Beiträge von Marcus Petronius Crispus

    Scheinbar glaubte Vala nicht, dass der Petronier sich so einen Landbesitz in Patavium leisten konnte - aber vielleicht hatte er auch Recht. Zumindest war das Thema wohl vorerst vom Tisch.


    Die Vorschläge Valas klangen prinzipiell vernünftig - auch Crispus hatte sich vorgenommen, die ehemaligen Legaten abzuklappern und vielleicht auch die Legionslegaten - dieser Livianus war allerdings nach seiner Zeit gewesen. Andererseits war er natürlich gerade Consul - so viel hatte auch der alte Petronier mitbekommen - was seine Position natürlich wichtiger machte.


    "Was meinst du damit? Glaubst du, der Kaiser erhebt uns einfach so zum Municipium? So ganz ohne Fürsprecher?"


    Crispus war ein Mann, der lieber auf Nummer Sicher ging - und so eine Stadterhebung war ja kein Pappenstiel...

    Natürlich hatte Crispus nicht die genaue Größe im Kopf - die musste irgendwo in seinem "Archivraum" in der Domus Petronia in Mogontiacum eingetragen sein. Normalerweise hatte er für solche Daten aber auch Privatus, der aber vermutlich genau eben neben diesem Archivraum saß und seine Geschäfte weiterführte.


    "Puh, keine Ahnung..."


    sagte er deshalb wahrheitsgemäß und kratzte sich am Kopf. Was ihm dann angeboten wurde, schmälerte seine Gelüste auf ein Tauschgeschäft aber sowieso wieder ein wenig: Narbonensis war für ihn nur im weitesten Sinne Italia und lag ja quasi genau zwischen dem Aktionsraum für ihn und für Lucius. Dass man ihm dann auch noch weniger Geld bieten wollte, machte das ganze nicht unbedingt attraktiver...


    "Achso, ich dachte bei Patavium irgendwo..."


    Er legte die Wurst beiseite und machte eine kurze Pause.


    "Naja, wir müssten halt nochmal genau schauen, wie hoch du dein Landgut taxierst und was bei mir eingetragen ist und dann nochmal schauen. So ganz spontan kann ich's sowieso nicht entscheiden."


    Tatsächlich würde er auch noch einmal Privatus fragen müssen - der alte Petronier selbst hatte nicht allzu viel Ahnung von Grundstücksspekulation. Deshalb hatte er ja seinen Sklaven!


    Vorerst musste man diese Sache also wohl auf Eis legen - was den Vorteil hatte, dass Crispus nicht unhöflich sein musste, indem er gleich wieder einen Rückzieher machte oder seinen wichtigsten Verbündeten hier durch ein schlechtes Angebot beleidigte. Also bot sich ein Themawechsel an:


    "Aber erstmal muss ich wohl meinen Auftrag hier erfüllen - hättest du 'nen Moment Zeit, um über das Anliegen der Civitas zu reden? Vor allem würde mich interessieren, wie ich eine Audienz beim Kaiser bekomme und wer als Fürsprecher für uns infrage käme..."

    Nachdem der Senator das Essen quasi eröffnet hatte, griff der alte Petronier ebenfalls zu. Zuerst einmal nahm er sich von der Wurst und ließ sie sich schmecken.


    "Achso..."


    sagte er und nickte. Warum ein Senator aber Land hier im gefragten Italia gegen das eher wilde und unfruchtbarere Land im hohen Norden tauschen wollte, war ihm nicht so ganz klar. Da fiel ihm ein...


    "Naja, also vielleicht kann ich dir auch ein bisschen helfen... ich hab' einen Landstrich in der Civitas Mattiacorum mit einer Villa Rustica drauf. Also wenn du daran Interesse hättest..."


    Die Idee kam sehr spontan, aber wenn Crispus' Plan aufging und sein Sohn zum Eques wurde, würde er sich wahrscheinlich öfter auch in Italia herumtreiben und so... und da war es sicherlich praktischer, seinen Landsitz hier als irgendwo direkt am Limes zu haben...


    "Is' jetzt nicht riesengroß, aber immerhin wirft es so 200 Sesterzen Pacht den Monat ab..."


    Natürlich hatte Crispus keine Ahnung, ob ein Senator an so etwas Interesse hatte - aber andererseits: warum nicht? Immerhin war er auch nur ein Mogontiner wie er selbst...

    Gemeinsam mit Haakon ließ Crispus sich ins Triclinium führen - wo ihn tatsächlich das Frühstück erwartete, das er sich wünschte. Wie er erst jetzt bemerkte, hatte er am Vorabend ganz vergessen zu essen: Sie hatten Rom erreicht, sich dann durchgefragt und waren dann hier direkt ins Bett gewandert - höchste Zeit also für ein reichhaltiges Essen.


    "Ich hab' wunderbar geschlafen, Senator. Vielen Dank!"


    antwortete er auf die Begrüßung und suchte sich eine der Klinen aus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Lucius ja gar nicht hier war - wo steckte der Bursche nur wieder?


    "Du - äh - arbeitest?"

    Crispus fand den Scherz nicht ganz so erstklassig - vor allem, wenn er an die Mieten dachte, von denen man ihm berichtet hatte.


    "Naja, Rom is' bestimmt nicht wegen den leeren Wohnungen so ein Riesen-Moloch geworden."


    Dann zuckte er mit den Schultern.


    "So eilig isses nun auch nicht - Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut."


    Er lächelte und ging in Richtung Tür. Als die öffneten, kam ihm plötzlich noch so eine Sache...


    "Da fällt mir ein - wir müssen ja auch erstmal den Rest der Gesandtschaft herbringen. Da brauche ich dich heute sowieso - du kannst gleich nach dem Frühstück nach Ostia reiten und dich um alles kümmern! Danach kommt dann Lucius' Bude..."


    Damit war dieser Punkt wohl geklärt. Gemeinsam machten die beiden sich deshalb nun auf die Suche nach Duccius Vala - und hoffentlich einem unrömisch-reichhaltigen Frühstück!

    "Na was wohl? Warum sind wir denn tausende Stadien weit gereist?"


    fragte Crispus scherzhaft, während er bereits seine Tunica - noch immer die vom Vortag, in der er auch geschlafen hatte - gürtete.


    "Wir haben viel zu tun! Wir müssen noch ein paar Fürsprecher gewinnen, einschließlich unseren Gastgeber. Dann gibt's noch den Germanicus Avarus, der ja Stadtpatron is', und vielleicht diesen Aurelius Lupus. Der war auch mal in Mogontiacum zu Besuch während dem Bürgerkrieg. Und sonst müssen wir halt mal fragen, wer noch so infrage kommt."


    Nachdem er nun mit dem Gürtel - noch immer ein Cingulum Militare, auf das er als Veteran ja ein Anrecht hatte - festgezurrt hatte und dabei feststellte, dass er auf der Überfahrt nochmal ein wenig abgenommen hatte, fischte er sich noch die Bracae - auch wenn er in Rom war, war es immerhin Ende November und es konnte schon frisch werden. Und außerdem war er es inzwischen fast gewohnt, die warmen Hosen zu tragen.


    "Ach ja, und natürlich müssen wir uns auch um Lucius' Sachen kümmern. Er braucht 'ne Wohnung und 'nen Patron und so. Ich weiß nicht - wollen wir uns vielleicht aufteilen? Dass du dich nach 'ner Wohnung umschaust und Lucius und ich gehen Klinkenputzen?"

    Zitat

    Original von Miles
    „Der, eh...“ Aedil Duccius Vala. Der angesprochene Soldat sah sich hilfesuchend nach seinen Kameraden um, ob da vielleicht jemand die Antwort wusste, und tatsächlich trat nach ein paar weiteren Momenten einer hervor: „Ich weiß, wo der wohnt. Is aba nich mehr Aedil, vor kurzem warn wieder Wahln.“ Er räusperte sich kurz und spuckte auf dem Boden aus – gerade so weit genug weg von den Ankömmlingen, dass die das in seinen Augen nicht als Beleidigung auffassen konnten –, und fuhr fort: „Der wohnt in der Casa Accia, auf dem Esquilin. Erst ma müsst ihr hier rein...“ kam das Offensichtliche, und was folgte war eine ziemlich verschwurbelte, mit an dem Bäcker vorbei, der hat übrigens lecker Gebäck, Obacht, die Gasse solltet ihr meiden, da sin die Färber und ähnlichen Hinweisen gespickte Beschreibung, wie sie zur besagten Casa finden konnten. Das hieß: wenn sie denn schlau wurden aus der Wegbeschreibung, woran der Soldat allerdings nicht den mindesten Zweifel zu haben schien, gemessen an dem freundlichen, etwas zahnlückigen Grinsen, mit dem er die Männer bedachte.


    Dass Vala nicht mehr Aedil war, hatte ihm schon der Hafenmeister in Ostia verraten - er hatte es nur möglichst unkompliziert ausdrücken wollen. Die Erfahrung sagte ihm, dass das bei einfachen Soldaten die beste Taktik war. Und tatsächlich bekam er ja auch eine Antwort - wenn auch nicht das, was er erhofft hatte. Das letzte Mal war er vor viiiielen Jahren gewesen und er hätte nicht einmal vom Forum Romanum aus mehr genau sagen können, wo das Haus seines Onkels gelegen hatte - damals war er nur einen Tag lang hier gewesen für die Sponsalia seines Onkels und da hatte er in der Casa Decima übernachtet. Somit konnte er auch mit der langen und breiten Antwort des Soldaten nichts anfangen, weshalb er nur nickte - es schien ja so viel los zu sein auf der Straße, dass sie sich auch so zurechtfanden...


    "Danke, Soldat!"


    sagte er deshalb nur und trabte weiter.

    Am nächsten Morgen erwachte Crispus früh. Zwar hatte er eine lange und anstrengende Reise hinter sich, trotzdem schlief er die erste Nacht in fremden Betten immer schlecht. Als er sich reckte, stellte er fest, dass Haakon noch auf dem "Sklavenplatz", einem etwas einfacheren Bett an der anderen Seite des Raumes lag.


    "Aufstehen, Haakon! Wir haben Arbeit!"


    Kurze Zeit später schlichen die beiden aus der Tür und fragten den nächsten Sklaven, wo der Gast des Hauses denn eigentlich zu frühstücken pflegte. Der alte Petronier selbst war eigentlich ein traditioneller Römer und nahm noch aus Gewohnheit vom Militär morgens nur einen Schluck Wein und vielleicht einen kleinen Kanten Brot zu sich. Aber vielleicht war hier in Rom die Mode ja schon wieder anders...

    "Sei nicht so respektlos gegenüber unserem Gastgeber, Lucius!"


    ermahnte Crispus seinen Sohn auf dessen abwertende Behauptung hin. Natürlich musste er zugeben, dass Lucius nicht ganz Unrecht hatte - immerhin hatte der Alte ihm ja selbst beigebracht, gegenüber Leuten Distanz zu halten, die sich durch schönes Daherreden einzuschleimen versuchten und sich dann am Ende bei einem festsetzten, sodass man sie nicht mehr loswurde. Und bis vor ein paar Jahren hätte er einem Duccier wahrscheinlich sogar genau das unterstellt - aber heute war er einfach nur froh und dankbar, dass sie wohlbehalten hier in Rom angekommen waren, dass sie ein Dach über dem Kopf bekommen hatten - und das umsonst! - und dass sie dazu noch jemanden hatte, der sich hier ein bisschen auskannte und sie beraten konnte.


    Kurz darauf gab der Sklave ihnen zu verstehen, dass hier das Zimmer für Crispus war, während Lucius eins weiter sollte.


    "Haakon, du kannst mir ein bisschen assistieren!"


    befahl der alte Petronier - zum einen, weil er keinen persönlichen Diener mitgenommen hatte und es sich eigentlich gehörte, einen solchen mitzunehmen, zum andern, weil sie ja vielleicht noch dies oder das zu besprechen hatten wegen der weiteren Organisation...

    Na, das war ja praktisch - aber auch überraschend. Crispus hatte sich immer vorgestellt, dass Senatoren ganze Scharen an Klienten hatten, die sich täglich ihre Sportulae abholten - selbst in Mogontiacum musste der alte Petronier ja immer wieder Bettler beschenken oder wegschicken. Aber naja, hier gab es wahrscheinlich auch mehr als genug wichtige Männer, die etwas reicher schenken konnten als der Newcomer aus dem Norden...


    "Ah, perfekt! Dann würden wir uns - äh - zurückziehen. Wir sehen uns morgen, Senator!"


    Damit folgte Crispus dem Sklaven, der sie in ihre Gästezimmer führte. Auf dem Weg durch die eindrucksvollen Flure raunte er seinem Sohn zu:


    "Wohnt nicht schlecht, der Duccier..."

    "Das ist sehr nett, danke!"


    Der Duccier war wirklich sehr zuvorkommend und höflich - überraschend freundlich für den Geschmack des alten Petroniers. Aber wenn er so freundlich war, konnte man das ja eigentlich direkt weiter nutzen...


    "Ähm - wann hättest du übrigens Zeit, genauer über unseren Plan zu reden? Wir haben zwar schon einen Plan, aber vielleicht wäre es ja sinnvoll, das ganze nochmal mit Dir als Mann mit Einblick drüberzuschauen..."


    Falls der höfliche Verweis auf das Zimmer eine Aufforderung gewesen war, ihn jetzt noch ein bisschen in Ruhe zu lassen, hatte Crispus diese offensichtlich nicht recht verstanden...

    Crispus selbst hätte wohl auch lieber ein paar Decurionen weniger mitgenommen, aber irgendwie war es wohl üblich, dass zu solchen Anlässen immer gleich eine ganze Schar von Gesandten aufbrach - aber immerhin war in diesem Palast zumindest für sie Platz, wie es schien. Dass die Milizionäre nicht hier übernachteten, war dem Petronier ganz recht - gefährlich war es hinter diesen Mauern sicherlich sowieso nicht und soweit er das beobachtet hatte, machten die germanischen Söldner sowieso nicht gerade den besten Eindruck auf die Bewohner der Städte, die sich besucht hatten.


    "Das is' eine gute Idee, Senator. So machen wir's!"


    bestätigte er deshalb und sah zu Haakon.


    "Mein Diener hier wird das alles morgen organisieren..."


    Kaum hatte er es ausgesprochen, wurde ihm klar, dass er stillschweigend davon ausgegangen war, dass sie direkt heute hier übernachten konnten. Dieser Gedanke ließ ihn etwas ertappt dreinblicken:


    "...wenn wir drei für heute schon deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen könnten... der Rest der Gesandtschaft is' nämlich noch in Ostia untergebracht und soll morgen nachkommen."

    "Oh, das ist ja sehr großzügig, Duccius - äh - Senator."


    erwiderte Crispus, der mit so viel Großzügigkeit wirklich nicht gerechnet hatte, nachdem er erfahren hatte, dass Vala quasi zur Miete wohnte. Aber gut - wenn er es so anbot, sagte der Alte natürlich nicht nein!


    "Wir sind neun Decurionen, dazu hat jeder ein bis zwei Diener dabei. Außerdem haben wir noch einen Trupp Leibwächter, die aber keine besondere Unterbringung brauchen - das sind germanische Söldner."


    Zwar wusste der Petronier nicht, ob Vala irgendwelche besonderen Beziehungen zu diesen Männern hegte (immerhin waren einige Milizionäre ja aus der Klientel der Duccier und er hatte nicht genauer kontrolliert, welche von ihnen Haakon angeworben hatte), aber es war wohl klar, dass sie keine Einzelzimmer brauchten.


    "Wir können uns auch gern in eine Herberge einmieten, wenn du uns da was empfehlen kannst. Oder teilweise oder so."

    Ein bisschen aufgeregt war Crispus schon, als er hereingebeten wurde und im Vestibulum abgestellt wurde - einerseits fragte er sich, was der Senator wohl sagen würden, wo sie so unvermittelt hier aufgetaucht waren (immerhin war ihm aufgefallen, dass der Ianitor doch ein bisschen... überrascht gewesen war), zum anderen fiel ihm erst jetzt auf, dass er ganz vergessen hatte, sich ordentlich anzuziehen - seine bessere Kleidung samt Toga, die er eigentlich extra für solche Anlässe mitgenommen hatte, lagen zusammen mit allen anderen Sachen in Ostia, wo Arminius auf sie aufpasste.


    Somit wirkte er selbst neben der Alltagstunika, die Vala bei seinem Eintreten trug, ein bisschen schäbig mit seiner einfachen Reisetunica und dem abgewetzten Soldatenmantel unter dem Arm, den er immerhin schnell an Haakon weiterreichte.


    "Ave, Duccius. Ich bin Marcus Petronius Crispus, Decurio von Mogontiacum, und das ist mein Sohn Lucius... Petronius Crispus."


    begrüßte er den Senator ein wenig hölzern, wobei er sich fragte, ob er den Mann schon einmal gesehen hatte - immerhin war es ja ein Duccier und war er nicht auch damals bei den Ludi Florales in Mogontiacum gewesen, als dieser aurelische Senator zu Besuch gewesen war? Den musste er vielleicht auch noch mal besuchen, vielleicht würde er sich auch für die Mogontiner stark machen... Aber vorerst würde er mit diesem Senator Vorlieb nehmen, der ihn immerhin recht freundlich anlächelte - selbst wenn es ihm nicht gelang, sich an eine frühere Begegnung mit ihm zu erinnern.


    "Ja, wir sind übers Meer gekommen. Geht schneller und war eigentlich ganz in Ordnung, die Überfahrt."


    beantwortete er dann die Frage. Die Anspielung verstand er leider erst danach - richtig, der Duccier hatte sich ja scheinbar einige Orden verdient im Bürgerkrieg! Sogar eine Corona, wie irgendjemand behauptet hatte... der Mann war also ein fähiger Militär, was ihn auf Anhieb sympathisch machte!


    Allerdings war Crispus viel zu sehr Soldat, um diese Situation für einen interessanten Plausch über die konkrete Rolle des Ducciers zu nutzen. Stattdessen erledigte er zuerst den Papierkram und hielt ihm nochmals das Decretum Decurionum unter die Nase - theoretisch konnte ja jeder kommen und behaupten, er sei der Gesandte der Civitas Mogontiacum! Erst danach hielt er den Zeitpunkt gekommen, um sein Anliegen vorzutragen:


    "Duccius Marsus, dein... Verwandter sagte, du würdest uns bei der Unterbringung hier in Rom helfen können. Und bei allem anderen."

    Als sie zum Tor gelangten, standen dort - ähnlich wie in Mogontiacum und überall sonst auch - gelangweilte Wachen. Die hier gehörten allerdings zu den Cohortes Urbanae, die damals bei den Adlern als geradezu elitär gegolten hatte. Vielleicht nicht so elitär wie die Prätorianer, aber immerhin...


    Da Crispus außerdem gehört hatte, dass sie auch den Aedilen assistierten und Duccius Vala ein Aedil gewesen war, beschloss er, den Wachhabenden nach dem Weg zu fragen:


    "Du da, kannst du mir sagen, wo der Aedil Duccius Vala wohnt?"


    sprach er den Wachsoldaten mit seinem alten, aber doch bewahrten Kasernenhofton an.

    "Ich will - äh - Duccius Vala sprechen."


    antwortete er, noch immer etwas perplex von der Unfreundlichkeit der Stadt, aber auch der Freundlichkeit des Ianitor, der zu so später Stunde noch öffnete, als wäre es das Normalste der Welt - naja, vielleicht war es das ja in Rom.


    Dann aber kam ihm, dass er vielleicht noch etwas mehr sagen sollte - er war ja immerhin ein Decurio und ein ehemaliger Soldat, der wusste, wie man sich ausweist:


    "Ich bin Marcus Petronius Crispus, Decurio der Civitas Mogontiacum. Und da hinten sind mein Sohn Lucius und mein Diener Haakon. Wir sind hier, weil Duccius Marsus uns geraten hat, uns hier an Duccius - äh - Vala zu wenden, wenn wir hier ist."


    Damit deutete er mit dem Daumen hinter sich, wo zwei Gestalten in Mänteln standen, die wiederum drei Maultiere am Zügel hielten.


    Der alte Petronier selbst ließ aber seine Hände unter den Mantel fahren und suchte die Tasche, die er am Gürtel trug. Kurz darauf förderte er ein leicht angeknicktes, offiziell aussehendes Papier hervor - zu dumm, dass er nicht daran gedacht hatte, es in eine ordentliche, knicksichere Verpackung zu packen...

    DECRETUM DECURIONUM MOGONTIACI


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI
    ET IN NOMINE CIVIUM MOGONTIACI


    wird mit Beschluss vom
    ANTE DIEM V KAL MAI DCCCLXIII A.U.C.
    (27.4.2013/110 n.Chr.)
    eine Gesandtschaft aufgestellt mit dem Ziel der Erwirkung der Ratizifierung einer Lex Municipalis durch den Imperator Caesar Augustus.


    Nach dem Willen des Stadtrates sollen der Gesandtschaft angehören:


      [*]Aulus Ovinius Sabinus (NSC)
      [*]Volusus Orchius Duilianus (NSC)
      [*]Mamercus Tongilius Strabo (NSC)
      [*]Paullus Scantinius Amulianus Lyso (NSC)
      [*]Volusus Paeonius Silio (NSC)
      [*]Servius Iturius Tubero (NSC)
      [*]Marcus Petronius Crispus
      [*]Lucius Petronius Crispus
      [*]Aulus Patulcius Merula (NSC)


    Die Gesandten sind ermächtigt und verpflichtet, dem Imperator Caesar Augustus die Bitte um die Verleihung des Municipalrechtes für die Civitas Mogontiacum vorzutragen. Dazu wurde ihnen der Entwurf einer Lex Municipalis zur Vorlage an den Imperator mitgegeben. Des Weiteren soll die Gesandtschaft dem Princeps die Geschenke im Namen der Civitas Mogontiacum zu seiner Inauguratio übergeben und huldvolle Glückwünsche übermitteln.


    S. Turius Simplex et A. Paccius Perolla - Duumviri Mogontiaci

    Es war gar nicht so schwierig gewesen das Haus des Ducciers zu finden - oder genaugenommen des Accius Damio, bei dem der duccische Senator noch immer wohnte - zum Glück war er bis vor kurzem noch Aedil gewesen, sodass die Stadtwachen ihn nach und nach an den richtigen Ort gelotst hatten. Inzwischen war es dunkel geworden und sie waren abgestiegen, um ihre Tiere besser zwischen den überall herumstehenden Karren hindurchbugsieren zu können.


    Schließlich sprach Crispus einen Ladenbesitzer an, der gerade die Lieferung von Weinamphoren überwachte.


    "Äh, Entschuldigung?"


    Der Besitzer ignorierte ihn, sondern brüllte etwas zu einem der Arbeiter, der unter größter Anstrengung eine riesige Amphore über die Schwelle zerrte.


    "Entschuldigung!"


    versuchte der alte Petronier es nochmal, diesmal etwas lauter und deutlicher. Der Ladenbesitzer würdigte ihn tatsächlich eines kurzen Blickes.


    "Siehst du nicht, dass ich arbeite?"


    fragte er unfreundlich und ging zu dem Fuhrknecht hinüber, der scheinbar eine Art Lieferschein bereit hielt. Crispus blieb ihm auf den Fersen.


    "Ich suche die Casa Accia, wo der ehemalige Aedil Duccius Vala wohnt. Wo finde ich die denn?"


    "Wen?"


    gab der Ladenbesitzer zurück - scheinbar hatte er gar nicht richtig zugehört. Überhaupt las er die Tabula nun und machte schließlich sein Zeichen darunter.


    "Titus Duccius Vala. Ich bin-"


    "Der wohnt doch bei Accius Damio! Hier, direkt vor deiner Nase! Und jetzt stör nicht weiter - ich muss arbeiten!"


    schnitt er ihm das Wort ab und deutete mit dem Stilus auf das Hause schräg gegenüber. Verwirrt blieb Crispus stehen und sah zu dem eindrucksvollen Haus hinüber - nicht, dass es das größte Anwesen war, das sie gesehen hatten, seitdem sie die halbe Stadt durchquert hatten - oder genaugenommen fast die ganze. Aber es war doch auch nicht grade das kleinste...


    Schließlich nickte er, murmelte ein


    "Danke."


    und deutete selbst hinüber, wobei er sich an seine beiden Gefährten wandte:


    "Also, da wohnt er scheinbar - klopfen wir mal!"


    Er gab die Zügel seines Maultiers an Haakon und ging auf die Pforte zu, wo er mit der Faust dagegen hämmerte.


    *POCHPOCH*

    "Na, wenn du dich da mal nicht täuscht!"


    antwortete Crispus mit einem wissenden Lächeln - er war ja schon einmal hier gewesen und hatte erinnerte sich noch gut, wie er damals kaum hatte schlafen können, weil die Straßen Roms nachts von den Lieferanten, aber auch jeder Menge Nachtschwärmern bevölkert wurden. Es hatte ja sicherlich einen Grund, warum die Vigiles nicht nur für den Brandschutz, sondern auch für die Nachtwache in den Straßen und Gassen zuständig waren!


    "Naja, du wirst's gleich sehen!"


    Er drehte sich zu Haakon, der ein wenig weiter hinten ritt.


    "Jetzt wirst du gleich sehen, was Rom für eine Stadt is' - wohl die einzige Stadt der Welt, die es fertig bringt, so ein Imperium aufzubauen! Wenn man die Bewohner der Stadt alle zusammen in Legionen stecken würde, könnte man wahrscheinlich Germania bis zum Albis ausdehnen - ohne Probleme!"


    Gerüchten zufolge hatte Augustus das vor hundert Jahren sogar einmal versucht - war dann aber doch am Rhenus geblieben, nachdem Varus seine Schlacht verloren hatte...

    Auf Maultieren sitzend erreichten die beiden Petronier und Haakon gegen Abend die Stadttore Roms. Davor hatten sie bereits eine meilenlange Schlange von Ochsenkarren passiert, die nur darauf warteten, endlich in die Stadt einfahren zu dürfen - ein Glück, dass der Spediteur Crispus gewarnt hatte, sodass sie selbst nicht auch inmitten des Staus stehen mussten!


    "Na, Lucius? Schon gespannt, wie die große Stadt so ist?"


    fragte er, während sie zwischen einem Karren mit Amphoren und einem imposanten Mausoleum hindurchtrotteten.

    Nachdem sie von Bord gegangen waren, machte Crispus sich gleich daran, sich um den Weitertransport nach Rom zu kümmern - so war er bisher auch immer vorgegangen und er hatte keine Zeit zu verlieren. Was er dort allerdings hatte erfahren müssen, war weniger erfreulich: nach Rom durfte man tagsüber nicht mit Wägen einfahren - und es dauerte sowieso einen ganzen Tag, bis man die Stadt von hier aus erreichte. Also mussten doch nochmals Herbergen angemietet werden (angeblich sowieso vieeel billiger als in Rom selbst!). Zuletzt beschloss Crispus, zusammen mit Haakon und Lucius vorauszugehen und schon heute zu versuchen, in Rom irgendjemanden zu finden, der ihnen weiterhelfen konnte.


    Also mieteten sie sich - wieder einmal - ein paar Reittiere und machten sich auf den Weg den Tiber hinauf in die ewige Stadt...