Beiträge von Marius

    Ich lächelte und betrachtete dann scheinbar ganz interessiert meine Füße. Ihre Worte machten mich verlegen und ich bat die Götter, dass sie mir nicht wieder die roten Ohren in diesem Moment gaben, die ich als kleiner Junge in peinlichen Situationen zu bekommen pflegte. Doch ein plötzliches Rumpeln ließ mich erneut aufsehen. Ich suchte zuerst in Augenhöhe nach Ilaria, fand sie dann jedoch recht schnell auf dem Boden wieder. Ich konnte nicht anders und fing an zu lachen. Aber es war kein Spott, sondern nur Belustigung in meiner Stimme, als ich ihr aufhalf und sagte:


    "Na hoffentlich passiert dir das nicht auf dem Schiff nach Tarraco - sonst muss ich dir noch hinterher springen über die Reling und dich vor den Seeschlangen retten!"

    Ich hatte den Beinahe-Streit mit angehört, ohne mich zu beteiligen. Mir war unwohl. Verus' Worte waren wahr, das wusste ich, doch gleichzeitig hatten sie einen unangenehmen Beigeschmack. Ich wollte mich nicht am Gespräch beteiligen. Ilarias Tränen machten mich noch nachdenklicher, als ich ohnehin schon war. Ich versuchte, sie nicht zu sehr zu bemitleiden, denn sie würde sehr schnell merken, dass Mitleid einem Sklaven nicht gut tat - sei es nun fremdes oder eigenes. Stattdessen erhob ich mich und trat zu Ilaria und Ganymed, um mich vor ihnen in die Hocke sinken zu lassen. Beiden legte ich eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.


    "Ganymed, du bist ein guter Gefährte und mit deiner poetischen Ader findest du oft die richtigen Worte. Dennoch haben andere Leute oft andere Ansichten. Respektiere sie. Und wenn respektieren heißt, auch einmal nichts zu sagen, so sei es. Es macht dich nur stärker anderen gegenüber. Und du, Ilaria, weine nicht. Es fängt ein neuer Abschnitt deines Lebens an. Und du wirst sehen, er wird besser sein als das bisherige Leben. Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht. Ich werde noch einmal nach den Tieren sehen. Schlaft jetzt."


    Nach einem aufmunternden Lächeln für beide verließ ich die Sklavenunterkünfte noch einmal.

    "Natürlich", kam es von mir sofort. Ich sah mich nur etwas unbeholfen im Raum um, denn ich wusste nicht wirklich, was die Herrin mitnehmen wollte. Und außerdem wusste ich nicht...
    "Herrin? Weißt du schon, wie lange du in Tarraco bleiben willst?"

    "Ja Herrin", sagte ich. Es brachte nichts, um den heißen Brei herumzureden, also fing ich gleich an.
    "Der Herr Livianus schickt mich mit dir nach Tarraco. Ich...Herrin, es tut mir sehr leid. Wenn es etwas gibt, dass dich glücklicher macht...sag es mir. Ich würde alles tun."
    Vielleicht war das keine ganz so gute Wortwahl, aber es drückte in etwas das aus, was ich für die Herrin fühlte.

    Ich hörte ihm etwas verdattert zu, schüttelte dann jedoch den Kopf. Das war das Schicksal. Fortuna meinte es eben nicht mit jedem gut. Ich konnte froh sein, dass ich in dieser Familia diente - Fortuna hatte es wenigstens einmal in meinem Leben gut gemeint, als sie jemanden von der Familie Decima geschickt hatte, um mich zu kaufen.


    "Wer würde ihr glauben, wenn sie das erzählte?" sagte ich nur leise. Selbst wenn sie eine Prinzessin war - niemand würde ihr glauben, wenn die das erzählte.

    Ich sah sie freundlich an und schüttelte leicht den Kopf.
    "Ich glaube, dass das in Tarraco anders sein wird. Also, das mit den Gästen. Ich war nicht lange dort, nur wenige Wochen, doch ich habe gehört, dass jeder Sklave dort eingearbeitet wird. Im Grunde kommt es auf deine zukünftige Arbeit an. Beim Wein ist es einfach, wie ich vorhin schon sagte, mit Wasser verdünnen, es sei denn, es ist anders gewünscht. Ich bin nicht sonderlich gut bewandert in solchen Dingen; meine Aufgabe ist es nicht, zu kochen."
    Ich grinste sie an und zuckte mit den Schultern.

    Ich staunte nicht schlecht, als ich Ganymed die Gedichte zitieren hörte. Griechisch verstand ich selbst nicht wirklich, ich hatte lediglich einige Worte aufgeschnappt. Auf die Idee, dass Ganymed mir vielleicht Griechisch lehren konnte, kam ich in diesem Moment ganz von allein. Ich würdeihn später fragen. Doch zuerst wandte ich mich an Verus.


    "Du weißt nicht zufällig, wann du Ilaria fortbringen sollst und ob wir zusammen reisen werden? Es bietet sich eigentlich an."

    Aus der Culina kommend, führte ich Ilaria ins Triclinum. Ich deutete eine Verbeugung an und grinste.


    "Willkommen im Triclinum. In wiefern bist du mit den römischen Gewohnheiten vertraut?" wollte ich wissen.
    Schließlich wusste ich noch nicht, ob sie das römische Leben kannte oder ob sie direkt von einem Herrn aus diesem Bergdorf gekommen war.

    "Achwas", sagte ich und schüttelte den Kopf, nun wieder den Schalk aus den Augen sprechen lassend. Ich deutete auf ihren Becher und sagte:
    "Also, wenn du fertig bist, führe ich dich mal rum."


    Ich wartete, bis sie ausgetrunken hatte und aufgestanden war, dann hakte ich mich unternehmungslustig bei ihr unter und führte sie zuersteinmal durch die Casa ins Triclinum, das ja nun eine wichtige Rolle für das häusliche Leben spielte. :)

    "Es ist nicht deswegen. Ich wollte nur nich deine neugewonnene Fröhlichkeit mit meiner Geschichte beeinflussen."


    Was für eine schlechte Lüge. Das merkte ich ja selbst. Doch als ich auf ihre Hände herabsah, die die meinen hielten, kribbelte alles in mir. Es war unrecht, ihr nicht die Wahrheit zu sagen. Ich sah von meinem Becher auf die Hände und schließlich in ihr Gesicht. Unwillkürlich drückte ich ihre zarten Hände.


    "Verzeih mir. Es ist wie du sagst: Es war eine schlimme Zeit. Und deswegen bin ich umso dankbarer, dass der Herr mich erworben hat und ich nun ihm dienen darf. Vielleicht...erzähle ich dir irgendwann einmal die ganze Geschichte...wenn du sie hören möchtest."


    Ich seufzte und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, aber das missglückte natürlich. Jetzt musste schnell ein anderes Gesprächsthema her, damit wir nicht beide hoffnungslos in schlechten Gedanken versanken. Also räusperte ich mich und sah sie keck an, ihre Hände noch immer auf meinen.


    "Hat dir schon jemand die Casa gezeigt?"

    "Nein, ich kenne dich nicht, aber das kann man ja ändern", sagte ich etwas unsicher. Meinen Becher drehte ich schon die ganze Zeit spielerisch in den Händen, mein Blick galt Ilaria und war amüsiert. Ich war froh, dass sie etwas aufzutauen schien und musste schallend lachen, als sie die Vermutung bezühlich ihres Kopfes machte. Ich grinste und kratzte jungenhaft an meinem Hinterkopf. In diesen blauen Augen konnte man versinken. Als sie jedoch nach meinem Leben fragte, wurde ich wieder ernst und widmete meine beiden Hände wieder dem Becher. Sie sah in das Wasser hinein und sagte nicht viel.


    "Glaub mir, du willst es nicht wissen", war alles, was ich hervorbrachte, ehe ich Ilaria wieder mit einem Lächeln bedachte. Ich hatte eine schlimme Zeit gehabt vor dem Kauf durch den Herrn. Und ich sprach ungern darüber. Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass ich diesen blauen Augen und Ilarias Lachen nicht lange widerstehen konnte, wenn sie darum bat, dass ich weiter sprach.

    Ich merkte, dass es Ganymed peinlich zu sein schien, also bückte ich mich nach einem Staubflusen, der glücklicherweise unter einer Lagerstatt hervorlugte. Ich blieb länger unten als beabsichtigt und schien mich auch noch sehr für den Flusen zu interessieren, als ich wieder gerade saß. Natürlich hörte ich einiges, was nicht für meine Ohren bestimmt schien - was wohl unvermeidlich war, wenn ich im gleichen Raum war. Ich sah zu Verus und grinste kurz, dann ließ ich den Flusen achtlos fallen und sah aufgeweckt in die Runde.

    Ich lächelte sie an. Sie schien mit einem Mal aus sich heraus zu gehen und das war gut. Ich hatte die Hand im richtigen Moment fort genommen. Alles, was ich in diesem Moment wollte, war ihr Vertrauen zu gewinnen. Und das hatte ich damit ein Stückchen weit geschafft. Nicht viel, aber es war ein Anfang. Über ihre Worte musste ich lächeln und schüttelte den Kopf.


    "Ach nein, sag so etwas nicht. Ich bin mir sicher, dass dir nicht mehr viel zu Bruch gehen wird, wenn du ersteinmal dein Selbstvertrauen wieder gefunden hast."


    Ich sah sie aufmunternd an und überging dezent die Bemerkung, was ihren Vater betraf. Ich spürte, dass es nicht gerade ihr Lieblingsthema war. Ich hätte gar nicht erst davon anfangen sollen, aber nun ja. Es war mein Fehler gewesen. Sie sollte lieber weitersprechen, denn es tat ihr sichtlich gut.


    "Und überhaupt...?" fragte ich deswegen lächelnd.

    Ich hatte Mitleid mit ihr, obwohl das sicherlich das letzte war, was sie wollte. Überhaupt, sie schien mir sehr traurig und zudem ängstlich und nervös. Als sie von ihrem Vater erzählte, runzelte sich meine Stirn wie ganz von selbst. Sicher war diesem Menschen die Schönheit und Anmut dieser jungen Frau dort absolut entgangen, sonst hätte er sie doch nicht weg gegeben! Ich wollte gerade dazu ansetzen, etwas zu sagen, da sah ich den Becher auch schon fallen. Dummerweise war ich zu langsam, um ihn aufzufangen. Und so sahen wir beide, wie er auf dem Boden in viele kleine Scherben zerbrach. Ich stand auf und schüttelte den Kopf.


    "Bleib ruhig sitzen, ich mach das schon", sagte ich wohlwollend und ging, um eine Kehrschaufel zu holen. Ich hatte selbst schon oft etwas fallen gelassen, deswegen machte ich mir keine großen Gedanken um den zerbrochenen Becher. Nachdem ich alles beiseite geschafft hatte, trat ich erneut an die Anrichte und füllte einen neuen Becher mit Wasser, den ich Ilaria dann gab. Ich setzte mich wieder und diesmal wagte ich es, ihr eine Hand auf ihre zittrige Hand zu legen.


    "Mach dir nicht so viel Gedanken, Ilaria. Du bist hier in einem guten Haus. Der Herr ist sehr nett und so ist es auch Senator Meridius in Tarraco. Er ist Legatus Legionis, hat aber vor kurzem seine Sponsalia gefeiert. Ich gehe davon aus, dass du im Halshalt helfen und dich um die Damen des Hauses kümmern sollst."


    Ich hielt inne und betrachtete sie einen Moment. Dann zog ich die Hand weg und sah sie gutmütig an.


    "Dein Vater war ein dummer Mann, dich wegzugeben. Du wärst der Stolz seiner Familia gewesen", sagte ich ehrlich.

    Ich zuckte mit den Schultern.
    "Nein, er hat mir nichts weiter verraten. Ich kann auch nur vermuten. Vielleicht war nicht klar, ob die Entführer ihr Wort halten. Oder aber, sie fordern eine so horrende Summe, dass sie nur vom Imperator selbst aufzubringen ist. Ich weiß es nicht."


    Ich seufzte und schüttelte betrübt den Kopf. Wenn jemand anderem Leid zugefügt wurde, konnte ich nie einfach so dastehen und zusehen. Nur leider war ich in diesem Fall - wie so oft - machtlos.


    "Ich wünschte, ich könnte ihr helfen. Aber wenn es der Wunsch der Herrin ist, nach Tarraco zu gehen, werde ich mit ihr gehen und auf sie aufpassen, so gut es mir möglich ist."

    Ich musterte sie mit schräg gelegtem Kopf und verschränkten Armen. Dann lehnte ich mich an den Tisch und sah Ilaria an.


    "Du musst keine Angst vor mir haben", sagte ich schlicht. Dann wies ich mit dem Kopf auf eine kleine Anrichte hinter ihr.
    "Wasser steht dort, Wein ist dort hinten im Schrank, wenn du dem Herrn etwas bringen sollst. Verdünne ihn, es sei denn, er wünscht ausdrücklich anderes."


    Ehe sie sich erheben konnte, ging ich zu dem Schrank hinüber, auf dem eine Karaffe Wasser stand, und goss ihr einen Becher Wasser ein. Ich ging zurück und setzte mich schräg neben sie auf einen weiteren Stuhl, Ilaria musternd. Ich konnte nicht verstehen, auf welchem Weg sie in die Sklaverei gefunden hatte.


    "Du sagtest, dein Vater hätte dich verkauft. Warum?"

    Ich sah auf, als ich plötzlich leichtfüßige Schritte vernahm. Und was ich sah, ließ mich leicht verlegen wirken. Ich stand sofort von dem niedrigen Tischchen auf, an dem ich saß, und deutete auf den nun freien Platz. Ich würde ihr auch etwas zu essen geben, wenn sie hungrig war. So im Dämmerlicht sah sie sogar noch anziehender aus als vorher. Ich lächelte.


    "Na, hat dich der Hunger in die Küche geführt oder bist du wegen mir hier?" fragte ich freundlich und mit einem Zwinkern.
    "Setz dich ruhig."

    Marius streunte in der Küche herum. Seine Gedanken waren bei der neuen Sklavin, die in der Casa lebte. Er aß gedankenverloren ein Stück Brot und spülte es mit Wasser herunter. Ilaria....was für ein wunderschöner Name....