Petronius Crispus hatte zwar bereits die städtischen Immobilien inspiziert - die Stadtmauer war ihm dabei aber aus irgendeinem Grund nicht in den Sinn gekommen - vielleicht, weil sie noch nicht sehr lange existierte (Crispus fragte sich sowieso, wofür sie in diesen Zeiten gut war). Neben der üblichen Begleitung aus zwei Vigiles und seinem Scriba (den übrigen Anhang hatte er inzwischen davon überzeugen können, dass er ihn nicht brauchte) begleitete ihn auch der Accensus, den Duccius Marsus ihm für Bauarbeiten überlassen hatte. Außerdem hatte Crispus seinen Steinmetz Willigis gebeten, ihm bei der Inspektion der Mauer zu helfen.
Als er am Tor ankam, von wo aus er seine Inspektion beginnen wollte, kam ihm ein Optio entgegen, den er von seiner Zeit bei der Legio II kannte.
"Primus...äh, Magistratus! Melde Contubernium II und III der Centuria IV der X. Cohors bei der Wache!"
"Sehr gut, weitermachen!"
gab Crispus zurück und sah zu Willigis, der das Bauwerk bereits fachmännisch betrachtete. Der Optio machte sich hingegen wieder an seine Arbeit (einreisende Leute betrachten), während seine Männer im Torbogen saßen und ihre Mäntel eng um die Leiber schlangen.
Nach einer Weile wurde Crispus etwas ungeduldig und fragte Willigis
"Und, wie sieht's aus? Wird's wieder 'mal teuer?"
Willigis grinste kurz, dann jedoch meinte er nur
"Alles in Ordnung, da muss man nix machen - zumindest, solange keine Banditenhorden Mogontiacum belagern!"
"Das sollen die Götter verhüten!"
erwiderte Crispus und betrat das Torhaus. Im Inneren befand sich erwartungsgemäß ein Ofen, an dem einige der Wachhabenden saßen und sich wärmten. Eine Leiter führte nach oben, von wo aus man den Wehrgang der Stadtmauer betreten konnte (auch wenn dieser nicht besonders breit war).
"Salvete!"
grüßte Crispus die Anwesenden, die sofort aufsprangen (ein Magistratus war immerhin eine respektable Persönlichkeit - zumindest in seiner eigenen Stadt), doch als sie bemerkten, dass er nur nach oben wollte, entspannten sie sich wieder ein wenig.
Der Petronier kletterte nun die Leiter hinauf, dicht gefolgt von seinen Begleitern, allen voran Willigis, der sich interessiert umsah. Wahrscheinlich hatte er dieses Häuschen noch nie von innen gesehen!
Endlich waren sie oben in einem die ganze Grundfläche des Torhauses einnehmenden Raum angekommen. Hier sah es aus, als wäre lange niemand mehr da gewesen, denn es befand sich sogar ein Spinnennetz in einer der Fensteröffnungen. Zumindest war der Raum nicht mit Abfällen oder Sperrmüll vollgestellt (was sonst häufig mit ungenutztem Raum geschah). Nur die Arbeitsmittel der freiwilligen Feuerwehr Mogontiacums (speziell für das anliegende Stadtviertel) waren hier untergebracht. Offenbar waren sie lange nicht mehr benutzt worden, denn die Löschdecken schienen bereits ein wenig mottenbefallen und der Siphon hatte den ein oder anderen Rostflecken. Vielleicht sollte man dies dem Duumvir melden, dachte sich Crispus, vergaß es jedoch bereits wieder, als er die Tür zum Wehrgang öffnete und ihm ein kalter Wind entgegenwehte.
"So, dann machen wir uns mal auf!"
meinte er und wickelte seinen alten Soldatenmantel, den er wegen des Wetters trug, ein wenig enger um den Leib. Erst danach trat er nach draußen und machte sich, gefolgt von all seinen Begleitern, an die Inspektion der gesamten Stadtmauer.