Beiträge von Secundus Petronius Mela

    Mela lächelte sie an und betrachtete sie eine Weile, wie sie sorgsam die Palla glattstrich und dann der Sklavin einen verschwörerischen Blick zuwarf.


    "Na, mal sehen ob ich das durchhalte. Zwei hübsche, junge, mittellose Damen auf dem Markt... Du hättest besser meinen Geldbeutel nicht zurückgeben sollen", scherzte Mela und zwinkerte Marcella zu. Er deutete in die Gasse, die zurück ins Gewimmel führte.
    "Gehen wir, wenn ich dir verspreche, dass ich mich bei dir melde?" fragte er und blickte sie erwartungsvoll an.

    Mela lachte kurz auf, als sie von der Krankheit sprach, die den Frauen eigen war: Exzessives Geldausgeben auf Kosten anderer. Er fragte sich, warum sich ihr Onkel Sorgen machte und nicht ihr Vater oder generell ihre Eltern, wollte sie aber nicht darauf ansprechen, sondern nickte nur und erhob sich. Mela reichte Marcella eine Hand und wartete, dass sie aufstand.


    "Gern. Wobei ich wohl nicht nochmal so ein Glück haben werde bei einem Angriff. Aber ich bringe dich gern nach Hause."
    Da kam ihm eine Idee, die ihm gut gefiel.
    "Wollen wir über den Markt zu deinem Zuhause gehen? Ich weiß, da gibt es sicher viele verlockende Dinge, aber der Weg mittendurch ist kürzer und es gibt mehr zu sehen."


    Er lächelte sie an. In Gedanken malte er sich schon den Weg aus, den sie nehmen würden: Am Schmuckstand dieses Iberiers vorbei, bei den Glasbläsern aus Germanien entlang und an vielen Ständen mit Kleinigkeiten zum Hinstellen. Sicher würde sich da etwas finden...

    Mela sog die Luft ein und streckte sich dann. Er hatte das Gefühl, dass er das gerade brauchte. Gut fühlte er sich nun, obwohl der Schmerz in seinem Herzen nur etwas gedämpft worden war und nicht nachgelassen hatte. Auf Marcellas Frage hin setzte er eine überlegende Miene auf und machte "Hmmmm..."


    Dann schmunzelte Mela.
    "Ich hätte gut und gern Lust auf die Thermen, jetzt. Leider kann ich dich nicht fragen, ob du mitkommen möchtest. Also muss ich mir etwas anderes ausdenken. Mal sehen", sagte er und lächelte. Verflixt! Ihm wollte doch so gar nichts einfallen, was er auf die Schnelle mit Marcella unternehmen konnte. Er mochte die junge Frau. Sicherlich würden sie Freunde werden und Mela würde das unterstützen. Immerhin war sie es gewesen, der ihn aus der Misere gezogen hatte, einfach indem sie ihm zugehört hatte.


    "Hast du irgendeinen Wunsch? Oder halte ich euch damit vom Einkauf ab?" fragte er.

    Mela fand, dass Marcella wirklich nett war. Sehr nett. Wie sie ihn ansah, da wogen die Sorgen schon nur noch halb so schwer. Und sie sprach sein Ehrgefühl an. Plötzlich erschien es ihm nicht mehr so, als hätte die ganze Welt sich gegen ihn verschworen, obwohl er noch vor wenigen Minuten genau dieses Gefühl gehabt hatte. Ihre sehr anziehende Stimme munterte zusammen mit dem Ton, den sie anschlug, ungemein auf, sodass Mela tief seufzte und dann den Blick in die Ferne schweifen ließ.


    Marcella sagte, dass Livilla sich glücklich schätzen konnte, dass er ihr geholfen hatte. Das war sicherlich richtig, aber traf zugleich auch auf jede andere Frau zu, die vor einer Vergewaltigung gerettet worden war. Der Soldat sah auf und betrachtete dankbar Marcella neben sich, wie sie da grazil auf der Bank saß und ihm zuhörte, um ihm zu helfen. Irgendwie rührte ihn das. Trotzdem brachte es Livilla nicht näher zu ihm, so sehr Marcella sich auch anstrengte.


    "Dann ist dein Vater ein weiser Mann", sagte Mela mit einem gutmütigen Lächeln auf dem Gesicht. Dass Marcellas Vater tot war, konnte er nicht wissen. Mela fragte sich, ob er Marcella nicht vielleicht besser kennenlernen sollte.

    Mela seufzte leise und schüttelte den Kopf.
    "Nein, es ist nicht gelungen. Ich habe ihn eine Weile aufhalten können, aber dann hat er mich erwischt. Hier", sagte Mela und deutete auf die Stelle seiner Tunika, unter der auf der rechten Seite die gut fünfzehn Zentimeter lange, waagerechte Wunde verborgen war.


    "Naja. Bevor ich das Bewusstsein verloren habe, konnte ich diesen Kerl noch von ihr runterziehen. Er hat sie mit seinen Drecksfingern angefasst, weißt du... Dann kamen Soldaten der CU und das nächste was ich weiß ist, dass ich im Lazarett wieder aufwachte und man mir sagte, ich hätte eine Woche mit Fieber auf der Pritsche gelegen und viel Blut verloren."


    Er sah auf den Boden, schloss dann kurz die Augen, ehe er den Blick wieder hob und Marcella ansah.
    "Eigentlich hätte ich es schon wissen sollen, als sie mich in den drei Wochen nicht besucht hat. Aber nein, heute Morgen haben sie mich entlassen und ich musste unbedingt gleich zu ihr. Immerhin wusste ich nicht, wie es ihr ging. Ihre Verwandte hat mir dann gesagt, dass sie das alles sehr mitgenommen hätte, hat mir gesagt, dass es nicht ehrenhaft gewesen sei, sie ohne Begleitung mitzunehmen...und mich dann mit der Wahrheit abserviert."


    Melas Blick war nun eine Mischung aus Enttäuschung, Schmerz und Trauer, als er Marcella ansah. Ihm fiel aber zugleich eine Art Stein vom Herzen, weil er endlich alles los geworden war, was geschehen war. Noch dazu hatte er den Eindruck, dass Marcella sich nicht wie Crispus darüber lustig machen würde. Er sah sie an und lächelte kurz.
    "Ziemlich verrückte Sache, hm?" machte er sich dann selbst darüber lustig.

    "Nein, sie nicht. Aber ihre...Verwandte", sagte Mela und ihm fiel auf, dass er nicht einmal wusste, in welchem Verhältnis Helena und Livilla zueinander standen. Der Soldat hob die Hand und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, dann sah er Marcella an und sprach weiter.


    "Ich bin Soldat der Legio IX Hispania, stationiert in Germanien. Vor knapp vier Wochen kam ich nach Rom. Ich hatte zwei Wochen Urlaub hier, mein Onkel feierte seine Sponsalia. Wir hatten uns in Germanien schon kennengelernt, sie ist die Tochter meines Decurio", floss es nun regelrecht aus Mela heraus.
    "Wir gingen in Germanien einige Mal aus. Und als sie zu ihrer Familie nach Rom zog, fiel mir auf, wie sehr ich sie vermisste. Also besuchte ich sie, als ich in Rom angekommen war. Wir verabredeten uns am nächsten Tag auf dem Markt, ich hatte eine Überraschung für sie. Ich wollte mit ihr auf den Esquilin gehen, picknicken. Nun ja, dieser Abend jedenfalls war ein einziges Desaster. Ich brachte sie zum Weinen, weil ich ihr meine Gefühle gestand. Und als ich sie nach Hause bringen wollte, überfiel uns so ein schmieriger Trunkenbold. Er behauptete, dass Livillas Vater für seine unehrenhafte Entlassung aus der Legio verantwortlich sei, wollte mich mit einem Messer niederstechen und sich an ihr vergehen."


    Mela machte eine Pause. Vielleicht war Marcella einiges unklar und er wollte ihr die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen. Immerhin hatte er das alles doch ziemlich monoton heruntergerasselt. Er sah ihr ernst und mit ein wenig Schmerz in die Augen und wartete.

    Mela war schon wieder tief in Gedanken versunken gewesen und erschrak beinahe, als Marcella ihn zum Weitersprechen animierte. Er musste einige Male wie benommen blinzeln und sprach dann langsam weiter. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er sehen, dass Marcella die Hände sittsam übereinander gelegt hatte und ihm aufmerksam und interessiert zuhörte. Trotzdem kam er sich vor, als sei er in einem Theaterstück. Er saß hier, nicht weit von den Trajansmärkten entfernt, zusammen mit einer jungen Frau auf einer Steinbank neben einer mickrigen Akazie und vertraute sich ihr an, erzählte ich seine Probleme und seine Gedanken und erhoffte sich daraus eine Antwort auf die Frage, die ihm seit Iulia Helenas nüchternen Worten durch den Kopf hallte: Warum?


    "Nichts ist mit ihr. Eigentlich. Ist ist nur so, dass..."
    Mela seufzte. Warum lange drumherumreden, wo es kurz und knapp gesagt werden konnte? Er wandte den Kopf und sah Marcella an.
    "Ich liebe sie, aber sie erwidert es nicht, obwohl sie jedes Mal so getan hat, wenn wir uns gesehen haben."

    Der Soldat grinste breit ob der Vorstellung eines griesgrämigen Blickes von der jungen Frau neben ihm. Nein, er konnte sich in der Tat nicht vorstellen, dass sie im Stande war, böse zu schauen. Alles an ihr wirkte fröhlich, freundlich und aufgeschlossen. Umso mehr verblüffte ihn ihre Bemerkung, dass sie gelangweilt in der Casa herumsaß. Bei ihrem Verstand und ihrem Äußeren war das einfach nur unvorstellbar.


    Mela merkte selbst, was er da gerade dachte, zwang das Bild von Livilla und damit die Gefühle zurück in seinen Kopf und seufzte tief.
    "Dieses Angebot ehrt dich, Caecilia Marcella", sagte er.
    "Aber ich sage dir noch mal: Du hast nicht gestört. Ich habe auch gar nicht nachgedacht. Es ist ein bisschen komplizierter. Selbstmitleid kann man es wohl nennen."


    Mela seufzte tief.
    "Es geht um eine Frau", meinte er kurz angebunden und ganz so, als würde das schon alles erklären. Eben ganz so, wie Frauen waren: kompliziert, wechsellaunig und schwierig.

    Die Stirn gerunzelt, sah er Marcella an und folgte dann ihrem ausgestreckten Arm zu ihrer Hand. Wollte sie, dass er ihre Hand ergriff? Die Bank war doch nur ein paar Schritte entfernt. SO schwächlich konnte er doch gar nicht aussehen, oder doch? Mela nahm sich insgeheim vor, sich nicht mehr so hängen zu lassen. Zumindest nicht dort, wo es jeder sehen konnte.


    Was Marcella betraf, lächelte er kurz und ging dann zu ihr, ohne die Hand zu ergreifen, sondern legte ihr nur sehr flüchtig die Hand auf den Rücken und schob sie vorsichtig an in Richtung Bank. Eigentlich war es mehr ein Mit-dem-Körper-mitziehen als ein Anschieben. Aber Mela nahm auch schnell wieder die Hand weg, denn es gehörte sich nicht, eine Frau einfach so zu berühren, schon gar keine Fremde.


    "Ich habe auch keine Angst vor dir", sagte er verschmitzt.


    So setzte er sich dann auf die Bank und sah nachdenklich die Sklavin an, dann wieder Marcella.
    "Warum interessiert es dich so, was einen wildfremden Mann betrübt?" wollte er von ihr wissen.

    Mela blinzelte. Daran hatte er gar nicht gedacht... Verstohlen musterte er Marcella. Sie war pfiffig, das musste er ihr lassen. Und sie dachte mit und war intelligent. Zumindest von dem her, was er bisher so erfahren hatte. Auf einer Steinbank. Mela blinzelte erneut und fragte sich, ob nur er den Eindruck hatte, dass seine Gedanken irgendwie wirr durcheinander gingen. Er seufzte und schüttelte den Kopf.


    "Hm, ja, du hast wohl recht. Eine Taverne ist momentan wohl der letzte Ort, an dem ich gern wäre", stimmte er ihr zu und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
    "Ich dachte nur, da hätten wir etwas zu trinken und es wäre nicht ganz so abgeschieden wie hier und..."


    Mela verstummte. Er machte sich wieder zu viele Sorgen um die Sicherheit anderer Leute. Noch war ihm frisch im Gedächtnis, was mit Livilla passiert war. Hier waren sie zwar näher am Markt und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passierte, war geringer als vor drei Wochen - aber sie waren hier in Rom und das Unheil lauerte hinter jeder Ecke. Na gut, hinter fast jeder. Der Soldat deutete auf die Steinbank.
    "Also bleiben wir hier, ja?"


    Der Gedanke, dass sie ganz ohne weiteres annahm, dass er sie noch einmal in eine Taverna ausführen würde, ließ Mela schmunzeln. Sie war wirklich keck.

    Mela wirkte verblüfft. Woher wusste sie verdammt noch mal, dass Crispus ihn immer aufzog? Dann kam er auf den Trichter, dass sie vielleicht selbst Brüder hatte. Trotzdem erklärte das nicht, dass sie wusste, wie Brüder untereinander mit Geheimnissen oder Problemen umgingen. Hmmm.... Sehr interessant.


    Nachdem er einen Blick zu der Sklavin geworfen hatte, die fügsam wartete, was Mela sogleich positiv auffiel, wandte er sich wieder Marcella zu.
    "Hier?" fragte er und guckte gespielt entsetzt.
    "Wollen wir nicht in eine Taverne oder sowas einkehren? Immerhin schulde ich dir das", sagte er und klopfte auf seinen Geldbeutel, der sogleuch fröhlich klimperte.

    Mela, der immer noch vor ihr stand, befestigte nun endlich den kleinen Beutel an seinem Gürtel. Gelegentlich, während er das tat, sah er zu Marcella auf und überlegte. Was sie sagte, klang logisch. Aber mit einer Frau über Probleme mit einer Frau zu reden....das kam Mela irgendwie spanisch vor. Er fühlte sich unwohl. Trotzdem war das Angebot ehrlich gemeint, das erkannte er an ihrem Blick. Vielleicht sollte er es doch annehmen, überlegte er. Er kannte sie nicht, sie kannte ihn nicht, bei den Praetorianiern konnte sie nicht sein und Namen musste er keine nennen.


    "Es war... Naja, um ehrlich zu sein habe ich es größtenteils nicht einmal gemerkt. Erst, als mir die Leute die Fäuste hinterher geschüttelt haben", erklärte er und schmunzelte.
    "Weißt du", begann er dann und nickte zwei, dreimal.
    "Ich denke, ich werde dein Angebot annehmen. Sogar wenn ich damit Gefahr laufe, dass du nachher mehr von mir weißt als mein eigener Bruder."

    Herrje, sah die süß aus, wie sie da eine kleine Schnute zog und ihn so ansah! Wie seine Schwester Fabia früher, als sie noch keine Priesterin gewesen war. Mela wünschte sich für einen Moment, Fabia bald wiederzusehen, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder Marcella, die so klein und zerbrechlich vor ihm stand und allein deswegen seinen Beschützerinstinkt wachrief. Und dass er sie auf Anhieb mochte, war sicherlich nicht wegen der Worte, die sie sagte.


    Mela schüttelte den Kopf.
    "Du hast nicht gestört. Ich... Es war einfach... Ich musste einfach mal raus aus der ganzen Sache, weißt du?" fragte er sie. Er log damit nicht direkt. Nur indirekt.
    "Mir ist in letzter Zeit nicht unbedingt nur Gutes widerfahren, aber... Naja, ich sollte das alles am besten einfach vergessen und, hm, neu anfangen."


    Er schluckte. Vergessen, ja, das war eine einfache Sache, wenn es etwas Banales war. Mela aber dachte an Livilla. Jedes Mal, wenn er seinen Decurio ansehen würde, würde er an Livilla denken. Vielleicht sollte er die Einheit wechseln, dachte er. Marcella aber riss ihn abermals aus den Gedanken und Mela versuchte abzulenken. Er kannte die Frau kaum und wollte nicht mit ihr über Livilla sprechen. Noch nicht.


    "So, du neigst dazu, Menschen über den Haufen zu laufen? Das ist interessant, denn diese Eigenschaft habe ich heute selbst an mir entdeckt", meinte er und grinste breit. Irgendwie hatte sie ihn schon aufgemuntert.

    Mela lächelte, als sie sich auf die Unterlippe biss und schnell wegsah, ihn dann ganz offen auf seinen vermeintlichen Fehler hinwies. Er nahm den Lederbeutel wieder an sich, legte den Kopf schief und sagte:
    "Naja, ich mache das bei allen hübschen Frauen so, die sich auf die gleiche Bank wie ich verirren. Irgendwann fällt einem da nichts mehr ein. Und immer die gleiche Masche ist auch irgendwie langweilig."


    Er zwinkerte zurück und stand nun einfach so vor ihr herum. Eigentlich hatte er keine Lust, noch mit ihr wegzugehen. Andererseits...warum nicht? Etwas Ablenkung tat sicherlich gut. Nur eben nicht heute. Er sah in ihre rehbraunen Augen und lächelte abermals, diesmal schon etwas länger. Dann setzte er eine bedauernde Miene auf.
    "Ich würde dich ja gern zum Dank auf einen Wein einladen, aber..."
    Er sah zur Seite und sie dann wieder an. Mela war schon immer ein schlechter Lügner gewesen.
    "Ich habe noch etwas dringendes zu erledigen.... Vielleicht...ein andermal?"

    Mela ertappte sich dabei, wie er schon wieder grinste und sich jungenhaft am Hinterkopf kratzte. Er sah kurz zu der wartenden Sklavin hinüber, die sich dezent zurückhielt, und dann wieder zu Marcella. Ein hübscher Name. Und irgendwie war es seltsam, dass sie so schrecklich klein war. Mela war zwar selbst kein Hühne, aber er war doch recht groß. Größer als der Durchschnittsrömer in jedem Falle.


    Also sah er zu ihr herunter und schüttelte den Kopf.
    "Wieso sollte das Absicht gewesen sein?" hakte er forschend nach. Dabei war sein Ton interessiert, aber nicht abweisend. Im Gegenteil, er mochte ihr kesses Auftreten und wie sie die Lider leicht zusammenpresste, als sie ihn ansah.

    Mela war schon einige Schritte entfernt von der Bank, als er eine klare, helle Frauenstimme hinter sich rufen hörte. Er blieb stehen und schloss die Augen. War ja klar gewesen, dass er nicht so einfach den Rückzug antreten konnte. Er seufzte leise und wandte sich um. Im gleißenden Sonnenlicht schimmerte das Haar der Fremden wie gesponnene Seide. Ihre Sklavin dort musste ihr gute Dienste leisten, was die Haarpflege anbelangte. Mela kam wieder etwas zurück und sah dann auf den Lederbeutel in der Hand der Frau.


    Unwillkürlich tastete er nach dem Gürtel über seiner rostroten Militärtunika, fand aber nichts außer Leere und sah dann verwundert noch einmal an sich herunter. Tatsächlich: nichts. Also legte er auch noch die letzten drei Schritte zu dem Mädchen zurück und schenkte ihr ein flüchtiges, aber dennoch ehrliches Lächeln.
    "Hm, vielen Dank,...äh...?"


    Er grinste kurz und räusperte sich dann.
    "Ich bin Secundus Petronius Mela. Und wie heißt die ehrliche Finderin meines Geldbeutels?" fragte er sie neckend.

    Mela war so in Selbstmitleid versunken gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, wie sich jemand neben ihn setzte. Erst, als da jemand erleichtert ausatmete, sah er erstaunt auf und direkt in das Gesicht einer hübschen jungen Frau, der Augenscheinlich die Füße weh taten. Auch das noch! War man denn hier niemals allein, wenn man in dieser verdammten Stadt seine Ruhe haben wollte?


    Er wischte sich die wenigen Wassertropfen ab, die noch auf seinem Gesicht perlten, und überlegte, wo er als nächstes die Abgeschiedenheit suchen könnte. Vielleicht hatte er ja mal Glück und er blieb allein. Eigentlich könnte er auch einfach zur Casa zurückgehen, überlegte er sich. Da wäre er dann wirklich allein. Während er so nachdachte, musterte er vertrohlen die Frau neben sich. Sie war noch nicht so alt. Mela schätzte sie höchstens auf Anfang zwanzig, keinen Tag älter. Und sie sah gut aus. Aber sie war eben nicht Livilla. Er seufzte tief und stand auf, um zur Casa Petronia zurückzugehen. Dabei merkte er nicht, wie der kleine Lederbeutel, der sonst an seinem Gürtel über der Militärtunika befestigt war, die er trug, auf der Bank verblieb.


    So wandte er sich zum Gehen, ohne dem Mädchen noch mehr Beachtung zu schenken.

    Mela streunte noch geraume Zeit durch die Straßen und Gassen, jedoch beständig vom Markt fort. Er wollte nicht noch mehr Leuten begegnen, die ihn ansprachen oder denen er etwas schuldete, weil er blind durch die Gegend lief und sie anrempelte. So führten ihn seine energischen Schritte irgendwann an eine kleine Straßenkreuzung fernab des Gewimmels, das man jetzt nur noch als monotones Gemerumel ausmachen konnte. Hier befand sich neben einer schwächlich aussehenden Akazie und einem kleinen Brunnen auch eine Steinbank. Mela trat zum Brunnen, benetzte sein Gesicht dreimal mit Wasser und fuhr sich dann übers Gesicht.


    Er keuchte. Sein Verstand realisierte jetzt erst so richtig, dass Livilla nicht mehr sein tagtäglicher Gedanke sein durfte. Der Soldat ließ sich auf die Bank fallen und barg das Gesicht in den Händen. Die Ellbogen stützte er auf die Oberschenkel, sodass er weit nach vorn gebeugt dasaß. Weinen konnte und wollte er nicht, immerhin war er ein Mann. Stattdessen fragte er sich, ob er etwas falsch gemacht hatte.


    Es war ein tiefes Loch, in das er gefallen war. Seine erste, ernste Verliebtheit - und dann wurde sie nicht erwidert.

    Zitat

    Der "anulus pronubus" war zu Plinius Zeiten noch aus Eisen und ein Römer verschenkte ihn an seine Zukünftige, die ihn auch damals schon als Zeichen der Zugehörigkeit und Treue am Finger trug. Für den Herrn Römer selbst war der Verlobungs- oder Ehering noch nicht erfunden. Er trug Ringe lieber aus Gold. Als Würdezeichen. Oder bloß so, als Schmuck. In rauen Mengen liegen sie heute in Vitrinen, golden oder aus Eisen, aber nur die Wenigsten verraten sich mit eindeutigen Inschriften, wie "Ich denke an dich, ich denke und liebe", als antikes Treuesymbol.


    ( http://www.br-online.de/wissen…t/2004/12/kb20041203.html )

    Mela verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die irgendetwas zwischen einem Lächeln und Trauer war, und schüttelte den Kopf. Er machte sich keine Gedanken, aber er wollte nicht, dass man den Petroniern Ungehobeltheit nachsagte. Er warf Titus einen leicht ausdruckslosen Blick zu, zuckte mit den Schultern und sprach zu Maecia:
    "Es war nett, dich kennenzulernen. Entschuldige nochmals."
    Dann drehte er sich zu Titus um, der nicht wusste, dass Mela viel Blut verloren hatte und beinahe dahingeschieden war.
    "Ich danke dir für deine Anteilnahme, Titus. Richte doch bitte Grüße an meinen Patron aus und teile ihm mit, dass ich morgen gen Germanien aufbrechen werde."
    Er lächelte nochmals und sprach zu beiden: "Vale."
    Dann verließ er sie und tauchte wieder in der Menge unter. Hätte er Maecia als 'Entschädigung' zu etwas einladen sollen? Mela grübelte darüber nach, aber es war wirklich der falsche Zeitpunkt, um mit einer Frau in die Taverne zu gehen.
    Er musste seinen Stolz pflegen, seine Enttäuschung und seine Bitterkeit.