Beiträge von Claudia Antonia

    Während Antonias Gedanken sich gerade ausschließlich um die beiden Söhne drehten, die bereits, respektive bald, ihr Leben bereicherten, war ihr Gemahl weitsichtig genug, schon an die Zukunft zu denken. Richtig, Minors Verlobung. Ein Thema, das sie gerne vor sich herschob, dessen Unausweichlichkeit ihr jedoch nur allzu bewusst war. Dass Gracchus auch dieses Kind einladen wollte, das der Cornelier geheiratet hatte ließ sich wohl kaum vermeiden, auch wenn ihr Besuch dem Flavier wohl mehr Vergnügen bereiten würde als ihr selbst, wie sie zähneknirschend feststellte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. Je eher dieses Mahl stattfand, desto besser. Noch sah man ihr die Schwangerschaft schließlich nicht an. Daran erinnert zu werden wie alt sie selbst aussah neben jenem jungen Ding war schlimm genug, alt und dick auszusehen jedoch absolut inakzeptabel.
    "Gewiss.", erwiderte sie daher schnell und mit scheinbarer Begeisterung. "Je schneller, desto besser, denke ich. Ich würde nur ungern Gäste in einem weiter fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft empfangen.. es würde sicher zunehmend beschwerlich werden."
    In der Hoffnung der Gatte würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und in seine Planung aufnehmen, lächelte sie jenes stille Lächeln, das 'Wehe, wenn nicht' zu sagen schien.

    Antonia war durchaus ein wenig erleichtert, dass Gracchus ihrem Sohn die frohe Nachricht überbringen würde. Denn zwar war Minimus ihr Ein und Alles, doch fürchtete sie der Thematik eventuell folgende Fragen wie 'Woher kommen denn die Babys?'. Dem Jungen jene Dinge näherzubringen war zweifelsohne die Aufgabe seines Vaters. Nicht allein weil beide Männer waren, nein, die Claudia war schlicht auch viel zu gehemmt um über die Zeugung eines Kindes zu sprechen. Ein Grund mehr, warum das Kind unter ihrem Herzen unbedingt ein Junge sein musste. Schließlich bliebe die Aufgabe bei einem Mädchen doch an ihr hängen.
    "Verantwortung?", wiederholte sie, derart in ihren Gedanken gefangen, die Aussage ihres Gatten. Welche Verantwortung Minor nun haben sollte war ihr nicht umgehend gewahr, vielleicht auch weil ihre großen Brüder zeitlebens keine besondere Rolle in ihrem Leben gespielt hatten. Keineswegs wollte Antonia, dass ihrem Sohn durch ein Geschwisterchen irgendwelche Unannehmlichkeiten entstanden.
    Konkurrenz war jenes Stichwort, das auch der Patrizierin schon im Kopf umhergespukt war. Weniger Konkurrenz im Bereich der Karriere und vielmehr jene in ihrem Herzen. So konnte sie sich nicht vorstellen, dass jemals ein weiteres menschliches Wesen Minor von seinem Podest verdrängen könnte. Ob der ungeborene Bruder jemals auch nur annähernd heran reichen würde an das perfekte Abbild von Gracchus Maior? Sie schürzte die Lippen.
    "In der Tat.", stimmte Antonia schließlich zu, unbewusst eine Hand auf ihren Bauch legend. Die Zeit allein würde es zeigen, besser sich nicht jetzt schon damit grämen. "Aber ich hege keinen Zweifel daran, dass Minimus, vollkommen wie er ist, unserem Nachwuchs ein vorbildlicher Bruder, ihm Vorbild und Ratgeber sein wird."

    Abermals ihre vorige Aussage bekräftigend nickte sie. Schon jetzt graute ihr vor der Zeit, die vor ihr lag. Zu gut war ihr noch in Erinnerung, wie viel sie zugenommen hatte, als sie mit Minimus schwanger gewesen war. Wie ein Hippopotamus war sie sich vorgekommen, rund und dick und unförmig. Ob dieser Überlegungen wurde ihr Gesichtsausdruck ein wenig leidend, die Überlegung, ob ihnen weitere Söhne gewährt werden würden jedoch ließ sie wieder strahlen.
    "Oh, gewiss.", antwortete sie im Brustton der Überzeugung. Etwas anderes als einen Sohn erwartete sie nicht, das passte nicht in die vollkommene Vorstellung ihrer Nachkommen. Dass Gracchus gar die Zeugung weiterer Kinder in Aussicht stellte überraschte sie allerdings doch ein wenig. Hatte ihn nun gar der Ehrgeiz gepackt? Nun, ihr sollte es nur recht sein. Wenngleich sie hoffte, dass sie nicht das Schicksal ihres Vorbilds teilen und 12 Kinder zur Welt würde bringen müssen, von denen 9 starben. 3. 3 war eine gute Zahl, befand sie. 2 Söhne, eine Tochter, wie Cornelia, ja, so sollte es sein. "Ich werde Iuno in jedem Fall natürlich um weitere Söhne bitten."
    Dieser Versicherung folgte eine leichte Neigung des claudischen Hauptes. Quintus. Titus.
    "Titus.", riet sie. Zwar hatte sie das Amt, das der berühmteste Vertreter jenes Praenomens innehatte, in Gedanken ihrem Minimus zugedacht, doch schien er passend zu sein. Titus Flavius Gracchus. Es klang herrlich in ihren Ohren.
    Fast war Antonia beleidigt, als ihr Gatte über den Namen für ein Mädchen nachdachte. Sie würde kein Mädchen bekommen. Noch nicht. Das dritte Kind, ja, das konnte ein Mädchen werden. Doch dieses Mal..
    "Agrippina. Hm." Wie fast jedem in dieser Familie jagte jener Name einen kalten Schauer über den Rücken. Sie hatte Aristides' Mutter nur selten gesehen und war froh darüber, doch waren jene Gelegenheiten einprägsam genug gewesen, um eine Abneigung zu entwickeln. Doch bestand ohnehin keine Gefahr, schließlich war das Kind kein Mädchen.


    Minimus. Bei allen Göttern, sie hatte sich derartig mit jenem ungeborenen Wesen unter ihrem Herzen beschäftigt, dass sie fast gänzlich den bereits geborenen Sohn vergessen hatte. Scham und Schuld ließen sie den Kopf senken, welchen sie anschließend schüttelte. "Oh.. nein, noch nicht. Ich dachte zunächst solltest du davon erfahren.", erklärte sie. Wie würde Minimus wohl auf einen Bruder reagieren? Würde gar Konkurrenz entstehen? Sie selbst hatte zeitlebens zwar ein relativ gutes Verhältnis zu ihren Geschwistern - die zwischenzeitlich alle gestorben waren - gehabt, doch war sie kein Junge und wusste nicht, wie sich hier die Gedanken und Gefühle bezüglich Geschwistern unterschieden.

    Ihr Mut sank, mit jedem Wort, das sie sprach. Keineswegs schien ihr Gatte sich zu freuen, ja im Gegenteil, er war offenbar vielmehr schockiert, fassungslos und ungläubig ob dessen, was sie ihm berichtete. Sein Gesicht sprach Bände und mit Worten hätte er kaum deutlicher machen können, was er hiervon hielt. Während sich also auf Gracchus Stirn die Zornesfalten furchten, wuchs Antonias Kloß im Hals, bis er all seinem Unmut Luft machte und in vorwurfsvollem Ton die ersten Worte entgegenschleuderte. Obwohl nicht laut gesprochen, zuckte die Claudia dennoch zusammen, verschwand das Lächeln und schuldbewusst sah sie den Flavier an, erwartete die wohlverdiente Zurechtweisung.
    Natürlich, er hatte gänzlich andere Sorgen, als noch ein Kind aufziehen zu müssen, wollte dem armen Minimus nicht die Bürde eines möglichen Konkurrenten auflasten. Sie hätte aufpassen, hätte jenen Umstand verhindern müssen, doch sie hatte nichts getan und nichts geahnt. Ihr Mund klappte zur Rechtfertigung auf, als ihr Gegenüber seine Emotionen wie eine Toga zu wechseln schien. Wut verwandelte sich in Freude, Erschrecken in Glück.. und Antonias Angst in Verwirrung.
    "Wie.. Minimus? Nun.. äh.. ja. Vielleicht nicht ganz so, vielleicht nur ein Mädchen, aber im Grunde genommen ja.", erklärte sie also auf seine Frage, wie benommen den Gatten ablinzelnd.
    Sein Lachen schließlich, seine Umarmung löste ihre Spannung, brachten auch ihre Freude und ihr Lächeln zurück. Obgleich ein Restzweifel blieb. Wollte er sie nur schonen?
    "Wann?", wiederholte Antonia stupide seine Frage. Allzu viele Möglichkeiten des Empfängniszeitpunktes gab es nicht, was die Bestimmung des Datums der Geburt wiederum ungemein erleichterte. "Nunja, einige Monate wird es schon noch dauern."

    Es war eine regelrechte Panik ausgebrochen, kaum dass Antonias Leibsklave mit der Nachricht, Gracchus würde gleich erscheinen, zurückkam. Antonia war doch keineswegs dergestalt vorbereitet, ihren Gatten zu empfangen.
    Ihre Haare waren offen, zwar gekämmt jedoch gänzlich unfrisiert. Keinerlei Farbe war in ihrem Gesicht, ihr Körper war in eine schlichte Tunika gehüllt, in welcher sie auch zu schlafen pflegte. Nein, das ging doch nicht!
    Eilends wurde also eine dunkelblau schimmernde Tunika angezogen, die die natürliche Blässe der Claudia noch verstärkte und sie somit schon fast kränklich aussah statt vornehm. Eine Sklavin griff zur Haarbürste und hatte gerade den ersten Kämmversuch unternommen, als sich die Türe öffnete und der Grund für jenes Tohuwabohu im Raum stand. Augenblicklich gefroren alle Bewegungen, fixierten vier Augenpaare den Flavius, der auf sonderbare Art und Weise ebenso überrumpelt schien, wie die restlichen Anwesenden.
    "Manius.", krächzte Antonia, die in all der Aufregung fast vergessen hätte, warum sie eigentlich mit ihrem Gemahl hatte sprechen wollen. Geschäftig wandte sie sich jedoch schnell an ihre verbliebenen Sklaven und bedeutete ihnen mit einem Wink, den Raum zu verlassen. Verlegen strich sie sich über die dunklen Haare im vergeblichen Versuch, die ohnehin vorhandene Ordnung noch weiter zu sortieren. Die Götter allein mochten wissen, was im Kopf Gracchus' vorging, Antonia jedenfalls war einigermaßen derangiert.
    "Es geht mir gut. Sehr gut."
    Zögerlich hielt sie inne. Genau genommen ging es ihr nicht besonders. In ihrem Innern drehte sich alles und ihr Magen fühlte sich an wie ein steinerner Klumpen.
    "Den.. Umständen angemessen.", korrigierte sie sich also, während sie sich ein Lächeln abrang. Seit jeher war es ihr schwer gefallen, ein normales Gespräch mit ihrem Gatten zu führen, von schwierigeren und außergewöhnlichen Themen ganz zu schweigen. Daher stand sie nun ein wenig unschlüssig im Raum, darüber nachdenkend ob sie sich vielleicht setzen sollte, ob sie geradeheraus kund tun sollte, was geschehen war - oder nicht. Sie entschied sich, sich auf der Bettkante niederzulassen und klopfte leicht neben sich, um Gracchus zu bedeuten, er könne ebenso Platz nehmen.
    "Wie du weißt, war ich in jüngerer Vergangenheit des Öfteren unpässlich. Um dem nun ein Ende zu machen habe ich heute einen medicus konsultiert und.. er glaubt.. ist der Überzeugung.. also.. "
    Abermals stockte sie, suchte mit ihren Augen die Seinen, biss sich unsicher auf die Unterlippe, konnte jedoch das glückliche Lächeln nicht weiter zurückhalten.
    "Wir bekommen ein Kind."

    Es war sonderbar, wie schnell bisweilen die Zeit verflog. Gerade waren sie noch auf einer Hochzeit, schon folgten die Saturnalien. Vielleicht fühlte es sich allerdings auch nur so an, vielleicht glaubte Antonia nur, dass das Leben an ihr vorbeirase, weil sie sich selbst derzeit mit kaum viel mehr beschäftigte als ihrem Gesundheitszustand und ihrem Sohn.
    Etwas stimmte nicht, das war ihr seit Wochen klar. Sie lag fast rund um die Uhr nur in ihrem Bett. Nicht, dass sie wirklich müde gewesen wäre - im Gegenteil, an Schlaf war nicht zu denken, nächtelang lag sie oft wach. Es war vielmehr eine niederdrückende Erschöpfung, ein Gefühl als sei sie zu Fuß von Athen nach Rom gewandert und dabei einen Sack Seine getragen. Hinzu kam ein allgegenwärtiges Unwohlsein und wäre nicht der übergroße Appetit, die Claudia hätte sicherlich seit Wochen nichts mehr gegessen. Ohnehin war dies das Ärgerlichste an ihrer Krankheit, das Essen. Stundenlang beanspruchte sie oftmals die flavischen Köche, die ihr besonders ausgefallene und für Außenstehende ausgesprochen widerwärtige Speisen zubereiten mussten. Wie viel genau sie mittlerweile zugenommen hatte konnte sie nicht bestimmen, aber sie wurde dicker, dessen war Antonia sich sicher.
    "Pallas!", rief die auf ihrem Bett liegende, während sie ihre Augen mit einem Arm vor der hereindringenden Wintersonne schützte.
    "Domina?"
    "Hat dieser Trampel Marna wieder das Duftwasser verschüttet? Dieser Geruch... sorgt dafür, dass er verschwindet!"
    Der Sklave runzelte die Stirn. Duftwasser? Er roch absolut nichts, doch er würde sich hüten, der Patrizierin zu widersprechen. In letzter Zeit war sie noch leichter zu reizen als sonst. Wie er diese Aufgabe allerdings erfüllen sollte wusste er noch nicht so recht.
    "W.. wie du wünschst, domina."
    "Und wann kommt denn nun endlich der medicus? Man könnte hier im Sterben liegen und dieser Grieche tränke vorher noch gemütlich Wein in einer Taverne."
    "Wir haben erst vor wenigen Momenten nach ihm schicken lassen, domina."
    "Na und?"
    "Die Gesetze von Raum und Zeit-"
    "Erspar mir dein Gewäsch und tu etwas gegen den Gestank!"
    Pallas verbeugte sich leise seufzend und entfernte sich einige Schritte, um aus dem Sichtfeld der Claudia zu entschwinden.


    Geraume Zeit später ertappte er sich schließlich bei einem breiten, völlig unangemessenen Grinsen. Schuld hieran war der entgeisterte Gesichtsausdruck, den seine Herrin zur Schau trug.
    "Wie meinen?", fragte diese gerade an den medicus gewandt, den sie anblickte als habe er soeben gänzlich unbekleidet eine Mänade um ihr Bett gejagt.
    "Es besteht kein Zweifel."
    "Das ist doch.. das kann doch.. wie?"
    "Nun, ich vermute, dass dein Gatte-"
    "Ich weiß wie man schwanger wird!", fauchte die Claudia ungehalten, bemüht ihre Gedanken zu sortieren. Sie sollte ein Kind bekommen? Nach all den Jahren? Ihr war nach Heulen zumute. Heulen, lachen, tanzen, singen, zittern, springen.. alles zur gleichen Zeit, alle Emotionen kämpften darum, von ihr beachtet und zur Schau getragen zu werden. Sich ihrer restlichen dignitas entsinnend brachte Antonia ihre Mimik wieder unter Kontrolle, ignorierte geflissentlich den unverschämten Gesichtsausdruck ihres Sklaven und wandte sich an den Arzt, welchem sie wort- und gestenreich dankte, ehe sie ihn von Heron hinausbringen ließ.
    "Pallas."
    "Domina?"
    "Hör sofort auf zu Grinsen oder du leistest den flavischen Löwen heute Nacht Gesellschaft."
    "Entschuldige, domina."
    "Und dann.. such meinen Gatten und frage ihn, ob er im Laufe des Tages Zeit für mich hat."
    Dankbar, den Gefühlswallungen seiner Herrin ein Weilchen entkommen zu können, verneigte Pallas sich knapp und schlüpfte hinaus in die Gänge der flavischen Villa.

    Seine Worte lullten sie ein, wie so oft, trieben ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken und ließen sie für einen Moment glauben, dass er tatsächlich meinte, was er sagte. Nichtsdestotrotz war sie dankbar für die Lüge und zwang sich zumindest für den Augenblick nicht zu zweifeln und die kleine Stimme im Hinterkopf zu ignorieren. Als geschehe es zum ersten Mal verfolgten ihre Augen teils neugierig teils furchtsam seine Bewegungen, als er die Decke hob und somit die kühle Luft an ihren warmen Leib drang. Sie schauderte kurz, sog scharf die Luft ein und ertappte sich bei der Überlegung, dass ein im Herbst gezeugtes Kind wohl im Sommer zur Welt kommen würde. In der Hitze, stickigen, schwülen Hitze des Sommers.. sofern die heutige Bemühung denn überhaupt Früchte tragen würde. Minor schließlich hatte jahrelang auf sich warten lassen.
    Ohne Widerstand ließ Antonia sich drehen, verbat sich jedwede Überlegung über das "Warum" und beschloss, dass allein das "Ob" entscheidend war. Er schien zu zögern, verharrte reglos, doch gerade als die Claudia den Kopf wenden wollte, um zu prüfen ob er es sich anders überlegt hatte, oder gar eingeschlafen war, kam Leben in ihn.


    Wie lange der Akt letzten Endes gedauert hatte, hätte die Patrizierin später nicht mehr bestimmen können, allzu einprägsam waren die Handlungen nicht. Doch dies spielte für sie ohnehin nie eine Rolle, das Ziel war schließlich ein anderes, denn Vergnügen zu empfinden. Ihr Gemahl kam neben ihr zum Liegen, atemlos und geschafft. Antonia hingegen, nun gänzlich jeglicher Müdigkeit beraubt, strahlte ihn wach und glücklich an, fuhr ihm gar mit ihrer Hand in einem Anfall von Unbedachtheit über Haaransatz und Wange übers Gesicht. Er hatte seine Pflicht erfüllt, trotz sämtlicher Unzulänglichkeiten ihrer Person.
    Sie drehte sich halb, kam auf dem Rücken zu liegen und überlegte, ob sie den Rat, den eine ihrer Tanten ihr vor vielen Jahren einmal gegeben hatte, berücksichtigen sollte. Um die Empfängniswahrscheinlichkeit zu erhöhen, so hatte sie behauptet, solle die Frau nach dem Akt den Schoß in die Höhe recken und möglichst lange so verharren.
    Sie tat es nicht, starrte nur still an die Decke und schickte im Stillen zahlreiche Gebete an Iuno, sie möge ihnen ein weiteres Kind gewähren.

    Für gewöhnlich war Antonia ein ausgesprochen misstrauischer Mensch. Ging es jedoch um ihren Sohn, jenes kleine, vollkommene Wesen, das ihr ganzes Leben ausfüllte, so waren alle Zweifel vergessen, war sie bereit alles zu glauben, sofern es denn etwas Positives war. Lupus jedenfalls würde sie in ausgesprochen guter Erinnerung behalten. Daher war die Claudia auch bereits wieder versöhnlich gegenüber dem Verhalten Minors eingestellt, kaum hatte der Aurelius geendet.
    "Das hat er in der Tat.", bestätigte sie nicht ohne Stolz und bedachte Lupus mit einem Lächeln, ehe sie versöhnlich den Jungen ansah. "Er ist unser ganzer Stolz und erstaunt selbst seine Lehrer. " Dass Minor jene so offen vorgetragene Lobeshymne zu Kopf steigen könnte nahm sie indes nicht an, war sich die Patrizierin doch seit jeher sicher, dass er die Bescheidenheit seines Vaters geerbt hatte.
    Langsam wurde sich die Patrizierin allerdings der Tatsache bewusst, dass sie den Bräutigam bereits zu lange von den anderen Gästen abhielten und blickte zu ihrem Gatten, die stille Frage im Blick, ob man nicht vorerst Platz machen sollte, um später eventuell erneut das Gespräch zu suchen.

    Langsam glaubte sich Antonia noch in einem Traum gefangen, rieb sich mit einer Hand die müden Augen und wusste nicht recht was sie tun sollte. Eine andere Frau hätte vielleicht erkannt, dass die aufkeimenden Zweifel im Gatten nun auszuräumen waren, dass sie die Initiative ergreifen musste. Die Claudia jedoch hatte dergleichen nie gelernt und war ohnehin nicht fähig bei dieser Thematik mehr zu tun, als im besten Fall zu reagieren, war ihr doch beigebracht worden "es" schlicht über sich ergehen zu lassen. Und selbst das, glaubte sie, könnte sie mittlerweile verlernt haben. So blickte sie unsicher ihren Gatten an, als jener offenbarte die fixe Idee sei einem Traum entsprungen.
    Die eigene Familiengeschichte vor Augen geführt wuchs die Angst, die Linie könne aussterben, überragte nun bei Weitem die Angst zu versagen, sich zu blamieren und Gracchus zu enttäuschen ob ihrer Unfähigkeit. Dass er sie keineswegs zum Beischlaf überreden hätte müssen schien ihm nicht bewusst und wie so oft erkannte Antonia, wie wenig sie beide sich eigentlich kannten und dass es eigentlich ein Wunder war, dass sie ein so vollkommenes Wesen wie ihren Sohn hatten zustande gebracht. Kurz zuckten ihre Lippen nach oben. Schließlich nahm sie jedoch all ihren Mut zusammen und zuckte mit den Schultern.
    "Du musst mir nichts erklären, Manius.", sagte sie zögerlich. "So es in meiner Macht steht, werde ich nichts lieber tun als dir weitere Kinder zu schenken, sei dir dessen versichert." Wie sehr hatte sie sich in den letzten Jahren gewünscht Minimus Geschwister an die Seite geben zu können. Dass es vielleicht noch möglich wäre hatte sie aber seit Langem nicht mehr zu hoffen gewagt.

    Nicht im geringsten zufrieden gestellt ob Gracchus' Antwort schürzte Antonia die Lippen. Nachdenklich betrachtete sie die Miene ihres Gemahls, die so frei von jedweder Schuld und schlechtem Gewissen schien. Die Erfahrung lehrte sie jedoch, dass dies rein gar nichts zu bedeuten hatte, schließlich war Gracchus Politiker und somit mehr als geübt im Lügen. Wenngleich sie niemals hätte angenommen, dass der vollkommene Gemahl mutwillig und in böser Absicht jemals die Wahrheit verdreht hätte, ohne das Beste im Sinn gehabt zu haben.
    "Hm.", war also alles, was sie zu jener Thematik noch sagte, ehe auch sie an ihrem Wein nippte. Stattdessen nahm sie sich vor ihre eigenen Quellen diesbezüglich zu Rate zu ziehen.


    Gerade hatte sie ihren Becher wieder abgestellt, als Gracchus etwas von weiblichen Septemviri sagte. In gänzlich flavischer Manier zog sie eine Augenbraue empor, fixierte ihren Gemahl um zu ergründen, ob jener sie vielleicht auf den Arm nahm. Doch nein, es schien sein Ernst zu sein, tatsächlich schienen die Septemvirn eine solche Bitte vorgetragen zu haben. Auch sie kam nicht umhin amüsiert zu schmunzeln. "Wie kommt man nur auf derlei Gedanken?", fragte sie, ohne den belustigten Unterton aus ihrer Stimme zu verbannen. "Weibliche Septemviri.. ein köstlicher Einfall. Allein die Vorstellung.. " Ein kurzes Kichern entfleuchte ihrer Kehle, als sich eine Frau vor ihrem inneren Auge manifestierte, die die Pflichten jenes Collegiums ausübte. Lächerlich. Generell waren Antonia und Gracchus sich wohl in nichts ähnlicher, als in ihrem traditionellem Denken. Die Claudia war, gelinde gesagt, ausgesprochen altmodisch erzogen worden. So wollte ihr absolut kein Grund einfallen, warum eine Frau überhaupt den Wunsch hegen sollte, ein solches Amt auszuüben. Noch mehr verwunderte sie jedoch der Umstand, dass wohl nicht alle Pontifices dieser Bitte abgeneigt waren.
    "Es ist kein Wunder, dass die Sitten verrohen und die alten Traditionen verwässern, wenn in einem Gremium wie dem Collegium Pontificium ernsthaft über solche Dinge nachgedacht wird. Und die sibyllinischen Bücher.. unglaublich. Als wäre die Antwort nicht mehr als offensichtlich." Die Belustigung mischte sich mit Unglauben, wenngleich sie sich nicht vorstellen konnte, dass es tatsächlich jemals einen weiblichen Septemvir würde geben. Allerdings hatte der Flavius nun sein Ziel erreicht. An Virginia dachte Antonia jedenfalls nun nicht mehr.

    Augenscheinlich nicht minder folgsam als ihr Sohn hatte Antonia an diesem Tag Aufstellung an der Seite ihres Gatten genommen und bereits freigiebig ihr Lächeln gepaart mit einem freundlichen Zunicken an einige der ihr bekannten Gäste verteilt. Es war, wie ihr schien, schon viel zu lange her, dass dieses Haus eine fröhliche Feier genießen durfte, doch mochte dieser Eindruck schlicht auch von dem schweren Schicksalsschlag rühren, der die Familie vor nicht allzu langer Zeit erschüttert hatte. Umso froher war sie, durch einen freudigeren Anlass hiervon vielleicht ein wenig Ablenkung zu finden. Ganz abgesehen davon, dass sie so wieder einige neue Gesichter kennen lernen konnte.


    Zu Hochzeiten pflegte die Claudia sich stets ein wenig zurückzuhalten mit Prunk und Glamour, war sie doch schließlich der Ansicht, dass an einem solchen Tage nur eine Frau, die Braut, im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen sollte. So stach sie mit ihrer schlichten tiefblauen, aber fein gearbeiteten Tunika mit den leicht schimmernden Stickereien nur dann aus der Menge, wenn die sie umgebenden Personen absolut uninteressant waren. So zumindest hoffte sie. Nach der Vorstellung des Bräutigams begrüßte sie Selbigen freundlich. Sein Kompliment ließ ihr Lächeln einen Moment länger in ihrem Gesicht verweilen, ehe sie mit gewisser Zufriedenheit vermerkte, wie der Aurelius mit ihrem Sohn sprach.
    Es folgten seinerseits einige Verwandte des Bräutigams. Achja, die aurelischen Zwillinge. Gehört hatte Antonia schon von ihnen, sie bildete sich auch ein sie irgendwann einmal gesehen zu haben, an ein Gespräch entsann sie sich jedoch nicht und so nickte sie höflich.
    "Salvete.", grüßte sie beide, ohne nun wirklich zu wissen welche eigentlich welche war. "Sehr erfreut."
    Sie ertappte sich beim Gedanken sich vorzustellen wie es wäre hätte sie selbst einen Zwilling. Prompt fielen ihr zahlreiche Gelegenheiten ein, zu denen sie einen solchen Umstand begrüßen würde, könnte sie in ihrer imaginären Welt die Schwester doch zu allerlei ungeliebten Pflichten vorschicken. Andererseits bereitete ihr Gedanke wiederum Unbehagen, schließlich ließ sich dieses Spiel auch umgekehrt spielen und ein Zwilling war kein befehlsgewohnter Sklave.
    Ihr Blick erfasste das erstaunte Gesicht Minors. Hätte sie an Gracchus Maiors Stelle gestanden, sie hätte den Jungen wohl kurz angestuppst, um ihn aus seiner Starre zu reissen, so jedoch musste sie leise das Worte an ihn richten. "Minimus, mein Herz, es ist unhöflich andere Menschen derart anzustarren." Sanft vorgetragen, blieb jener Ausspruch dennoch eine Zurechtweisung, ein kleiner Makel in Minors Erziehung, für welchen sie niemand geringerem als sich selbst die Schuld gab. Gewissermaßen maßregelte sie also sich selbst. Zumindest in ihrem kleinen Kosmos.
    Ob solcher Überlegungen hatte sie in jenem Moment gar keine Zeit ob Gracchus' Komplimente an die beiden Aurelias - und irgendwie doch nur an die eine, schließlich sahen sie gleich aus - eine Eifersucht zu entwickeln. Sicherlich aber würde ihr Unterbewusstsein fortan den restlichen Abend ein besonderes Augenmerk auf sein Verhalten gegenüber sämtlichen anwesenden Damen richten und bei nächstbester Gelegenheit jenes als Waffe zu verwenden wissen.

    Der Geruch des Fisches kitzelte Antonia in der Nase. Fast strafend war daher ihr Blick, als sie die geschuppte Mahlzeit beäugte, was jedoch nur zur Folge hatte, dass ihr Appetit umso mehr wuchs. Sie presste die Kiefer stärker aufeinander, als könne der reine Druck den Magen davon überzeugen, dass es bereits genug war. Neidisch hingegen wurde ihr Blick, als sie sich wieder an ihren Gemahl wendete, der so gänzlich ohne Sorgen um Zu- oder Abnahme sich den Speisen widmen konnte. Gerade noch rechtzeitig konnte sie ein Seufzen unterdrücken.
    Philonica. Ein Name, den sie beim nächsten Treffen der High Society Harpyen wohl würde fallen lassen, um zu hören, wie das Mädchen sich bislang auf Festivitäten und sonstig in der Öffentlichkeit benommen hatte. Allerdings glaubte sie nicht allzu viel zu hören, auf Kinder achteten ihre Freundinnen eher weniger.
    Selbstredend wäre es Antonia lieber gewesen, wäre ihr Vater bereits verdienter Consul oder etwas Ähnliches gewesen, doch der Umstand, dass sie eine Cornelia war genügte im Grunde genommen, um sie bereits für das Mädchen einzunehmen, war doch das größte Vorbild der Claudia jene Cornelia, welche mit so viel Würde und Aufrichtigkeit das Schicksal ihrer Söhne, namentlich beide ein Gracchus, ertragen hatte und seit jeher Sinnbild für weibliche dignitas war.


    Aufgrund des weiteren Essensverzehrs und nicht etwa ob seiner Worte hing Antonia schließlich weiterhin an Gracchus' Lippen, nickte zustimmend zur Cena und nickte ebenso, als die Sprache auf die junge Gattin des Cornelius kam. Natürlich hatte man sich bereits über jenes ungleiche Paar die Mäuler zerrissen, auch wenn ein großer Altersunterschied in ihren Kreisen nicht das Seltenste war.
    "Ich hatte das Vergnügen Virginia neulich in den Thermen kennen zu lernen.", erwiderte sie. "Allerdings war sie recht zurückhaltend. Die anwesenden Damen haben sie vermutlich ein wenig eingeschüchert."
    Was Antonia nur zu gut verstehen konnte. Wäre sie in Virginias Alter, ihr wäre es wohl ähnlich ergangen. Genau genommen war es ihr in Virignias Alter ähnlich ergangen. Manche Dinge änderten sich eben nie. Ein wenig war sie jedoch irritiert durch die Aussage ihres Gatten, die junge Frau sei eine angenehme Person. Von Natur aus mit einer gehörigen Portion Eifersucht und nicht minder großem Misstrauen ausgestattet. Schließlich war Gracchus ein Mann.. ein Mann, der seiner Frau seit einer Ewigkeit nicht beigelegen hatte. Ergo musste er sich sein Vergnügen andernorts suchen. Die Frage war lediglich wo und mit wem. Eine Lupa oder eine Sklavin hätten Antonia nicht weiter gestört, eine freie Frau hingegen war eine andere Sache.
    "Und natürlich möchte ich dem Gespräch gerne beiwohnen.. allein schon um unsere künftigen Verwandten besser kennen zu lernen. Sag.. woher kennst du Virginia denn?"

    "Wir müssen ein Kind zeugen, Antonia.", hallte die Stimme des Wesens durch den Raum, während es ihre Hand packte, bereit sie an sich zu reissen, um zu nehmen, weshalb es gekommen war. Doch als es sich bewegte, das Licht sich umzuformen schien und die Gestalt anders umfloss, zeichnete sich ein Gesicht im schwarzen Schemen ab. Jenes Gesicht, das sie als allerletztes zu dieser Zeit an diesem Ort erwartet hätte. Jenes Gesicht, das am meisten sie sich hierher gewünscht hätte, wenn nicht vor langem schon sie jegliche Hoffnung hätte aufgegeben. So wich sie nicht weiter zurück, als ihren Gatten sie endlich hatte erkannt, gab die angespannte Haltung auf und sackte gar ein wenig nach vorne. Auch die Hand, soeben noch zittrig, nun wieder ruhig, zog sie nicht zurück, reflektierte stattdessen noch einmal, was sie gehört hatte. Ein Kind zeugen? Wäre sie nicht seit Jahren der Überzeugung gewesen, ihrem Gatten genüge der eine Sohn, brauchte keinen weiteren, um das Erbe zu sichern, sie wäre wohl weniger verwirrt gewesen. Nie hatte es ihn nach ihrem Leib gedürstet, nie hatte er etwas verlangt und so hatte Antonia sich mit dem Leben einer halben Vestalin abgefunden, überzeugt davon, dass etwas an ihr den Gemahl ungeheuerlich abschrecken musste. Und es gab nichts, das sie tun konnte, nichts, das sie an sich ändern konnte, um jenen Umstand zu ändern.
    Daher hätte er wohl ebenso gut offenbaren können, er wolle sich nun zur Ruhe setzen, um Tauben in Germania zu züchten, die Claudia hätte gleichermaßen erstaunt und ungläubig ausgesehen. Die folgenden Worte indes vermochten Antonias ohnehin stets existente Angst, Minor könne irgendetwas zustossen, ins Unermessliche zu steigern. Sonstig war es Gracchus, der jene Angst zurückstutzte. Doch nun, ohne Stimme der Vernunft im Raume, wuchsen die dunklen Augen Antonias auf Untertellergröße an.
    "Wenn ihm etwas.. Manius!", keuchte sie schließlich, als Gracchus die zahllosen Möglichkeiten aufzählte, wie ihr Sohn, ihr kleiner Gracchus, ihr gesamter Lebensinhalt, zu Tode kommen könnte. Ihre Hand grub sich in die Seine, klammerte sich am Vater jenes Kindes fest, dessen mögliches Ableben Grund für den nächtlichen Besuch war. Vergessen war mit einem Mal die anfängliche Bitte, das Verlangen ein weiteres Kind müsse gezeugt werden. Ohnehin war Antonia der Gedanke zuwider, man könne Minor ersetzen. Selbiges war selbstredend unmöglich. Doch hegte sie seit Langem den Wunsch weiterer Kinder, wagte jedoch nie den Gemahl hierauf anzusprechen.
    Seine Hand löste sich schließlich von ihr, griff stattdessen nach den schmalen Schultern, während Antonia selbst kraftlos schien, nicht fähig sich dem aufbebenden Irrsinn entgegen zu stellen. Ihre Gedanken kreisten um den Sohn, der derzeit friedlich in seinem Bett lag und nichts von den Ängsten seiner Eltern ahnte.
    "N.. nein?", erwiderte sie zaghaft, mehr Frage denn Antwort, auf den letzten Satz Manius Maiors, ohne recht zu wissen, ob er tatsächlich eine Antwort haben wollte, oder sie sich schlicht zurücklehnen und ihn tun lassen sollte dessentwegen er gekommen war. "Aber.. wie kommst du denn nur auf so etwas Schreckliches?

    Düster und still umhüllte das Cubiculum der Claudia die Schlafende, barg sie sicher und warm wie ein Kokon die Raupe. Nur Apollo und Merkur, Präsente ihres Gemahls, legten wachend ihre steinernen Augen auf die Patrizierin, während jene durch die Welt des Morpheus wandelte. Ein Teil von ihr nahm wohl wahr, dass jemand den Raum betrat, hörte sie doch im schwummrigen Graublau des Traumes leise Schritte, wandte sich um, um zu sehen wer ihr Nahe kam, doch konnte sie niemanden sehen.
    In der realen Welt äußerte sich dies lediglich durch ein leichtes Wechseln der Schlafposition, sie drehte sich um, hin zur Türe und somit das Gesicht zum näher kommenden Flavius. Ein wohliges Seufzen zeigte, dass es wohl kein Alptraum war, der sie gefangen hielt, bis sie schließlich etwas aus ihrem Schlummer riss, einem Erdbeben gleich die Traumwelt erschütterte und sie in die Schatten der Villa Flavia zurückholte. Widerwillig brummte sie, hob automatisch eine Hand zu ihren Augen, um jene zu reiben und den Schlaf zu vertreiben. Kaum jedoch hatte sie dies getan und einige Strähnen ihres dunklen Haares sich aus dem Gesicht gestrichen um zu sehen, wer sie mitten in der Nacht weckte, ergriff blanke Panik sie. Nicht jemand, sondern vielmehr etwas schien neben ihr zu sein, ein Wesen umhüllt von Licht, gekommen um sie zu holen, sie fortzureissen von ihrer Familie und aus ihrem Leben. Kein Gesicht, keine erkennbare Gestalt schien es zu haben, nur eine dunkle, formlose Hülle, vor der selbst die Strahlen der Luna weichen mussten.
    Mit einem Mal war die Müdigkeit vergessen, Antonia riss die Augen auf und den Körper empor, sodass sie aufrecht in ihrem Bett saß, das Laken schützend gegen die Brust gedrückt, während sie zugleich größtmöglichen Abstand zwischen sich selbst und jenes Wesen zu bringen suchte, indem sie zurückrutschte, bis an den Rand ihres Lagers. Ein heller Schrei durchbrach die nächtliche Stille, oblgeich die Claudia wusste, dass gegen jene Kreatur wohl weder Schreien, noch Bitten, noch Flehen etwas nutzen würde. Die freie Hand hob sie zitternd empor, eine letzte schwache Barriere zwischen ihr selbst und dem Wesen.

    Mit großem Interesse verfolgte Antonia Petronillas Erzählung und in der Tat schien im Raum während der Erfahrungsberichte andächtiges Schweigen zu herrschen. Die Claudia schenkte indes jeder Frau, die die Erzählende unterbrach, einen leicht tadelnden Blick. Da sich nun herausstellte, dass die Vinicia vom Praefectus Urbi nicht gänzlich abgestoßen war, galt es als nächstes wohl herauszufinden, ob sie beide hier einen ähnlichen Geschmack hatten, oder ob Petronilla als Plebejerin vielleicht eine geringere Hemmschwelle hatte, was flegelhaftes Benehmen anging. Antonias Vorurteile diesbezüglich hatten sich auch nach jahrelanger Bekanntschaft mit der nobilitas aus plebejischem Hause nicht recht Abbauen wollen. Zumindest die Skrupellosigkeit des Potitiers schien außer Frage zu stehen.
    Dem Trinkspruch der Aelia Folge leistend erhob Antonia schließlich mit den anderen ihr Glas und trank einen Schluck. Es folgten die Schilderungen der anderen Anwesenden, die jedoch nichts Neues brachten und Antonia daher nur ein schwaches Lächeln entlockten. Das Sommerfest indes ließ die Claudia unkommentiert, wusste sie doch, wie ungern ihr Gemahl sich auf derlei Feierlichkeiten begab. Irgendwie jedoch würde sie ihn allerdings dort hinbekommen, sollte es stattfinden. Schließlich war er heute schon dem öffentlichen Auftritt entgangen durch den Umstand, dass es eine reine Frauenrunde war. Beim folgenden Gang griff Antonia zu einem kleinen Stück Wildschwein, während Hirpina dankbar die Frage Vespas aufgriff, um nun ihrerseits mit einem Exklusivbericht auftrumpfen zu können.
    "Oh, habt ihr schon das Neueste über den Proconsul in Gallien gehört?" Ein Blick in die Runde verriet ihr, dass dem offenbar nicht so war und so gestattete sie sich ein zufriedenes Lächeln. Gestenreich und mit vielen kleinen Pausen, um die Spannung zu steigern berichtete sie also, wie der Proconsul Curtius Philo angeblich mit der Ehefrau seines Procurators in flagranti ertappt worden war - vom Procurator selbst, in dessen eigenem Hause. Sie selbst habe durch eine Tante hiervon erfahren, die mit einem der dortigen Beamten verheiratet sei. Longina indes hatte von einer Freundin in Lutetia gehört, dass nicht die Gattin des Procurators, sondern der Procurator selbst mit einer anderen erwischt worden sei. So entbrannte umgehend eine Diskussion, welche Version nun wohl der Wahrheit entsprach.
    "Ach, übrigens", meinte Longina schließlich, als sich kein rechter Konsens zu finden schien, "Wann, glaubt ihr, wird der Kaiser einmal wieder in der Stadt sein? Er ist nun schon so lange auf dem Land, er wird Rom doch nicht gänzlich vergessen haben?"

    Sim-Off:

    Sorry, total übersehen :/


    Ausgesprochen glücklich über die Bereitwilligkeit ihres Gemahls, sie zur zurückgekehrten Freundin zu begleiten, schenkte sie ihm ein seltenes Lächeln und war fast gewillt, ihm den Fauxpas ihrem Sohn gegenüber zu vergeben. Schon schweifte sie ab in Gedanken zu ihrem Kleiderschrank, welcher, sie war sich sicher, für eine solche Gelegenheit absolut nichts beinhaltete, das sie anziehen konnte. Fürchterlich, sie würde schon wieder eine Schneiderin kommen lassen müssen. Doch welche Opfer brachte man nicht, um als Senatorengattin angemessen auszusehen.
    "Ich bin mir sicher, wir werden viel Interessantes erfahren. Zwar besitze ich einen Sklaven aus Britannia, doch nach seinen Erzählungen ist es dort keineswegs so wild und verroht, wie man sich dies gemeinhin vorstellt. Ich fürchte jedoch, so zuverlässig er für gewöhnlich ist, dass dies nicht zutrifft. Schließlich kann er nur aus der Sichtweise eines Sklaven berichten."
    Mit einem Schulterzucken wandte sie sich den sich leerenden Essensplatten zu und griff zielsicher nach ihrem gewässerten Wein. Während sie den bereitstehenden Sklaven mit einem dezenten Nicken zu verstehen gab, die Anweisung des Gemahls zu befolgen und zugleich den nächsten Gang aufzutragen. So entschwanden nach und nach die Reste der Siebenschläfer und machten stattdessen Widdererbsen, gedörrten Feigen, Schweineeutern, Gänseleber, Fisch sowie den obligatorischen Saucen platz. Oblgeich Antonia der Geruch allein schon hungrig machte, nippte sie zurückhaltend an ihrem Becher. Gracchus bedachte sie schließlich mit einem neugierigen Blick über den Becherrand, als er die Sprache auf die Zukunft des Sohnes brachte.
    Einem Teil in ihr - einem sehr großen Teil - widerstrebte es ausgesprochen, den Sohn eines Tages an eine andere Frau abtreten zu müssen. Jedoch wusste sie, dass es nötig war, ebenso wie es bei ihr selbst und Generationen vor ihr gewesen war. Sie stellte den Becher ab und schürzte die Lippen. In Gedanken sortierte sie bereits die fallenden Namen, wog Für und Wider ab und überlegte, welche jungen, unverheiratete Frauen es gab, die nicht bereits versprochen waren. Tiberia, Cornelia, Aurelia.. Alle schienen durchaus geeignet, doch welcher Familie sollte die Ehre - und eine Ehre war es zweifellos - zuteil werden, dem einzigen Spross aus der flavisch-claudischen Verbindung eine Ehefrau zur Seite stellen zu dürfen.
    "Ich denke", meinte sie schließlich, betont langsam und noch beim Nachdenken, "dass wir die Aurelia vorerst aus unseren Überlegungen auslassen sollten und uns auf die Cornelier und Tiberier konzentrieren. Eine Bindung zu festigen ist gewiss nicht falsch, doch scheint mir sinnvoller, das familiäre Netz etwas weiter zu knüpfen." Mit kurzem Stich im Herzen legte sie ihren Blick auf Minor. Wenigstens, so tröstete sie sich, konnte sie mitbestimmen mit wem ihr Sohn sein Bett teilen sollte. Gewiss, die finale Entscheidung würde ihr Gemahl treffen, aber möglicherweise war er empfänglich für ihren Rat und ließ sich im zweifelsfall sogar umstimmen.
    So jonglierte die Patrizierin im Kopf mit den möglichen Kandidatinnen, während sie sich insgeheim fragte, ob ihre Verwandten seinerzeit ähnliche Überlegungen bei ihr selbst angestellt hatten, oder ob die Flavier auf sie zugekommen waren. "Ich persönlich würde zur Cornelia tendieren. Eine Verbindung zu den Corneliern ist ohnehin seit Jahren überfällig und auch wenn ich Tiberius Durus und die Frauen seiner Familie überaus schätze, so glaube ich ist Scapulas Nichte die passendere Ehefrau für Minimus."

    Die Frage nach einem Namen war zweifellos eine heikle und dennoch ausgesprochen informative Sache, kristallisierten sich so doch sehr schnell die verschiedenen Lager heraus, denen die Gesprächspartner angehörten. Während die Vinicierin sich jedoch damit begnügte, allein den Stand der Frevlerin zu bekräftigen, flogen von anderer Seite schon einige Namen durch den Raum. Eine Patrizierin.. schändlich. Mit einem Ausdruck der Melancholie nickte sie zustimmend, was das Fehlen von Tugenden und Traditionen anging.
    Die Aelia indes saß zweifellos an einer recht guten Quelle, war sie doch zum einen mit dem Praetorianerpräfekten verheiratet und zum anderen mit dem Kaiser verwandt. Früher oder später würde der Name zwar sicherlich ans Licht kommen, doch war Antonia neugierig und prestigesüchtig genug, um eine der ersten sein zu wollen. Daher lächelte sie zufrieden, als Vespa anbot, jedwede Neuigkeit mit ihnen zu teilen. Da jedoch auch das Collegium Pontificium, dem ihr eigener Gemahl angehörte, diesbezüglich zugezogen werden würde, hatte sie die Hoffnung, vielleicht eine eigene, sehr ergiebige Quelle zu haben. Ein Umstand, der wohl auch Fulvia bewusst war.
    "Antonia", richtete sie das Wort an die Claudia. "Steht denn schon fest, wie die Pax Deorum wieder hergestellt werden soll? Gracchus wurde doch gewiss bereits in eine Sitzung gerufen?"
    Sie hatte keine Ahnung. Tatsächlich hatte sie ihren Gatten nicht gesehen, seit sie von jenem Frevel erfahren hatte. Doch schien es ihr besser, jenen Umstand nicht allen zu offenbaren. Eine nicht ausgesprochene Unwissenheit vermochte schließlich ebenso ein gut gehütetes Geheimnis sein, das die Neugierde anderer umso größer wachsen ließ.
    "Es ist noch nichts beschlossen.", erwiderte sie also kryptisch. "Aber du wirst verstehen, dass ich leider noch nicht mehr berichten kann, das Collegium sollte unbeeinflusst beraten können."
    Jene Antwort schien die andere Patrizierin ein wenig zu enttäuschen doch zugleich, wie Antonia gehofft hatte, glomm der Funken der Wissbegierde in ihr auf. Irgendwie würde sich das sicherlich noch nutzen lassen. Manus manum lavat, wie es so schön hieß.


    Das Thema Frevel erweiterte sich schließlich auf ein anderes Gebiet. Der Praefectus Urbi war seit er auf der Bildfläche der großen Politik erschienen war stets ein beliebtes Ziel allerlei Gerüchte gewesen. Kein Wunder, scheute er sich doch nicht davor sich überall Feinde zu machen. Auch Antonia mochte den Mann nicht besonders, sein Verhalten gegenüber den Patriziern war, gelinde gesagt, ungeheuerlich. So rümpfte die Claudia kurz die Nase, als sein Name fiel und schenkte Longina einen zweifelnden Blick.
    "Ein Zeichen, dass der Gute Varisidius besser auf seine Füße achten sollte.", kicherte Hirtuleia. "Hätte Salinator damit zu tun, sicherlich wäre sein Genick und nicht sein Bein gebrochen."
    Hierfür erntete sie einen erschrockenen Blick von Longina.
    "Hirtuleia!"
    "Ach, Longina, tu doch nicht so unschuldig. Du weißt genau, wie es in der großen bösen Welt zugeht."
    Nachdenklich studierte Antonia das Gesicht Longinas, die sich nun einen kleinen Schlagabtausch mit Hirtuleia lieferte - eine für, eine gegen Salinator. Sie selbst hütete jedoch ihre Zunge, wenn Longina so begeistert von diesem Despoten war, rannte sie am Ende nach dieser Feier zu ihrem Mann und erzählte brühwarm von angeblichem Verrat am kaiserlichen Vertreter. Dumme Gans. Doch Hirtuleia schien ihrer Freundin soweit zu vertrauen, dass sie dergleichen nicht fürchtete.
    Schweigend nutzte sie indes die Vorspeise, um die Gesichter der anderen zu mustern. Fulvia hatte sich inzwischen Hirtuleias Tochter zugewandt, während Hirpina die Diskussion verfolgte. Die beiden Frauen, mit denen sie sich die Kline teilte bedachte sie mit einem kurzen, unschuldigen Blick, ehe sie sich eine Olive erlaubte.
    "Ich sehe schon, wir werden uns nicht einig, Herzchen.", beendete Hirtuleia schließlich mit entnervter Miene die Diskussion und benetzte ihre Kehle mit einem Schluck Wein. Longina indes wirkte, als sei ihr Kopf mehrere Male gegen eine massive Wand gedonnert worden.
    "Ich muss gestehen", ließ Antonia sich vernehmen, "Salinator bislang nur aus Erzählungen zu kennen. Hatte jemand von euch denn schon das.. Vergnügen seine Bekanntschaft zu machen? Ist er tatsächlich ein so ungehobelter Mensch?"

    Wie nicht anders zu erwarten war dauerte es nicht lange, bis weitere Gäste eintrafen. Vinicia Petronilla kam direkt nach Antonia. Gesehen hatte die Claudia jene Dame in rot noch nie, lediglich das ein oder andere gehört. Genug, um ihr freundlich zuzulächeln. "Vinicia.", erwiderte sie auf die Begrüßung. "Sehr erfreut." Und schließlich traf auch eine Aelia ein. Die Flavier hatten geraume Zeit lang ein recht angespanntes Verhältnis zur kaiserlichen Familie gehabt, wenn es sich auch in jüngerer Vergangenheit ein wenig zu entspannen schien. Darob zögerte die Patrizierin kurz, unschlüssig ob es nun im Sinne ihres Gatten war, weiter den Versöhnungskurs zu fahren oder besser auf Abstand zu gehen. Schaden, so entschied sie letztlich, konnte eine Annäherung nicht und so schenkte sie auch Vespa ein Lächeln. "Schön dich kennen zu lernen."


    Lange sollten sie jedoch nicht verweilen, geleitete die Gastgeberin die drei Neuankömmlinge doch flugs ins Triclinium, wo die beiden bereits anwesenden Gäste warteten und den Musikern lauschten. Kurz zuckten Antonias Mundwinkel nach oben, hatte Lartia doch offenkundig weder Kosten noch Mühen gescheut, um nicht nur den Ohren sondern auch den Augen der weiblichen Gäste angenehme Zerstreuung zu sichern. Ihr Blick glitt jedoch nur kurz über die schönen Gesichter - und Körper - ehe sie sich auf der ihr zugewiesenen Kline niederließ.
    "Nun spanne uns nicht auf die Folter, Herzchen.", ließ sich Fulvia mit schelmischem Grinsen vernehmen. "Wer fehlt denn nun noch?"
    In der Tat, um alle Plätze auszufüllen waren wohl noch zwei weitere Gäste vonnöten. Aber Lartia winkte nur ab. "Du wirst sie noch früh genug sehen. Ohnehin ist glaube ich heute niemand hier, den du noch nicht kennst."
    Schade. Antonia wäre ebenfalls neugierig auf die anderen gewesen. Nun hieß es jedoch sich in Geduld zu üben.
    "Dann", schaltete Longina sich ein, "müssen wir mit den brisanten Geschichten wohl noch warten, bis alle anwesend sind?"
    "Ach, nicht doch, wer nicht zur rechten Zeit eintrifft, hat eben Pech gehabt."
    Just in diesem Moment flatterte jedoch eine recht aufgebrachte Dame mittleren Alters ins Triclinium, einen erschrockenen Sklaven im Schlepptau, der offenbar nicht fähig gewesen war, die Gastgeberin über die neue Besucherin zu informieren, ehe jene sich den Weg freikämpfen konnte.
    "Ihr glaubt nicht was geschehen ist!", keuchte die Frau, namentlich Ovia Hirpina, und drückte eine Hand in einer Geste des Unglaubens auf ihre Brust. "Es ist ungeheurlich! Ein Skandal! Schrecklich! Schreeeeeecklich!"
    Hirpina. Antonia verzog kurz das Gesicht. Sie mochte die Ovierin nicht besonders, zu laut und indiskret war ihr ihr Verhalten. Doch Lartia hatte sicher ihre Gründe, jene Person einzuladen. Lartia war es nun auch, die sich mit gerunzelter Stirn von ihrer Kline erhob und mit ausgestreckten Armen auf Hirpina zuging. "Hirpina, beruhige dich doch. Was ist denn nur geschehen?"
    "Diana!", jappste die frisch Eingetroffene. "Der heilige Hain der Diana wurde aufs Übelste geschändet!"
    Erstaunt tauschten einige der Anwesenden fragende Blicke aus, andere schienen ein wenig verstimmt ob der Tatsache, nicht selbst die Neuigkeit verkünden zu können.
    "Eine Frau soll dort mit drei Priestern wildeste Unzucht getrieben haben und anschließend einen der Liebhaber dem Pluto geopfert haben!"
    "Unsinn.", schaltete Fulvia sich ein. "Eine Patrizierin ist dort geschändet worden, von fünf ihrer Sklaven und ihr Liebhaber aus der Priesterschaft hat sich deshalb selbst getötet."
    "Also ich habe gehört", klinkte Antonia sich schließlich ein, "dass 'nur' ein Mann im Spiel gewesen sein soll. Und um den Frevel zu verschleiern habe die Frau, angeblich die Gemahlin eines Flamen, ihren Liebhaber umgebracht."
    Das war zumindest die Version der Geschichte, die ihr selbst am Glaubhaftesten schien, schließlich neigte der Pöbel dazu, jeden Skandal noch um einiges mehr aufzubauschen. Wie viele Versionen sie jedoch insgesamt schon gehört hatte wusste sie schon nicht mehr aufzuzählen. Allein in der Villa Flavia gab beinahe jeder Sklave eine andere Geschichte zum Besten.

    Für nichts in der Welt hätte Antonia es sich nehmen lassen, an diesem Tag die Casa ihrer Freundin Lartia aufzusuchen. Schließlich war es bereits Abends und ihr Sohn Minor - einziger wirklicher Grund, aus welchem sie des Öfteren öffentlichen Veranstaltungen und Festivitäten fernblieb - bereits im Bett, nicht erkrankt und auch Alpträume hatten sich in jüngerer Vergangenheit nicht manifestiert. Da männliche Begleitung an jenem Abend nicht erwünscht war, hatte Antonia auch ihren Gemahl nicht beknieen müssen, sie zu begleiten. Ein Umstand, der sicherlich beiden nicht ganz unrecht war, obgleich die Claudia sich durchaus gerne an der Seite des Gatten zeigte. Dies jedoch sollte wohl ein Frauenabend werden - es versprach also interessant zu werden.
    Verschmitzt lächelnd ob dieser Gedanken, schickte Antonia, gerade vor der Casa angekommen, mit einem Wink ihren Sklaven Pallas los, um an die Tür zu klopfen. Sie selbst blieb in ihrer Sänfte, aus der sie jedoch schon kurze Zeit später entsteigen und die Casa betreten konnte. Selbstredend nicht ohne dass eine ihrer Sklavinnen dienstbeflissen die Stoffbahnen ihrer bläulich schimmernden Palla zurechtzupfte. Die leichte, nachtblaue Tunika hingegen schwang locker um ihre Knöchel, als sie das Atrium betrat. Ausgesprochen hübsch war es hergerichtet worden, wie Antonia fand. Lartia hatte also entweder ein glückliches Händchen bei der Wahl ihres Raumaustatters gehabt, oder in Britannia doch nicht alles verlernt, was Dekoration anging. Ein dezenter Duft nach Blumen hing in der Luft, als eine lange nicht mehr gehörte Stimme an das Ohr der Patrizierin drang.
    "Antonia, meine Liebe!", erklang Hirtuleia Lartias hohe Stimme aus Richtung des Tricliniums. "Wie ich mich freue dich wiederzusehen! Sieh dich nur an, das blühende Leben."
    Flugs war sie herbeigeeilt, umarmte die Freundin leicht und hauchte zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Antonia, die sich sicher war verglichen mit ihrem letzten Zusammentreffen nicht wie das blühende Leben auszusehen, quittierte Lartias Aussage mit einem schiefen Lächeln.
    "Du hättest Politiker werden sollen, Lartia, lügst ohne rot zu werden." Ein kurzes Zwinkern nahm den Worten die Ernsthaftigkeit. "Rom hat dich sehr vermisst. Es ist schön, dass du wieder bei uns bist."
    "Ach, ja.. Britannia.. ich sage dir.. doch ich will nicht klagen, heute ist schließlich ein Tag zum Feiern. Fulva und Longina sind bereits anwesend, ich denke die anderen werden auch in den nächsten Minuten eintreffen."
    Fulva und Longina. Sieh an. Besonders durch Fulva versprach dies in der Tat ein interessanter Abend zu werden, war sie doch ein nahezu unerschöpflicher Quell an Klatsch und Tratsch. Vorfreudig schmunzelte die Claudia.