Verflucht sei die Aufmerksamkeit ihres Gatten, er hatte bemerkt, wie sie zurückgezuckt war. Ertappt verlor Antonia für einen Moment die selbstsichere Fassade, die sein Augenblick der Unvollkommenheit ihr gestattet hatte. Stattdessen fühlte sie sich wie ein kleines Kind, das beim Kuchen naschen erwischt worden war. Nur dass es im Grunde genommen das nicht-naschen war, das sie nun in Bedrängnis brachte. Einen Moment zu lange zögerte die Claudia mit ihrer Antwort, einige Augenblicke zu spät wischte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung die Frage fort. "Mitnichten.", erwiderte sie wahrheitsgemäß und mit schmalem Lächeln, war das Mahl doch gewissermaßen zu sehr nach ihrem Geschmack, was jedoch die Gefahr in sich barg, dass sie sich nicht beherrschen konnte. "Ich fürchte nur, wenn ich jetzt nicht einhalte, werde ich die folgenden Speisen nicht mehr genießen können."
Eine schwache Ausrede, wie sie wusste und so ergab sie sich der Hoffnung, ihr Gemahl hatte nicht gesehen, was sie bisher gegessen hatte. Mitzuzählen wäre zumindest keine große Schwierigkeit gewesen. Um jenem Thema zu entgehen, blickte sie auf Minor. Ob die Reaktion seines Vaters bezüglich seiner Arbeit ihn so still gemacht hatten? "Mein Herz, was meinst du? Brauchen wir einen neuen Koch?"
Glücklicherweise ging es mit Britannia weiter. Oder war es tatsächlich ein so großes Glück? Wie so oft glaubte sich die Patrizierin zurückversetzt in ihre Kinderzeit, als strenge paedagogen sie zurechtwiesen. Und natürlich hatte Gracchus recht, natürlich war Britannia eine an Bodenschätzen reiche Provinz, die es nicht zu verlieren galt. "Gewiss.", krächzte sie darob etwas kleinlaut und benetzte ihre trocken gewordene Kehle abermals mit verdünntem Wein. Ehe sie sich jedoch gänzlich in Scham und Selbstvorwurf ergehen konnte, geschah eines jener seltenen Ereignisse, die Gracchus und Antonia auf eine Stufe brachten, in denen sich beide über ein Thema eins waren. Erstaunt und ein wenig überrumpelt richtete sie prüfend den Blick auf ihren Gatten, doch schien er sie nicht foppen zu wollen, indem er ihr beipflichtete. Etwas gelöster nickte sie. "Eine solche Versetzung wäre wohl gänzlich unangebracht, schließlich bist du als Pontifex und Senator hier in Rom von weit größerem Nutzen, als du es als Statthalter-", ein anderes Amt außerhalb Roms war in Antonias Kosmos für Gracchus derart undenkbar, dass eventuell fehlende Voraussetzungen für Selbiges einfach ausgeblendet wurden, "am Ende der Welt jemals sein könntest."
"Auf dem Quirinal.", korrigierte Antonia den Standort vom angesprochenen Wohnhaus. "Vielleicht werden wir ja demnächst das Vergnügen haben, einmal dort vorbeizusehen. Ich vermute seine Gattin wird es sich nicht entgehen lassen, die Rückkehr angemessen zu feiern."
Wohl wissend, dass Gracchus alles andere als erpicht darauf war, zu irgendwelchen ihm halb-Bekannten mitgeschleppt zu werden, schweiften ihre Augen zurück zu den Tabletts, um eventuelle Gesichtsentgleisungen seitens Gracchus gar nicht erst zu sehen.