Marcus trank in einem Zug den Rest des Weines und hielt ihn über seinen Mund, leicht schüttelnd, um noch den letzten kleinen Schluck zu ergattern. Mit einer schwungvollen Geste, stellte er den Becher zurück. Dabei versuchte er seine dreckigen Stiefel loszuwerden, war jedoch zu faul die Schnürung aufzuknoten. Genauso faul und etwas erschöpft lag Marcus auf die Seite gestützt und sah Milo mal grinsend, mal mit gespielten Ärger an. Aber er war eigentlich noch nie so ein grandioser Schauspieler. Seine Stimmungen waren ihm oftmals ins Gesicht geschrieben, so jetzt auch. Und er war einfach froh, endlich in Rom zu sein und im Heim seiner Familie. Aber mit dem alten Mann konnte Milo ihn tatsächlich etwas ärgern. Einen Moment kniff er seine Augen etwas zusammen und sah Milo warnend an. Doch das verflog sofort.
„Gracchus...? Ja, von dem hab ich mal gehört. Hab ich ihn nicht schon mal gesehen...hier in Rom? Ein Priester ist der also.“
Nachdenklich schüttelte Marcus den Kopf. Er wußte es nicht mehr, immerhin hatte er die meiste Zeit seines Lebens doch in Baiae verbracht und war früher nur selten in Rom gewesen. Aber einen Priester in der Familie zu haben, konnte gewiss nicht schaden. Natürlich hoffte Marcus, dass Gracchus ein Priester des Mars war. Sollte Marcus tatsächlich in den Kampf müssen, wovor er sich zwar nicht so fürchtete, aber keine Lust zu hatte, dann wäre jemand am Ohr des Kriegsgottes wahrlich nicht schlecht. Doch der Durst schlug erneut zu und Marcus war kein Mann, der sich bei so was zurück hielt. Warum auch? Das Leben war eh zu kurz, um sich genug zu amüsieren. Besonders wenn er nach Germania musste. So nahm er sich selber Wein nach und trank den Becher wieder leer. Prompt verschluckte sich Marcus heftig bei der nächsten Offenbarung. Er hustete kurz und schüttelte verblüfft den Kopf.
„Bei dem Schosse der Aphrodite! Von Dir gibt es zwei? Ja, Olympos und Götter, das ist wahrlich ein Schock! Oh ihr Götter, womit habe ich das bloß verdient?“
Dabei hob er theatralisch die Arme gen Himmel und blickte flehentlich zur Decke. Ächzend ließ er sie fallen, sah Milo groß an und schwieg für einen Moment. Das Schweigen kam auch in dem Moment als die Sklaven auftischten, was Marcus nutzte, um die Überraschung zu verarbeiten. Und bei solchen Dingen brauchte der Gute auch immer ein Weilchen. Immer wieder sah er zu Milo, schüttelte den Kopf und grinste nach einer Weile. Doch wie immer, wenn so etwas Neues auf ihn zukam, übermannte ihn die Sprachlosigkeit. So griff er lieber herzhaft zu. Dass die Wachteln fehlten, merkte Marcus wirklich nicht und er ließ sich das Aufgetischte schmecken. Dabei hielt er dem Sklaven, der nachschenkte, auch sein Glas hin und aß wie ein Bär. Auch dort schien er kein Mann der Mäßigung zu sein, sondern griff herzhaft zu, wie er es immer gemacht hatte. Immer wenn er nicht trainierte, schlug das auch schnell auf seine Figur um und er drohte immer kleine Rettungsringe um den Bauch zu entwickeln. Aber das schien ihn beim Thema Essen nicht zu bekümmern. Zur Küche nickte Marcus knapp. Schmecken tat es ihm wirklich und das sah man auch.
Dabei hörte er Milo zu und brummte zustimmend. Irgendwie irritierte Marcus die Worte von Milo. Eigentlich hatte Milo ja Recht, aber warum hatte seine Mutter ihn dann dazu dringend aufgefordert. Marcus hatte das nie in Frage gestellt. Warum auch? Schließlich wußte seine Mutter, was am Besten für seine Karriere war. Oh wie er sie jetzt schon vermißte! Ihr Lachen, ihren Rat, die Art, wie sie ihn in den Arm nahm. Wenn seine Zukünftige nur halb so viel Elan wie seine Mutter hatte, könnte er schon froh sein. Marcus seufzte tief und ließ das Fischstück, was er mit seinen angefetteten Fingern hielt, runtersinken.
„Du hast Recht, Titus, wirklich Recht! Aber Du weißt doch, wie sehr mich Agrippina dazu drängt, Soldat zu werden. Vielleicht lerne ich dort, trotz der widrigen Umstände, viel. Du weißt ja, was Mutter immer gesagt hat. Die wahre Größe kommt nicht von der Herkunft, sondern was ein Mann zu leisten vermag. Vielleicht soll ich mich deswegen mit den Plebs suhlen, damit ich das lerne!“
Stolz nickte Marcus. So musste es sein und er war auch wahrlich stolz darauf, zu so einer ‚tiefsinnigen’ und ernhaften Interpretation gekommen zu sein. Er sah lobheischend von Milo zu Hannibal und aß dann das Fischstück.
„Oder was meinst Du bewegt Mutter dazu, Brüderchen? Schließlich bist Du der Gelehrte von uns Beiden!“