Sie drängten sich weiter durch die Straße, vorbei an feilschenden Käufern, an Nachbarschaftsgesprächen, an Gemecker und Gekeife, wie an dem stummen Hin- und Hereilen dutzender geschäftiger Bürger. Erst als sie eine schmale Gasse durchquerten, eine nicht ganz so belebte Abkürzung, hob Sciurus wieder zu sprechen an. "Merke dir, es ist wichtig, deine Freunde zu kennen, doch es ist noch wichtiger alles über deine Bezugsquellen, wie über deine Feinde zu wissen." In Sciurus' Fall bedeutet dies, alles über jeden zu wissen, denn er hatte keine Freunde, nur Bezugsquellen, von welchen er manche als Verbündete bezeichnen würde, müsste er sie weiter kategorisieren, doch üblicherweise war dies nicht notwendig, sowie sicherlich auch einige Feinde.
"Weiters, scheue dich nicht, dir dessen bewusst zu sein, was du bist, und auch nicht, dies deinem Gegenüber klarzumachen." Er blieb stehen und suchte kurz, doch durchdringend den Blick der jungen Sklavin. "Allerdings nur, wenn du dir dessen sicher bist, was du bist. Ein verärgerter Händler, der bei deinem Herrn Aristides deinetwegen aufschlägt, führt vermutlich eher zur Peitsche für dich. Ein solcher, der meinetwegen bei meinem Herren auftaucht, riskiert nicht nur, seinen Kunden zu verlieren, sondern ebenso seine Lizenz. Eines Tages wirst du vielleicht genauso wertvoll für deinen Herrn sein - wenn du nicht vorher bei den Löwen landest." Ein dünnes Lächeln zog sich für einen Augenblick über Sciurus' Lippen, verschwand jedoch so schnell wie es erschienen war. Ohne auf die Reaktion der kleinen Sklavin zu warten, drehte Sciurus sich wieder um und setzte den Weg fort.
Schon an den Passanten um sie herum wurde deutlich, dass sie allmählich eine Gegend betraten, in welcher gehobene Ansprüche befriedigt werden konnten, und auch an den ausgestellten Waren. Edle Seidentücher zeigten sich hier in bunten Farben zur Auslage, filigrane Glasgefäße verschiedenster Couleur, teure Schmuckstücke aus funkelnden Edelsteinen und glänzendem Gold, die von grimmig dreinschauenden, dunkelhäutigen Sklaven bewacht wurden, und mehrmals mussten sie schmalen Sänften ausweichen. Schlussendlich betraten sie einen kleinen Laden im ebenerdigen Geschoss einer Insula, dessen Schild vor der Türe ihn als Philetairos' Pergamente und Schreibwaren auswies. Der Verkaufsraum war nicht besonders groß, zudem bot sich wenig Anschauungsmaterial, ein einzelnes großes Regal nur, welches eine der Seitenwände bedeckte, spärlich gefüllt mit dünnen Stapeln Pergament, einigen Wachstafeln aus kostbaren Hölzern mit Einlegearbeiten aus Elfenbein oder Blattgold, verschiedenen exquisiten Schreibgeräten, eine Auswahl besonders opaquer Tinten und verschiedene Kleinigkeiten, wie Federhalter, Tintengefäße oder Pergamentbeschwerer. Beleuchtet wurde der Raum durch große Fenster zum Innenhof hin und einige Öllampen und Kerzen, die hinter hellem Glas abgeschirmt waren. Auf der anderen Seite der Waren, hinter einem hüfthohen, länglichen Tisch und vor eine Türe, welche zum Lager führte, stand der schmale, knochige Händler, dessen Nase in besonderem Maße aus seinem Gesicht ragte, gehüllt in teure Gewänder, in diesem Augenblicke eine Schriftrolle studierend, doch beim Eintreten der Kundschaft freundlich aufblickend.
"Salve, Philetairos", begrüßte Sciurus den Händler.
"Ah, Sciurus! Salve, salve! Was kann ich für dich tun, nach was dürstet es deinen Herrn heute?"
"Nach Pergament, nach gutem Pergament. Außerdem bin ich heute in Begleitung, dies ist Dido, sie ist Besitz des Neffens meines Herren und soll die Vorzüge deiner Waren kennen lernen."
"Wundervoll!" Entzückt schlug der Händler seine Hände aneinander und ein erfreutes Funkeln ergriff Besitz von seinen Augen in der Hoffnung auf einen neuen, vornehmen und überaus liquiden Kunden. "Willkommen, Dido, im Reich der Schriftkunst und aller Zutaten, die es dazu braucht! Wenn dein Herr ebenso feingeistig ist wie Senator Flavius Gracchus, so wirst du hier finden, nach was es ihm verlangt! Pergamente aus Pergamon, Tinten aus Aegyptus und Fernost, Federn aus Tylus und Arabien, alles, was der anspruchsvolle Herr begehrt!"