Beiträge von Quintus Petronius Cinna

    Er half ihr freilich aus der Kutsche.
    Wie zurückhaltend sie sich gab, wie beherrscht, o und wie das auf ihre gute Erziehung schließen ließ. Er lächelte und breitete die Arme ein wenig aus, als sie einmal um ihn herumlief, dann sah er gespielt empört an. "Ein bisschen? Ein bisschen?! Och, komm her Schwesterchen! Gewähre einem Bruder, der dich so viele Jahre nicht zu Gesicht bekommen hat und sich stets nach den schwesterlichen Neckereien sehnte, einen Kuss." Er schmunzelte, nahm Livias Kopf sanft in beide Hände und küsste sie auf die Stirn. Weiche, warme Haut fühlte er unter seinen Lippen und ein Duft, den er beinahe schon vergessen hatte, stieg ihm wohltuend in die Nase. Er nahm eine ihrer Hände und musterte sie von oben bis unten. "Nun sieh sich doch mal einer diese wunderschöne Frau an! Livia, du bist keinen Tag gealtert! Ich sehe schon, ich werde keine Gelegenheit auslassen können, um von dir zu schwärmen, meine liebe Schwester - Gnade mir Iuno und Gnade mir Marcia.", sagte er lachend und zwinkerte, ehe er sich herumdrehte und Livia so seinen Arm zum Einhaken anbot. "Aber jetzt komm erst einmal mit hinein. Du wirst doch nicht nur auf Durchreise sein?

    Langsam knetete die eine Hand die andere, die zugeschlagen hatte. Sein unverändert stechender Blick wollte sie in die Knie zwingen, doch er wusste, dass sie nicht so schnell kleinbei geben würde. Er wusste auch, dass er dem Hausherrn seine Aufgabe nahm, aber wenn ein Sklave sich ihm gegenüber niederträchtig verhielt, durfte er ihn dafür bestrafen. Natürlich durfte er. Nicht auszudenken, wenn die Sklavin so auf Marcia reagiert hätte. Oder auf Arria. Cinnas Hände zitterten nun merklich und ihre Widerspenstigkeit förderte seinen Zorn noch mehr heraus. Als sie ihn anschrie, holte er wieder aus und schlug sie auf die andere Seite ihres Gesichtes, diesmal aber spürbar härter.
    "Du sollst dich entschuldigen, habe ich gesagt!", brüllte er und funkelte sie an.

    Sie musste viel kleiner als er sein und als er noch den Kopf ein wenig in den Nacken legte, wirkte sie noch kleiner vor ihm. Aber sie hatte es verstanden. Seine Augen funkelten, als sie den Kopf senkte, ihn ihren Herrn nannte und abging. Er setzte sich auf eine Cline und wartete, bis sie schließlich wiederkam. Sie goss ihm auch gleich Wein ein und er triumphierte über ihre Unterwürfigkeit. Aber auch nur, bis der Kelch gegen seine Beine flog und der Saum seines Palliums von Weinspritzern befleckt wurde. "Was soll das?!" Sein Kopf flog hoch, sein Blick sprühte Funken und indem er schnell zwei Schritte auf sie zutat, schlug sein Handrücken ihr zielsicher ins Gesicht. "Entschuldige dich!"

    Ein Bote war vor einigen Stunden an der Casa angelangt und hatte von der Anreise der Schwester des Hausherren Kunde abgelegt. Bei Cinna, der den Burschen schon beinahe wieder fortgeschickt hätte, bevor er überhaupt sprechen konnte. Die Nachricht von Livia hatte ihn dann jedoch überrascht, sodass er zwar zur Arbeit gegangen, aber nicht so lange wie üblich geblieben war. Im Atrium sitzend und ein Buch lesend, hatte der Sklave ihm vom Vorfahren einer Kutsche berichtet. Cinna hatte ihn sofort rausgeschickt, hatte das Buch weggelegt und die Toga gerichtet, ehe er hinterherging.
    Er tauchte gerade aus dem Vestibulum hervor, als eine Frau von der Kutsche stieg. Cinna beschattete die Augen gegen die tief stehende Scheibe der Wintersonne, um die Ankommende erkennen zu können. Und tatsächlich. "Livia!", sagte er überrascht und stieg die Stufen hinab, gerade auf die Halbschwester zu.
    "Livia! Bist du es? Kann es sein? Du bist es! Lass dich ansehen! Hat Mercurius auch gut über dich gewacht?"

    Mit sanfter Belustigung sah Cinna seine Frau an. "Marcia... Natürlich weiß ich, dass du kein Kind mehr bist. Aber du bist meine Frau. Meine wunderschöne Frau. Und auch, wenn du auf dich aufpassen willst, lauern da draußen genug gefahren. Die Straßen sind voll von Gesindel, auch wenn das hier nicht Rom ist. Ich möchte einfach beruhigt sein können, dass dir nichts zustößt." Er seufzte. "Wie soll ich denn eine Arbeit suchen, wenn ich um dich in Sorge bin? Und außerdem kannst du die Stoffe nicht allein tragen. Nimm den Sklaven mit, er soll dir helfen. Keine Widerrede." Cinna versuchte streng zu gucken, aber seine Züge waren überraschend weich geworden. Sie setzte sich in einer geschmeidigen Bewegung auf seinen Schoß und er legte einen Arm um sie. Den Kuss erwiderte er zärtlich, während die andere Hand ihr über den Arm strich. Sie war wie Balsam für seine Seele.
    "Gut, dann bleiben wir hier, mein Herz. Es ist hier ohnehin viel gemütlicher als auf einem dieser Schiffe. So viel Platz, fester Boden unter den Füßen und..." Sein Blick glänzte leicht, als er zum Bett sah und wieder zurück zu Marcia. "Viel mehr Privatsphäre." Ein geradezu schelmisches Grinsen kräuselte Cinnas Lippen und er zog Marcia enger zu sich, küsste sie leidenschaftlich und auch ein wenig hungrig.

    "Was erlaubst du dir?! Senke deinen Blick und zügle deine Zunge!", fuhr er sie an, den Blick in seiner Intensivität noch verstärkend, während er die Hände vor der Brust verschränkte. "Und bring dem Bruder des Hausherrn, etwas zu Essen und Wein. Und zwar hurtig!"

    Mit bohrendem Blick stand Cinna unweit der Clinen. Sein massiger Körper schien starr, während die Sklavin nun auch noch ungeduldig nachfragte, ob sie etwas tun konnte. Cinna hielt an sich, um nicht gleich aus der Haut zu fahren. "Wie ist dein Name, Sklavin?!" Seine Stimme war dröhnend und scharf.

    Cinna kam erschöpft von seiner Arbeit nach Hause. Überall steckte ihm der Staub und der Geruch von Stroh an, die Kälte hatte sich in seinen Kopf gefressen und dort einen leichten aber unangenehmen Kopfschmerz verursacht und die Tatsache, dass es schon wieder dunkel geworden war, hellte die Laune auch nicht mehr auf. Vor allem aber hatte er Hunger und seit dem Morgen nichts mehr gegessen. So hatte Cinna sich nach seiner Ankunft eine frische Tunika übergezogen und betrat gerade das Speisezimmer. Wie immer gingen ihm scheinbar alle Sklaven aus dem Weg, er war bislang noch keinem begegnet. Cinna sah sich unzufrieden um.
    "Turia!", rief er und hoffte, dass entweder sie oder ein anderer Sklave kommen würde.

    Marcia war wie ein Schaf. Sie war sanft und weich und warm, aber manchmal kroch ihr der Wolf unter das Fell. Cinna schmunzelte. Sie war natürlich so viel mehr als ein Schaf, aber ihr Wesen war, wenn gerade nichts zwischen ihnen stand, friedlicher, sanfter, liebenswürdiger und schöner als alles andere. Und dann dieses Leuchten in den Augen.
    "Ja, du kannst dich ein wenig umsehen. Aber pass auf dich auf. Nimm dir am besten diesen Sklaven mit, diesen... diesen... Ich weiß nicht einmal seinen Namen. Er soll auf dich aufpassen und dir die Stoffe tragen", sagte Cinna und ging zu einer Komode. Dort stellte er den Becher ab und wandte sich mit fragendem Blick herum. "Möchtest du denn bleiben?"
    Er ging zu einer Waschschüssel und wusch sich das Gesicht. Mit einem bereitliegenden Tuch trocknete er sich Gesicht und Hände. "Varus wird uns jedenfalls nicht vertreiben. Ich habe mit ihm gesprochen und wenn man es so nennen will, haben wir eine... Vereinbarung getroffen." Er seufzte und setzte sich in den Korbsessel. "Wenn du also bleiben wollen würdest, dann sollte ich mich morgen gleich auf die Suche nach einer Arbeitsstelle machen."

    Mit dem Becher in der Linken, ging Cinna lächelnd zu seiner Frau und strich ihr mit der Rechten über die Wange. Er wusste, dass alle sich fragten, wie er zu solch einem liebreizenden Weib gekommen war - und häufig konnte er sich nicht mal mehr selbst diese Frage beantworten. Das war einer dieser Momente.
    "Weißt du was? Du solltest morgen gleich auf die Mercati gehen und dir ein paar neue Stoffe kaufen. Etwas, das hierher passt, was aber trotzdem nicht jede trägt. Und auch ein paar neue Schuhe. Was hältst du davon?" Schmunzelnd betrachtete er sie.

    Essen! Wegen so einer Banalität wurde er im Gespräch mit seiner Frau unterbrochen! Bei Bacchus, das war ja nicht auszuhalten ohne göttliches Zutun. Cinna hielt sich die Hand vor die Stirn und schüttelte den Kopf.
    "Ja, bring uns etwas...", sagte er fahrig, winkte Iason davon und wartete nicht länger, um die Tür wieder zu schließen. Zu Marcia gewandt schüttelte er den Kopf und machte einen Zischlaut, ehe er sich seinen Weinbecher nahm und trank.

    "Eine gute Mischung von dem kleinen Mädchen und der jungen Frau...", sagte er und wiegte den Kopf, ehe er seufzte und einen Arm vom Rücken zog, um Arrias Kinn mit Zeigefinger und Daumen hochzudrücken. "Na na, Kopf hoch, junge Dame. Du hast einen Mann, der die Absicht hat dich zu heiraten, einen Vater, der... der Varus heißt und noch dazu einen Onkel, der sich freut, dich wieder sehen zu können." Er schmunzelte und nahm die Hand von ihrem Kinn. "Egal wie du dich gibst. Drum sei nicht traurig und schenk mir noch ein Lächeln. Ich muss jetzt wirklich los."

    Zitat

    Original von Iason
    "Ja, Herr? Was kann ich für Euch tun?"


    "Macht es dir Spaß unser Gespräch abzuhören oder bist du immer derart langsam bei der Arbeit? Vielleicht sollte sich der Hausherr ja einmal überlegen, ob er dich nicht an die Gladiatorenschule verkauft. So langsam wie du bist, wirst du zwar nicht lange durchhalten, aber die Menschen hätten ihre Freude an dir." Mit einer wegwerfenden Handbewegung deutete er dem Sklaven an, dass er lieber schnell wieder an die Arbeit ging. Dann wandte er sich Arria zu, die in Gedanken vertieft zu sein schien. Träumerische Jugend. "Wo ist nur dieses kleine Mädchen hin, das stundenlang umhergesprungen ist, anstatt betrübt oder geistesabwesend mit ihrem Onkel zu kabbeln? Ich sehe sie noch, wie sie einen Schmetterling fing und ihm auf ihrem Zimmer ein Paradies herrichtete", erinnerte er sich, Arria aus dem Augenwinkel musternd. "Stattdessen stehe ich vor einer hübschen Frau, die keine sein will und zudem recht trübsinnig erscheint, obwohl ihr Leben gerade erst anfängt sich zu entfalten. Oder irre ich nur?" Er hob die Schultern und rempelte seine Nichte noch einmal an. Sie musste wissen, wie er es meinte, sonst hätte er wirklich jeden Grund zur Sorge. "Nun, mein Kind, ich sollte mich jetzt um eine Arbeit bemühen."

    "Das hatte ich auch nicht vor", sagte Cinna und grinste tatsächlich beinahe schon. "Sei nicht albern, Arria. Ich sagte ja nicht, dass dich gar nichts angeht. Aber gewisse Dinge gehören einfach nicht 'öffentlich' beredet und dazu zähle ich meine Ehe in gewissen Hinsichten durchaus auch." Er schnaufte und sah zu dem Sklaven, der wahrscheinlich mehr ihrem Gespräch lauschte als den Dreck wegzufegen. Cinna schüttelte den Kopf. "He, du! Komm einmal her!"

    Cinna verengte die Augen, als er von Marcia erzählt bekam, was Arria sich herausgenommen hatte. Was dachte sich dieses unerzogene Kind denn dabei? Immer weniger wusste Cinna, was er von dem Mädchen halten sollte. Mal fiel sie ihm um den Hals, wie in guten alten Zeiten, aber kaum drehte er sich herum, fiel sie ihm mit dem Messer in den Rücken. Vor allem aber stellte sie Marcia bloß, was Cinna augenblicklich verstimmte.
    "Da sieht man wieder einmal, was Varus mit seiner liberalen Erziehung bewirkt hat. Arria versteht sich nicht auf die Werte einer guten Frau... Zumindest schätzt sie sie nicht." Er schnaubte leise. "Woher soll sie wissen, wie sie sich zu benehmen hat, wenn sie jahrelang das einzige weibliche Wesen im Hause war? Es war an ihrem Vater, das zu begreifen. Jetzt ist es dafür zu spät."
    Er scharrte mit einem Fuß auf dem Boden und seufzte, ehe er sich der Karaffe zuwandte. "Möchtest du etwas trinken?" Ohne auf ihre Antwort zu warten mischte er Wein mit Wasser in dem Verhältnis, wie sie es mochte, stand auf und setzte sich mit dem Becher neben sie auf das Bett.
    "Ich weiß, dass ich es bin, der diesen Eindruck bei ihr überhaupt erst hat aufkommen lassen. Varus ist ein.... ein Holzkopf, aber ich hätte mich nicht dermaßen reizen lassen sollen. Und vor allem hätte ich nicht meine Hand gegen dich erheben dürfen." Er reichte ihr den Becher und musterte sie mit einem Blick, der seine Schuld verriet.

    "Dann, mein Nichtchen, solltest du deine Worte sorgfältiger wählen", bluffte er sie an. Schnell schmunzelte er, damit seine Worte ein wenig an Schärfe einbüßen mussten. "Zerbrich dir bitte nicht den Kopf über Dinge, die dich nichts angehen. Marcia ist eine stolze Frau und ich bin sicher der letzte Mensch, der diesen Stolz brechen würde. Weil sie ein mal mit gesenktem Kopf neben mir ging, heißt das also noch lange nichts." Er pausierte. Seine Worte waren immer noch ziemlich tadelnd. Also atmete er einmal durch und trat zu Arria. "Wie in jeder Ehe gibt es Unstimmigkeiten, auch bei uns. Worüber wir gestern uneins waren, kannst du dir vielleicht denken", sagte er und seine Stimme war wesentlich sanfter.

    Zuerst einmal begann Cinna damit, sich die vielen Pferde anzusehen, denen ein bisschen Bewegung wohl guttun würde. Doch bevor er etwas unternahm, ging er über zu den Gespännen, die in hervorragendem Zustand waren.
    Ein sandiger Platz in Form eines Zirkels. Kaum später stand Cinna im Mittelpunkt dieses Kreises und trieb den Schimmel mit knappen Befehlen und einem Lederriemen an, in den verschiedenen Gangarten um ihn herum zu stolzieren. Er wollte sich zuerst ein Bild von seinen neuen Arbeitskollegen machen und sie sich ein wenig austoben lassen, ehe er sich schon am morgigen Tag mit dem eigentlichen Training befassen würde.