Beiträge von Lucius Albius Decius

    Ein anderer Germane hatte es indessen auf Lucius abgesehen. Er holte mit einer großen Axt aus und lies sie auf den Duplicarius niedersausen, der, die Spartha in beiden Händen, gerade noch so parieren konnte. Die Wucht des Schlags lies ihn gegen eine der Kisten prallen. Doch schon folgte der nächste Schlag des Gegners, der ihm den Kopf vom Rumpf trennen sollte. Lucius duckte sich und das Axtblatt grub sich tief in die Kiste hinter ihm, wo es sich mit Teilen des Inhalts verkeilte. Der Barbar, der wütend an seiner Axt riss um sie zu befreien wurde von Lucius' Spartha in den Rücken getroffen, prallte nun seinerseits gegen die Kiste und rutschte dann ächzend daran herunter. Doch schon war der nächste Barbar zur Stelle um seinen sterbenden Vorgänger zu ersetzen und Lucius konnte gerade noch eine Speerspitze zur Seite schlagen bevor sie sich in seine Brust bohren konnte. Der Kampf ging weiter...

    ,,Nein Tribun!'' antwortete Lucius wahrheitsgemäß. ,,Aber verdammt wütend!'' Er drehte den Kopf in Richtung des Lagers der Soldaten der Ala. ,,Turma V! Zu mir!'' Die Zelte lagen in Hörweite, also musste es hier gleich von Römern wimmeln. Das hatten die Germanen natürlich begriffen, denn dumm waren sie nicht, und da der einzige Ausweg nun geradewegs am Tribun und den anderen vorbeiführte stürzten sie gröhlend vorwärts.

    Der Duplicarius der Turma V marschierte eiligen Schrittes auf das Zelt des Tribunen zu nachdem er seinen Männern befohlen hatte, erstmal beim Lager zu bleiben. Er passierte gerade ein paar gestapelte Kisten und blickte sich noch einmal um, da rannte jemand in vollem Lauf in ihn hinein. Lucius roch gerade noch die muffigen Ausdünstungen eines längere Zeit nicht ordentlich gewaschenen Körpers, dann flog er ein paar Meter durch die Luft und landete hart auf dem Rücken. Sein Helm schlug gegen eine der Kiste und ein Dröhnen fuhr durch seinen Schädel. ,,Was zum...?!'' begann er, dann erstarrte er. Die Schemen die sich vor seinem benebelten Blick bewegten, flüsterten in der Sprache der Germanen. Natürlich verstand er jedes Wort. Schnell, bring ihn um! sagte jemand mit gedämpfter Stimme und einer der Schemen kam auf ihn zu. Lucius griff in Panik an seine Seite und riss die Spartha aus der Scheide, die er in der Eile anstelle seines Gladius umgegürtet hatte. Er vollführte einen runden Schlag während er aufstand, unter dem sich der näher kommende Barbar wegducken wollte bevor der Duplicarius die Klinge in einem engen Bogen niedersausen ließ. Die Spartha fraß sich in die Schulter des Barbaren, der schmerzerfüllt aufheulte und zurück fiel. Die anderen stürzten ebenfalls brüllend auf Lucius los...

    Lucius fühlte sich auf einmal etwas komisch. Er ging eine Weile wortlos neben ihr her. Frauen...wieso konnte man mit denen nur so seltsam reden ? Er blieb stehen.
    ,,Hör zu.'' sagte er. ,,Ich möchte dich nicht belästigen oder dir die Zeit stehlen. Und ich will dir auf keinen Fall Angst machen. Ich habe dich vorhin gesehen als du am Markt vorbei gelaufen bist und dachte mir, dass dieser Tag verloren sei wenn ich die Gelegenheit, mit einer schönen jungen Frau zu reden, vorrüber streichen lassen würde...'' Er seufzte, dann sah er sie ernst an. ,,Sonst hatte ich nichts im Sinn. Du hast Recht mit deinem Schweigen. Es geht mich nichts an wer du bist, was du hier tust und es ist sicher nicht falsch von dir, mir nicht über den Weg zu trauen. Vorsicht ist nie falsch...'' Er sah zum Fluss. ,,Du wirkst als würdest du etwas Hilfe brauchen. Ich habe in den letzten Monaten viele Menschen gesehen mit einem ähnlichen Ausdruck in den Augen. Wenn du also etwas brauchst kannst du mich fragen und ich helfe dir gern, wobei auch immer. Ja, ich habe Interesse dich kennen zu lernen. Sonst nichts. Und wenn dir das viele Gerede auf die Nerven geht kannst du mich jederzeit wegschicken.'' Damit war irgendwie alles gesagt...

    Lucius war in seinem Zelt und wollte sich gerade schlafen legen als es draußen ein Höllenlärm ausbrach. Die Cornicen gaben das Signal zum Alarm gleich mehrmals nacheinander und überall im Lager wurden Rufe laut. Fluchend griff sich Lucius das von seiner Ausrüstung was er gerade erreichen konnte und stürzte aus dem Zelt. Einige Soldaten der Turma standen mit erschrockenen Gesichern vor ihren, ohne Ausrüstung. In diesem einen Moment als er aus dem Zelt trat, das ganze Lager in Aufruhr und seine Kameraden in Schrecken versetzt vor sich sah, machte irgendetwas tief in ihm einen Ruck. Er ließ alles was er in den Händen hatte bis auf das Kettenhemd fallen, warf es sich über und brüllte die immernoch erstarrten Soldaten einige Schritt von ihm entfernt an. Das ist der LAGERALARM ihr Helden! LOS! AUSRÜSTUNG ANLEGEN und ANTRETEN! Sofort stürmten alle in ihre Zelte während aus den anderen bereits die erfahreneren Männer wieder herauseilten, voll ausgerüstet und bewaffnet. Lucius fluchte und legte Gürtel und Waffengurte um. Dann setzte er den Helm auf und stellte sich zu seinen Leuten, die bereits in Formation Aufstellung nahmen. Vom Decurio war wie üblich nichts zu sehen...

    Lucius passte seine Schritte an und blieb neben ihr. ,,Mogontiacum ist im Grunde eine schöne Stadt. Sie ist nicht so groß wie andere in Germanien, aber das heisst auch, dass sie nicht deren Probleme hat. Im Winter kann man hier auf dem Markt nicht viel kaufen und im Sommer stinkt es leider oft in den Straßen.'' Er sah sie von der Seite an und lächelte. ,,Ich bin kein Stadtkind. Meine Eltern haben hier in der Nähe ein Gehöft wo mein Vater Pferde züchtet. Ich war heute eigentlich nur hier weil er jemanden sucht der ihm bei ein paar Dingen zur Hand geht. Also wollte ich einen Sklaven kaufen. Das ist zwar schon etwas übertrieben, denn das schwerste was zu Hause einmal anfällt sind kleinere Reperaturen an den Zäunen oder an einem der Gebäude, aber ich hielt es für eine gute Idee...'' Er machte eine Pause. Sie schien sich nicht daran zu stören dass er viel redete, also fuhr er fort. ,,Meine Eltern kommen in die Jahre und schaffen es nicht mehr allein. Aber ich kann mich nicht die ganze Zeit um sie kümmern...'' Nach wie vor hoffte er, dass sie etwas gesprächiger wurde.

    Lucius ließ sich nicht beirren. ,,Nun, wenn du keine Hilfe brauchst, dann vielleicht etwas Gesellschaft ?'' Er lächelte gewinnend. ,,Ich sehe zwar nicht immer so aus, aber ich schrecke doch den einen oder anderen Straßenräuber ab.'' scherzte er. ,,Zudem interessiert mich, was dich in die Stadt führt. Und was wäre besser geeignet als ein nettes Gespräch um das heraus zu finden - vorrausgesetzt natürlich, dass es keine Gründe privater Natur sind.''
    Jetzt war er aber wirklich stolz auf sich. Es war ja normalerweise garnicht seine Art, so gewandt zu reden da die Befehle die er den Tag über gab wenn er Dienst tat doch eher etwas einsilbiger waren. Andererseits brachte die häufigere Konversation mit den in der Rethorik geschulten höheren Offizieren die eine oder andere Gelegenheit, sich etwas abzuschauen.
    ,,Und jetzt musst du mir erlauben, mich vorzustellen. Ich bin Lucius Albius Decius, Deplicarius in der Ala II Numidia, die ihr Castellum bei der Stadt Confluentes hat.'' Er lächelte wieder.

    Lucius war einen Moment etwas verlegen, dann wurde er sich darüber bewusst, dass er hier garkeinen Grund dazu hatte und straffte sich etwas während der Gescheckte neben ihm gelangweilt auf der Stelle trat und den Kopf hob um sich nach etwas Fressbarem umzublicken. Lucius' Tonfall war nach wie vor freundlich. ,,Verzeih...'' wiederholte er, wobei er Prudentia ansah, ,,Du bist mir aufgefallen, aber wie könnte es auch anders sein...'' fuhr er fort. ,,Ich habe dich ein bisschen beobachtet und hatte den Eindruck, dass du dich in der Stadt noch nicht gut auskennst. Falls dem so ist erlaube mir doch, mich als Führer anzubieten.''

    Schließlich hatte es Lucius geschafft, bis auf wenige Schritte an sie heran zu kommen. Er nahm den Helm ab und strich sich die Haare zurecht, die schon wieder etwas zu lang wurden, dann klemmte er sich den Helm unter den Arm und trat an Prudentia heran, die etwas verträumt wirkte.. Er räusperte sich leise und sprach sie an. ,,Verzeih...''

    Die junge Frau wandte sich Richtung Hafen und Lucius folgte ihr weiter in einigem Abstand. Nach einer Weile kam er sich etwas lächerlich vor und er beschleunigte seine Schritte um sie ein zu holen. Allerdings war es nicht immer einfach, sich mit einem Pferd am Zügel durch die wachsende Menschenmenge in den Straßen zu bewegen, denn oft musste man den Karren der Händler, der ein oder anderen Sänfte eines wohlhabenderen Bürgers oder anderen geführten Tieren ausweichen. Zudem war es ratsam, seinen Geldbeutel unter das Gewand zu schieben, sonst konnte es passieren, dass eines der scheinbar sorglos spielenden Kinder ihn stahl...

    Lucius hatte ein bisschen vor den Thermen gewartet und die Zeit genutzt, um noch etwas zu frühstücken und die Hufe des Gescheckten zu untersuchen, da sah er Prudentiar die Treppe herab kommen. Sie schien wieder in das Gewirr aus dicht gedrängten Häusern, überfüllten Plätzen, Straßen und kleinen, schmutzigen Gassen eintauchen zu wollen. Der junge Mann nahm sein Pferd wieder am Zügel und führte es in einigem Abstand hinter der Frau her, die sein Interesse geweckt hatte...

    Lucius hatte heute wirklich alles Andere als gute Laune, nicht nur weil er wieder einmal nichts Anständiges gefrühstückt hatte, sondern auch, weil er abermals umsonst auf den markt geritten war um endlich einen brauchbaren Sklaven für seinen Vater zu finden, der dem alternden Marcus bei den täglichen Arbeiten zur Hand gehen konte. Es schien wie verhext, immer wenn er bei den Händlern vorbei kam hatten sie entweder alle brauchbaren Männer gerade verkauft oder warteten auf eine neue Lieferung. Lucius biss mißmutig in einen Apfel, den er sich an einem der Obststände gekauft hatte und führte den Gescheckten über den Platz nahe den Thermen als er auf die junge Frau aufmerksam wurde, die ein paar hundert Schritte entfernt durch die Stadt schlenderte. Ihre Gesichtszüge waren fein aber verschlossen und sie wirkte interessiert und distanziert zugleich als ihre Blicke über ihre Umgebung wanderten. Lucius schluckte den Bissen Apfel hinunter, den er gerade im Mund hatte und musterte sie eingehend. Dann blickte er sein Reittier mit einem Lächeln an. ,,Komm mein Guter. Vielleicht wird dieser Tag noch besser...'' Und so bewegte er sich eiligen Schrittes durch die größer werdende Menge auf die Frau zu um ihr wohin auch immer zu folgen...

    Lucius führte Trogus zu den Zelten der Turma, dann begab er sich zum Magazin des Lagers, wo er sich die Abzeichen eines Duplicarius und Schreibutensilien besorgte. Er nahm außerdem ein größeres Zelt mit, wofür einer der Legionäre im Magazin zunächst eine Erklärung verlangte, dann aber darauf verzichtete als Lucius einfach sagte, der Decurio hätte das so angeordnet. Man konnte immer darauf vertrauen, dass die Legionäre keine Offiziere aus den Auxiliae kannten, und wenn dann nur vom Sehen. Jedenfalls scherten sie sich nicht sehr um die Hilfstruppen. Lucius ließ also das Zelt aufstellen und seine Sachen hinein bringen, dann setzte er sich und verfasste eilig eine Nachricht an den Praefectus Alae in Mogontiacum, die er dem nächsten Botenreiter, der das Lager verließ, in die Hand drückte.

    Ein Reiter näherte sich dem Tor des Castellums, meldete sich bei den Wachen an und überquerte dann den Hof in Richtung des Officiums. Er stieg ab, band sein Tier an und betrat das Gebäude, um einem der Schreiber folgende Nachricht zu übergeben :




    An den Praefectus der Ala II Numidia, Primus Decimus Magnus !




    Praefectus, die Turma V ist nach Plan mit dem Rest der entsandten Truppen am Lacus Venetus angekommen, hat übergesetzt und ihren Dienst im Lager bei Brigantium aufgenommen. Wir haben keinerlei Verluste zu beklagen, unsere momentanen Aktivitäten beschränken sich gemäß den Befehlen des Tribun auf Aufklärungs- und Wachmissionen. Es wird kein außerplanmäßiger Nachschub benötigt.
    Einzig über die Verfassung des Decurio, in dessen Namen ich dies schreibe, mache ich mir Sorgen. Er hielt sich tagelang in seinem Zelt auf da er sich offenbar nicht fühlte und unternimmt nun desöfteren tagelange Ausritte ohne Begleitung. Als sein Duplicarius habe ich nun alle ordnenden Aufgaben innerhalb der Turma übernommen und hoffe darauf, dass es ihm bald besser gehen wird.



    Gezeichnet,


    Duplicarius Lucius Albius Decius
    für die Turma V in Raetia




    Lucius seufzte. ,,Dann willkommen in der Turma V ! Du kannst gleich mit mir zu den Zelten kommen, dann bekommst du einen Schlafplatz und deine Aufgaben. Momentan führen wir nur Erkundungsritte durch die Umgebung durch und stehen Wache für die arbeitenden Legionäre. Es ist alles ruhig. Hm...dann werde ich dem Praefecten wohl selbst schreiben wenn der Decurio nirgends aufzufinden ist...''

    ,,Wenn wir nur immer wüssten wo der Decurio ist. Leider hat er ein Talent dafür, unauffindbar zu sein...und außerdem lässt er sich ohnehin selten blicken. Ich glaube er hat das Lager vorhin zu Pferd verlassen. Aber sicher bin ich nicht...''

    Die Männer traten weg. Ein ihm fremder Mann kam auf Lucius zu und grüßte ihn. ,,Bist du Lucius Albius Decius ?'' wollte er wissen. Lucius nickte. ,,Ah, gut.'' Der Fremde entspannte sich etwas. ,,Ich habe eine Nachricht für dich vom Praefectus Alae. Du bist zum Duplicarius befördert worden!'' sagte er. Es dauerte einen Moment, bevor Lucius das realisierte. Im ersten Moment wollte er jubeln, dann besann er sich seiner neuen Position und schüttelte dem Mann die Hand. ,,Danke.'' Er straffte sich und wandte sich an den nächsten Eques, der in der Nähe war. ,,Heda! Kümmere dich darum, dass dieser Mann eine Mahlzeit und einen Krug von...na was eben da ist erhält! Und versorgt sein Pferd!'' Der Mann legte den Kopf schief und wollte grinsen als der Bote ihn ebenfalls ansprach. ,,Hast du nicht gehört was der frisch beförderte Duplicarius gesagt hat?!'' Jetzt schien der Eques zu begreifen, er drehte sich um und verschwand in Richtung der Zelte der Turma.
    Die beiden Zurückgebliebenen grinsten sich an. ,,Ich werde mir auch etwas gönnen.'' sagte Lucius. ,,Zumindest einen kleinen Krug Wein heute Abend sollte ich auf diese Beförderung leeren. Möchtest du einen Schluck mittrinken?'' Der Bote nickte. ,,Gern. Aber zuerst muss ich noch Meldungen machen.''

    Nichts war nervtötender als Kindermädchen für ein hohes Tier zu spielen, das hatte Lucius mal gehört. Und obwohl keine große Reaktion auf die Worte des Tribuns erfolgte gab der eine oder andre doch ein Grummeln von sich. Irgendwie konnte sich Lucius lebhaft vorstellen wie schwierig es besonders in Kampfsituationen werden konnte auf den Magistratus aufzupassen.Andererseits passierte hier aber auch gerade so garnichts und das würde auch ziemlich sicher noch eine ganze Weile so bleiben.



    In der Zwischenzeit erklärte Gaius Trunkylius von der Turma V dem Meldereiter, dass Lucius zum Appell angetreten war und weiter vorn aufzufinden war...

    Lucius drehte den Kopf weil er seinen Namen hörte. Einen unpassenderen Moment konnte es ja nicht geben! Er wollte den Blick gerade wieder nach vorn richten als einer seiner Leute, der nahe bei Trogus stand in seine Richtung nickte. Lucius rollte die Augen. Hatte der jetzt etwa vor mitten in die Formation zu reiten ?