Beiträge von Lucius Redivivus Callidus

    Er konnte gerade noch so zurückspringen, so dass die Türe seinen Kopf gerade so verfehlte. Er sah seiner Schwester irritiert nach wie sie in den Raum stürmte. Er fasste sich wieder an seinen Kopf und strich sich durch das strubelige Haar.


    "He! Musst du so schreien!"


    sagt er zu ihr und dann eher zu sich.


    "Oh mir brummt der Schädel!"


    Langsam kamen die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Er hatte getrunken aber nicht alleine. Er war auch nicht alleine nach hause gekommen. Plötzlich hell wach sah er sich um. Sein Bett war leer, auf der einen Seite befand sich nur ein Wachstäfelchen. Callidus strich sich erleichtert den Schweiß von der Stirn und seufzte.

    Callidus schreckte hoch. er hatte gerade ein Nickerchen gemacht. Wer ballerte da so gegen seine Türe? Er fasste sich an den Kopf. Er hatte wirklich gestern zu viel getrunken und nun Kopfschmerzen. Er stand auf und warf dabei einen Weinkrug um.


    "Verdammt! Wie spät ist es denn?"


    Aber er bekam keine Antwort. Von wem denn auch, immerhin war er alleine in den Raum . Da fiel ihm ein, dass es an der Türe geklopft hatte. So schlenderte er zur Türe und öffnete sie einen kleinen Spalt. Das einzige was er am Körper hatte war ein Lendenschurz.


    "Hä?"

    Callidus drückte sie immer noch an sich. Was war nur mit seiner Schwester los? In Gedanken betete er zu den Göttern. Dann nahm er etwas Abstand von ihr, ließ die Hände aber auf ihren Schultern ruhen.


    "Ich glaube was du brauchst ist Gesellschaft! Freundinnen! Die Zeit musst du dir nehmen, ansonsten gehst du kaputt!"


    Sagte er kurz und knapp zu ihr. Er wartete auf ihre Reaktion.

    Callidus Handfläche knallte auf ihre Wange.


    "Was ist denn los mit dir, Helena! Jetzt reiß dich zusammen! Du hast nun mal diesen Rang inne! Die Menschen schauen zu dir auf!"


    Er war zornig. Doch von einem Moment auf den anderen änderte sich seine Stimmung und er drückte seine Schwester an sich.


    "Es tut mir leid, aber wenn du jetzt auch noch aufgibst...!"


    War das wirklich seine Schwester, die er in seinen Armen hielt? Sie konnte doch nicht einfach davon laufen...

    Callidus traute seinen Ohren nicht. Lud der Proconsul zu einem kleinen Fest? Und Callidus durfte dort erscheinen? Er hatte eh nichts besseres zu tun und suchte daher das Haus des Proconsuls auf. Etwas zögerlich klopfte er an.

    "Was die Götter denken oder warum sie etwas tun, das wirst du wohl am besten wissen, Schwester!"


    Dann sah er sie, wie sie sich auf die Knie sinken ließ. Callidus sah sich schnell um, ob dies auch niemand sehen würde. Dann ging er schnell auf seine Schwester zu und zog sie hoch.


    "Helena! Jetzt nimm dich mal zusammen! Du vergisst wer du bist und was du repräsentierst"


    Zornig sah er sie an.

    Callidus ging wütend und mit den Händen fuchtelnd einige Schritte vor.


    "Ach mit diesen Männern ist es doch immer das gleiche! Die sind mit doch nur mit dem Imperium verheiratet! Da hast du keine Chance!"


    Er zupfte sich an seine Tunika.


    "Sieh mich an! Ich bin ein einfacher Gottesdiener, aber wer interessiert sich schon für mich? Hätte ich Geld und Grund und Boden, dann würde die Sache anders aussehen, aber so..."


    Callidus seufzte. Was war das nur für eine Welt? Wofür war er nach Hispania gegangen? Weil er dachte, hier hätte er Ruhe vor solchen Typen. Aber anscheinend war überall Rom.


    "Lass dir eines gesagt sein, dich trifft keine Schuld!"

    Callidus zog die Tunika wieder von seinen Oberarmen herunter, tat einen Schritt vor Helena und blieb stehen. Dann nahm er einen Zipfel seiner Tunika und wischte seiner Schwester die Tränen aus dem Gesicht.


    "Tja, so sind Senatorensöhne nun Mal! Sie leben für das Imperium! Kommt dein Metellus denn bald wieder?"


    Wut auf den Matinier stieg in ihm auf. Wie konnte er nur seine Schwester hier zurücklassen. Wenn er den Matinier das nächste Mal sehen würde, würde er ihm seine Meinung geigen. Dann packte Callidus seine Schwester an den Schultern und schaute sie böse an.


    "Wenn du nicht sofort damit aufhörst dir für alles die Schuld zu geben, dann werde ich ernsthaft böse mit dir!"


    Callidus blickte sich um, ob Eretha auch ja nicht in der Nähe war.

    Callidus legte einen Arm um den Leib seiner Schwester. Sie fühlte sich immer für alles schuldig.


    "Aber, aber Schwesterherz! Die ganze Last der Provinz lastet doch nicht auf deinen Schultern! Suche die Schuld nicht immer bei dir!"


    Callidus war verärgert. Zum einem, dass sie sich mit dem Matinier verglich und zum anderem auf die Leute, die ihr nicht geholfen haben.


    "Es gibt doch noch andere Persönlichkeiten mit Rang und Namen in der Provinz, oder?[ Du bist nicht verantwortlich für deren Versagen! Manchmal kann man nicht mehr tun, als sein Bestes zu geben, auch wenn es nicht reicht! Aber du hast dein Bestes gegeben!"


    Er griff wieder nach der Hand seiner Schwester, mit der anderen Hand hob er ihr Kinn an und gab ihr einen Kuß auf die Stirn.


    "Du bist Pontifex von Hispania, also benimm dich auch so! Unser Bruder ist nun Duumvir! Und ich.. ich bin dein Schüler! Also wenn wir drei hier nichts getan bekommen, dann weiß ich auch nicht!"


    Er ließ von ihr ab und krempelte sich die Tunika an den Armen hoch.


    "Vielleicht müssen wir den Laden hier einmal richtig aufmischen, was meinst du? Mit meiner Hilfe kannst du auf jeden Fall rechnen!"

    Er blickte sie sorgenerfüllt an. Was war nur los mit seiner Schwester? Anscheinend arbeitete sie viel zu viel. Doch am schlimmsten waren ihre Selbstvorwürfe.


    "Wo hast du versagt, hm? Mir ist nicht aufgefallen, dass du irgendwo versagt hast! Aber vielleicht solltest du dir mal frei nehmen! Einfach mal verreisen um etwas anderes zu sehen! Das täte dir sicherlich ganz gut!"


    Er zögerte einen Augenblick.


    "Auch ich habe einiges zu tun, aber ich würde dich gerne begleiten, Schwesterherz! Hat dein Liebster nicht ein Landgut in der Nähe? Vielleicht darfst du es nutzen?"


    Er betrachtete sie und versuchte aus ihr schlau zu werden.

    Callidus nickte verständnisvoll. Dann ließ er sich den Namen noch einmal durch den Kopf gehen, der ihm irgendwie bekannt vor kam. Er begann zu schwitzen. Der Proconsul von Hispania stand vor ihm. Er reichte ihm zögernd seine Hand.


    "Es freut mich, dass der Proconsul solch ein Vorbild für die Bevölkerung ist!"

    "Ich bin mir sicher, dass du weist, dass dies ein Tempel ist! Aber die Menschen suchen in letzter Zeit selten die Heimstatt der Götter auf, so dass ich lieber noch einmal vorher nachfrage! Dein Götterverbundenheit ehrt dich... Wie war doch gleich noc dein Name?"


    Oh, jemand der seiner Rede gelauscht hatte. Callidus fühlte sich geehrt.


    "Ja, das war ich! Lucius Redivivus Callidus, Schüler am Tempel des IUPIITER und treuergebener Diener der Götter!"


    Auch wenn Callidus sonst ein recht lockeres Gemüt hatte. Wenn es um die Götter ging, war er ganz anders. Er konnte sich nie erklären, wie so das so war.

    Callidus sah seinen Bruder auf dem Forum sprechen. Anscheinend hatte er es doch noch geschafft, Duumvir zu werden. Das freute Callidus natürlich. Sicherlich hatte Helena ihren Charme bei Metellus spielen lassen. Callidus zuckte mit den Schultern und grinste. Das war typisch römisch.


    "Gratulation Bruderherz! Vielleicht bekommst du die Bürger ja dazu, dass sie auch mal die Tempel der Stadt aufsuchen!"

    Callidus machte seinen täglichen Rundgang durch die Tempel. So lange er bzw. IUPITTER keine feste Heimstatt hatte, sah Callidus nach Arbeit bei den anderen Tempeln. Hier entzündete er einmal etwas Weihrauch, da räumte er einmal den Altar auf und dort fegte er einmal die Cella sauber. Es war ein einfaches, aber gottesehrfürchtiges Leben. Ein Leben, was viele Römer nicht lebten und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis die Götter die Menschen dafür bestrafen würden. Da erblickte er eine Gestalt am Fortuna-Tempel. Es schien eine bedeutende Person zu sein.


    "Salve! Hast du dich hier verirrt, oder willst du tatsächlich zu den Göttern sprechen?"


    sprach Callidus den Mann ironisch an, der ihm irgendwie bekannt vorkam.

    Callidus verspürte den Drang, seinem Gott zu opfern, um sich so für den Frevel der Bürger zu entschuldigen um so den Gott milde zu stimmen. Niemand, niemand in der Gegen war besser. Ob Comes oder Kleinbauer! Alle schenkten sie den Göttern keine Aufmerksamkeit. Da nützte auch der Bau eines Tempels wenig, wenn niemand ihn aufsuchte. Callidus war sich sicher, dass einmalige große Gaben nicht ausreichten um die Götter über längere Zeit zufriedenzustellen. Sicher war er sich auch seiner Aufgabe als zukünftiger Priester bewusst. Die Priester sind es, welche die Verbindung zu den Göttern aufrechterhalten sollen. Aber das geht auf lange Zeit nicht, wenn keine gläubigen Bürger dahinter stehen.


    Callidus hatte sich etwas Weihrauch besorgt und inzensierte damit den Altar. Seine Tunika würde wieder tagelang nach Weihrauch riechen. Er zog sich die Toga über den Kopf und brachte einen frischen Opferkuchen dar. Dann fiel er auf die Knie und streckte seine Hände gen Himmel. Für Passanten musste dies tiefreligös wirken.


    "Oh IUPPITER, Gott der Götter, Vater aller Götter, Herrscher über die Welt, höre deinen treu ergebenen Diener an, wo du auch bist! Schenke Hispania dein Gehör und nehme die Gaben an, die ich dir darbringe!"


    Er vergoss guten Wein für den Gott: Eine ganze Kanne. Der Anblick tat Callidus im Herzen weh. Nicht nur, dass er sein ganzes Geld für dieses Opfer aufgebracht hatte, nein er hätte gerne etwas von diesem edlen Tropfen abgehabt.


    "Vergib den Bürgern von Hispania ihren Frevel, denn sie wissen nicht, was sie anrichten. Bestrafe nicht ihre Torheit, sondern öffne ihnen ihre Augen! Gib ihnen etwas Zeit! Seh her, dass du nicht vergessen bist! Ich opfere dir, oh großer IUPITTER und die Bürger bauen dir einen Tempel. Lass deine Blitze nicht über dieses Land zucken, sondern stehe dem Volk von Hispania bei! Nimm dieses Opfer an, welches ich dir demütigst überreiche!"


    Ein kleines Schaf wurde ihm gebracht. Dieses kleine Ding wusste gar nicht, wie ihm geschah. Er würde es komplett verbrennen. Ja vernichten würde er es, für IUPPITER. Kein Opferfleisch für die Bürger.


    Er nahm die Leine des Tieres und befahl zwei Dienern, dass sie den kleinen Scheiterhaufen entzünden sollen. Dann nahm er ein Messer, welches er sich neu kaufen musste, da er sein altes Minervina geschenkt hatte. Er schnitt dem kleinen Tier die Kehle durch und ließ es ausbluten. Dann übergab er das Tier den Flammen und so seinem Gott! Er sank wieder auf die Knie und richtete seinen Blick demütig zum Himmel.


    "Nimm dieses Opfer an, oh IUPPITER! Kein Fleisch soll für uns übrigbleiben! Wir verzichten demütigst auf den Teil, den du uns sonst zurück gibst, denn wir sind es nicht würdig! Erfreue dich an diesem Opfer und an den Menschen, die es dir dargebracht haben!"


    Er blieb noch einige Zeit in dieser Haltung, auch wenn ihm bereits die Knie weh taten. Der Weihrauchduft versmischte sich mit dem Gestank von verbrannten Fleisch und eine Rauchsäule stieg in den Himmel.

    Es war erstaunlich, was man hier auf dem Markt so alles fand. Callidus probierte eine Traube und spuckte sie gleich wieder aus.


    "Das nennst du eine süße Frucht? Du hast dir deinen Geschmack wohl durch zu viel Wein kaputt gemacht! Sauer ist die Frucht! Sauer!"


    Callidus sah sich nach einem Weinhändler um. Nun brauchte er dringend etwas zu trinken um den Geschmack loszuwerden. Er schüttelte sich. Dabei hätte er gleich wissen müssen, dass man sich auf das Wort eines Händlers nicht verlassen konnte. Die würden selbst ihre Weiber verkaufen, wenn man ihnen einen guten Preis machen würde.

    Es war wieder einmal so weit für eine Standpauke von Callidus. Er hatte es satt, jeden Tag alleine für die Götter zu arbeiten, die Spinnweben zu entfernen und allenfalls Touristen zu erklären, wie sie die Latrinen oder das Forum finden. Lange schon war niemand mehr in den Tempeln gewesen und hatte geopfert. Die Altäre waren leer. Nur wenige Gaben der heimischen Priesterschaft waren dort zu finden. Auch die Tempelkassen leideten unter den Mangel an Pietas bei dem hispanischen Volk. Callidus war wütend und begab sich aufs Forum der Stadt.


    "Oh ihr gottloses Volk von Hispania! Wer seid ihr, dass ihr es nicht nötig habt die Tempel und Schreine aufzusuchen und den Göttern zu opfern? Wer seid ihr, dass ihr euch von den Göttern abwendet? Wer seid ihr, dass ihr den Göttern ihre Gaben verweigert?


    Glaubt ihr denn, nur weil es euch einigermaßen gut geht, braucht ihr nicht an die Götter zu denken? Meint ihr, die Götter werden euch für eure Ignoranz belohnen? Schande über euch und euren Familien!"


    Callidus spuckte auf den Boden.


    "Ich mag nur ein Discipulus im Dienste der Götter zu sein, aber bei eurem Mangel an Pietas kann selbst ich euch prophezeien, dass die Götter euch nicht ungestraft davon kommen lassen! Bestrafen werden sie euch. Eure Kinder werden krank werden, die Feldfrüchte werden verkommen und ihr werdet alle Hunger leiden!
    Muss es erst soweit kommen ihr gottloses Volk? Müssen sich die Götter erst von uns so abwenden, damit ihr in die Tempel geht und den Göttern gibt, was sie verlangen? Müssen sie erst ihre Gaben fgür uns verweigern, so wie ihr es tut? Bei Iuppiter, ich schwöre euch, dass die Strafe der Götter über euch kommen wird!"


    Er sah in die Runde und erblickte einige verängstigte Gesichter.


    "Seht mich an! Ich trage eine alte verschlissene Tunika! Wieso? Weil ihr den Göttern nicht spenden geht und ich all mein Geld für die Götter aufbringe, damit die Strafe nicht alzu schlimm ausfallen wird und wir alle wenigstens noch mit unserem Leben davon kommen werden! Wieso baut man euch noch einen weiteren Tempel, wenn ihr schon die alten nicht aufsucht? Was wird der Kaiser denken, wenn sein Tempel steht und ihr nicht hingeht? Soll uns auch noch die Strafe des Kaisers heimsuchen?"


    Er hatte sich extra eine alte Tunika angezogen und die Toga weggelassen, aber das musste hier keine wissen. So war sein Schauspiel nur noch beeindruckender und es zeigte seine Wirkung.


    "Geht nun! Geht zu den Tempeln und Schreinen und opfert und betet für unser Heil! Betet um Vergebung und um die Gnade der Götter, dass sie uns nicht hart bestrafen für unseren Frevel! Geht und opfert oder ihr werdet eures Lebens nicht mehr glücklich sein!"

    Bis zu der Tempeleröffnung würde sicherlich noch einige Zeit vergehen, aber Helena hatte Callidus damit beauftragt, nach Händlern für die Eröffnung zu suchen. Callidus hatte sich eine Wachstafel geschrieben mit Waren, die er benötigen würde. Heute war Markttag und es war einiges los in der Stadt. Viele Händler waren da. Heimische aus Tarraco und der Umgebung, auch welche aus Carthago Nova und aus anderen Provinzen. Callidus wollte zuerst die heimischen Händler begutachten. Sie hatten klar den Heimvorteil. Man kannte sich vielleicht und die Transportwege waren nicht so lang. Außerdem würde man so die heimische Wirtschaft fördern, dachte er sich. Er probierte hier und da von den Waren, machte sich Notizen und zog weiter. Mittagessen brauchte er so nun nicht mehr.