Beiträge von Lucius Albius Decius

    Lucius betrat den Platz im Morgengrauen. Er war wenig zuvor aus unruhigen Träumen erwacht und hatte sich mit gemischten Gefühlen fertiggemacht. Heute würden die Probati wahrscheinlich keinen Spass an den Übungen haben, denn der Decurio wollte testen, wieviel sie aushielten.


    "Probati in aciem venite!" brüllte Lucius über den Platz als die ersten noch verschlafenen Rekruten auftauchten...

    "Probati in aciem venite!" rief Lucius ein paar Stunden später. Er gab einem der Eques ein Zeichen und dieser verschwand in Richtung des Stalles. Wenig später, als die Probati wie gewohnt angetreten waren, kehrte der Mann mit einigen Stallknechten zurück. Jeder führte zwei Pferde mit sich. Männer und Tiere stellten sich in einer Reihe auf. Die Pferde waren abgezählt, für jeden Probatus stand eines zur Verfügung. Lucius hatte die Tiere selbst ausgewählt, es waren durchweg kräftige und gesunde Stuten.


    "Ich will, dass sich jeder von euch ein Pferd aussucht! Danach werdet ihr es in den Stall führen und versorgen! Sowohl die Knechte als auch die Eques können euch dazu Fragen beantworten und Hilfestellung geben! Morgen früh werdet ihr mit aufgezäumten Pferden wieder hier antreten! ABITE!"

    "Das genügt!" rief Lucius irgendwann und ließ die Männer wieder am Rande des Platzes antreten. "Was ihr noch lernen müsst bevor ich euch auf die echten Tiere loslasse ist das korrekte Ziehen der Spatha, insbesondere im vollen Galopp!" Er bestieg eine der Attrappen. "Ihr müsst den Griff von der Innenseite, mit nach aussen gekehrter Handfläche, den Daumen nach unten, ergreifen und dann die Waffe aus der Scheide ziehen." Er führte es vor. "Das Zurückstecken kommt gleich danach, denn besonders das ist im Galopp kein Leichtes! Wir üben das Ziehen und Verstauen UND die später auf den echten Tieren die Handhabung! Auf gehts!"

    "Dann komm." sagte er mit erneutem Lächeln. "Ich bringe dich zu deinen Reisegefährten. Dort ist es zwar nicht so ruhig wie hier draußen, aber etwas sicherer und vor allem wärmer." Es stimmte was er sagte, denn mittlerweile wehte ein recht kalter Wind durch das Lager, was die Männer dazu veranlasste, die Feuer zu schüren und enger zusammen zu rücken. Lucius stellte für Nächte wie diese immer mindestens zwei Männer für einen Wachabschnitt ab damit die Frustration darüber, allein im Dunkeln zu stehen, sich nicht negativ auf die Wachsamkeit der Leute auswirkte. Vier Augen sahen mehr als zwei und zwei Männer konnten das Lager eher warnen als nur einer, der irgendwo in den Schatten überwältigt wurde.

    "Na, es liegt auf der Hand, dass wir da wohl etwas vorreiten sollen. Also schlage ich vor, dass wir etwas einüben mit den Männern. Irgendwelche Figuren. Oder dass sie aneinander vorbeireiten und dabei Kunststücke vollführen. Irgendetwas in der Art. Natürlich auch eine Demonstration der Kampfkunst. Man könnte sie auf Ziele werfen oder stechen lassen." meinte Lucius und nippte an seinem eigenen Wasser.

    Die kurze Pause, die nach Primus' Worten entstand, blieb nicht ungenutzt.
    Lucius trat vor und drehte sich zackig um 180° zu seiner Turma um. "Ein dreifaches Hoch auf Primus Decimus Magnus!" rief er. "Er lebe..."
    Und aus den Mündern der Männer auf dem Platz hallte es wieder als bei jedem Mal mehr einfielen. "HOCH! HOCH! HOCH!" Lucius war allerdings noch nicht fertig. "Lang lebe der Kaiser!" gab er seinen Männern vor und auch dieser Satz wurde von ihnen lautstark erwidert. Danach salutierte Lucius in Richtung des Podestes und nahm dann wieder die Position bei seinen Männern ein.

    Lucius starrte stumpf geradeaus, er wusste was nun kam. Er wusste was die neuen Befehlshaber sagen würden. Und am Ende würden doch wieder alle dem Reich und dem Kaiser zujubeln. Er bedauerte den Wechsel im Stab, denn er hatte sowohl den alten Legaten geachtet als auch Primus. Befehlskette hin oder her, die neuen Befehlshaber würden sich die Anerkennung bei den Männern erst verdienen müssen, das war etwas, worüber sie sich vielleicht nicht ganz im Klaren waren...

    Lucius stand von seinem Stuhl auf und hätte fast aus Gewohnheit Haltung angenommen. "Honorius! Sei willkommen!" Er deutete auf den zweiten Stuhl im Raum gegenüber seinem Schreibtisch. "Setz dich doch und erzähl, worum es sich dreht!" Er schenkte etwas Wasser aus einer Karaffe in einen Holzbecher und stellte ihn vor Honorius hin.

    Lucius schüttelte kaum merklich den Kopf. "In den Turmae herrscht Ordnung! Das heisst, dass nicht jeder einfach wie er will auf sein Pferd hopst! Wie sieht denn das aus? Normalerweise stehen alle in einer Reihe oder in Kolonne wenn der Befehl zum Aufsitzen kommt. Und in Gefahrensituationen können solche Kunststücke den Kopf kosten! Hebe dir deinen Übermut für die Zeit außerhalb des Dienstes auf!" war seine Antwort.

    Lucius war anwesend und hatte ein Auge auf seine Männer. Offenbar hatten es alle geschafft, ihre Ausrüstung ordentlich anzulegen. Ob das nun ein Wunder war oder ein Resultat seiner Ausbildung ließ er mal lieber dahingestellt...

    Lucius war etwas überrascht über ihre Reaktion, war doch sonst eigentlich er immer der Verlegene. Mit einem Stirnrunzeln dachte er darüber nach wie die vergangene Zeit bei den Truppen ihn verändert hatte. Er schluckte kaum merklich als er an Raetia dachte und schob den Gedanken schnell wieder weg.
    "Es ist nur ein Angebot ohne jegliche Verpflichtung. Nur falls du nichts Anderes finden solltest." bemerkte er schnell und sah sie wieder an. "Hast du schon etwas gegessen heute Abend?" wollte er dann wissen.

    "Probati in aciem venite!" donnerte Lucius' Stimme über den Hof und die Neulinge formierten sich in einer wie gewohnt anfangs unordentlichen Formation, die sich nach einigen Blickwechseln zu einer ganz passablen ausbildete.
    "Wir üben jetzt das Aufsitzen auf die Pferde an diesen netten Freunden aus Holz! Ich will, dass ihr das in voller Ausrüstung tut, mit dem Scutum in der einen und der Hasta in der anderen Hand! Wer glaubt, es zu beherrschen, kann einen der Eques oder mich rufen zur Überprüfung!" Er ging zu einem der Holzpferde, nahm Hasta und Scutum in die Hand und machte das Aufsitzen vor. "So muss das aussehen Männer! Also los!"

    "Du siehst nicht aus wie eine verwöhnte Römerin, du siehst aus wie eine Königin!" Er sah wieder zu den Sternen. "Du wirst sicher einen Ort finden, an dem du willkommen bist. Oder du kannst auf der Villa Rustica meiner Familie leben, vorerst, wenn du möchtest." Sein Blick wanderte zu ihren Augen. "Du wirst dich auf jeden Fall zurechtfinden, daran zweifle ich nicht..."

    "Ja, so oder noch mit besseren Befestigungen. In Raetia im letzten Sommer war ich in einem festen Lager stationiert, das hat noch ganz andere Dimensionen." Er sah zu den Sternen hinauf. "Übermorgen haben wir es geschafft denke ich." Er blickte sie an, musterte sie etwas. "Ich kann eine junge Frau aber nicht allein in einer Stadt lassen. Hier in Germanien kann es da für nicht Ortskundige genauso gefährlich sein wie im Wald." Er zwinkerte ihr zu. "Du scheinst es garnicht erwarten zu können wieder festes Pflaster unter den Füßen zu spüren hm?"