Beiträge von Claudia Antonia

    Es verging im Grunde genommen kaum eine wache Stunde, in der Antonia nicht bei ihrem Sohn weilte. Schlief er, stand sie mit treudoofem Blick an seiner Wiege, beobachtete die ruhigen Atemzüge, schrak bei jeder kleinen Bewegung auf, allzeit bereit, ihn in ihre Arme zu nehmen, sollte er aufwachen und schreien. War er wach – oder durch seine überfürsorgliche Mutter geweckt worden – begleitete er Antonia auf all ihren Wegen in der Villa. Letzteres traf auch in diesem Moment zu. Die Claudia hatte sich, wie bereits zuvor, vorgenommen, endlich wieder die Buchhaltung in Angriff zu nehmen. Und wie zuvor gab es einfach so viel zu sehen, dass sie ihr Vorhaben schnell aufgegeben hatte. Der Verwalter würde sich freuen, so bekam er weiterhin Geld für etwas, das Antonia früher als Hauptstütze ihres Lebens betrachtet hatte.
    Über ihre Figur war sie in der Tat noch sehr unglücklich. In den Momenten, in denen sie darüber nachdachte wenigstens. Dies war meist morgens beim Ankleiden und abends beim Wiederauskleiden. Zwar hatte sie nicht allzu viel zugenommen – was ihrer Figur ohnehin eher zu- denn abträglich gewesen war, schließlich sah sie nun endlich einigermaßen gesund aus und nicht wie ein hungernder Bettler auf der Straße – doch die Haut, die sich aufgrund des Babybauches enorm gedehnt hatte, war nach wie vor auf eine stattlichere Größe eingestellt und wollte sich nicht in jenem Tempo zurückbilden, wie es Antonia lieb gewesen wäre. Fürs Stillen hatte sie aber wohlweißlich eine Amme organisiert. :D
    Das Klopfen war es schließlich, das sie von ihrer aktuellen Lieblingsbeschäftigung aufsehen ließ: Gracchus Minor bestaunen.
    „Nur herein.“, rief sie der Türe zu, als eine Armbewegung des Kleinen schon wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Gemütlich saß sie in einem ihrer Korbsessel, das Kind wohlig in ihren Armen schaukelnd.

    Es flackerte unbestimmbar in Antonias Augen. Er hatte es ihr also versprochen. Damit stand für die Claudia fest, es war Aquilius’ Kind. Nun gut, warum nicht, verwerflich war daran nichts, wäre nicht der erste Nachkomme eines Herrn mit seiner Sklavin. Nichtsdestotrotz würde sie sich wohl jenes Kind, wenn es denn einmal auf der Welt war, ansehen. Schließlich wäre der Flavius um ein Haar auch der Vater ihres Kindes gewesen. Damals war sie wütend gewesen, dass ihr Gatte letztlich doch einen Rückzieher gemacht hatte, glaubte, er verwehre ihr damit die letzte Chance auf ein Kind. Doch wie sich nun gezeigt hatte, hatte Iuno Erbarmen gehabt und Antonia sogar ein Kind ihres eigenen Gatten empfangen lassen. Vermutlich war es jetzt besser so, hätte sie doch wohl insgeheim immer Vergleiche gezogen zwischen den beiden Kindern.
    Indes war es sicher auch nicht allzu schlecht, dass Bridhe ihre Frage nach der Geburt nicht stellte. Zum einen, weil Antonia diesen Vorgang als alles andere als erquicklich empfunden hatte – bis zu jenem Punkt, als sie endlich den erlösenden Schrei ihres Sohnes gehört hatte – zum anderen hätte die Schwangere durch einen allzu ehrlichen Bericht der Patrizierin wohl noch mehr Angst vor dem schmerzhaften Vorgang bekommen. Ganz abgesehen davon, dass nichts so unvorhersehbar gewesen wäre, wie Antonias Reaktion auf eine solche Frage von einer Sklavin.
    Davon, dass Bridhe sich immer unwohler in jener Situation zu fühlen schien, bemerkte Antonia natürlich nichts. Selbst wenn, es hätte sie wohl nicht weiter gestört. Seit jeher waren ihr Mitgefühl oder Einfühlungsvermögen in die Dekoration, wie ihr Vater die Sklaven gern genannt hatte, fremd. Auch was das Einschlafverhalten von Säuglingen im Allgemeinen anging herrschte bei der Patrizierin Unwissenheit. Ebenso wie in den meisten anderen Belangen der Kinderpflege. Woher hätte sie es wissen sollen, dies war das erste Baby, das sie jemals hatte in Händen gehalten. Solche Dinge zu wissen war nicht ihre Aufgabe. Im Grunde genommen hatte sie mit der erfolgreichen Geburt des Kindes ihre Pflicht und Schuldigkeit getan und lägen die Dinge anders, hätten Gracchus und Antonia nicht solche Schwierigkeiten gehabt, überhaupt Kinder zu bekommen, vielleicht wäre ihr Interesse an dem Kind ebenso schnell abgeflaut, wie an der Mode des letzten Sommers. Doch da alles letztlich anders gekommen war, da die Claudia überzeugt davon war, dass erst mit der Geburt ihres Sohnes, Gracchus’ Erben, sie die Achtung ihres Gemahls gewonnen hatte, war für sie Gracchus Minor ein Wunder. Ein Geschenk der Götter, ihr Retter in jedweder Hinsicht. Und es war mehr als wahrscheinlich, dass der kleine Flavius über alle Maßen verhätschelt werden würde von seiner dankbaren Mutter.
    „Gewiss, Athen. Nirgendwo könnte das Kind schließlich eine bessere Ausbildung erhalten. Doch das liegt wohl ohnehin in weiter Zukunft, nicht wahr?“
    Nun, da sie wusste, was sie hatte wissen wollen – oder glaubte es zu wissen – schien auch die Patrizierin sich ein wenig unwohler in ihrer Haut zu fühlen. In derartigen Konversationen fehlten offenkundig beiden Frauen die Erfahrung.
    „Vielleicht solltest du ihn einmal darauf ansprechen. Ich würde wissen wollen, was mit meinem Nachkommen geplant ist.“
    Was für Antonia jedoch völlig normal war, dass sie im Gegensatz zu einer Unfreien gewisse Rechte bezüglich ihres Kindes hatte, war für Bridhe sicherlich nicht ganz so einfach. Doch nicht in der Welt der Claudia.

    Antonia war sich keineswegs ihrer Wirkung auf Bridhe bewusst. Wie hätte sie ein sein sollen, wie hätte sie sich in eine Sklavin hinein fühlen können? Wie sollte sie sich hier etwas bewusst sein, das sie Jahre über nicht bemerkt hatte? Dass bisweilen Menschen Angst vor ihr hatten.
    Nun gut, selbst wenn sie es gewusst hätte, was würde dies ändern? Hier – nichts. Wer war sie schließlich, dass sie ihr Verhalten für eine Sklavin änderte. Ganz abgesehen davon, dass in ihrem Kopf noch immer nur Platz für jene Überlegung war. Wie kitzelte sie etwas aus jemandem heraus, der es vermutlich nicht aus sich herauskitzeln lassen wollte?
    Bridhe senkte schließlich den Blick, wich den forschenden Augen der Claudia aus. Diese lächelte leicht, doch unergründlich. Es war nicht das Lächeln das erschien, wenn sie ihren Sohn ansah, kein fröhliches Lächeln, das gelächelt wurde weil man glücklich war. Es war eine jener Gemütsbekundungen, die selbst der schlechteste Mensch mit einer gewissen Ehrlichkeit über sich brachte. Ein Lächeln, das die Augen dunkel blitzen ließ. Warum Antonia es lächelte sei dahingestellt, geschah es doch so unbewusst, dass sie wohl nicht einmal selbst hätte bestimmen können, woher es gekommen war und aus welchem Grund. Es verschwand ohnehin so schnell, wie es aufgetaucht war.
    Sie fragte nicht, wo die Keltin ihre Erfahrung mit Kindern her hatte, es spielte ohnehin keine Rolle. Die Frage war ebenso unwichtig gewesen wie die zuvor gestellten, hatten nichts mit dem Grund zu tun, aus dem die Sklavin nun hier vor ihr saß.
    Antonias Worte ließen sie jedoch wieder aufsehen, schienen sie einen Moment zu erschrecken, bis sie bemerkte, dass Pallas gemeint gewesen war. Und doch sah sie nicht wieder zur Claudia, sondern zum Flavius. Wie konnte die Mutter es ihr verdenken. Vor die Wahl gestellt hätte sie sich nicht anders entschieden. Wieder senkte sich Stille über die beiden Frauen. Andererseits, wie konnte es an einem Ort mit lebendiger Fauna schon völlig still sein? So genoss die Herrin einen Moment lang die mannigfaltigen Geräusche um sich herum, streifte mit schuldbewusstem Blick die Wachstafeln, derer sie sich nach wie vor nicht angenommen hatte, um schließlich beim müde blinzelnden Sohn zu enden, der seine wilden Gestikulationen verlangsamte. Offenbar wurde er langsam schläfrig. Daher senkte Antonia ihre Stimme, als sie dazu geruhte, ihr Verhör fortzusetzen.
    „Wird Aquilius für dein Kind sorgen?“, fragte sie so unvermittelt und freimütig, als sei es das Normalste der Welt, als sei Bridhe nicht die Sklavin und Aquilius nicht der Herr. „Oh, welch Frage, natürlich wird er. Wie ich ihn kenne wird er einen Jungen nach Athen schicken und ausbilden lassen und ein Mädchen jederzeit mit Geschenken überhäufen. Ihr habt schon darüber gesprochen, ja?“
    Innerlich hoffend, dass man ihr nicht ansah, dass all dies nur ein Bluff war, lächelte sie unverbindlich, wendete ihren Blick schließlich wieder dem kleinen Gracchus zu, um nicht zu auffällig neugierig zu wirken.

    Es war schon eine sonderbare Situation, in der sie sich hier befanden. Die Herrin und die Sklavin, Aug‘ in Aug‘ gegenüber, zusammengebracht durch eine gemeinsame Erfahrung.
    Natürlich, Gefühlsduselei erlaubte sich die Patrizierin nicht. Worte und Floskeln, wie sie sie bei einer schwangeren Freundin oder Verwandten gebraucht hätte kamen nicht über ihre Lippen, denn trotz allem rief sie sich ins Bewusstsein, dass sie vor wenigen Monaten nicht einmal bewusst die junge Frau gesehen hätte. Und falls doch, so hätte sie sie gehasst. Gehasst ob des Umstands, dass selbst eine Sklavin, ein so niederes Geschöpf in ihren Augen, ein Kind empfangen konnte. Neid war nicht mehr nötig, sie hatte bekommen, was sie wollte. Ein Geschenk der Götter, das wusste sie. Ein kleines Wunder, nach all den Jahren des Hoffens, Bangens und der Enttäuschungen. Zeitlebens würde der kleine Flavius keinen unerfüllten Wunsch haben. Jedenfalls soweit dies im Machtbereich seiner Mutter lag, soviel war gewiss.
    Nachdenklich musterte die Claudia die Schwangere. Welche Gedanken ihr durch den Kopf schossen vermochte wohl niemand auch nur zu erahnen. Stille breitete sich aus, denn sie wusste nicht recht, wie man eine derartige Konversation führen sollte. Antonia wusste, wie man mit Sklaven gemeinhin umzugehen hatte. Unglücklicherweise wollte das übliche Verhalten nicht so recht in diese Szenerie passen.
    „Ist noch etwas?“, fragte sie letztlich an Pallas gewandt, der ein wenig undekorativ noch immer hinter Bridhes Sitzplatz stand. Erschrocken zuckte dieser zusammen, schüttelte den Kopf und beeilte sich, sich wieder auf eben jene Stelle fallen zu lassen, von der er kurz zuvor aufgescheucht worden war.
    Innerlich konnte seine Herrin manchmal nur den Kopf schütteln über den Britannier. Hatte sie sich zunächst über das Geschenk einer Freundin von der Insel gefreut, war sie sich heute nicht gänzlich sicher, ob jene Freundin ihr tatsächlich hatte eine Freude machen wollen oder sie doch eher zu ärgern beabsichtigte. Schnell war der Sklave jedoch wieder vergessen und Bridhe wurde wieder Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wobei dies wohl nur partiell zutraf, war doch noch immer das eifrig seine Arme bewegende kleine Bündel in ihren Armen ein großer Ablenkungsfaktor.
    Vielleicht war Antonia auch nur eine so glückliche Mutter, weil die Schreie ihres Kindes sie nicht des Nächtens aus dem so benötigten Schlaf rissen. Sie war es nicht, die sich aus dem Bett quälen und stundenlang auf und ab gehen musste, um das Kind wieder zum Einschlafen zu bewegen. Dafür gab es Sklaven.
    „Wenige Wochen. Sieh an, sieh an.“, murmelte sie, stuppste dem kleinen Gracchus mit ihrem Zeigefinger auf die kleine Nase, erfreute sich daran, dass er wieder sein Gesicht verzog und sah schließlich wieder auf.
    „Kennst du dich aus mit Kindern?“, stellte sie also bereits die nächste Frage. Ohnehin hatte dies hier wohl mehr den Charakter eines Verhörs, denn einer Plauderei, schließlich stellte bislang allein Antonia die Fragen und die Sklavin, welche auf der einen Seite etwas verschüchtert wirkte und auf der anderen neugierig den kleinen Manius betrachtete, antwortete.
    Darüber, dass die Sklavin scheinbar unbeschäftigt im Garten herumspaziert war, wunderte die Patrizierin sich indes nicht weiter. Aquilius schien seit eh und je viel zu gutmütig mit seinen Sklaven umzugehen und gewährte ihnen zu viele Freiheiten. Andererseits, war dies nicht bereits ein Indiz dafür, wer jenes Kind, das Bridhe in sich trug gezeugt hatte? Gewährte er der Mutter seines Kindes ein wenig Ruhe und Frieden, ehe es losging? Natürlich, anerkennen würde Aquilius es nicht, es war und blieb schließlich der Nachkomme einer Sklavin. Doch sein gutes Herz zwang ihn dazu, dennoch Sorge für sie zu tragen?

    Der kleine Manius untermalte die entstehende Unterhaltung mit gurgelnden Lauten, schien sich auf irgendeine Art einbringen zu wollen. Oder bemerkte er nur, dass er nicht mehr gänzlich Mittelpunkt des Geschehens war und forderte seinen Anteil an mütterlicher Aufmerksamkeit ein? Was auch immer es verursachte, es hielt an und so vermischte sich das Singen der Vögel mit der leisen Stimme eines Kindes.
    Es war erstaunlich, wie sehr sich ein Mensch im Laufe der Jahre verändern konnte. Vor ihrer Ehe war Antonia ein hochmütiges, vielleicht auch etwas verzogenes Kind gewesen, das alles und jeden um sich herum als minderwertiger als sie selbst es war ansah. Während jener Ehe schließlich war sie verschlossen geworden, völlig in sich gekehrt und dennoch gierend nach Zuwendung. Und nun saß sie hier, ziemlich das genaue Gegenteil von allem, was sie bislang gewesen war. Vielleicht würde sie, wenn die Zeit voranschritt, wenn sie aufs Neue Wort um Wort ihres Gatten missverstand wieder werden wie sie zuvor war. Doch jetzt und hier war sie äußerst gnädig und durchaus versöhnlich mit der Welt im Allgemeinen gestimmt.
    „Bridhe.“, wiederholte sie schließlich den Namen der Sklavin, den Blick kurz von ihr abwendend, um ein kurzes Zucken um Manius‘ Mundwinkel zu erspähen. Ein äußerst dämliches Lächeln, welches wohl nur Frischverliebten und jungen Eltern zu Eigen war stahl sich in ihr Gesicht als sie letztlich doch wieder die Schwangere ansah. Allzu lange konnte es nicht mehr dauern, bis ihr Kind kommen würde, jedenfalls sah es sehr danach aus. Oh, wie gut erinnerte sie sich an geschwollene Füße, an Übelkeit und Stimmungsschwankungen. Gewiss war auch eine Sklavin davor nicht gefeit.
    „Pallas!“, wandte sie sich an einen der am Boden sitzenden Sklaven.
    Dieser erschrak sichtlich, war aus seinen Gedanken gerissen worden, stand umständlich vom Boden auf und sah zunächst erstaunt Bridhe und schließlich seine Herrin an.
    „Domina?“
    „Hol einen Stuhl.“
    „Äh.. ja, Domina.“
    Sein Blick ruhte vielleicht eine Spur zu lange auf Bridhes Babybauch, denn Antonia wurde schon ungeduldig.
    „Jetzt, Pallas.“
    „Ja, Domina.“
    Es schien zu wirken, denn er flitzte davon, kehrte nur kurze Zeit später mit dem Gewünschten zurück. Natürlich bei Weitem kein so bequemes Exemplar wie es Antonias Sitzbereich genießen durfte.
    „Setz dich.“, ordnete die Claudia schließlich an die Sklavin gerichtet an. Der Umstand einen Stuhl holen zu lassen war eindeutig ein kleinerer, als der Hochschwangeren zu befehlen sich auf dem Boden niederzulassen.
    „Du bist Aquilius‘ Sklavin, nicht wahr?“
    Vielleicht war Antonias Unterfangen ohnehin aussichtslos. Vielleicht wusste die Sklavin nicht einmal, wer der Vater des Kindes war. Und dennoch, was schadete es schon, einen Versuch es in Erfahrung zu bringen zu starten? So kam sie auch unumwunden zu ihrer zweiten Frage. Einleitend nickte sie in Richtung des runden Bauches, den Bridhe vor sich herzuschieben gezwungen war.
    „Wann wird es so weit sein?“

    Vielleicht nicht ganz so zufrieden wie Iuno, aber doch schon sehr viel zufriedener als für gewöhnlich war Antonia, kaum hatte sie die Opferung abgeschlossen. Zufrieden aber zugleich glaubte sie nun auch, unbedingt wieder ins Bett zu müssen. Je schneller sie wieder auf den Beinen war, desto schneller würde Iuno letztlich zu ihrem Recht kommen.
    So winkte sie Pallas heran, der ihr ohne zu murren auf die Füße half.
    "Wohin, Herrin?", fragte er, der es gewohnt war, alle paar Sekunden gegegnsätzliche Befehle zu erhalten.
    "Cubiculum.", war die Anordnung, die auch tatsächlich bestehen bleiben sollte.

    Sim-Off:

    Nicht im Geringsten ;)


    Was hatte sie nur früher den ganzen Tag getan, als noch kein Kind da war, das ihr von Morgens bis Abends im Kopf herumspukte? Es war lange nicht so spannend, dessen war Antonia sich sicher. Und hatte sie in den Tagen, in denen sie das Bett hüten musste auch bedauert, dass ihr kleiner Sohn nun von ihr getrennt, fernab in seiner Wiege war, die Trauer hierüber war schnell vergessen.
    Der kleine Manius schließlich war es, der Bridhe zuerst entdeckte. Die beiden anderen Sklaven hatten die Augen geschlossen und genossen die Sonne, bemerkten daher nichts und Antonia hatte wohl seitdem sie hier saß nichts anderes mehr angesehen als den Knirps. Doch jetzt riss auch sie ihren Blick los, aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehmend.
    Irgendwo hatte die Claudia jene Sklavin bereits einmal gesehen, sie wusste es genau. Stumm musterte sie die Keltin, deren Zustand mehr als offensichtlich war. Eine schwangere Sklavin war beileibe nichts Ungewöhnliches, doch für eine Frau die erst kürzlich jenes Schicksal geteilt hatte, rief dies eine gewisse Geschlechtersympathie hervor, wenngleich die Patrizierin sonst nicht viel mehr als bewegliche Möbelstücke in ihren Sklaven sah. Aquilius‘ Sklavin, so glaubte sie sich zu erinnern. Ob er der Vater war?
    Ihr Interesse war geweckt. Ebenso wie das Interesse der Sklavin an ihr und ihrem Nachwuchs geweckt zu sein schien. Als junge Mutter ein williges Opfer für bewundernde und neugierige Blicke aller Art, welche durchaus schmeichelhaft waren, hob sie schließlich eine Hand und winkte die Sklavin heran.
    „Wie ist dein Name?“, fragte sie, Klein-Manius wieder mit beiden Händen festhaltend, der für einen Moment seine strahlend blauen Babyaugen auf den Neuankömmling richtete, doch ob der Reizüberflutung in diesem Eckchen schnell wieder etwas anderes fand, das bestaunt werden wollte. Zu schade, wie Antonia fand, dass das Kind jene Augenfarbe nur zu schnell wieder verlieren und sich der seiner Eltern anpassen würde – sowohl Gracchus als auch Antonia hatten braune Augen.

    Mit den Augen war sie ihrem Sklaven gefolgt, hatte über ihren Becher gelinst, als er sein Sprüchlein vortrug und schließlich einen Schluck genommen als sie sah, dass das kleine Grüppchen, geführt von Pallas, sich in Bewegung setzte.
    Wie oft hatte sie sich über ihr Leben beklagt, hatte sich kaum eine schlimmere Strafe erdenken können, doch da sich nun der Gedanke in ihr auftat, man könne nichts sehen, schien ihr all das mehr als lächerlich. Natürlich würde sie jenes Thema nicht ansprechen. Zum einen hörte er Dergleichen sicher wenigstens einmal pro Woche, zum anderen hatte sie nicht vor an diesem Tag über Betrübliches zu sprechen.
    Schließlich bei ihr angekommen, stand Tucca zwar in der richtigen Richtung, hatte den Blick jedoch, natürlich, etwa in Augenhöhe, während sie selbst noch saß. Um diesen Umstand zu korrigieren erhob sie sich. Lächelnd, fast unnötigerweise, doch hörte man ja bisweilen, ob jemand gut gelaunt war oder nicht. Und ihre fröhliche Stimmung war in der Tat hörbar.
    „Salve, Vetter.“, erwiderte sie seine Begrüßung. „In der Tat, unser letztes Treffen liegt schon einige Zeit zurück. Umso mehr freue ich mich, dich heute hier zu sehen.“
    Irgendwie war es sonderbar von einem derart gehandycapten zu hören, man habe sich lange nicht gesehen. Aber vermutlich machte sie sich selbst viel zu viele Gedanken darüber.
    „Es ging mir nie besser, danke.“
    Körperlich eine glatte Lüge, Seelisch entsprach jene Aussage allerdings wohl der Wahrheit. Doch wer wollte schon Haarspalter sein.
    „Wie steht es denn bei dir? Wie ist es dir ergangen die letzten Jahre? Seit wann bist du in Rom?“
    Bemerkend, dass sie den armen Mann mit Fragen überschüttete hielt sie inne und deutete, unnötigerweise, auf die Bank hinter sich.
    „Aber entschuldige, kaum bist du da, belagere ich dich schon mit Fragen. Setzen wir uns doch erst einmal.“
    Umgehend machte sie es vor und setzte sich, zögerlich, da sie nicht recht wusste, ob sie ihrem Verwandten hätte behilflich sein sollen. Doch sicher würde sein Sklave hierfür Sorge tragen.

    Es war ein Tag zum Eier legen. Sofern man jene Fähigkeit besaß. Antonia tat dies nicht, so musste sie sich anderweitig beschäftigen. Es waren in letzter Zeit einige Dinge liegen geblieben, Dinge, die sie zuvor mit Hingabe und Eifer erledigt hatte: Tabellen, Zahlen, Verwaltungsarbeit.
    Um das Nötige mit etwas Angenehmem zu verbinden hatte sie jedoch nicht wie üblich in ihrem Cubiculum Wachstafel auf Wachstafel gestapelt, um schließlich Stunde um Stunde am Schreibtisch zu sitzen und mit Geldbeträgen zu jonglieren, die eine plebejische Familie wohl zehn Jahre über Wasser gehalten hätten. Nein, heute hatte es sie nach draußen gezogen, in den flavischen Hortus. Umrahmt von süß duftenden Hyazinten, Lupinen, Rosen, Dahlien, Heliantus und unzähligen weitere Blüten war ein Tischchen sowie ein Korbsessel samt Fußschemel aufgestellt worden. Auf dem Tisch selbst ragte ein kleines Türmchen aus Wachstafeln und Schriftrollen empor, warf angesichts der Mittagszeit jedoch nur einen kurzen Schatten. Einen großen Schatten hingegen warf der Sonnenschutz, welcher über dem Sitzplatz gespannt worden war. Antonia wollte schließlich frische Luft atmen, nicht braun werden.
    Und inmitten dieser malerischen Szenerie hatte die Claudia sich niedergelassen. Doch freilich nicht alleine. Neben dem obligatorischen Sklaven, der sich, anders als seine Herrin, auf den Boden und in die pralle Sonne gepflanzt hatte und der Sklavin, welche es ihrem Kollegen gleich getan hatte, schaute ein weiteres Wesen neugierig die bunte Farbenpracht an, die von allen Seiten Aufmerksamkeit einforderte. Der kleine Manius Gracchus saß auf dem Schoß seiner Frau Mama, starrte alles und doch nichts um sich herum an, gab glucksende Laute von sich und machte jeden Plan, die Buchführung auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen, zunichte. Es gab Schlimmeres, befand Antonia und ließ sich nur zu gerne Ablenken.
    „Blume.“, erklärte sie dem Säugling und deutete auf einen quietschgelben Vertreter seiner Art. Auch nur zu erwarten, das Kind würde verstehen was sie sagte und gar die Worte nachsprechen war lächerlich. Die Sklaven wussten das, Antonia wusste das und doch deutete sie auf allerlei Gegenstände und nannte ihren Namen. Gracchus Minor schien es egal zu sein, er erfreute sich an der ihm geschenkten Aufmerksamkeit – von der er ohnehin mehr als genug bekam – und verzog im Gegenzug dafür ab und an sein Gesicht. Etwas, das seine Mutter umgehend als Lächeln interpretierte und jedes Mal erneut in Freudentaumel ausbrach.
    Ganz abgesehen davon, dass sie ununterbrochen versuchte, dem Kind gewisse Gesichtspartien ihres Mannes und andere wieder ihr selbst zuzuordnen. Hatte er einen Tag die Augen von Gracchus Maior, bekam er am nächsten Tag die Ohren ihres Vaters und den Mund von Antonia selbst verpasst.



    Sim-Off:

    Wer mag ist herzlich eingeladen sich dazu zu gesellen ;)

    Fast fühlte sich Antonia, als spräche sie mit ihrem Gatten, weil sie ihm bisweilen ebenso wenig folgen konnte, wie ihrer Verwandten in diesem Moment. Sei es nun aufgrund seines krankheitsbedingten Sprachproblems oder aufgrund seiner früheren Eloquenz, die wohl selbst einen Cicero schwindlig gemacht hätte. Alles Mögliche spielte sie in ihrem Kopf durch, doch ihr wollte einfach nicht einfallen, warum sich Epicharis solche Sorgen wegen des Gewichts machte. Er lag doch nicht auf.. achso. Als der Sesterz endlich gefallen war musste sich die Claudia nun doch das Lachen verkneifen. Nur ein Grinsen konnte sie nicht zurückhalten, legte dann aber eine Hand beruhigend auf Epicharis’ Arm.
    „Also, so habe ich das nicht gemeint, als ich sagte er läge auf dir. Ich meinte.. na, er wird doch nicht komplett auf dir liegen. Jedenfalls nicht so, dass du dir um deine körperliche Unversehrtheit Sorgen machen müsstest. Er kann sich doch abstützen.. und.. so.“
    Das war aber auch ein komplexes Thema. Im weiteren Verlauf des Gesprächs würde sie wohl darauf achten müssen, dass sie genau das sagte, was sie auch meinte.
    „Du musst verstehen was ich denke, nicht was ich letztendlich sage.“
    Der schwache Versuch, die Szenerie etwas aufzuheitern wäre ihr sicher unter anderen Umständen besser gelungen, wenngleich Antonia nicht gerade für ihren Humor bekannt war. Mit Demonstrationsmaterial wäre wirklich alles viel einfacher. Ob die Sklavenmädchen wohl irgendwelche Puppen hatten? Nachdenklich schürzte die Pronuba die Lippen. Wenn gar nichts half würde sie wohl danach schicken lassen.
    „Wenn du solche Angst davor hast kannst du natürlich auch oben sein.. aber ich weiß nicht, ob das beim ersten Mal so.. empfehlenswert ist. Oben ist anstrengender. Wäre also sehr förderlich, wenn du möchtest, dass dein Zukünftiger etwas abspeckt.“
    Hatte sie das gerade laut gesagt? Offenbar. Als angemessene Reaktion hierauf stieg ihr einmal mehr an diesem Tage die Schamesröte ins Gesicht.


    Wenigstens beruhigte es sie etwas, dass Epicharis ihr versicherte es helfe ihr allein darüber zu sprechen. Matt lächelte Antonia ihre Verwandte an. Sie war sich nicht sicher, ob es ihr selbst seinerzeit geholfen hätte. Vermutlich hätte ein solches Gespräch nur noch mehr die Angst geschürt, doch die Cousine schien da anders veranlagt. Ihr Glück.
    „Naja, wenn du meinst. Ich gebe mir wirklich Mühe, glaub mir.“

    Antonia indes, obgleich ehrlich erfreut über die vielen Glückwünsche, war bereits wieder ein wenig peinlich berührt. Denn war dies doch immerhin die Hochzeit ihrer Großcousine, ihr großer Tag, nicht der Antonias. Kurz fühlte sie Schuldgefühle in sich aufwallen, welche Sekunden später jedoch wieder hinuntergespült wurden. Nein, nein, sie machte sich zu viele Gedanken, gewiss. Dies war und blieb der Tag des Brautpaares. So strahlte sie weiterhin mit der Sonne um die Wette, ein jedes Mal aufs Neue, wenn ihr kleiner Sohn erwähnt wurde.
    Celerinas Ankunft machte diesem Strahlen jedoch unweigerlich Konkurrenz, sah diese doch aus wie das blühende Leben selbst. Und die Claudia glaubte auch zu wissen, warum. Versonnen stahl sich ein wissendes Grinsen in ihre Züge, als sie der Flavia zunickte. „Salve, Celerina. Ja, in der Tat. Ein wahres Paradies.“
    Kaum ausgesprochen, erreichte bereits der Grund für Antonias verschwörerisches Lächeln die kleine Gruppe. Auch der Aurelier wurde fröhlich begrüßt. „Salve Aurelius. Ich danke dir.“
    Aufgrund des immer größer werdenden Kreises erhielt Aquilius als Antwort nur ein ebenso humoriges Augenzwinkern, wollte sie den armen Aristides doch nicht noch nervöser machen, indem sie ihn weiter aufzog. Langsam den Flüssigkeitsmangel spürend – aufgrund der vielen Vorbereitungen heute morgen hatte sie kaum etwas getrunken – blickte sie noch einmal mit freundlicher Miene in die patrizische Versammlung.
    „Ich hoffe, ihr entschuldigt mich einen Moment.“
    Eine weitere Erklärung hierfür folgte nicht und musste auch nicht folgen. Dass sie nach wie vor Kreislaufprobleme hatte gehörte nicht hierher und sollte auch die Stimmung nicht trüben. Allen noch einmal zunickend wandte sie sich um, ließ den großen Manius bei seiner Herde zurück und winkte ihren Leibsklaven heran, der ihr bei der Suche nach einer Sitzplatz, sowie etwas Flüssigem behilflich sein sollte.
    Der Platz war in Form einer Bank schnell gefunden. Mit erleichtertem Seufzer ließ die Claudia sich nieder, war das Schwindelgefühl doch nun nicht mehr zu ignorieren gewesen.
    „Wein, Herrin?“, fragte ihr Sklave Pallas sie, sich des Auftrags erinnernd, dass sie nach etwas Trinkbarem verlangt hatte.
    „Wasser, Pallas.“
    So intelligent ihr Sklave auch war, so viele Dinge er sich merken konnte, bei manchen Dingen stellte er sich tatsächlich an wie der erste Mensch. Er nickte, offenbar ein wenig verlegen ob seines Fehlers und wollte schon davoneilen, als seine Herrin ihn zurückpfiff.
    „Der Mann da.. wer ist das?“, hörte er sie fragen, dezent zu ihrem Vetter, von dem sie im Moment noch nicht wusste, dass er ihr Vetter war, nickend.
    „Ich weiß es nicht, Herrin.“, antwortete er wahrheitsgemäß.
    „Dann steh hier nicht rum. Geh und finde es heraus.“
    „Ja, Herrin.“
    „Und vergiss das Wasser nicht.“
    „Nein, Herrin.“
    Sprachs und flitzte davon, um wenig später mit einem Becher und einer Information zurückzukehren.
    „Nero Claudius Tucca.“, war der Name, der Antonia nicht hatte einfallen wollen.
    „Natürlich.. “, murmelte sie halblaut, sich langsam wieder des Verwandten entsinnend, dem sie zeitlebens nur sehr selten begegnet war. Blind war er, so glaubte sie sich zu erinnern. Mit einer natürlichen Neugier gesegnet gab sie dem Sklaven den nächsten Auftrag.
    Er wurde erneut fortgeschickt, trabte diesmal zielstrebig auf eben jenen Claudius und seinen Sklaven zu. Mit einer leichten Verbeugung richtete Pallas das Wort an ihn.
    „Salve, Herr. Meine Herrin, Claudia Antonia lässt fragen, ob du ihr ein wenig Gesellschaft leisten möchtest.“

    Das Echo zweier Paar Sandalen hallte vom Steinboden der Villa Flavia wider. Eines dieser Paare gehörte Claudia Antonia, das zweite einem jener Sklaven, die beständig um sie herum waren. Seit der Geburt hatte sie keine Sekunde alleine verbracht, war stets umsorgt worden, immer den prüfenden Blicken der Sklavenschaft ausgesetzt gewesen. Sie duldete es, wusste die junge Mutter doch, dass sie alle es nur gut meinten, nur um ihr Wohl besorgt waren, denn schließlich wäre sie nicht die erste Frau, die an einer Infektion im Kindbett starb.
    Obgleich unendlich matt und erschöpft, sie hatte nicht vor zu sterben. Weder jetzt noch in naher Zukunft und so schienen die Unsterblichen ein Einsehen zu haben, verschonten Antonia vor einem weiteren Schicksalsschlag und ließen sie langsam aber stetig zu alter Kraft zurückfinden. Und kaum konnte sie wieder einigermaßen auf eigenen Beinen stehen, zog es sie hierher, zum Lararium, zu jenem Ort, an dem sie Stunden, Tage, gar Wochen insgesamt gesehen verbracht hatte, um für eben das zu Bitten, was nun eingetreten war. Sie wusste, wem sie ihr Glück zu verdanken hatte und gedachte, dies auf die versprochene Weise zu entlohnen.
    Gerne wäre sie alleine hierher gekommen, hätte ‚unter vier Augen’ mit „ihrer“ Göttin gesprochen, doch die Hebamme, welche noch immer täglich vorbei kam, um nach ihrer Schutzbefohlenen zu sehen, hatte den Kopf geschüttelt, fürchtete, Antonia könne einen Schwächeanfall erleiden. So hatte sie notgedrungen Pallas mitgenommen, welcher zwar ebenso unerwünscht war, wie jeder andere Sklave, sich aber wenigstens zurückhielt, still und stumm seine Herrin begleitete, sie dann und wann stützte und ansonsten seine Gedanken für sich behielt.
    Abgeraten hatte man ihr. Sie solle sich noch einige Tage ausruhen, was würde es schon ausmachen, wenn sie Iuno ein wenig später dankte, hatte man ihr gesagt. Nun, sie war anderer Auffassung. Stur hatte sie abgewiegelt, darauf bestanden noch heute wenigstens am flavischen Lararium zu beten, der Göttin zu versichern, sie habe ihre Versprechen nicht vergessen und werde so bald als möglich im großen Tempel opfern.
    Der Weg kam ihr weiter vor als früher, doch irgendwann erreichte man den kleinen privaten Marmortempel. Ein Lächeln trat in Antonias Gesicht, als würde sie einen alten Bekannten, den sie lange nicht gesehen hatte, erblicken. Andächtig fuhr sie mit einer Hand über den Stein, betrachtete die kunstvoll gearbeiteten Götterstatuetten, welche in Reih und Glied darauf zu warten schienen, dass ein Sterblicher erscheine, um ihnen zu huldigen.
    Man hatte bereits dafür Sorge getragen, dass alles vorbereitet war. Kohle war entzündet worden, einige kleinere Opfergaben, wie sie für ein Lararium üblich waren zurecht gelegt und Weihrauch bereit gestellt.
    Gestützt von ihrem britannischen Geschenk ließ sich die Claudia auf die Knie nieder, Auge in Auge mit jener kleinen Statuette der Göttin, deretwegen sie gekommen war. Still musterte sie das erhabene Angesicht mit einer nie dagewesenen tiefen Empfindung der Dankbarkeit. Niemals konnte sie vergelten, was Iuno ihr gewährt hatte. Und dennoch wollte sie es wenigstens versuchen.
    Ihre Hand griff nach den Weihrauchkörnern, verstreute sie großzügig über der glimmenden Kohle, sodass umgehend Rauchschwaden aufstiegen, die den typisch süßlichen Geruch verbreiteten, welcher stets ein Gebet oder Opfer einleitete.
    „Iuno Lucina.“, erhob sie endlich ihre Stimme. „Gütigste aller Göttinnen, Größte und Gnädigste unter den Unsterblichen, die du in deiner Weisheit und Großzügigkeit mir und meinem Gatten einen Sohn hast gewährt.“
    Ihrer Hand, die nun in Richtung ihres Sklaven ausgestreckt wurde, wurde wortlos ein Krug Wein – Weißwein, denn Antonia hatte gehört, dieser würde Iuno am Meisten zusagen – gereicht.
    „Mater Iuno, Mächtigste der Göttinnen, nicht zu bitten bin ich hier, sondern zu danken. Du gabst und so werde ich dir für dein Wohlwollen Opfer darbringen, wie ich es einst gelobte.“
    Indes war sie sich sicher, die Göttin würde schon verstehen, dass ein Larariumsopfer nicht alles war, was sie für den kleinen Flavius als Dank erhalten würde. Doch um eventuelle Missverständnisse auszuschließen sprach sie weiter.
    „Eine Kuh und zwei Ziegen sollen dein sein, sollen meinen Dank, welcher bis in die Ewigkeit andauern wird, ausdrücken, sollen dir vergüten, was du mir geschenkt, oh größte aller Göttinnen.“
    Eine Kuh und zwei Ziegen. Natürlich würden die nicht alle an einem Tag geopfert werden, denn selbst für ein Staatsopfer hätte das schon enorme Ausmaße. Dass Antonia zum Zeitpunkt des Gelöbnisses nicht im Traum daran geglaubt hatte, dass sie dieses jemals würde erfüllen müssen sei hintangestellt. Umso größer war nun jedoch die Pflicht es einzulösen.
    Endlich goss sie die goldgelbe Flüssigkeit in eine der Opferschalen, ließ den Blick kurz darauf ruhen, um schließlich die Karaffe wieder abzustellen.
    „Iuno Lucina, Gütigste unter den Herrschenden, mögen diese bescheidenen Gaben dir Versicherung sein, dass ich mein Versprechen halten werde.“
    Es gesellten sich einige farbenfrohe Früchte in weitere Schälchen, auch der obligatorische Opferkuchen und letztlich wohl duftende Blumen wurden platziert, bis für weitere Donationen kein Platz mehr war.
    Ein leise gehauchtes „Danke.“ schloss die Lobpreisungen und Versprechen ab, wenngleich Antonia noch eine zeitlang auf ihren Knien am Boden blieb, um demütig das Abbild der Göttin zu betrachten.

    Sim-Off:

    [SIZE=7]*lol* Ich krieg mich hier nicht mehr :D[/SIZE]


    Offenbar hatte sie es zu umständlich erklärt, trotz aller Mühen nicht die richtigen Worte gefunden, um Epicharis zu erklären, was im Grunde genommen doch so schwierig nicht war.
    Auf ihre Spekulationen bezüglich Aristides‘ Ausdauer ging sie wohlweißlich nicht ein, gehörte dies doch zu jenen Dingen, die sie nicht wusste, nicht wissen wollte und es sich nicht einmal vorstellen mochte. Je länger ihr Gegenüber indes sprach, desto tiefer wurden die Furchen auf Antonias Stirn. Was redete sie da nur? Keine Luft mehr bekommen? Also, so anstrengend war es ja nun wirklich nicht. Von Atemnot oder gar einen Erstickungstod bei diesem Vorgang hatte Antonia jedenfalls noch nie etwas gehört. So wurde ihr Blick immer fragender, ihr Gesichtsausdruck immer unverständiger.
    „Keine Luft? Aber wieso solltest du denn keine Luft mehr bekommen?“, wunderte sie sich also. „Bist du kurzatmig?“
    Wieder etwas, das sie doch sehr gewundert hätte, war ihr Epicharis doch immer wie die Gesundheit in Person vorgekommen. Und wie viele Gedanken sie sich machte.. Antonia sah es bereits vor ihrem inneren Auge vor sich: In der Hochzeitsnacht würde ihre Verwandte völlig verkrampft und entnervt auf einer Seite des Bettes sitzen, die Knie an den Körper gezogen und den frisch angetrauten Gatten nicht näher als 5 Fuß an sich heranlassend.
    „Ich glaube, du machst dir eine völlig falsche Vorstellung davon. Es ist meine Schuld, ich habe es falsch erklärt. Aber ich weiß nicht, wie ich es besser umschreiben könnte.“
    Wäre es nicht so ungehörig hätte sie einfach zwei Sklaven befohlen, es vorzumachen. Unglücklicherweise ging das nun wirklich nicht. Da musste nur einer reden und ganz Rom würde von nichts anderem mehr sprechen. Nein, es musste doch auch anders gehen.

    „Wie.. wie lange? Also.. äh.“
    Hatte sie mit so ziemlich jeder Frage gerechnet, die sie nun wieder in ärgste Bedrängnis bringen würde, mit dieser einen nicht. Wie lange. Ein mitleidiges Lächeln erschien in ihrem Gesicht. Sicher, so wie sie es erzählt hatte musste es ja wie ein Ereignis klingen, das man möglichst schnell hinter sich wissen wollte, wenngleich es absolut nicht das war, was Antonia beabsichtigt hatte. Im Gegenteil, hatte sie an den eigentlichen Vorgang doch im Grunde nur recht positive Erinnerungen, wenn sie so darüber nachdachte.
    „Das kann ich unmöglich sagen, das ist von… diversen Faktoren abhängig.“
    Sich vollkommen im Klaren darüber, dass jene Antwort im Grunde genommen keine Antwort war, entschied sie sich dazu, doch ein wenig deutlicher zu werden.
    „Bei.. Manius und mir.. da.. eh.. also, einige Stunden kann es schon dauern. Aber ohne jetzt pauschalisieren zu wollen: Je länger es dauert, desto besser wird es am Ende.“
    Etwas unbeholfen zog sie ihre Mundwinkel in die Höhe, um die Andeutung eines Lächelns zustande zu bringen.
    „Allerdings habe ich gehört, manche Männer könnten nicht allzu lange.“
    Ein Räuspern, das schon die ganze Zeit ihren Hals zugeschnürt hatte, verabschiedete sich endlich aus ihrer Kehle. Die Schnürung blieb.
    „Nicht, dass ich das aus eigener Erfahrung bestätigen könnte.. aber eine Freundin von mir.. also, sie behauptet steif und fest ihr Gatte wäre bereits fertig, ehe sie sich richtig hingelegt habe. Angeblich hängt das aber auch von Kondition und Alkoholpegel des Mannes ab. Je mehr Wein er getrunken hat, desto schneller geht es. Scheinbar. Habe ich gehört.“
    In der Tat konnte sie dazu nichts aus eigener Erfahrung beisteuern, denn ihr Gatte hatte ihr zwar selten, dann aber richtig beigelegen. Beschweren konnte sich Antonia jedenfalls nicht und konnte demnach auch nicht recht nachvollziehen, wie so etwas schon nach so kurzer Zeit zu Ende sein konnte.
    Ein wenig Zeit schindend rieb sich die Pronuba schließlich die Augen. Es war nicht ihr Thema, doch langsam schien sie warm zu werden.
    „Es ist wirklich nichts, das man sonderlich gut erklären kann. Glaub mir, du wirst recht schnell lernen, auch ohne detaillierte Anleitung.“

    Epicharis‘ eindringlicher Blick machte Antonia nur noch nervöser, verursachte immer heftigeres Gestottere. Die Blumensache schien ihr bisweilen nicht recht zu gefallen und auch der gesamte Erklärungsversuch fiel nicht auf fruchtbaren Boden.
    „Ach, Epicharis.“, seufzte sie gequält. „Ich versuche ja, normal darüber zu reden.“
    Missmutig betrachtete sie die Rose in ihrer Hand – und mit einem Mal wurde ihr klar, was sie da getan hatte. „Ach herrje.“
    Den Göttern sei dank war der Senator auf Sardinien und hatte sich seit Ewigkeiten nicht mehr in Rom blicken lassen. Vielleicht blieb es ja so, bis man den Frevel nicht mehr sah. Jetzt war es allerdings ohnehin zu spät, die Rose hatte umsonst ihr Leben geopfert und so warf Antonia sie achtlos, wenngleich auch locker aus dem Handgelenk, über die Schulter ins Gras.
    „Also gut, keine Bienen und keine Blumen. Die nackte Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Los geht’s. Ähm, ich habs gleich.“
    Einige Atemzüge lang herrschte wieder Stille, panisch suchte die Claudia nach den rechten Worten. Es wollte ihr nicht so recht gelingen.„Na schön, was solls. Also, er löst den Knoten, ihr zieht euch aus, legt euch aufs Bett und, je nachdem, wie Aristides es bevorzugt – ich hoffe du siehst mir nach, dass ich dir da keine genaueren Angaben machen kann – wirst du unter ihm liegen oder er unter dir. Ich schätze eher ersteres. Vielleicht wird eine Weile gar nichts allzu schwerwiegendes geschehen. Vielleicht wird er dich küssen, vielleicht streicheln... und... ähm... scheue dich nicht, bei ihm das Gleiche zu tun... gerüchteweise mögen Männer das.“
    Sie hatte sich dazu entschlossen, das Ganze als eine Art wissenschaftlichen Vortrag zu sehen, mit einigen Fachausdrücken um sich zu werfen und ihre Verwandte schließlich so zu verwirren, dass sie nicht auf die Idee kam, noch weitere solcher Fragen zu stellen.
    Jenen einleitenden Worten folgte ein detaillierter und blumenreich ausgeschmückter Bericht über die Tatsache, dass Männer an gewissen Stellen gänzlich anders aussahen als Frauen und wozu dieser Unterschied gemeinhin gut war. Wenn ihre Ahnen sie nun hören könnten… im Grabe würden sie sich umdrehen und ihren Namen verfluchen. Was auch immer Epicharis nun von ihr denken mochte, sie hatte sich all das selbst eingebrockt. Zumindest das war Antonia ein Trost. Unbewusst hatte sie schon wieder ihren Finger erhoben, war dies doch derzeit das einzige, was jenem männlichen Geschlechtsorgan derzeit am nächsten kam.
    „Ja?“, fragte sie noch einmal nach, als sie endlich ihren Monolog unterbrochen hatte.

    Aristides schien die Ruhe in Person zu sein. Wenigstens in Antonias Augen, doch hatte sie bislang auch keine wirkliche Gelegenheit gehabt den Flavius zu erleben, wenn er tatsächlich ruhig und gelassen war. Unwillkürlich glitten ihre Gedanken hin zu ihrer jungen Verwandten. Aristides kannte all dies ja bereits, Epicharis betrat völliges Neuland. Wie aufgeregt und nervös sie nur sein musste. Andererseits war die Claudia der Überzeugung, dass ihre Cousine, vollkommen wie sie war, all das mit Leichtigkeit und stets einem Lächeln auf den Lippen hinter sich bringen würde.
    „Aristides, du schmeichelst mir.“, erwiderte sie zunächst auf die Willkommensworte des Bräutigams. „Wir wissen doch beide, dass die schönste Blume erst noch kommen wird.“
    Zumindest ging sie davon aus, dass Epicharis noch nicht angekommen war, hatte sie sie doch auch nach eingehender Musterung des Geländes noch nirgendwo entdecken können. Angesichts der auffälligen Farben, die das traditionelle Hochzeitsgewand hatte, hätte sie sich zur Tarnung schon in einen Busch werfen müssen.
    „Aber danke für deine Glückwünsche, wir sind in der Tat sehr stolz und erleichtert.“
    Da nahte auch schon ein weiterer Flavier. Aquilius, der wohl der nächste in der Reihe war, wenn es um Hochzeiten ging. Jenen Anblick, den er bot hatte sie jedoch eher beim Bräutigam erwartet, sah er doch ein wenig leidend und alles andere als hellwach aus. Zog für gewöhnlich nicht der Ehemann in Spe um die Häuser, um sich ein letztes Mal die Hörner abzustoßen? Andererseits, vielleicht hatte Aquilius seinen Verwandten ja begleitet. Ja, so musste es sein, eine andere Erklärung fand Antonia jedenfalls nicht für jenen gequälten Gesichtsausdruck, den er zur Schau trug. Er musste ja einen fürchterlichen Kater haben, der Ärmste. Aufmunternd lächelte sie ihn an, obgleich sich der Tatsache bewusst, dass es ihm nicht viel helfen würde.
    „Irgendjemand muss ja dem Bräutigam das Händchen halten, bis seine Braut das übernehmen kann.“, flaxte sie auf dessen Begrüßung hin.

    Epicharis‘ verwirrtes Blinzeln erwiderte Antonia mit einem mindestens ebenso verwirrten Blinzeln.
    „Also, ich glaube dieses ‚Alle Männer sind gleich‘ bezieht sich auf andere.. mh.. Bereiche des Lebens. Wobei Verallgemeinerungen immer etwas problematisch sind, ich habe nämlich einmal gehört, dass manche Männer der Ansicht sind, alle Frauen seien gleich und das ist ja nun wirklich nicht der Fall.“
    Eine solche Diskussion behagte der Claudia eindeutig mehr, doch viel zu schnell war das Thema wieder auf jene wichtigste Nebensache der Welt gelenkt worden. Mehr und mehr bekam Antonia jedoch den Eindruck, dass Epicharis noch weitaus ahnungsloser war, als sie es seinerzeit gewesen war. Das konnte doch nicht sein. Sie war eine intelligente junge Frau, sie musste doch irgendwo.. andererseits, über so etwas sprach man nicht. Die eigene Mutter, ja, und auch diese machte mehr als fragwürdige Andeutungen, wie sie selbst wusste. Schicksalsergeben seufzte die Pronuba schließlich leise. Und während ihr Fuß filigrane Muster in den Boden malte, überlegte Antonia, wie sie nun am Besten beginnen sollte.
    „Also, dann.. gehen erstmal alle anderen aus dem Raum.“
    Soweit hatte sie sich sogar ihre Hochzeitszeremonie gemerkt. Sie war richtig stolz auf sich selbst, wenngleich sie wusste, dass es nicht das war, was ihre Verwandte hatte hören wollen.
    „Naja und dann.. geht’s los.“
    Verlegen und mehr als albern begann Antonia zu kichern. Sich dessen gewahr werdend, schlug sie schnell eine Hand vor den Mund. Was war nur in sie gefahren? Ihre Lungen sogen sich voll Luft. Augen zu und durch.
    „Du kennst doch die Geschichte mit den Bienen und den Blumen?“
    Hoffnungsvoll lächelte Antonia Epicharis an.
    „Also, nehmen wir an du bist die Blume. Äh.. hier.“
    Mit einer Hand versuchte sie eine der Rosen vom Busch zu rupfen – etwas, das sie bei klarem Verstand wohl niemals getan hätte. Das Blütenwerk erwies sich als äußerst störrisch und so musste sie noch ihre andere Hand zur Hilfe nehmen. Natürlich, natürlich, stach sie sich an einer Dorne, stieß einen leisen Fluch aus, schaffte es aber schließlich doch, dem Busch eine Rose zu entwinden.
    „So. Also. Das bist du.“
    Zu Demonstrationszwecken hielt Antonia die rote Blütenansammlung empor, während sie den pochenden Schmerz in ihrem Finger dadurch zu lindern suchte, dass sie ihn in den Mund steckte. Da dies ungemein das Sprechen erschwerte, gab sie dies jedoch schnell wieder auf.
    „Ja, das bist also du.“, wiederholte sie erneut. „Und das hier.“ Der leidende Finger wurde neben die Rose gehalten. „Ist Aristides.“
    Sie unterbrach den Erklärungsversuch um zu sehen, ob Epicharis ihr so weit folgen konnte.

    Noch einige Minuten hatte sie ihr Kind für sich alleine, dann vernahm sie die Stimme ihres Gatten, der endlich wieder zu sich zu kommen schien. Ein warmes und glückliches Lächeln empfing ihn, als er das Bett erreichte, in welches man die junge Mutter wieder bugsiert hatte. Vergessen waren die geistigen Schwüre, ihm umgehend den Hals umzudrehen oder wenigstens zu entmannen.
    Wortlos, doch behutsam nahm die Hebamme schließlich das Neugeborene aus Antonias Armen, die zwar ohne erkennbaren Widerstand, aber doch mit mulmigem Gefühl im Magen von ihrem Sohn abließ. Sehnsüchtig folgte ihr Blick dem Kind, das auf dem Boden vor Gracchus‘ Füßen abgelegt wurde.
    Emotional ohnehin völlig aus dem Gleichgewicht, schossen unaufhaltsam die Tränen in Antonias Augen, als ihr Gatte sich hinabbeugte, um ihr Kind auf den Arm zu nehmen und es somit auch zu seinem Kind zu machen. Ein leises Schluchzen entfleuchte ihrer Kehle, gedämpft durch die vorgehaltene Hand. Doch den Namen des Kindes laut ausgesprochen zu hören, jenen uralten Ritus vollzogen zu sehen ließ ihre Schultern beben vor Rührung. Man hätte annehmen können, dass Antonia im Laufe dieses Tages alles an Flüssigkeit verloren hatte, was sie in sich trug, doch der unendliche Tränenstrom, der sich seinen Weg ins Freie suchte, widerlegte dies.
    Mit zitternden Händen nahm sie das Kind aus Gracchus Armen, schmiegte das kleine Wesen an ihren Körper, liebevoll die winzige Gestalt betrachtend und erst, als sie sich gewiss war, es würde nicht verrutschen, wandte sie ihr Gesicht wieder ihrem Gemahl zu, welcher die Gelegenheit nutzte und ihr einen Kuss gab. Und selbst korrekt ausgesprochen, ohne Stottern und ohne Auslassungen, hätten seine Worte niemals süßer klingen können in ihren Ohren. Eine Erwiderung indes brachte sie nicht zustande, krächzte nur ein „Oh Manius“ und schob ein geflüstertes „Ich liebe dich“ hinterher.
    Sie wunderte sich nicht weiter über die so ungewohnte Miene ihres Gatten, war sie sich doch sicher, selbst auch nicht viel intelligenter zu grinsen. Zumal sie im Moment mehr als furchtbar aussehen musste. Doch seltsamerweise war das jetzt alles völlig unwichtig.
    Dem jungen Flavius indes, nun auch offizieller Flavius, schienen die Gefühlsregungen seiner Eltern recht gleichgültig zu sein. Schläfrig begann er zu schmatzen, blinzelte langsam und immer langsamer, bis sich seine Augen schließlich gar nicht mehr öffneten und nur die regelmäßigen Atemzüge verrieten, dass nach wie vor alles in Ordnung mit ihm war. Er schlief den Schlaf der Gerechten. Etwas, um das seine Mutter ihn ein wenig beneidete, denn obwohl unsagbar erschöpft, wollte sie nicht die rechte Ruhe finden, um ebenfalls die Augen zu schließen. Viel zu interessant war es, dem kleinen Gracchus zuzusehen.
    „Schau doch nur.“, wisperte die Claudia, die Stimme kaum hörbar, um das Kind nicht gleich wieder zu wecken.



    [SIZE=7]Edit: Vor lauter Freude vertippt[/SIZE]

    Herausgeputzt wie die römische Matrone, die sie nun wirklich und wahrhaftig war, hatte Antonia ihren Gatten im flavischen Atrium eingesammelt, hatte still gelächelt und müde geblinzelt. Die Anstrengungen der Geburt waren noch nicht gänzlich aus ihren Knochen gewichen, doch wie alle claudischen Frauen hatte sie eine natürliche Zähigkeit an sich, die es ihr nicht erlaubte, vor den Augen anderer Schwächen einzugestehen. Nichtsdestotrotz war sie froh, sich in der Sänfte wieder setzen und einige Zeit ausruhen zu können, hatten doch die Ankleide-, Frisier- und Schminkprozedur geraume Zeit in Anspruch genommen. Nun, zumindest eine Aufhellung der Haut hatte sie sich sparen können, war sie doch noch immer blasser als blass, seit dem kürzlichen Blutverlust. Ein recht angenehmer Nebeneffekt, wie sie festgestellt hatte.
    Die Tage seit der Geburt hatte sie vornehmlich im Bett verbracht, hatte fast ebenso viel geschlafen wie das Kind, das jene Müdigkeit ausgelöst hatte. Nichtsdestotrotz war sie den Pflichten nachgekommen, die die Tätigkeit als Pronuba mit sich brachten, hatte ein Cubiculum bereitet, war noch einmal sorgfältig die Riten durchgegangen. Und doch war sie sich nicht zur Gänze sicher, hoffte und betete, es möge nichts schief gehen. Der Weg hierher war in aller Stille vonstatten gegangen, weder Gracchus noch Antonia hatten viel gesprochen. Doch war es keine unangenehme Stille gewesen, wie es noch vor nicht allzu langer Zeit der Fall gewesen wäre. Nein, kein peinliches Schweigen in der Gewissheit, der andere verachtete einen. Mehr eine zufriedene Lautlosigkeit. Und so ging auch die Claudia in Gedanken ein letztes Mal den Ablauf der Eheschließung durch.
    Viel zu schnell jedoch musste der Sitzplatz aufgegeben werden, mussten die eigenen Beine wieder die Arbeit übernehmen. Eine sonderbare Zufriedenheit und innere Ruhe ausstrahlend, hatte sie den Arm ihres Gatten ergriffen und war ihm den Weg entlang gefolgt.
    „Ein wirklich schöner Platz zum heiraten.“, sagte sie, den Blick unaufhörlich auf die malerische Umgebung gerichtet. Keine Frage, diese Hochzeit würde perfekt werden, ebenso wie Epicharis und Aristides das perfekte Paar waren. Sie würden perfekte kleine Nachkommen zeugen, niemals streiten und glücklich werden, bis an ihr Ende. Hätten solche Gedanken vor einiger Zeit noch blanken Neid in der Claudia hervorgerufen, wollte nun einfach nicht dieses glückliche Lächeln aus ihren Zügen verschwinden. Zugleich schweifte sie gedanklich ab, zurück zur Villa Flavia, wo sie ihren Sohn hatte zurücklassen müssen. Unglücklicherweise war er noch viel zu klein, um ihn zu einer solchen Feier mitzunehmen. Doch bei der nächsten Hochzeit, so hatte sie dem kleinen Manius noch am Morgen versprochen, zur nächsten Hochzeit würde man ihn mitnehmen.
    „Wir scheinen recht früh zu sein, es sind noch nicht allzu viele Gäste versammelt.“, wie sie nach kurzem Blick feststellte, als die beiden schließlich am Ort der Zeremonie eingetroffen waren.

    Alles? Nun, das war doch zumindest mal eine klare Aussage. Eine Aussage, die Antonia heillos überforderte.
    „Ah.. äh.. alles?“
    Wo sollte sie da denn nur anfangen? Ein wenig fühlte sie sich in der Zeit zurückversetzt, erinnerte sich, wie sie die Fragende gewesen war und eine gewöhnliche Lupa von der Straße die Antwortende. Dieser Vergleich gefiel ihr nun absolut nicht. Jene Erinnerung trug natürlich nicht gerade zu Antonias Wohlbefinden bei und so rutschte sie ein wenig unruhig auf ihrem Sitzplatz hin und her.
    „Also.. das ist ein sehr.. weites Gebiet. Alles kann ich dir heute unmöglich erzählen.“
    Was war denn das Wichtigste? Was würde Epicharis von Nutzen sein? Oh ihr Götter, warum nur hatte ihre Großcousine ausgerechnet sie gefragt? Es gab doch wahrlich genug Claudierinnen oder andere Patrizierinnen. Doch ausgerechnet die Verklemmteste von ihnen hatte sich die Braut ausgesucht.
    „Ja, also, hm, so.. pauschal etwas zu sagen ist natürlich schwierig. Aristides ist von gänzlich anderem Charakter als Gracchus, auch in diesem Punkt.. nehme ich an.“
    Nicht, dass Antonia große Vergleichsmöglichkeiten gehabt hätte. Sie wusste nicht, ob alle Männer gleich vorgingen oder nicht. Doch soweit sie sich erinnern konnte, hatte die Lupa genaueres über den zu Verführenden wissen wollen, also gab es gewiss den ein oder anderen Unterschied.
    „Also, im Zweifelsfall tu einfach, was dir richtig erscheint, was sich richtig.. anfühlt. Aristides ist auf diesem Gebiet ja schon.. äh.. erfahrener und wird dir da sicher auf diese oder jene Weise helfen.“
    Helfen. Sonderbare Wortwahl, wie ihr im Nachhinein auffiel. Verlegen lächelte sie. Überhaupt schien sie ihre so vornehme Blässe zu verlieren, seit sie dieses Thema angeschnitten hatten.
    „Und sei nicht überrascht, wenn es zu Beginn ein wenig schmerzhaft ist. Das geht vorbei und bleibt später gänzlich aus.“
    Wie war sie nur in diese Situation geraten? Hilfesuchend sah sich die Pronuba in Spe um, doch weit und breit wollte kein Störenfried auftauchen, der sie vor diesem Gespräch hätte retten können.
    „Oder möchtest du lieber etwas über den.. ah.. öh.. Ablauf erfahren?“