als gewagt. Indes war der Gedanke gleichsam derart absurd, dass wohl sonstig niemand mochte darauf kommen, bei unauffälligem Verhalten dies wohl tatsächlich mochte aussichtsreich sein. Und doch würde es alles ändern, wäre dies doch nicht nur dem Leben eines Gefangenen gleich, sondern er nach all dem bereits widerfahrenen Unheil auch gezwungen den letzten Rest seines Lebens noch aufzugeben, welcher ihm geblieben war - sein Name, seine Vergangenheit, seine Identität, seine Hoffnung, und nichts würde noch übrig bleiben von Manius Flavius Gracchus als nur jene Liebe, welche ihn mit Faustus Decimus Serapio verband, denn während letzterer noch darauf hoffte, dass irgendwann sich Klarheit bot ob der Zukunftsaussichten des Reiches, so vermochte Gracchus diese Hoffnung nicht mehr zu sehen, da ob aller Qual, Strapaze und Desperation, seines Informationsdefizites dazu und nun der Abweisung seines letzten verheißungsvollen Behufes durch den Praefectus Praetorio ihm unmöglich schien, dass er je wieder Gelegenheit würde finden, zu seinem angestammten Platze im Imperium Romanum zurück finden zu können. Leer blickten Gracchus' Augen durch die Silhouette des Geliebten hindurch, in die endlose, devastierte Leere seiner Existenz, in welche der Vescularius den Palast hatte gewandelt, welcher einst dort hatte gethront - angefüllt mit einer noblen Herkunft und ruhmreichen Ahnen, mit Tugenden, Pflicht und Ehre, mit einer halbwegs erfolgreichen Karriere, einer perfekten Ehefrau und perfekten Nachkommen.
    "Ich ..."
    Er senkte den Blick, noch immer gerichtet in die Unendlichkeit. Nichts war ihm mehr geblieben als sein Selbst, da er alles andere bereits hatte zurücklassen, versteckt oder verleugnet, und selbst an jenem nagte noch der Zweifel. Alles hatte der Vescularius ihm zerstört, was je von Bedeutung war gewesen in seinem Leben, ob dessen die einzig mögliche Replik seinerseits noch musste sein, erhobenen Hauptes gegen diesen Feind zu ziehen - selbst im Angesichte der Vergeblichkeit dessen -, oder aber ein Gladius sich zu suchen und diesem Elend seines Versagens ein Ende zu setzen. Sich hier nun, in ihm gänzlich fremden Gefilden, zu verstecken, seine Identität zu verleugnen, sein gesamtes Leben, dies würde letztlich nur beweisen, dass er am Ende doch nicht mehr war als der verträumte Feigling, welchen sein Vater stets in ihm hatte befürchtet. Deutlich zeigte die Spur der Qualen seiner Gedanken sich auf Gracchus' Antlitz, zog der Kampf, welchen Seele, Verstand und Geist miteinander rangen, sich über seine Miene, ehedem er zögerlich Serapios blaufarbene Augen suchte, sich an den unerschütterlichen Banden seiner Gefühle festzuhalten.
    "Ich fürchte, … es würde dann nichts mehr noch übrig bleiben von mir als diese Liebe zu dir, welche unendli'h mag sein, doch eben nicht mehr. Wenn ... wenn dies dir genügt, ein ... ein ausgehöhltes Nichts angefüllt mit Liebe, so werde ich bleiben, denn ..."
    Es war als würden die Worte ihm tief in seinem Inneren stecken bleiben, als wollte sein Leib verhindern, dass er sie aussprach.
    "... denn ... mir ..."
    Sein Magen verkrampfte sich als überschlugen Felsbrocken sich darin, ein eisiger Schauer zog über seinen Nacken - das Flüstern der Larven, welche ihren Triumph bereits in die Welt hinaus zischten - und ein klandestines Zittern seines Unterkiefers verriet die Anstrengung, welche es kostete, seinem Leben dies mentale Ende zu setzen.
    "... mir würde es genügen."
    Da dies gesprochen war, da sein Tod bestimmt war in der einen oder anderen Weise, brach in ihm die letzte Barriere und seinerseits drückten nun schimmernde Perlen aus Tränen sich aus seinen Augen. Er war gestürzt, tief und tiefer gefallen, beständig die Furcht vor dem Aufprall auf dem harten Grund in sich tragend, grenzenlose Angst und unbändiges Grausen - doch er erwachte nicht mit zerschmetterndem Leibe, nicht zerborsten auf felsigen Gestein, denn nicht immer folgt auf den Fall das Ende; manches Mal entfalten sich schlichtweg Schwingen und der Träumer beginnt zu fliegen.

    Erst nun begann Gracchus zu realisieren, dass Serapio nichts wusste von seinem Bemühen, dass der Geliebte zwar ohne ein Wort war von Dannen gezogen, doch dass er nichts hatte ahnen können von der Misere, wiewohl dem Sehnen und Bangen, dass er hinwieder hatte annehmen müssen, Gracchus hätte ihn vorsätzlich versetzt.
    "Die Nachricht!"
    entfuhr es ihm, als müsse er selbst die Worte aussprechen, dass sein Geist sie konnte vernehmen und somit als Erinnerung an eine tatsächliche Begebenheit erfassen.
    "Ja, ... ja, ich habe sie erhalten, doch ... doch viel zu spät, Tage erst nach jener Nacht. In einem Anflug von trügerischer Hoffnung sandte ich einen Boten dorthin, doch … selbst..redend warst du nicht mehr dort. Und … du warst auch sonst nirgends mehr in Rom, verschluckt vom Angesi'hte der Welt, einem Fischerboot gleich, welches das gierige Maul der Charybdis hat verschlungen, dass niemand wusste, wohin du gegangen bist oder dies nicht wollte preisgeben, nicht einmal deine Familie."
    Selbstredend hatte Gracchus dort nicht direkt nachfragen lassen, doch sein Vilicus Sciurus hatte alle Möglichkeiten ausgeschöpft, an Informationen über den Verbleib des Faustus Decimus Serapio zu gelangen - vergeblich. Neuerlich fasste Gracchus die Schultern des Geliebten, sanft diesmalig jedoch, zog ihn ein wenig zu sich.
    "Ich ... ich habe beständig darauf gewartet, dass irgendwo ein Lebenszei'hen von dir zu Tage tritt, dass die militärischen Akten dich zurück in Aegyptus wissen, in Germania oder einem anderen Winkel der Welt. Doch dein Name emergierte nirgends, nirgends."
    Süß stieg wieder der Odeur Serapios' Leib in Gracchus' Nase, dass er genießend ihn einsog, die Augen schließend, um einzig des Geliebten Anwesenheit zu spüren.
    "Ich wünschte, ich hätte ihn nicht derart wieder vernommen, wie es letztli'h geschehen ist. Ich wünschte, ein zierlicher Vogel hätte sich herniedergesetzt auf meine Schulter, mir gesungen in lieblicher Weise von den idyllischen Gefilden, in welchen du dich fern dieser Welt hast nieder..gelassen, um meiner zu harren. Der beschwerliche Weg nach Rom wäre nichts gewesen im Verglei'h zu jener strapaziösen Reise, welche ich auf mich hätte genommen, um zu dir zu gelangen, um all dies hinter mir zu lassen, was uns zerbrechen lässt."
    Ein wahnwitziger Gedanke schlich sich in für einige Augenblicke in seinen Geist, dass dies noch immer alles mochte möglich sein, dass sie mit wenig Gepäck würden Rom verlassen können, gemeinsam in ein Leben zu fliehen, welches gänzlich divergent würde sein zu dem jetzigen. Doch er schob diesen sehnsüchtigen Traum beiseite, denn obgleich er bereits alles hatte verloren, dass es keinen Unterschied mehr für ihn würde geben, so konnte er doch nicht von Serapio verlangen, alles hinter sich zu lassen nur für ihn. Endlich legte er seine Arme um den Geliebten, ihn zu umfassen in der trügerischen Hoffnung, nie wieder von ihm lassen zu müssen.
    "Es ... es tut mir leid, Faustus, ich ... ich hätte nicht zu dir kommen dürfen, nicht verlangen dürfen ..."
    Er fand kein Ende für seine Worte, dass er von neuem begann.
    "Sofern du überzeugt bist, dass dieser Weg der rechte ist für dich, dass keine Gefahr dir zu drohen ver..mag durch den Vescularius, so werde ich dies akzeptieren."
    Zweifelsohne würde dies das Ende dieser Liaison bedeuten müssen, wie generell das Ende seiner Existenz, denn Gracchus war jene Gefahr durch den Vescularius allgegenwärtig, wiewohl er selbst so Serapio ihn würde ziehen lassen nach Verlassen des Hauses der Decima kaum mehr Hoffnung mochte sehen für sein eigenes Leben, hatte er Fortuna doch bereits zu oft herausgefordert in den zurückliegenden Tagen, dass es nurmehr eine Frage der Zeit noch konnte sein, bis dass irgendwer dort draußen ihn erkannte und verriet, gänzlich ungeachtet dessen, dass er nicht einmal mehr wusste, wohin dort draußen er noch sich sollte wenden. Doch dies alles schien nurmehr unbedeutend und marginal, denn die ihm letzte Möglichkeit, noch irgendetwas im Imperium zu bewegen, ihm zwischen den Fingern zerronnen, die letzte Pflicht somit erfüllt, dazu sein Gesicht in Serapios Haar vergraben war das Leben ihm mit einem Male leicht zumute, einem zarten Lufthauch im Frühlingswinde gleich. Für einen winzigen Augenblick alles Glück der Welt in seinen Händen halten und hernach eintreten in das Elysium - was konnte der Mörder eines Kaisers, was konnte ein Staatsverräter mehr verlangen?

    Es war die aufbrandende Aggressivität, die anklagende Schärfe, mit welcher Serapio mit einem Male ihn anging, welche in Gracchus' Innerstem Saiten zum erklingen brachten, welche aus seiner Lethargie und Ergebenheit ihn zu lösen vermochten, denn eine Wut stieg ob dessen in ihm empor, welche nicht in Verbindung stand mit dem Geliebten, nicht mit dem Praefectus Praetorio, nicht mit dem Imperium, nicht einmal mit dem Vescularius - welche gar weitaus älter war als viele seiner Erinnerungen.
    'Schweig still! Was bist du, ein Weib oder ein Flavius?!'
    Doch während Gracchus vor langer Zeit zerbrochen war unter Adhortation und Schelte, bäumte dieser Tage der ihm inhärente Furor sich auf, dass er seine Kiefer aufeinander presste, sich empor stemmte - stets die Wand schützend in seinem Rücken - bis dass seine Augen jene Serapios trafen, für dessen Tränen er doch blind war in diesem Augenblick.
    "Kaiser Valerianus hast du Treue gelobt, Kaiser Valerianus schuldest du Treue!"
    presste er knurrend zwischen den Zähnen hervor und seine Stimme war eindringlich, nur mäßig befreit von Ingrimm.
    "Wenn ich meinen Vater töte und seinen Haushalt auf mich einschwöre, so macht mich dies nicht zu seinem re'htmäßigen Erben, auch wenn das Erbrecht es vorsieht - denn allem voran bin ich ein Mörder, ein Mörder, welcher nicht mehr ver..dient als den Tod!"
    'Vatermörder! Kaisermörder!'
    Mit den letzten Worten wurde Gracchus wieder ein wenig lauter, packte nun Serapio bei den Schultern als suchte er alle Zweifel aus dem Praefectus herauszuschütteln, denn er wollte noch immer nicht glauben, dass Faustus, dass sein Hephaistion dem Vescularius war verfallen.
    "Du hast Kaiser Valerianus Treue geschworenen, der Kaiser und das Imperium haben dir vertraut! Doch du dienst seinem Mörder! Dem Usurpator!"
    Es war wenig Kraft in seinem Leib, dass er Serapio nur leicht konnte von sich stoßen, ehedem er ihn losließ, die Couleur der Anklage nun in seiner Stimme, vermischt mit einem Hauch bitterer Enttäuschung.
    "Du hast geschworen, den Tod für den römischen Staat nicht zu scheuen! Des..wegen bin ich gekommen, deswegen habe ich alles riskiert, weil ich an deine Integrität als römischer Soldat, als römischer Bürger habe geglaubt, weil ich glaubte, dass du ein kaisertreuer, loyaler Römer bist, wel'hem das Schicksal die Gunst erwiesen und ihn in eine Position hat erhoben, das Imperium Romanum und sein Volk vor einer abominablen Zukunft zu bewahren!"
    Ein wenig trotzig, doch mit gerader Statur und hoch erhobenen Hauptes streckte er seine Hände nach vorn, Serapio entgegen.
    "Du brauchst mich nicht ausliefern, denn ich war mir des Wagnis dieses Unterfangens durchaus bewusst. Wenn der Vescularius also auch die Besten des Reiches hat korrumpiert, ... so ist dieses Imperium Romanum nicht mehr das meine, so ist mein geliebtes Imperium Romanum, für welches unsere Vorväter haben gekämpft und ihr Leben gelassen, end..gültig verloren. Du kannst mich selbst in den Carcer führen - ich werde dir keine Gegenwehr entgegensetzen - und dem Usurpatorenkaiser von deinem Erfolg berichten - allfällig erhältst du dafür, was du augenscheinlich dir von ihm ersehnst. Und ich hoffe, du wirst deine Augen auch dann noch vor Recht und Gere'htigkeit verschließen können, auch dann noch voller falscher Überzeugung diesem Scheusal freudig dienen können, wenn der Tag meiner Exekution ge..kommen ist - denn ich war es nicht, welcher Rom im letzten Herbst ohne ein Wort hat verlassen, welcher ohne eine Spur aus dem Leben verschwand, unauffindbar und unerrei'hbar noch für das lauteste Sehnen und Klagen! Nein, ich habe dich einmal ziehen lassen, und wenn dies dein Glück ist, dem Usurpator in Verblendung zu dienen, so will ich dem zuträglich sein."
    Einen Augenblick, einen Lebens-langen Augenblick erkannte Gracchus schlussendlich, was aus ihm geworden war, und dass es niemals eine Option hatte gegeben, dem zu entkommen. Er hob die Hände noch ein wenig empor, in gleicher Art wie die Lautstärke seiner Stimme ein wenig sank.
    "Nicht für Macht, nicht für Geld, nicht für Ideale oder Prinzipien, und auch nicht für eine Meditrinaliengeschichte, nicht für eine Erinnerung. Nur der Gegenwart eines Feuers wegen, gegen welches ich ma'htlos bin."
    Er sprach nicht weiter, nicht aus, ob es das Feuer der Sehnsucht in seinem Herzen war, gegen welches er nicht konnte aufbegehren, oder das Feuer des Molochs, welcher Rom drohte zu verschlingen.

    Salve Varilia!


    Dies klingt recht gut und ich wäre durchaus geneigt, dir einen Platz in der Flavia zu überlassen, allerdings muss ich dich vorwarnen. Die Gens Flavia hat derzeit keinen guten Stand in Rom. Senator Flavius Furianus wurde ins Exil verbannt, Senator Flavius Gracchus ist mitsamt seiner Familie (Claudia Antonia, Gracchus Minor, Titus und Flamma) und seinem Neffen Flaccus aus Rom geflohen und steht als mutmaßlicher Kaiser-Mörder auf der Proskriptionsliste des Kaisers Vescularius, und Flavia Nigrina weilt aufgrund ihres Status als Ehefrau eines weiteren mutmaßlichen Kaiser-Mörders als "Gast" im Palast des Kaisers. Die Villa in Rom ist so gut wie verwaist, nur Aurelia Prisca als Witwe von Flavius Piso findet sich derzeit dort.


    Sofern dies alles dich nicht abschreckt und du dennoch Teil der Flavia werden möchtest - willkommen in der Familie! Einen Platz im Stammbaum, sowie eine passende Möglichkeit für den Einstieg können wir per PN klären.


    M.f.G.
    M.F.G.

    'Tausend Kammern voller Taten, tausend Kammern voller Träume, tausend Türen ohne Schlüssel, tausend leere Räume.'
    Der Abstand zwischen ihnen - körperlich, wie auch emotional - vergrößerte sich mehr und mehr, wie auch die Zweifel in Gracchus' Innerem, das Durcheinander in seinem Geist, die Desperation in seinem Verstand. Und mit einem Male hagelten all die Vorwürfe auf ihn ein, welcher er nicht sich konnte erwehren, welche keinen Sinn ergaben und doch so untrüglich durch seine Haut bis in sein Herz hinein sich bohrten, welche nicht sein durften, nicht sein konnten ohne seine gesamte Existenz ad absurdum zu führen, welchen er doch nichts hatte entgegen zu setzen. Auch Gracchus wich nun zurück, als wären des Serapios Worte physisch, als wären es harte, praetorianische Fäuste, welche auf ihn einschlugen, bis dass sein Leib aufgehalten wurde von einer Wand in seinem Rücken, welche nicht zuließ, dass er weiter noch konnte fliehen.
    "Nein ..."
    , keuchte er leise und glaubte dabei unter dem stechenden Blick des Prätorianers zerbersten zu müssen.
    "Das ... das ergibt keinen Sinn. Das er..gibt keinen Sinn!"
    'Kaisermörder!'
    Langsam schüttelte Gracchus den Kopf, verlor dabei den Halt in Serapios Augen, schlug in seinem Gedankengebäude gegen Türen, welche jedem Widerstand trotzten, nicht preisgaben, was er dahinter hatte verborgen. Eine Reminiszenz blitzte auf an die Tage in Mantua, an den Wahnwitz und Irrsinn in seinen Gedanken, an das Rasen in seinem Verstand und der Furcht davor, sich selbst zu verlieren. Tiefer noch als alle Vorwürfe seines Gegenübers schob ein Keil sich in seinen Leib, ihn zu zerteilen, ihn zu zerbrechen, dass aus einem Leben Tausende wurden, dass er tausende Scherben in Händen hielt, von welchen er nicht mehr wusste, welches die seinen waren und welche nur zufällig in diesem Haufen seines Selbst lagen, welche allfällig irgendwer dort hatte mit Absicht platziert, ihn zu derangieren, seiner Sinne zweifeln zu lassen. Hatte er nicht wenige Tage zuvor auf dem Weg nach Rom noch mit sich gehadert seiner Person wegen, hatte er nicht bis zuletzt gezweifelt an der Erinnerung seines Lebens? Was, wenn er den Imperator Caesar Augustus des Imperium Romanum hatte ermordet?
    'Mörder!'
    Einem Schlag in den Magen gleich spürte er die Auswirkung dieses Gedankens, dass er ein wenig sich krümmte, dass er die Augen schloss und sein Antlitz von Schmerz sich verzerrte. Er hatte so viele Menschen auf dem Gewissen, so viele Larven an seine Seele gebunden - seine halbe Familie zerrte an seinem Leben - doch der Imperator Caesar Augustus war weit mehr als dies, er war ein Symbol, er verkörperte alles, an das Gracchus glaubte, er war das Ideal aller Ideale, er war die unfehlbare Gewissheit, dass nichts im Leben ohne Sinn war, dass alles Streben letztlich einem höheren Ziel folgte, dass nicht der Mensch im Einzelnen bedeutsam war, sondern einzig und allein das Wohl des Imperium Romanum.
    "Das ... ergibt keinen ... Sinn."
    Geleitet von einem leisen Zittern im gesamten Leib öffnete er die Augen, den Blick des Geliebten zu suchen.
    "Der Vinicius ist doch selbst ein Mann des Volkes"
    , suchte er seine Gedanken zu sortieren.
    "Und welches Privileg würde re'htfertigen, dass wir das Imperium verraten? Dass man uns bevorzugt, wenn es um die Besetzung kultischer Ämter geht, welche ohnehin niemand möchte ausfüllen, der nicht an die Idee Staates glaubt, da sie nichts weiter bringen als Pfli'hten, Auflagen und Aufgaben? Dass wir zur Quaestur kein Militärtribunat ableisten müssen, die wir seit Jahren schon im Senat sitzen?"
    Und letztendlich das liebste Argument aller Plebejer, welche von Reichtum träumten, da sie diesen mit persönlichem Einfluss und Macht gleichsetzten, welche ihr eigentliches Ziel mochten sein, und beinahe mischte sich ein wenig Resignation in die Couleur Gracchus' Stimme.
    "Oder allfällig die Steuerfreiheit? Ich weiß nicht einmal, in welchen Dimensionen sich das flavische Vermögen bewegt, meine Familie besitzt Ländereien, welche ihren Wert nicht einbüßen, ob auf die Gewinne, welche sie er..wirtschaften eine Steuer erhoben wird oder nicht. Diese Steuerfreiheit mag für jene, welche für ihr kleines Vermögen hart arbeiten müssen, von Bedeutsamkeit sein, doch weshalb sollte sie es für uns sein, die wir weit mehr be..sitzen als wir je benötigen werden? Nein, ich kann solche Privilegien nicht entdecken, welche das Imperium zu verraten würden lohnen."
    Träge hob Gracchus seine Hand zur Stirn und rieb darüber, spürte mit einem Male wieder die Strapazen und Entbehrungen der letzten Tage, dass er seit dem frühen Morgen schon nichts mehr hatte gegessen, und gab der Versuchung seiner Beine nach, sich hinabsinken zu lassen an der Wand - nicht uneingedenk dessen, dass dies augenscheinlich zu seinem natürlichen Platz in der Welt geworden zu sein schien, die schmale Fuge zwischen Untergrund und Wand, dass schlimmer noch, sein Leib dort perfekt sich einzufügen schien.
    "Das alles ... ergibt keinen Sinn. Nur Vescularius Salinator hatte die Chance und den Nutzen."
    'Mörder!'
    "Er schert sich um keine Moral, Gesetze und keine Tradition - er präsentierte doch bereits sich als Kaiser, während Valerianus noch seine Leiden kurierte. Mehr als einen viablen Mann hat er aus dem Senat aus..geschlossen, Männer, welche dem Imperium stets treu hatten gedient und das Wohl des Reiches zum Ziel - nicht weil sie gefehlt hatten, sondern einzig um Platz zu schaffen für seine Günstlinge, eigennützige und untaugli'he Männer, deren Handeln stets nur auf ihr eigenes Wohl abzielt. Er hat dem Senat das Wort verboten, uns gedroht, hat jede Beanstandung und Anfrage an den Imperator zurück gehalten und nach seinem Gutdünken entschieden, hat sich öffentli'h mit vierundzwanzig Liktoren umgeben - vierundzwanzig! - und spazierte durch die Straßen der Stadt als wäre er auf einem Triumphzug! Er schreckte nicht vor dem Mord an einem Senator und Pontifex zurück, und hat nur darauf gewartet, in die Tat umzusetzen, was ohnehin bereits Tatsache war, und den Thron en..dgültig an sich zu reißen."
    Einem Häuflein Elend gleich saß Gracchus nurmehr auf dem Boden an der Wand, denn er hatte diese Worte zu oft gedacht, zu oft durch seine Sinne gespult, dass sie ihm beinahe schon lästig waren, allfällig auch, da er tief im Inneren verspürte, dass dies alles mochte der Wahrheit entsprechen, die Quintessenz dessen jedoch eine Lüge blieb - eine Lüge, welche seine eigene Existenz in Frage stellte.
    'Geboren unter dem Fluch, niemals das Gute zu sehen, stets nur das Übel, wird doch mit der Zeit die Schlage ihre Haut abstreifen, eine andere Schlange daraus hervor zu entlassen.'
    "Ja"
    , nickte er schließlich.
    "Ja, wir haben Valerianus' Tod zu ver..antworten. Wir hätten viel früher noch dem Vescularier Einhalt gebieten müssen, wir tragen die Schuld, da wir durch unseren Dilettantismus unser eigenes Scheitern und damit seinen größten Triumph erst ermögli'hten."
    Obgleich in diesen Worten die reine, unverfälschte Wahrheit verborgen lag, so lagen sie nicht minder schwer auf Gracchus' Seele als jede Lüge zuvor.
    'Kaisermörder!'

    'Erwache, Selbst, erwache, denn ich bin meiner Beherrschung verlustig gegangen, erwache, denn die Schatten sind auf dem Marsch, und ich kann nicht alleine gegen all jene ankämpfen, welche aus dem Boden sich erheben, aus den Wänden sich lösen, mich hinab zu ziehen in die Tiefen ihrer Finsternis! Erwache, Selbst, erwache und entzünde den Docht, dass Licht sich erheben mag, die Schatten meines Lebens zu verdrängen, gieße Wasser in den trüben Dunst der Erinnerung, schwemme die Düsternis von meinen Gedanken, dass sie nicht mich hinab ziehen in die Tiefen ihrer Welt!'
    Es waren keine zusammenhängenden Gedanken mehr, welche Gracchus' Sinne noch durchstreiften, nur Fragmente aus Reminiszenz, aus Hoffnung, aus Trug und Selbstschutz, aus Erinnerungen an ein Leben, welches hinter ihm lag, an viele Leben, welche hinter ihm hätten liegen können, denn unweigerlich hatte sein Selbst der Dissoziation sich ergeben, in der Aussicht in zahllosen Erinnerungen zumindest eine zu finden, ob welcher es nicht der Insania würde anheimfallen müssen. Sein Leib konnte noch sich dessen entsinnen, wie die Wahrheit sich hatte abgespielt, dass in seinem Magen ein untrügliches Gefühl des Unwohlseins empor keimte, seine Seele trug noch in sich eine Ahnung, dass er den Geschmack einer Lüge auf seiner Zunge konnte verspüren, obgleich auch sie danach trachtete, zu vergessen, doch sein Verstand leugnete längst die Wirklichkeit, war gleichsam entrüstet wie erstaunt über des Faustus' Worte.
    "Palmas Ver..schwörerklüngel? Tiberius und Vinicius? Aber ..."
    Unwillkürlich ballte Gracchus seine Hände, welche noch immer der Geliebte mit den seinen umfangen hielt.
    "Aber dies betraf Vescularius! Vescularius allein war das Ziel dieser Kon..spiration, von Beginn an!"
    Tatsächlich entsprach dies der gänzlichen Wahrheit, dass Gracchus' Worte voller Überzeugung seine Kehle verließen, war doch der Imperator im Grunde nur eine traurige Randfigur im Ansinnen der Konspiranten gewesen.
    "Warum hätten wir den Imperator ermorden sollen und Vescularius auf den Thron setzen? Das ist voll..kommen absurd!"
    'Kaisermörder!'
    Suchend fixierte er Serapios Blick, suchte daraus die Essenz seiner Worte zu exzerpieren, allfällig darin den Trug zu erkennen oder die Wahrheit, doch in ihm wurden die Mauern seines Gedankengebäudes eingerissen und errichtet, einem sich ständig neu erschaffenen Labyrinthe gleich, bald neben, bald vor und bald hinter ihm, dass er gänzlich verloren darin umherirrte.
    "Hat ... hat Vinicius den Mord gestanden bevor oder nachdem er gefoltert wurde?"
    Er kannte den Vinicius trotz allem nicht allzu genau, wusste nichts über dessen Schwächen, wusste nur allzu genau, dass er selbst in den Fängen der Tortur würde letztlich für deren Ende zweifelsohne alles gestehen, selbst dass er den Kaiser hätte exekutiert.
    'Kaisermörder!'
    Abrupt zog Gracchus seine Hände zurück.
    "Selbst wenn Vinicius den Imperator eigenhändig hätte er..mordet, so wäre dennoch der Vescularier niemals der legitime Nachfolger des göttli'hen Kaisers!"
    'Schatten erheben sich, Schatten fallen.'
    Gracchus schüttelte langsam den Kopf, er mochte sich selbst hassen dafür, dass er die ihm seit jeher stets leidige und unliebsame Politik zwischen sie musste drängen, doch wenn Serapio die Wahrheit sprach, so gab es tatsächlich noch diesen winzigen Funken Hoffnung, nach welchem er hatte gesucht.
    "Nein, ... nein ... nur Vescularius war das Ziel, doch … doch augenscheinlich waren wir seiner Skrupellosigkeit nicht gewachsen, und obgleich wir bereit waren bis zum Äußersten zu gehen, so waren wir nicht darauf vorbereitet, dass er längst unseren Idealismus in seine abscheuli'hen Pläne hatte integriert, dass er weit über das Äußerste hinaus würde gehen, und dort in der Ödnis der uner..bittlichen Erbarmungslosigkeit alles und jeden würde devastieren, welcher noch im Wege seiner Ma'htgier stand, selbst ehrbare Männer des Staates, selbst den Imperator und letztlich gar das Imperium!"
    Es war nun in Gracchus' Augen, in welchen die Verzweiflung lag, denn er mochte nicht glauben, dass Serapio wahrhaftig diesem Scheusal mochte Glauben schenken.
    'Bleibt am Ende noch ein Unterschied zwischen einer Gorgone und dem Geist einer Gorgone?'
    "Mein Name findet sich nicht ohne Grund auf dieser Liste, denn es ist keine Proskription der Feinde des Imperium Romanum, sondern lediglich eine solche derjeniger Männer, welche Vescularius Salinators Machtgier und Skrupel..losigkeit im Wege stehen, all jener Männer, welche an das Imperium Romanum glaubten und welche noch immer daran glauben, welche daran glauben, dass der Mörder eines Kaisers mit dem Tode sollte be..straft werden und nicht mit dem Kaiserthron belohnt. Nichts werde ich jemals von diesem Unmenschen erbitten, nicht einmal den Tod!"
    'So verlasse ich die Welt für eine Weile, geliebtes Selbst, verlasse die Welt und treibe durch diese merkwürdigen Tage, stets auf der Suche nach dem einen Weg, welcher mich zurück führen mag zu dir. Darob lasse nicht zu, dass ich gehe, lasse nicht ab von mir, lasse nicht mich fortwehen von dir, von hier, denn ich kann nur verlustig gehen auf meinem Weg, werde verloren sein, wenn du zurück kehrst, um nach mir zu sehen. So höre meinen Ruf, geliebtes Selbst, so eile meinem Ruf hernach und komme zu mir, da ich längst verloren bin, da ich verloren bin auf allen Pfaden, längst verloren in der Dunkelheit.'
    "Er wird uns alle verni'hten, Faustus, gleich ob und welche Schuld wir auf uns geladen haben, ebenso wie er tausende Römer in den Tod wird führen, um die usurpierte Macht sich zu bewahren."

    Für unsere dann schon anwesenden Mitlageristen wäre es in Ordnung, wenn wir uns bei uns treffen, daher stelle ich


    Montag, 18:00 Uhr, im Lager des Herzogtums Elurien im Silbernen Lager


    in den Raum. Sitzplätze sollten ausreichen vorhanden sein, wer es bequem möchte, bringt ein Kissen mit. Außerdem bitte eigene Becher mitbringen und vielleicht jeder noch ein wenig Flüssigkeit, um sie aufzufüllen (im Falle von Hungi würde sich etwa ein Uhudler ganz besonders anbieten ;) ).


    Um unser Lager zu finden müsst ihr nur durch das Tor des Silbernen Lagers, danach die erste Straße links ("Templars Street/Varbergplatz") bis ihr auf die nächste Querstraße trefft - dann steht ihr bereits direkt vor unserem Lager (dessen Zentrum ein großer, weiß-schwarzer Baldachin bildet, an welchem unsere Wappen angebracht sind).

    Ich bin ebenfalls am Montag schon da, Aristides reist erst am Dienstag an.


    Wenn wir uns auf Montag einigen, könnten wir entweder schauen, ob der Bolt in der Stadt schon geöffent ist (dort dürfte ohnehin noch alles OT sein), oder wir treffen uns in einem der Lager. Eventuell könnte ich unser Lager anbieten, müsste dies allerdings noch einmal mit den anderen abstimmen.

    Zitat

    Original von Lucius Petronius Crispus
    Da ich mal wieder ausnahmsweise das Vergnügen habe, dieses Jahr das Fest der Drachen zu besuchen, wollte ich mal fragen, wer noch so mit von der Partie ist und ob es mal wieder Interesse an einem kleinen IR-Treffen gäbe.


    Flavius Aristides und ich werden dieses Jahr im silbernen Lager sein. Für ein IR-Treffen würden wir den Dienstag Abend bevorzugen.

    Er konnte nicht dem entkommen, was sein Leben war geworden, konnte nicht der Realität entrinnen, nicht einmal in der Versenkung Faustus' Armen der Wahrheit entfliehen, sie weit von sich schieben, für den Augenblick einer Ewigkeit vergessen. Müde blickten Gracchus' Augen mit einem Mal den so sehnsüchtig vermissten Geliebten an, entkräftet und leer, wich ein Gutteil der Euphorie über ihre Zusammenkunft aus seinem Leibe, dass nurmehr die Strapazen der letzten Wochen, der letzten Tage und Stunden in ihm verblieben, allzu deutlich sich wieder in seine Sinne schoben.
    "Nein"
    , langsam schüttelte Gracchus den Kopf, ein Ausdruck von Bedauern in seinem Blicke da Serapios Frage beinahe ihm schon Antwort auf seine eigenen Fragen schien, es allfällig würde besser sein, ihm nurmehr eine Lüge zu präsentieren und den Versuch zu wagen, noch einmal zu entkommen - doch entkommen wohin? Gracchus war der Flucht - der Ausflucht nicht zuletzt - überdrüssig, gleichwohl war Faustus seine letzte, persönliche Hoffnung, ob deren er in Zukunft würde aufrecht sein Leben weiter bestreiten wollen oder aber zumindest aufrecht in seiner Überzeugung im Carcer sterben, so dass er langsam, ein wenig nachdenklich seine Worte wählte, welche er unzählige Male schon auf der Reise hatte durchdacht, hatte geformt und letztlich doch immer wieder verworfen, dass ihm nichts blieb in diesem Augenblicke als sie wiederum neu zu konstruieren.
    "Seitdem Vescularius Salinator Kaiser Valerianus hat er..mordet, ist nicht mehr geblieben von meinem Leben, ist meine Existenz verblasst dem Imperium gleich, an welches ich stets habe geglaubt, für welches ich stets habe gelebt. Mir und den anderen Männer auf seiner Pro..scriptionsliste, ebenso wie jenen, welche er ins Exil hat verbannt oder in seinen Carcern torquiert, hat er in aller Öffentli'hkeit alles entrissen, was von Bedeutsamkeit ist. Doch er hat bereits lange zuvor begonnen, das Imperium Romanum, das Ideal unseres Reiches von innen heraus zu zerstören, die Idee unseres Staates sukzessive zu zer..setzen, und er wird nicht davon ablassen solange bis es zerfällt oder jemand ihm Einhalt gebietet - denn seine Dreistigkeit kennt keine Grenze, glei'hwohl wie seine Skrupellosigkeit, da er nicht einmal davor zurück schreckt, den göttlichen Imperator hinterrücks zu ermorden."
    Durchdringend lag nun Gracchus' Blick auf Serapio, vor welchem er noch immer so nahe stand, dass er glaubte, jedes Zucken in dessen Antlitz erkennen zu müssen, zweifelsohne mit Bestimmtheit detektieren zu können, auf welcher Seite Faustus stand, und es war kein Zweifel mehr in ihm, dass die Geschichte eben in dieser Art ihren Lauf hatte genommen.
    "Als wäre dies nicht bereits des Unheiles genügend, so wird auch seine Ma'htgier kein Ende finden, wird er mit aller Vehemenz an dem usurpierten Throne festhalten, selbst dann noch wenn das gesamte Imperium gegen ihn opponiert, und wird ohne einen Funken der Reue hunderte Römer, tausende womöglich in den Tod schicken. Ein Bürgerkrieg ist unausweichli'h, es sei denn ..."
    Er sprach nicht weiter, führte den Gedanken nicht zu einem Ende.
    "Ich bin nicht gekommen, um dich zu irgendetwas zu über..reden, doch ... doch als ich Kenntnis erhielt, dass du zum Praefectus Praetorio wurdest befördert ... ich konnte, ich wollte nicht glauben, dass du ... nun ... dir ist zweifels..ohne bewusst, dass du einer der wenigen, wenn nicht gar der einzige Mensch im Imperium Romanum bist, welcher den drohenden Bürgerkrieg noch kann abwenden, welcher die Welt davor kann bewahren, dass Brüder gegen Brüder, Väter gegen Söhne kämpfen müssen, dass tausende römische Familien ihre Väter, Brüder und Söhne werden betrauen müssen - und dies nicht, indem du Verrat begehst, Faustus, sondern schli'htweg den Idealen folgst, welche dem Imperium Romanum stets zu Größe und zu Frieden haben verholfen."
    Mit einer unterbindenden Geste suchte Gracchus einer Erwiderung Serapios zuvor zu kommen, letztlich sein Anliegen zu formulieren.
    "Ob dessen bitte ich dich nur darum, mir die Frage zu beantworten, auf welcher Seite du stehst, ob du ... ob du tatsä'hlich für den Vescularier einstehst oder ... oder ob noch Hoffnung besteht für das Imperium."
    Obgleich Gracchus dies nicht konnte sich imaginieren, so war es durchaus möglich, dass Serapio den widerwärtigen Korruptionen des Vesculariers war erlegen, und er wusste, dass es in diesem Falle sinnlos würde sein, sich gegen ihn zur Wehr setzen zu wollen, dass der Geliebte seinen Kopf würde eintauschen gegen einen lächerlichen Betrag an Sesterzen oder allfällig einen Gefallen des perfiden Kaisers - denn letztlich wusste er viel zu wenig über Serapio, über dessen alltägliches Leben oder alltägliche Sorgen. Sollte jedoch auch nur ein winziger Funken an Zweifel in seinem Gegenüber glimmen, so mochte Gracchus ihn entfachen zu einem Feuer, welches den verhassten Vescularier würde vernichten können - und im günstigsten Falle spielte Serapio ohnehin bereits ein doppeltes Spiel.

    Zitat

    Original von Faustus Annaeus Milo
    Bin mir nicht sicher, ob dies das richtige Forum für die Frage ist.


    Weiß jemand etwas von Quintilius Valerian? Ich warte seit fast zwei Monaten auf Antwort und er war auch seither nicht mehr online.


    Soweit ich weiß hat er derzeit keinen Rechner und somit kein Internet, auch keine echte Internet-Alternative und zudem (bis Mitte August) noch viel zu tun.

    In all seinen rationalen Vorstellungen über dies Zusammentreffen hatte stets das Wohl des Imperium Romanum an erster Stelle stehen müssen, hatte Gracchus fest sich vorgenommen, seine eigenes Sehnen, sein eigenes Verlangen zu intermittieren, sich ganz darauf zu konzentrieren, den Praefectus Praetorio zu persuadieren, die Welt zu retten. In den Armen Faustus' jedoch zersetzten all diese Vorhaben sich rapide, lösten schneller noch sich auf als der Rauch einer in freier Natur ausgeblasenen Kerze im Winde verwehte, und mit einem Male schien alles Geschehen, welches hinter ihm lag, gänzlich unbedeutend, schien allfällig gar notwendig gewesen sein, um zu diesem Punkt zu gelangen. Der Tod des Imperators, der Tod Tiberius', die Trennung von Antonia und den Kindern, nicht zuletzt von Sciurus, die entsetzliche Flucht aus Rom, die Machtergreifung Vescularius', die Proskriptionsliste und der Verlust seiner gesamten Existenz, all die Entbehrung und Strapazen, die perniziöse Reise zurück nach Rom als Feind des Staates, alle Furcht und Reue, alle Desperation und Sorge - wenn all dies nur hatte geschehen müssen, dass er nun, in diesem Augenblicke die Umarmung seines geliebten Hephaistion durfte verspüren, so gab es nichts mehr zu bedauern. Fort geweht waren alle Gedanken an das Imperium, alle Gedanken an Gerechtigkeit und Ideale, an das Leben Tausender - denn nurmehr diese zwei Leben waren von Bedeutung, welche in diesem Augenblicke endlich wieder zu einem einzigen verschmolzen.
    "Ich ... ich war mir nicht mehr si'her."
    Gracchus' Arme umfassten den Leib, der ihm so ungewohnt war und doch gleichsam so traut als würde eine Erinnerung vor ihm sich manifestieren, ein längst vergessener Traum, und seine Hände erkundeten diesen Körper als müsse er dessen sich versichern, als müssten seine Sinne nachgerade begreifen, dass Faustus tatsächlich vor ihm stand.
    "Doch nun ... ja, ich lebe"
    , flüsterte er, sein eigenes Leben, seine Vergangenheit und Gegenwart wieder anerkennend, ehedem seine Lippen begannen sich über den Hals Serapios mit Küssen empor zu arbeiten, zaghaft zuerst.
    "Und mag es nurmehr für diesen Augen..blick sein, so danke ich den Göttern, und ... bitte nur darum, dass er endlos mag währen."
    Fordernd suchte er nun die innige Berührung und alle Schwere, alle Verzweiflung und Last sank tief in ihn hinab, wurde verdrängt von dem unbändigen Verlangen, der Erlösung seines Sehnens als seine Lippen endlich diejenigen Faustus' berührten, als die Welt um ihn her versank in Bedeutungslosigkeit.