Beiträge von Secundus Petronius Mela

    Mela sah jemanden kommen. Nicht jemanden, sondern den Praefectus Praetorio. Er schluckte. Konnte es sein, dass Marcelle ebenjenes wichtige Detail vergessen hatte zu erwähnen? Dass ihr Onkel Caecilius Crassus war? Mela kam sich seltsam vor. An der Porta hatte er noch gehofft, diesem Jemand nicht zu begegnen, nun hatten die Götter ihm den Praefectus als Onkel Marcellas geschickt. Der Soldat stand in seiner rostroten Militärtunika im Atrium der Casa und sah Crassus ersteinmal nur an. Dann, nachdem er gegrüßt worden war, rang sich auch Mela einige Worte ab.


    "Salve", sagte er.
    "Mein Name ich Secundus Petronius Mela, ich bin Duplicarius der Legio IX Hispanie, stationiert in Germanien und auf Urlaub in Roma."


    Das war die übliche militärische Art, sich vorzustellen. Mela stand hoch aufgerichtet da, während er diese Worte sprach, dann entspannte er sich wieder etwas und er lächelte Crassus an.


    "Bist du Caecilia Marcellas Onkel?" musster er dann doch nachhaken, ehe er sein Anliegen vortragen würde.

    Mela bleib stehen und war schlichtweg gerührt über Marcellas Worte. Er sah sie an und wusste einen Moment lang nicht, was er darauf nun erwidern sollte, doch dann sprach er einfach drauflos.


    "Sollte es mir nachher nicht gut gehen, werde ich einfach an dich denken", versprach er.
    "Dann ist alles nur noch halb so schlimm und den Wein werde ich auch nicht brauchen."


    Er lächelte sie herzlich an und blieb noch einen Moment so stehen, dann räusperte er sich, weil ihm auffiel, dass er sich selbst gerade in Gedanken verlor, und setzte sich wieder in Bewegung. Sie wäre traurig, wenn er ihre Verabredung vergessen würde, hatte sie gesagt. Nein, Mela würde sie nicht vergessen. Dazu hatte ihm dieser Nachmittag viel zu gut gefallen und Marcella hatte eine viel zu aufmunternde Wirkung. Wenn er Livilla vergessen wollte, musste er sich ablenken. Marcella bot eine mehr als angenehme Möglichkeit hierzu. Er wäre schön blöd, wenn er sie nicht annehmen würde.


    Kurze Zeit später kam die Casa Caecilia schon in Sichtweite.
    "Das ist das Haus, nicht?" fragte er Marcella.
    "Ich war noch nie da, bin aber schon des Öfteren dran vorbeigekommen."

    Der Petronier wartete im Atrium auf Marcellas Onkel. Wer das wohl sein mochte? Sie hatte ihm seinen Namen ja noch nicht verraten, immer nur von 'ihrem Onkel' geredet. Nun stand Mela leicht aufgeregt neben einer Säule und betrachtete das Atrium. Es war hübsch eingerichtet, hier und dort standen Pflanzen in Kübeln und kleine Statuen. Man merkte deutlich den Einfluss einer Frau, der in der heimischen Casa in Taracco deutlich gefehlt hatte, bis Decima Alessa in die Familie gekommen war.

    Mela sah den Alten und fragte sich, warum man einen Greis als Ianitor einsetzte. Er würde doch kaum oder sogar gar nicht unliebsame Besucher fernhalten können. Trotzdem lächelte er den Mann an und trug sein Anliegen vor.


    "Salve! Ich bin Secundus Petronius Mela und ich bin hier, um Caecilia Marcella abzuholen. Vorher würde ich aber gern mit ihrem Onkel reden."


    Ihm fiel jetzt auf, dass er gar nicht wusste, wie ihr Onkel eigentlich hieß. Er runzelte die Stirn, während er sich zu erinnern versuchte, ob sie seinen Namen irgendwann erwähnt hatte, aber es wollte ihm nicht einfallen. Also wartete er einfach darauf, was der Alte sagen würde.

    Mela sah Marcella entrüstet an. Wie viele andere Männer auch, war er der Meinung, dass Waffen und Frauen nicht zusammengehörten. Dann aber sah er den Schalk in ihren Augen und musste über sich selbst schmunzeln.
    "Dann wärst du also lieber eine Amazone als eine Dame?" fragte er sie.


    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, dann kam Marcella auf Melas gesicht zu sprechen und dieser grinste breit.
    "Dann hatte ich ja scheinbar großes Glück, dass ich nicht hässlich bin", stellte er fest und lachte amüsiert. Ihr keckes Grinsen gefiel ihm. Es passte zu Marcellas Art und rundete das Bild, dass er von ihr hatte, ab.


    "Trotzdem möchte ich mich bedanken, denn selbstverständlich ist es nicht."
    Seltsamerweise gefiel ihm die Aussicht gar nicht so recht, dass Marcella am morgigen Tage erneut einem traurigen Mann seine Trauer nahm. Er zuckte unmerklich mit den Schultern und schritt weiter neben ihr her, die Gedanken fortschiebend. Es wurde still zwischen den beiden und Mela lag eine Frage auf der Zunge, die er noch nicht auszusprechen wagte. Später vielleicht. Oder bei ihrem Unterricht. Sie legten gut zweihundert Schritte ohne ein Wort zu sprechen zurück, wobei Mela immer wieder kurz den Blick zu Marcella wandte und sie entweder anlächelte oder nur kurz zu ihr sah.


    "Eigentlich wollte ich heute abend dem Wein frönen und alles vergessen", sagte er dann in die Stille hinein.
    "Aber wenn ich das nun tu, vergesse ich auch den schönen Nachmittag auf dem Markt."
    Er lächelte sie an, während er weiterging.

    Mela lachte kurz und nickte dann nachdenklich.
    "Weißt du, als du dich neben mich gesetzt hast, wollte ich eigentlich nur allein sein und mein Selbstmitleid pflegen", sprach er dann ehrlich und verschränkte die Arme auf dem Rücken, was ihn wie einen großen rostroten Storch aussehen ließ. Dies war ihm eigen und er nahm diese Haltung schon fast immer automatisch ein, wenn er nicht wusste, wohin er mit den Händen sollte.


    "Aber dann war diese Sache mit dem Geldbeutel, dein freundliches Angebot... Und nun gehen wir spazieren, essen Kuchen und lachen zusammen. Ich hätte das selbst nicht für möglich gehalten, Marcella, aber du zeigst mir, dass man sich nicht so gehen lassen sollte. Und dafür möchte ich dir danken. Wir kennen uns zwar nicht, oder besser: noch nicht, aber du hast etwas an dir, das mich dir vertrauen lässt."


    Mela verstummte und sah Marcella ehrlich und ernst an. Dann lächelte er spitzbübisch, zwinkerte ihr zu und meinte:
    "Zumindest bis jetzt... Hinterher kannst du besser reiten als ich und lachst dich schief, wenn ich mich als Reitlehrer versuche..."

    Mela gab sich alle Mühe, ernst zu sein und es auch zu bleiben. Irgendwie war das hier eine komische Situation. Nicht nur Marcella grinste breit, sondern auch ihre Sklavin und einige Umherstehende auch, die mitverfolgten, wie das kleine Mädchen dem großen Soldaten den Mund abwischte. Als sie ihn berührte, war es angenehm, wenn auch kurz. Leider sah er keinen Krümel herunterfallen, aber Hauptsache, er war weg und ließ Mela nicht wie einen kleinen Jungen wirken.


    Sie zog die Hand wieder fort und lächelte. Mela schüttelte den Kopf und schmunzelte.
    "Nein, keinen Krümel. Aber dein Haar scheint widerspenstig zu sein, es ist schon wieder hinter deinem Ohr hervorgerutscht", erklärte er ruhig und hob die Hand, um die Strähne lässig hinter ihr Ohr zu streichen. Er dachte sich nichts besonderes dabei, es war lediglich eine freundliche Geste, wie es die mit dem Krümel auch gewesen war. Nun deutete er weiter. In der Ferne war bereits das Ende der Stände und Läden zu sehen.


    "Gehen wir weiter?" fragte er und setzte sich auch schon in Bewegung. Eine Weile schwieg er, dann rief er sich Marcellas Frage ins Gedächtnis zurück.
    "Ah, du wolltest wissen, wo ich geboren bin? In Tarrco, Hispania. Merkt man das nicht? Man sagt den Spaniern Muße und Lebensfreude nach."
    Er sah sie von der Seite an und erinnerte sich daran, wie sie sich kennengelernt hatten.
    "Hm, nein, man merkt es wohl heute nicht so sehr wie sonst", sagte er dann zu sich selbst. Lebensfreudig hatte er wohl kaum ausgesehen. Doch inzwischen hatte sich das geändert.

    Mela fuhr ganz kurz wie ertappt zusammen, als Marcella ihn aus seinen Gedanken riss und veranlasste, dass sein Blick, der eben noch ihrer Hand gefolgt war, schnell wieder in ihr Gesicht wanderte. Er schob sich den letzten Rest des Kuchens in den Mund. Seiner war nun aufgegessen, der von Marcella noch nicht einmal zur Hälfte verschwunden. Mela wollte gerade zu einer Antwort bezüglich der Frage nach seiner Herkunft ansetzen, als Marcella grinsend auf seinen Mundwinkel deutete. Mela schmunzelte, wobei der Krümel schon abfiel, reckte aber das Kinn etwas vor und beugte sich leicht herunter.


    "Wo denn?" fragte er breit grinsend. Marcella schaffte es, dass er gar nicht mehr an bestimmte Personen dachte, zumindest für den Moment nicht. Er wartete geduldig darauf, was sie tun würde und schon die Beantwortung ihrer Frage ersteinmal nach hinten. :D

    Pünktlich morgens zur dritten Stunde fand sich Mela mit einer Art Rucksack über der Schulter vor der Casa Caecilia ein. Er war gespannt, ob Marcella von ihrem Onkel die Erlaubnis bekommen hatte, von ihm unterrichtet zu werden. Und - zugegebenermaßen - er hatte klamme Finger. Immerhin war das nicht nur Marcellas Zuhause, sondern auch das Haus, in dem der Prätorianerpräfekt wohnte. Natürlich, es war sein Traum, der Garde des Kaisers anzugehören. Aber betteln wollte er nicht darum. Und wie mochte es aussehen, wenn er nun hier stand und man genau das vermuten konnte?


    edit: Er klopfte. :D

    "Gut, du hast die Dame gehört", sagte Mela zu dem Händler und grinste. Der Bäcker gab zuerst Marcella ihren Feigenkuchen, dann reichte er Mela seinen Olivenkuchen. Mela bezahlte, dankte und ging dann zusammen mit Marcella weiter. Er hörte ihre dankenden Worte und winkte mit der freien Hand ab.


    "Schon gut", meinte er gut gelaunt und biss herzhaft in seinen Kuchen. Kauend hörte er dann ihre nächste Frage und schüttelte den Kopf. Nachdem er zu Ende gekaut und geschluckt hatte, antwortete er.
    "Ich glaube, ich bin momentan der einzige in Rom. Meine Geschwister sind in Germanien, wie Onkel Varus und Tante Livia auch. Meine anderen Onkels und meine Cousine sind in Tarraco und mein Vater...nun ja, von ihm haben wir seit etwa zwei Monaten nichts mehr gehört. Er wollte nach Achaia. Mein Vater war schon immer ein Mann der Reise, weißt du? Mutter hat sich immer aufgeregt, weil er praktisch nie zu Hause war."


    Mela lächelte bei der Erinnerung an seine Mutter und ihr Verhältnis zu seinem Vater. Er dachte an Crispus, und dass sie sich im Argen getrennt hatten, weil er einfach nicht einsehen wollte, dass es dem 'Frauenheld Mela' endlich mal eine angetan hatte. Er schob die Gedanken beiseite und sah Marcella an. Zum ersten Mal seit sie sich getroffen hatten, fiel ihm auf, dass ihr Haar so sehr glänzte, dass es die Sonne zu reflektieren schien. Gebannt beobachtete er, wie sich die Reflektionen bei jedem ihrer Schritte änderte.

    Mela besah sich schon die Auslagen. Etwas Süßes wäre nun falsch gewesen, dafür war sein Hunger doch zu mächtig. Er überlegte, was es werden würde, welcher herzhafte Kuchen seinen Weg in Melas Magen finden würde, als Marcella ihn abschätzend ansah und sich wie ein Orakel gebärdete. Der Soldat grinste breit, sah sie dann aber vollkommen verblüfft an. Konnte Marcella am Ende etwa doch Gedanken lesen? Sein Mund war in Überraschung leicht geöffnet, als er sie perplex ansah.


    "Wie...äh...hm", machte er und blinzelte.
    "Naja, besonders mögen kann man nicht so sagen, aber meine Wahl fällt glaube ich doch auf den Olivenkuchen... Allerdings sind diese Dinkel-Teile auch nicht schlecht. Hmm..."


    Mela wandte den Blick wieder den Kuchen zu, nickte schließlich und sagte dem Händler:
    "Ich hätte gern einen solchen Olivenkuchen....und...hm, du einen Feigenkuchen oder doch eher etwas anderes?" fragte er mit Blick zu Marcella. Auch der Bäcker sah die junge Dame nun fragend an. Mela überlegte, ob er der Sklavin auch etwas ausgeben sollte, konnte sich aber nicht dafür oder dagegen entscheiden.

    Jetzt fiel es sogar Mela auf. Immer wieder sprach sie von ihrem Onkel. Warum nannte sie nicht ihren Vater? Skeptisch zog er die Augenbrauen zusammen und dachte nach. Vielleicht war ihr Vater auf Reisen? Diente in der Legio oder sonstwas? Ja, das musste es sein. Er nickte sich selbst bestätigend zu und sah dann Marcella an.


    "Sorgt dein Onkel für dich?" fragte er.
    "Ich werde dich in jedem Falle abholen und dann auch gern mit ihm sprechen. Ich nehme an, er wird dir einen Sklaven mitschicken oder jemanden, der zusätzlich noch auf dich acht gibt. Immerhin gehen wir vor die Stadttore."


    Mela lächelte, als sie ihm zuzwinkerte, und antwortete spontan:
    "Gleich morgens, wenn dir das recht ist. Sagen wir...zur 3. Stunde? Dann haben wir den ganzen Tag vor uns und du bist auf jedem Fall vor dem Dunkelwerden wieder zu Hause."


    In diesem Moment passierten sie einen Bäcker, der sich irgendwie zwischen diese ganzen Schmuck- und Hinstellerchen-Händler verirrt hatt, weil er inmitten der materiellen Waren ein recht lukratives Geschäft von hungrigen Schmuckinteressenten erwartete. Mela verspürte mit einem Mal Hunger, was wenig verwunderlich war, denn er hatte seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Er deutete auf diesen Bäcker, der im Gegensatz zu vielen anderen Essensverkäufern hochgewachsen und sehr hager war, und sagte:
    "Ich glaube, ich muss diesem Herrn dort einen Besuch abstatten. Möchtest du auch was? Diese kleinen Kuchen da sehen wirklich lecker aus."


    In der Tat, das sahen sie. Kleine, etwa handtellergroße Kuchen in vielen Geschmacksrichtungen lagen auf dem Tresen. Dinkelkuchen, Spelzkuchen, Kuchen mit Äpfeln, Kuchen mit Olivenfüllung, mit Gemüse oder mit Früchten. Mela lief das Wasser im Mund zusammen, während er mit Marcella neben und der Sklavin im Rücken an den Verkäufer herantrat.

    Mela hielt die Luft an, als Marcella viel zu lange überlegen schien, schließlich aber keine Einwände hatte, was aber vielleicht auch an der Dampfwolke lag, die sie und Mela nun einhülllte. Er schmunzelte und schüttelte den Kopf, als der Methusalem einladend auf seine Auslagen deutete, und legte Marcella eine Hand auf den Rücken, um sie aus dem Nebel zu bugsieren. Kaum drei Sekunden später ließ er die Hand auch schon wieder sinken und schüttelte den Kopf.


    "Mal probiert, ja, aber das ist nichts für mich. Es schmeckt fürchterlich und macht dich kurzatmig", erklärte er und musterte Marcella skeptisch, die irgendwie begeistert und neugierig aussah.
    "Lass es lieber bleiben. Du tust dir damit keinen Gefallen. Und außerdem würde es die Antwort auf meine Frage nur noch weiter hinauszögern."


    Melas Gesicht zeigte ein breites Grinsen, als er den Kopf schräg legte und die hübsche Dame neben sich erwartungsvoll musterte.
    "Also: Freitag?"

    Mela lachte und nickte dann.
    "Dann sprichst du am besten mit deinem Vater darüber. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, kannst du mir dann sagen, was er davon hält." sragte Mela. Er musterte Marcella, wie sie an ihrer Palla herumzupfte, und fasste einen Entschluss.


    "Was hältst du davon, wenn wir uns in drei Tagen wieder treffen?" schlug er vor und sah sie an.
    "Ich werde schon keinen Ärger bekommen. Immerhin hatte ich zuerst Urlaub und bin dan niedergestochen worden. Außerdem habe ich ohnehin einen Versetzungsantrag eingereicht."


    Darauf folgte Schweigen, denn er hatte das noch nicht getan, würde es aber bald tun. Irgendwie war der Entschluss schon in ihm gereift, als er die Casa Iulia verlassen hatte. Sein Patron mochte es vielleicht nicht gern sehen, aber er würde sich zum einen wegen Livilla versetzen lassen, zum anderen wegen der vielen Optionen, die man in Italien doch mehr hatte als in Germanien. Gerade passierten sie einen Stand, an dem Pfeifen aller Art verkauft wurden. Der Händler sah aus, als sei er mindestens so alt wie Methusalem. Mela blieb stehen und grinste, dann pustete der zahnlose Mann ihm und Marcella eine gehörige Dampfwolke entgegen.

    Irgendwie verhielt sich Marcella einen Moment lang seltsam. Sie sah aus, als müsse sie sich gleich übergeben, grinste dann aber breit und fächerte mit ihrer Hand herum. Skeptisch wandte Mela sich um und sah zu der Sklavin, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. So zuckte er leicht mit den Schultern und widmete Marcella wieder seine ganze Aufmerksamkeit.


    "Naja, aber wer ist schon gern nur um des Streitens Willen mit einer Frau zusammen", wandte Mela ein und schmunzelte. Marcella gefiel ihm immer mehr. Ihre kleine Unterhaltung bestätigte Mela in seiner Vermutung, Marcella sei genau die Art von Frauen, die er eben angesprochen hatte und die er mochte. Wie Livilla, schoss es ihm durch den Kopf und er seufzte tief.


    "Naja, momentan ist er als Quaestor in Germanien, aber die Amtszeit wird bald vorüber sein, dann wird er schon allein der Res Gestae wegen nach Rom kommen, vermute ich. Wenn du möchtest, werde ich ihm schreiben. Aber es war nur ein Vorschlag, du kannst immer noch ablehnen. Und das letzte Wort hat sowieso Varus. Wobei ich nicht denke, dass er deinem Charme widerstehen kann", sagte Mela. Oh. Hatte er das eben wirklich gesagt? Beinahe hastig folgte er Marcellas Blick zu diesem Paar Ohrringen hin, nur um sie nicht weiter ansehen zu müssen. Dann hob er die Hand und fuhr sich gedankenverloren durchs Haar.


    "Ja, das könnte ich. Wie gesagt, ich diene in der Reiterei. Uhm... Eigentlich müsste ich zurück, aber...hm... Ein paar Tage sind sicherlich noch drin", meinte er und lächelte sie ehrlich an.

    Mela betrachtete Marcella und lachte kurz, als sie mit ihm scherzte. Der ganze Schmerz vom Morgen schien in Vergessenheit geraten. Mela wusste aber, dass er zurückkommen würde, wenn er ersteinmal wieder allein und somit nicht mehr abgelenkt war. Im Augenblick blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als sich mit Marcella zu amüsieren, was keinesfalls eine Last, sondern eine sehr willkommene Ablenkung war.


    Der Soldat sah die kleine Frau verdutzt an, als sie vom Zusammenhang von Bildung und Schönheit sprach, grinte dann verlegen und sah wieder nach vorn.
    "Er hat nicht ganz unrecht", sagte Mela und sah Marcella dabei nicht an.
    "Was soll ein Mann mit einer Frau anfangen, die zwar schön aussieht und wohlerzogen ist, aber nichts weiß und nirgendwo mitreden kann? Es gäbe kein Thema, über das sich die beiden unterhalten könnten."


    Nun sah er Marcella an und lächelte ehrlich.
    "Ich jedenfalls würde mir eine Frau an meiner Seite wünschen, die schon etwas gebildet ist. Den Göttern dienen ist auch nicht schlecht. In Germanien herrscht wohl Priestermangel. So gut kenne ich mich da nicht aus, aber man hört die Priester dort doch immer davon reden. Und was ist mit der Verwaltung? Oder... Meinem Onkel gehört die Apicia. Er sucht derzeit einen Verwalter und zugleich jemanden, der ein Auge darauf hat, dass die Taverne den guten Ruf behält, den sie besitzt."
    Mela hatte eine Idee.
    "Du kämst ihm sicher wie gerufen", fügte er an.


    Auch er ließ nun den Blick über die Schmuckstände gleiten, kam aber bald zum Gesprächsthema zurück.
    "Ich habe gefragt ob du reiten kannst, weil ich in der Reiterei diene. Du willst raus aus Rom? Ich könnte dir etwas Unterricht geben, außerhalb. Natürlich nur, wenn du magst."

    Mela musterte Marcella während sie gingen und sie erzählte. Achtzehn Jahre war sie also alt. Und dennoch zeigte sie so viel geistige Größe und holte Mela aus seinem Selbstmitleid heraus. Ihre Worte bezüglich des Gefangenseins ließen Mela an seine eigene Kindheit denken. Nur, dass es bei ihm damals nicht Rom, sondern Tarraco gewesen war, und dass sein Vater, der immer auf Reisen gewesen war, Melas Mutter und Onkel Varus die Erziehung überlassen hatte. Mela hatte schließlich so lange gebettelt, gefleht und genervt, bis Varus ihm eine Ausbildung hatte zukommen lassen, in Rom und bei einem erfahrenen Soldaten. Nach der Ausbildung war es gleich weitergegangen, zur Legion. Und nun war er Duplicarius, würde irgendwann einmal Decurio werden und weiter aufsteigen. Vielleicht entdeckte man ihn auch und erfüllte ihm seinen größten Wunsch: Den Beitritt in die Garde des Kaisers, die Praetorianer. Aber erzwingen konnte man das nicht, also musste man warten und sich nicht verstellen. Mela erinnerte sich noch gut daran, wie er begierig alles Neue aufgeschnappt hatte, wie er trunken geworden war von den vielen neuen Eindrücken, Bildern und Leuten. Marcella würde es ganz sicher ähnlich gehen.


    "Marcella, das ist alles nichts im Vergleich zu dem, das man selbst erlebt hat. Diese Puppen hier mögen dir vielleicht unförmig und hässlich vorkommen, aber wenn du siehst, wie ein runzeliger germanischer Mann sie mit seinen eigenen, knorrigen Händen schnitzt, wirst du anders darüber denken. Das Land, die Menschen, die Eindrücke - alles ist so anders als hier, sie fremd wie interessant. Solltest du die Gelegenheit haben zu verreisen, nutze sie."


    Dann viel sen Blick auf einen schwarzhäutigen Mann und Mela grinste.
    "Sofern die Puppen aus Germanien kommen, heißt das", scherzte er und grinste Marcella an. Er überlegte, was er sie denn fragen könnte. Was interessierte ihn?


    "Hmm, mal sehen. Was machst du so den ganzen Tag, außer dir Sachen anzuschauen und sie dann zu kaufen? Hast du Arbeit? Wie bist du an deine Sklavin gekommen? Und...hm, kannst du eigentlich reiten?"

    Mela schmunzelte. Er glaubte auch, dass der Lederbeutel in seinen Händen besser aufgehoben war als bei Marcella. Nicht, weil er sie kaum kannte, sondern weil sie wie wohl alle Frauen gern einkaufte, wie sie selbst sagte. Von dem wenigen Sold, den er bekam, konnte er sich gerade einmal den Aufenthalt in Rom finanzieren, auch wenn Onkel Varus ihm vor seiner Abreise nach Germanien noch etwas zugesteckt hatte. Er wandte sich um und folgte Marcella und ihrer Sklavin. Diese zwei einfachen Worte der Zustimmung ließen ihn erfreut lächeln. Er fand, dass sie etwas wie Vorfreude und Vertrautheit ausdrückten.


    Er überlegte, ob er ihr seinen Arm anbieten sollte, entschied sich dann aber dagegen. Wie gesagt, sie kannten sich kaum. So schloss er zu ihr auf, die Sklavin in ihrer Nähe wissend, und machte sich mit ihr auf zum Markt, wo sie bald auch ankamen. Mela schlug die Richtung ein, die er sich zuvor ausgedacht hatte, und führte Marcella zuerst an einigen kleinen Ramschläden vorbei. Gleich würden dann die Schmuck- und Figurenläden kommen.


    "Erzähl mir etwas von dir. Bist du hier aufgewachsen?"