Beiträge von Hannibal

    Ein süffisantes Lächeln glitt über Satryus Lippen, die von einem Hauch von Röte gefärbt waren. Bei längerer Betrachtung fiel es auf, wirkten die Lippen doch dadurch in seinem blassen Gesicht umso intensiver. „Centurio, du ahnst nicht, was ich schon alles bei Müttern erlebt habe.“ Kalt starrten die Augen, womöglich waren sie zu einer menschlichen Regung nicht mehr fähig. „Aber insofern gebe ich Dir natürlich recht, es wäre wohl unwahrscheinlich.“ Theatralisch seufzend hob Satryus seine schlanke Hand und winkte ab. „Ein Konkurrent erscheint nicht persönlich, aber ich denke auch das muss ich Dir nicht verraten, schließlich sind die üblen Methoden so manch eines Geschäftsmannes in der Subura gut bekannt. Sie schrecken sogar nicht zurück, Kinder für ihre Pläne einzuspannen. Es ist ein schreckliches Leid unserer wunderschönen Hauptstadt, dass sich derartige Parasiten…ja, Parasiten muss man sie wohl nennen, hier breit machen und auch der Subura einen so üblen Ruf eingebracht haben.“ Oh wie sich Satryus köstlich amüsierte, schließlich war er nicht weit davon entfernt, ein solcher Schmarotzer zu sein, wenn auch seine Geschäfte auf höhrem Niveau von statten gingen als die üblichen Suburabanden es betrieben. „Aber werter Centurio, ich bin ein wenig erstaunt. Sagtest Du nicht, daß Du den Mörder hast Ding fest machen können? Wozu die Fragen an mich, der doch unwissend ist, aber der Mörder genaustens im Bilde sein wird?“

    Eine Mischung aus Olivgrün und Fahlweiß dominierte Hannibals Gesicht als er sein leidendes Gesicht anhob und dem Neuankömmling grimmig entgegen sah. War doch klar, dass Sciurus sich darüber lustig machte. Was für eine widerliche Kröte, dachte sich Hannibal und hielt sich mühsam an der Reling fest, als das Schiff eine Welle hoch glitt und wieder in das Tal hinab fiel. Auf die bissigen Kommentare wollte Hannibal jedoch nicht eingehen, mehr, er konnte es gar nicht. Denn schon bei dem nächsten Wellengang hatte ihn der Brechreiz wieder im Griff und statt sich weiter um den Mitsklaven zu kümmern, betrachtete er die Wellen vom Speiloch aus und würgte nichts als ein wenig Speichel hervor. Dennoch fühlte er sich für einige Momente besser und lehnte sich mit kaltem Schweiß auf der Stirn gegen die Heckwand und stierte apathisch vor sich hin. Er wusste, das würde noch mindestens die nächste Woche so gehen und in der Zeit waren sie bestimmt schon in Tarraco. Vier Tage hatte der Kapitän gemeint, wenn es schlecht lief, dann vielleicht fünf oder sechs. Hannibal hoffte, dass sie eine gute Prise hatten und schnell ankommen würden.


    Zu seinem Leidwesen merkte Hannibal, dass sich Sciurus weiterhin an seinem Leiden ergötzte und sogar noch anhob mit einigen Versen ihn zu verspotten. Verächtlich verzog sich Hannibals Mundwinkel nach unten und er sah an Sciurus vorbei und betrachtete ausgiebig das Tun der Matrosen, Sklaven oder Liberti, die auf dem Schiff angeheuert hatten. Mit ihrer, von Arbeit hornigen, Händen griffen sie an einem der Taue und entrollten ein oberes Segel, wobei der Wind gleich von dem Tuch Besitz ergriff und sich dagegen drückte. Das Schiff nahm deutlich an Fahrt zu und somit auch das Schaukeln. Hannibal schluckte heftig und suchte das Würgen zu besiegen. Schwer atmend meinte Hannibal, es klang nicht ganz so beiläufig, wie er meinte, sondern schon recht bissig: „Na, erstaunlich. Du kannst ja doch was, Sciurus. Sogar richtige Verse aufsagen und auch noch ganz passabel. Dabei dachte ich, Du kannst Dich in erster Linie auf dem Lager Deines Herren beweisen…“ Hannibal schnaubte höhnisch und krallte seine Finger ins Holz, denn die Übelkeit schien ihn, der Worte wegen, bestrafen zu wollen. Hannibals Stirn trocknete zwar wegen des Windes, aber das Unwohlsein rief ihn immer wieder hervor. Immer noch sah Hannibal nicht zu Sciurus und hoffte, daß dieser endlich mal abhauen würde.

    Beständig stießen die Wellen im Hafen gegen die steinerne Mauer des Beckens, wogten die Schiffe auf dem Busen des Meeres hin und her und trieben immer wieder den Müll aus dem Hafen ins offene Meer, welche die Bewohner der Stadt in das Wasser warfen. Nur hin und wieder stibitzte sich eine Möwe etwas von den Innereinen, die ein Fischer mit einem Korb ins Wasser warf oder einem jungen Hund hinwarf, der sich zu seinen Füssen tummelte. „Eine Münze, Herr…“ Ein kleiner Betteljunge trat zu Hannibal und streckte seine dreckige Hand hoch. Ungerührt sah Hannibal auf ihn runter. „Verschwinde.“ Der Ausdruck des Jungen wandelte sich vom flehentlich-traurigen zu einer bitterbösen Miene und mit einem Fluch auf den Lippen verschwand er, um nach einem generöseren Spender Ausschau zu halten. Mit einer Hand hielt sich Hannibal noch an der großen Kiste fest als er Sciurus erblickte und die Lippen zusammen presste, um die Kröte nichts von seiner Schwäche bemerken zu lassen. Finster stierte Hannibal zu Sciurus, er konnte irgendwie nicht anders, wenn er dem Kerl begegnete. Denn nicht nur, dass er Sciurus Art als äußerst unangenehm empfand und in ihm mehr einen Lakaien von Sica sah, nein, er hatte sich auch noch an seiner Nadia vergriffen. Und wegen solchen wie Sciurus hatte Nadia Angst zurück in die Villa zu kommen.


    Die Rede von Sturm, Wind und Wetter auf hoher See gefiel Hannibal doch weit weniger als den Sturm im Hafen abzuwarten. Aber natürlich hätte Sciurus ihm dementsprechende Worte als Schwäche ausgelegt, als eine, die es auch war. Seine schreckliche Seekrankheit. Dennoch nickte er. „Das Schiff ist direkt vor Deiner Nase, Sciurus. Wie so vieles, was Dir auch stets zu entgehen scheint. Der Kapitän will auch bald den Anker lichten.“ Hannibal wandte sich um und hob nur eine Augenbraue, meinte dabei beiläufig. „Aber Sciurus, “ gab er mit einem süffisanten Tonfall das Sticheln von seinem blonden Mitsklaven zurück. „Du solltest nicht immer von Dir auf Andere schließen. Tsts!“ Obwohl seine Seite wieder schrecklich schmerzte, er nicht wusste, ob er die Planke zum Schiff überhaupt überwinden konnte, ging er mit festen Schritt voran. Wenn man ganz genau hinsah, bemerkte man auch den kalten Schweiß, der auf Hannibals Stirn trat.


    Kind und Kegel oder mehr Sklaven und Gepäck kamen auf das Schiff und die letzten Waren wurden in das dickbäuchige Handelsschiff gepackt. Der bärtige Hispanierkapitän rief mit dröhnender Stimme. „Holt den Anker ein, an die Ruder, macht die Seile los…“ Fußgetrappel donnerte laut über die Planken des Schiffes und die Sklaven wurden erst mal unter das Deck verfrachtet. Erst als das Schiff mit Ruder und einer sanften Brise das Becken verlassen hatte, wurde auch den Mitreisenden erlaubt, wieder an Deck zu kommen. Völlig blass trat Hannibal von dem Deck mit den Ruderern, wo sie auch zu nächtigen hatten, auf das Oberdeck und ging entlang der Rehling zum hinteren Teil des Schiffes. Obwohl das Schiff erst sachte im Wellengang schaukelte, war Hannibal bereits speiübel. Er hätte doch auf das Frühstück heute verzichten sollen. Als eine Woge aufgischte und das Schiff hoch die Wellen erklomm, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen und er übergab sich am Rande. „Da isn Speiloch!“ meinte einer der Matrosensklaven, der ein Schot festmachte. Hannibal nickte vage und wechselte den Standort bis zum Heck des Schiffes, wo ein kleines Loch ihm sein Elend erleichtern sollte. Nur aus den Augenwinkeln bemerkte er das kleiner werden von Ostia und der italischen Küste.

    Eigentlich hatte Satryus nicht viel von den Angestellten des Lupanars erfahren können. Der Mord war von den Urbanern entdeckt worden und sie hatten doch recht effektiv verhindern können, dass seine Informanten und auch die anderen Lupae erfahren konnten, wer der Mörder und was passiert war. So lehnte er sich mit verschmälerten Augen zurück, war ihm durchaus aufgefallen, dass der Centurio zwar seine Frage beantwortete, jedoch nichts genaues Preis geben wollte. Doch Eile mit Weile und so bewegte Satryus seine schlanken, blassen Finger langsam ein wenig auf und ab und musterte mit interessiertem Blick Metellus, offenbarte dabei eine gelassenen Haltung und eine gewissen Selbstzufriedenheit, die daher rührte, dass er als Verbrecher sich in der Castra doch völlig unantastbar fühlte, selbst wenn dem womöglich nicht so war.


    Seine Mundwinkel zuckten spöttisch bei der Frage seines Gegenübers. Spontan könnte er eine kleine Liste anfertigen, von denjenigen, die ihm am Liebsten an den Hals springen würden. Und darunter würde er noch nicht mal all die kleinen Messerstecher aus der Subura rechnen. Ganz oben würden die Lakaien des Vogelmannes stehen, schließlich waren sich Nerva und er mehr als ein Dorn im Augen. Zwei Spieler im Ringen um die Macht in der Subura und den angrenzenden Viertel, besonders natürlich des Aventin. „Eine schwierige Frage, Centurio. Sicherlich macht man sich als Geschäftsmann, gerade in dem Bereich solcher Genüsse, immer mal wieder jemanden zum Feind. Die betrogenen Ehefrauen, erboste Mütter, Familien, die glauben ihre Tochter aus meinen…“ Er schmunzelte bei dem nächsten Wort deutlich. „…Fängen erretten zu müssen. Und dann die üblichen Neider oder Konkurrenten, die die Strasse ebenfalls mit einem Etablissement bestücken wollen. Nun…ist der Mörder tot oder konnte er wengistens einen Anhaltspunkt geben?“ Mit gar unschuldiger Miene untertrieb Satryus die Fakten und trug ein kühles, starres Lächeln auf den Lippen.

    Es war nicht das erste Mal, das Satryus in der Castra der Urbaner war, dennoch war es schon einige Jahre her und normalerweise schickte er lieber seine Leute, falls etwas mit den Urbanern besprochen werden sollte, wie einen der Handlanger aus dem Carcer holen oder die regelmässigen Bestechungen, die an die Soldaten gingen, die auf der Liste von Nerva standen. Nachdenklich betrachtete Satryus den Rücken des Centurios als dieser ihn zu seinem Officium führte. Ob jener auch bestechlich war? Satryus ging immer davon aus, dass in den Menschen das Schlechteste steckte und sie somit berechenbarer wurden. Satryus Augenbraue zuckte einen Moment bei dem Gedanke, dann folgte er durch die Tür in den Arbeitsraum hinein. Der weiße Stoff aus Seide, dreifach genäht, rauschte leise bei jedem Schritt und umspielte wie eine Toga den Körper von Satryus. Die rechte Hand von Nerva betrachtete das Innendekor des Centurio, befand es wie üblich soldatisch Spartanisch und deutete auf einen Stuhl. „Du gestattest, wenn ich Platz nehme?“, rhetorische Frage, denn er nahm gleich darauf auf dem Stuhl Platz und verschränkte die Finger ineinander. Der Stoff rutschte dabei von seinen Händen hoch und offenbarte die roten, scharf gefeilten Fingernägel jenes Mannes. Ungerührt und ohne eine Regung im Gesicht betrachtete Satryus Metellus. „Nun, Centurio, eine schlimme Sache in meinem Haus. Meine Lupae sind immer noch sehr verstört. Aber mir ist zu Ohren gekommen, Du hast den Verantwortlichen gefangen?“

    Nicht ohne Verdruss hörte Satryus, dass er seine beiden Leibwächter am Tor zurück lassen sollte. Doch er stimmte andeutungsweise mit einem Kopfnicken zu. Zwar glaubte er nicht, in der Castra der Urbaner sicherer zu sein als auf einer Strasse der Subura, aber er hatte wohl oder übel keine Wahl. Eine schmale Zornesfalte über den, der ihm das ganze Malheur eingebracht hatte, erschien zwischen seinen fein gezupften Augenbrauen, dabei sah er zu den beiden bulligen Männern. „Brutus, Du wartest hier mit den Anderen. Und keinen Ärger, verstanden?“ Ein dunkelhäutiger Mann trat heran und nickte ergeben, gab keinen Laut von seinen breiten Lippen. Satryus wandte sich wieder Metellus zu. „Aber sicher doch, Centurio. Ich werde Dir gerne in Dein Officium folgen.“ So gesprochen, so getan.

    Primus- Noch in Ostia:


    Gell ertönte der Schrei der Möwe, die auf zartweißen Flügeln am blauen Firmament entlang glitt und ihren Kopf zur blau glitzernden Oberfläche gerichtet hatte. Abrupt stürzte sich der Vogel hinab und ergatterte sich einen Fisch aus einem der Körbe der Fischer. Wütend schlug der Fischer nach dem Vogel, der mit der Beute im Schnabel schon längstens entschwunden war. Schiffe schaukelten im Hafenbecken von Ostia, die Masten ragten wie leere Gerippe gen Himmel, laute Menschenrufe mischten sich mit dem Gebell eines Hundes und dem Poltern einiger Sklaven, die ein Handelsschiff von ihrer Ware befreite. Von der See glitte ein dickbäuchiges Schiff in den Hafen und reffte die Segel geschickt, damit es so an Fahrt verlor, um in dem Hafenbecken nur noch den Anker fallen lassen zu müssen. Mit leicht verengten Augen spähte Hannibal über die Schiffe und das Meer hinweg, mühte sich eine völlig gelassene Miene zu behalten, denn: Hannibal litt unter der Seekrankheit, hasste es auch nur auf einem kleinen Boot seinen Fuß setzen zu müssen. „Fünf Männer, sagte ich. Keine Pferde!“Schon seit einer viertel Hora verhandelte Hannibal mit dem Kapitän des Schiffes, was sich nach Tarraco begeben wollte, um dort einige römische Waren zu liefern und im Austausch von den hispanischem Wein zu dem Stammland der Römer zurück zu bringen. Der Kapitän spuckte in die Hand und streckte es Hannibal entgegen, der schwer seufzend dem Vorbild folgte und in dessen schwielige Hand einschlug.


    Entnervt wandte sich Hannibal um und stieß gegen einen der flavischen Sklaven, die mit auf die Reise kommen sollten. Ein schmerzhafter Ausdruck huschte über Hannibals Gesicht und er keuchte kehlig auf, hielt sich an einer großen Kiste fest, die vom Nachbarschiff herunter gelassen worden war. Blass im Gesicht versuchte Hannibal wieder Luft zu schnappen und unterdrückte das Verlangen an die schmerzhafte Seite zu fassen, wo sich der Dolch vor wenigen Tagen tief hinein gegraben hatte. Nur einige Fingerbreit daneben und er wäre wohl dort, wo alle Sklaven ihren letzten Weg hin antraten. Nach einigen heftigen Atemzügen verebbte der Schmerz deutlich und Hannibal richtete sich auf. „Tölpel!“ zischte er dem Sklaven entgegen, der ihn nur stumm ansah. Denn eigentlich war Hannibal gegen jenen gelaufen. Suchend sah sich Hannibal nach der kleinen Ratte, vielmehr der Kröte um, was sein Lieblingsspitznamen für Sciurus momentan war. Dieser sollte sich doch um die anderen Angelegenheiten der Organisation kümmern, wenn auch Hannibal durchaus skeptisch, ob der Fähigkeiten von Sciurus war. Denn Hannibal unterschätzte in dieser Hinsicht seinen sklavischen ‚Mitstreiter’ durchaus.

    Der Blick des Miles gefiel dem Todschläger ganz und gar nicht, es juckte ihn an den Fingern, aber er war bestimmt nicht so dumm am Tor von vielen, vielen Hundert Soldaten seine Animosität auszuleben. Darum starrte er nur grimmig, etwas dümmlich dabei, zurück und nickte knapp als sich er Miles zu seinem Vorgesetzten aufmachte. Mit verschränkten Armen und verschlossenem Gesicht guckte er auf das Tor, zu den anderen Soldaten, wieder auf das Tor, bis dann nach einem Augenblick der Soldat mit Metellus zurückkehrte. Abschätzig musterte der Todschläger sein neues Gegenüber. „Salve! Ich? Öhm…einen Moment, ich sage meinem Herren Bescheid!“ Schnell wandte sich der Mann um und stapfte zu der weiß verhängten Sänfte zurück, beugte sich runter und tuschelte leise etwas durch den Stoff. Ein weiterer Moment verging, dann trat einer der dunkelhäutigen Sklaventräger heran und schlug den weißen Stoff zur Seite. Aus der Sänfte erhob sich ein Mann, der sich vom Gewand kaum vom Stoff der Sänfte abhob, war er doch in gänzlich weißer Seide gekleidet.


    Man sah dem Mann an, in jüngeren Jahren war er wohl mal von ansehnlichem Äußeren, doch nun deutlich gealtert, seine Gesichtszüge verlebt, die nur von seinen wachen, kalten dunkelgrauen Augen dominant überschattet wurden. Seine dunkelgrauen Augen richteten sich auf Metellus, dann trat er einige Schritte an ihn heran. „Salve Centurio, mein Name ist Sosius Satryus. Ich bin der Besitzer des Lupanars, in dem Du ermittelst hat. Du wolltest mich sprechen?“ Tatsächlich war Satryus offiziell der Besitzer, wenn auch alles Nerva gehörte, doch das kam auf dasselbe hinaus, war Satryus doch seine rechte Hand. Zumindest munkelte man das und sein Name, wie auch Satryus, war in der Subura nicht unbekannt.

    Ein einzelner Schmetterling verirrte sich in das Haus von Verfall und Niedergang zeugend, flatterte mit den hellgelben Flügeln heran und landete auf dem weißen Stoff von Satryus, der Serapio mit einem satyrischen Lächeln bedachte und seine Fingernägel von der Wange zu dessen Hals gleiten ließ. „So, so, kein Sklave?“ , flüsterte Satryus mit einem leicht enttäuschten Lächeln, grub dabei die Spitzen seiner kleinen Dolche in die zarte Halshaut, so dass ein einzelner Bluttropfen erschien und an seinen weißen, knochigen Händen entlang glitt, eine dünne Spur hinterließ und sich unendliche langsam von dem Finger in einem kleinen perfekten Rund zu lösen versuchte. Die kalten Augen des Mannes bohrten sich in die tief Blauen seines Gegenübers. „Zu Schade, zu schade…“, murmelte Satryus und hatte in jenen Augenblick Hannibal völlig vergessen.


    Dieser sah zuerst mit Verwunderung zu Serapio, blinzelte einige Male, immer noch fest im Griff der beiden Männer, als er dessen Worte vernahm. Wollte dieser ihm tatsächlich in dieser Situation helfen? Hannibal war mehr als erstaunt, sicherlich hatten sie sich gut verstanden, aber das erwartete er nicht von Serapio, hatte ihn völlig anders eingeschätzt und wurde nun eines Besseren belehrt. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er tat so als ob er sich nicht mehr dem Griff erwehren wollte. Die Ruhe vor dem Sturm.


    Der Bluttropfen fiel in die Rinne des Steinbodens. Satryus beugte sich nach vorne, sein Atem glitt warm über Serapios Ohr als er leise und mit einem zischelnden Unterton flüsterte. „Einen Sklaven hätte ich lieber gehabt. Aber wenn Du ein Freund bist, dann bedeutest Du Hannibal wohl etwas. Das ist genauso gut, denn ich…liebe außergewöhnliche Spiele, rot und weiß…Blut und die reine Unschuld des Todes…“ raunte er geheimnisvoll, schlug nach dem friedlichen Schmetterling und zerquetschte ihn zwischen seinen Fingern. Süffisant lächelnd richtete er sich auf, in seinen Augen stand ein Funkeln, was nicht in den Ausdruck eines normalen Mannes passte und das in einem sehr unguten Sinne. Hannibal atmete scharf ein als er das hörte, denn er wusste genug von Satryus, um die Art seiner Spiele zu erahnen.


    Abrupt, die beiden Männer waren wohl nicht mehr darauf vorbereitet, entriss Hannibal einem seinen Arm und holte seinen Dolch hervor. In einer fließenden Bewegung stieß er den Dolch in die Höhe. Blut benässte den steinernen und staubigen Boden und einer der Männer sackte zusammen, röchelte leise im Sterben. Satryus fuhr herum, einen mörderischen und wütenden Ausdruck im Gesicht. „Verschwinde, Flosculus, schnell…“ presste Hannibal hervor ehe sich auch schon der zweite Mann auf ihn stürzte. „Brutus!“ schrie Satryus schrill und ein Dunkelhäutiger betrat den Raum, einen Todschläger in der Hand. Sein massiger Körper verdeckte einen Moment die Sonne, so dass es düster im Raum wurde. Dennoch blieb noch eines der Fenster zum entfliehen.

    Von einem Gelehrten konnte man wohl kaum ein klares 'Ja oder Nein' erwarten. Hatte es Hannibal womöglich erwartet, so wurde er diesbezüglich nicht belohnt. Dennoch boten die Worte von Gracchus genug Raum für Interpretation, die eine positive Bestätigung seiner Frage implizierte. So neigte Hannibal in einer ’ergebenen’ Geste den Kopf. „Sehr wohl, Dominus, ganz wie Du wünschst.“ Mehr war dazu nicht zu sagen, schließlich hatte Hannibal auch keine Ahnung, um wen es sich bei den Elephanten im Grunde handelte. Natürlich hatte er alle Artikel der Acta diesbezüglich gelesen, es waren nicht sonderlich viele und einer hatte wohl bei manchen für ziemlich Aufruhr gesorgt, aber viele Informationen hatte er nicht daraus ziehen können, die ihm im Augenblick viel gebracht hätten. Aus den Augenwinkeln betrachtete Hannibal Sciurus und dessen Haltung. Gehässig wie Hannibal nun mal gegenüber Sciurus war, befand er, dass dieser eine kriecherische Haltung hatte. Da merkte man nun mal den Unterschied, ob ein Sklave sein ganzes Leben lang bei den Flaviern war oder nur hinzu gekauft, sie beherrschten nicht die perfekte Haltung eines flavischen Sklaven, die völlige im 'Dienst ergeben sein’ ausdrücken konnte, eine demütige und respektvolle Haltung besaß ohne wie ein schleimiger Molch zu wirken. Hannibal hatte diesbezüglich die harte Schule von Flavia Agrippa in Baiae erfahren, die nicht sehr gnädig bei Fehlern war.

    Einige der Fasern an ihren Fesseln waren durch den Stein mittlerweile aufgerauht. Unermüdlich schabte die Frau weiter, da sie Stunde um Stunde alleine gelassen worden war. Die Nacht war derweil schon verstrichen, der Morgen graute und versprach mit zarten rosa Schleiern am Himmel ein doch milder Tag zu werden. Ratsch, ratsch, immer wieder schabte die Frau an der Mauer. Auch ihre Handgelenke waren aufgescharbt von der Behandlung ihrer Fesseln. Doch immerhin musste sie so nicht über den Umstand, dass sie im Carcer saß, lange nachdenken. Irgendwann, die Sonne ließ sich im Carcer nicht sehen, lehnte sich die Frau völlig erschöpft gegen die Wand und atmete still und kaum hörbar. Ihre verschwitzten Strähnen klebten an ihrer Wange, ihre Haut war blass und sie hatte einen fiebrige Glanz in den Augen. Ihr Bein und ihr Kopf schmerzten immer noch höllisch und doch wusste sie, dass dies nur der Anfang war. Zumindest hob sie mit abwehrendem Blick den Kopf als sie dann doch Besuch von einem Urbaner bekam. Es war zumindest nicht der Mann, der sie gestellt, aber der, der ihren Beutel gefunden hatte. „Gibs hier auch Wasser?“, fragte die Frau kehlig, leckte sich dabei über ihre trockenen und aufgesprungenen Lippen.

    Dunkelhäutige Männer trabten den Weg zur Castra hinauf, drängten sich brutal mit einer weiß verhangenen Sänfte durch die Menschen, die sich über die Strasse wälzten und strebten direkt auf das Tor der Castra der Urbaner zu. Einige Schritte davor verharrte die Sänfte, die noch von zwei bulligen Männern, grob schlächtig und mit tumpen Gesichtsausdrücken, begleitet wurde. Eine weiße Hand mit rot bemalten Fingernägeln streckte sich zwischen den weißen Vorhängen und winkte mit dem Zeigefinger einen der beiden Männer heran, der sich vorbeugte und lauschte. Schließlich nickte der Mann, murmelte die Worte, die er wiedergeben sollte vor sich hin, um sie nicht zu vergessen und marschierte festen Schrittes auf das Tor und einem Soldaten zu. „Salve, mein Herr wünscht zu einem gewissen Caecilus Metellus vorgelassen zu werden. Es betrifft die Sache im Lupanar in der Subura und die Nachricht, die dieser meinem Herren hinterlassen hat.“ Der Mann kratzte sich am Kinn und grübelte, ob er alles gesagt hatte. War wohl so, deswegen sah er erwartungsvoll zu dem Soldaten vor sich und trat etwas unbehaglich von einem Fuß zum Anderen, denn er gehörte aus der Liga der Schwerverbrecher, Erpresser und Todschläger aus der Bande von Nerva. Deswegen hatte er eine natürliche Abscheu gegen die Urbaner.

    Schrill und hell zerbrach eine Tonscherbe unter den Calcei des weiß gekleideten Fremden. Der Mann trat einen Schritt auf Serapio zu. Stoff fiel raschelnd zurück als der Mann seine Hand hob und seine langen schlanken Finger, die an den Nägeln tief rot gefärbt und wie kleine Dolchspitzen zurecht gefeilt waren. Sanft fuhren die Fingernägel an Serapios Wange entlang, wobei der Mann ihn mit einem kalten und abschätzenden Blick musterte. Unter seinem Kinn blieb der Zeigefinger des Weißgewandeten ruhen und hob Serapios Kinn an, so dass sich die Spitze des Nagels schmerzhaft gegen die zarte Haut bohrte. Seine verlebten Gesichtszüge erhellten sich ein wenig, wenn es auch nicht mit einem Lächeln zu vergleichen war. „Warum solltest Du stören, mein Hübscher?“ , erwiderte der Mann. „Du bleibst!“ Die letzten Worte klangen wie ein herrischer Peitschenhieb, der durch den Tempel hallte. Der Mann wandte sich Hannibal um und faltete seine Hände ineinander, der weiße Stoff glitt wieder über sie hinweg und verdeckte seine roten Fingernägel.


    „Hannibal, ich bin sehr enttäuscht. Dabei habe ich mir durchaus viel von Dir versprochen, schließlich hast Du Dich für Nerva und gegen den Vogelmann entschieden. Und nun? Eine Enttäuschung nach der Anderen. Zuerst muss ich hören, dass Du auf eigene Faust arbeitest und Außenstehende involvierst…ja, ich rede vom Attentat mit dieser seltsamen Farce. Und dann kannst Du noch nicht mal für die Sicherheit im Lupanar sorgen. Und warum? Weil Du einfach abgehauen bist und Dein eigenes Ding treibst. Das geht so nicht, Hannibal.“ Wie ein Vater sprach der Mann zu Hannibal, sanft, dennoch tadelnd dabei. Hannibal starrte ihn stumm an, dachte über alle möglichen Ausflüchte nach, aber nach den Ermittlungen der Urbaner war wenig zu rechtfertigen. „Satryus, Du weißt ganz genau, dass so was in einem Lupanar nun mal passieren kann…“ Noch ehe Hannibal fortfahren konnte, bedachte Satryus ihn mit einem eisigen Blick, den ihn zum verstummen brachte. Satryus sah mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen zu Serapio.


    „Dann bist Du vielleicht meine Entschädigung? Immerhin habe ich für Hannibal vor Nerva gebürgt. Und dann hatte ich noch den Ärger mit den Urbanern vor einiger Zeit.“ Satryus trat auf Serapio zu. „Kleine Blume, was für ein niedlicher Name.“ Die Fingernägel strichen lasziv über Serapios Wange und die kalten Augen durchbohrten ihn förmlich. „Lass ihn in Ruhe.“ , warf Hannibal ein. „Geh am Besten, Flosculus. Und warte in der Schenke am Kanal.“ Satryus hob seine andere Hand, zwei der bulligen Männer traten vor und packten Hannibal, der überrascht wirkte und dann wütend knurrend sich dem Griff zu entwinden versuchte. „Flosculus…“ wiederholte Satryus den Namen, betrachtete ihn aufmerksam. „Du würdest Dich gut in meinem Haushalt machen. Doch, doch, Dich würde ich durchaus als Entschädigung annehmen. Wem hast Du vorher schon gedient?“ , fragte Satryus in der Annahme, einen Sklaven vor sich zu haben.

    Die kleine Kröte! Schon der Anblick von Sciurus widerte Hannibal zutiefst an, verstand Hannibal sich doch in den letzten Wochen und Monaten gut darauf seine ganze Abscheu auf Sciurus zu lenken. Besonders seitdem er sich nicht mehr so viel in der Subura betätigte, schon seit einiger Zeit nicht mehr in dem kleinen Lupanar in der Nähe des Venustempels war und somit weniger, noch verachtenswertere, Subjekte stets vor Augen hatte. Völlig ausdruckslos blieb Hannibals Miene, einer griechischen Statue gleichend, der ein Bildhauer einen leicht entrückten, Dienst ergebenen Ausdruck verliehen hätte. Noch nicht mal einen Blick würdigte Hannibal seinen „Mitsklaven“, ließ seine Augen weiterhin auf den Boden gerichtet und wartete bis der Flavier, Vetter seines Herren, zu dem Anliegen kam, derer er ihn hier her beordert hatte.


    Hispania! Hannibal war noch nie dort gewesen, wäre nur beinahe dort hingereist, um einen gewissen Ex-Ex-etc. Aedil zur Strecke zu bringen, der jedoch glücklicherweise selber kurz danach sang und klanglos in den spanischen Landen verstorben war. Natürlich hatte Hannibal genug von den Vorurteilen, ob berechtigt oder nicht, gegenüber der hispanischen Linie vernommen, um einen Haufen von Plebejer liebenden, intriganten und dabei doch etwas tumben Mitgliedern der Familie handelte es sich angeblich. Doch Hannibal neigte nur den Kopf, ließ weiterhin keine Regung bis zu seinem Gesicht empordringen und erwiderte mit ruhiger Stimme. „Sehr wohl, Dominus, es wird alles so geschehen wie Du wünschst.“ Ein Gedanke kam Hannibal dann doch sehr wohl, den er lieber hier geklärt wissen wollte. „Dominus, wünschst Du, dass wir uns um die Bestrafung oder die gesetzliche Verfolgung jener Verbrecher kümmern?“

    Sanft strichen Hannibals Finger an Nadias Gesichtskonturen entlang und er betrachtete sie nachdenklich. Hannibal wusste um die Abgründe der Flavier, jeder von ihnen trug etwas in sich, was einem schlafenden Vulkan ähnelte. Lag es vielleicht an ihren Vorfahren oder den Willen wieder die Macht an sich zu reißen, die sie einst als Familie des Kaisers in den Händen hielten? Hannibal hatte die Zeit der flavischen Kaiser noch erlebt, wie sein Herr und er wusste, manche der Flavier trauerten dem durchaus noch nach, wie auch die Mutter seines Herren. Und vielleicht färbte dies nicht nur auf ihren Enkelsohn ab, sondern war ein Zug, den die Flavier im Allgemeinen in sich trugen. Und in so einem Blut lagen nun mal auch die dunklen Seiten, die Machtgier mit sich brachten. Natürlich ließ Hannibal in seinen Überlegungen außen vor, dass er nicht minder wahnsinnig war, wie manche Flavier, sogar noch mehr, durch die Generationen an Sklavenvermischung aus seiner Linie waren unschöne Züge an ihm hängen geblieben.


    Doch in jenem Augenblick schien er lammfromm und einfach nur liebevoll zu sein. Wenn er glücklich war, dann war er es auch. „Mein Herr ist recht gutmütig. Ich mache mir mehr Sorgen, dass die Sklavin ihn ziemlich leicht hereinlegen und übertölpeln wird. Weißt Du, er ist zwar ein Flavier, aber nicht sonderlich schnell im Denken. Dafür jedoch eigentlich nicht der schlimmste Herr. Er lässt mir recht viele Freiheiten, was auch daran liegt, dass wir gemeinsam aufgewachsen sind. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich schlimme Dinge einfallen lassen könnte. Er hat einfach andere Schwächen, unnötige Grausamkeit gehört nicht dazu.“


    Hannibal beugte sich vor und hauchte Nadia einen Kuss auf die Nasenspitze, die so keck und dabei so Form vollendet schön wirkte, wie der Rest an Nadia, wie Hannibal befand. Er bewunderte sie für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit, dennoch glaubte er nicht daran, dass man Sciurus und Sica so einfach das „Handwerk legen“ könnte. Dafür waren beide zu klug und durchtrieben, hatten ihre Herren genug um ihren Finger gewickelt, Hannibals Stellung schien jedoch mehr als wankelmütig in den letzten Wochen zu sein. Er lächelte trotzdem und nickte. „Du hast schon Recht. Und ich bin mir sicher, eines Tages werde ich Gracchus oder Felix durchaus noch subtil vermitteln können, was für Aasgeier und Schmarotzer sie sich da angelacht haben. Beide treiben mehr oder minder ihr eigenes Ding in der Subura und ich kann mir denken, die beiden Flavier von all dem nichts wissen.“ Auch das war mehr eine Vermutung, die Ungeheuerlichkeit, Gracchus wäre wohl ein Drahtzieher hinter allen möglichen Strippen der suburischen Verbrechen, war einfach zu groß und zu unfassbar. Außerdem machte Gracchus auf Hannibal, so gebildet dieser schien, einen sehr zerstreuten Eindruck oft. Bei Felix wiederum war sich Hannibal nicht ganz so sicher.


    Hannibal stützte sich rechts von Nadia auf seinem Ellbogen auf und hob seine Augenbraue in die Höhe. Mit der Villa hatte Nadia Recht, doch zuerst galt es mögliche rechtliche Gefahren abzuwenden, die zu einem tragischen Weg an das Kreuz führen würden. „Du musst erst mal keine Angst haben. Noch kommst Du ja nicht zurück. Zuerst bleibst Du hier und wir sehen erst mal, was wir in der Hinsicht Deines Herren tun können. Denn vorher ist es wohl auch nicht ratsam, wenn Du mit in die Villa kommst. Sciurus würde sich hämisch die Hände reiben, in der Aussicht Dich für Furianus bestrafen zu dürfen.“ Es war nicht zu leugnen: Hannibal haßte die Kröte, wie er Sciurus in Gedanken mit jenem Namen bedachte. Hannibal erwiderte den Blick und dachte gar nicht mehr an Sciurus, Widrigkeiten im Leben und was sonst noch auf sie zukommen könnte, denn in jenem Augenblick war er einfach nur glücklich, wie selten in seinem Leben. Sanft legte er seine Hände auf Nadias Wangen und küsste sie innig. „Venus hat mir ein großes Geschenk gesandt, meine Schöne.“, stellte Hannibal fest und zog Nadia eng in seine Arme.


    Und so ging auch jener Nachmittag in trauter Zweisamkeit zu Ende. Denn schon bald sollten sie aufbrechen. In Richtung Mantua oder in andere Geschichten, die noch folgen werden…

    Weder in der Sklavenunterkunft, noch in sonstigen Sklavenräumen hatte der Sklave, der Hannibal zu holen gedachte, gefunden, sondern in dem lichten und sonnigen Garten. Hier hatte sich Hannibal schon vor Wochen eine kleine Ecke gesucht, abseits von den Wegen und Statuen, fern der Sicht eines Patriziers, der im Garten flanieren wollte. Und erst hier fand der Sklave Hannibal über eine Papyrusrolle gebeugt, mit zusammen gekniffenen Augen die griechischen Buchstaben studierend. In letzter Zeit flackerte es immer wieder und die Zeichen verschwammen vor Hannibals Augen, das Lesen wurde etwas anstrengend und nach einigen Stunden hatte Hannibal mittlerweile sogar danach Kopfschmerzen. Früher konnte er die Nächte lang beim schwachen Schein von Öllampen lesen und alte Schriften studieren, doch inzwischen tat er das lieber am hellen Tag und in der Sonne.


    Hannibal erhob sich auf dem grünen Gras und nickte dem Sklaven zu, ging dann alleine durch den Garten in den Säulengang, kühl umfingen ihn die inneren Räumlichkeiten der Villa und seine Schritte gingen leichtfüßig, doch gut gelaunt, immerhin war er immer noch vom Glück seiner Liebe erfüllt, auf das Cubiculum zu. Davor angekommen rollte er die Schrift zusammen und steckte sie in den Beutel, den er stets bei sich trug, strich sich durch die dunklen Haare und besah, ob er Grasflecken an seiner dunkelroten Tunika trug. Doch dem war nicht so, also klopfte Hannibal, wartete auf das Herein und ging dann erst in den Raum. Mit geflissentlicher Haltung, gesenkten Augen und demütiger, scheinbar, Miene verbeugte sich Hannibal. „Dominus, Du hast nach mir rufen lassen?“ Von den wirren Anordnungen, die Hannibal von seinem Herren erhalten hatte, ahnte er, dass Gracchus ihn für etwas Wichtiges einspannen wollte. Sein Herr hatte ihm explizite Anweisung gegeben, Gracchus Befehlen zu folgen.

    Eine Öllampe flackerte unstet im zugigen Carcer. Auf einem Holzschemel saß die junge Frau, die von den Urbaner vom Dach der Urbs gepflückt, in einer Verfolgungsjagd bis hin in einen Nebenraum verfolgt und schließlich gestellt wurde. Und so saß die Frau nun hier, in sich zusammen gesunken. Ihre nachtgraue Kleidung war an manchen Stellen zerrissen und mit Blut benässt und ihre Wangen waren hohlwangig eingefallen. Sie war eh ein recht mageres Stück und etwas kantig vom Aussehen, ihre Haare hingen ihr nun, wo die Kapuze der Paenula sie nicht verdeckten, strähnig ins Gesicht. Ihre schmalen Lippen schienen nur noch eine Linie zu sein. Stöhnend versuchte sich die Frau der Fesseln zu entledigen, scheuerte, während sie noch alleine war und die Urbaner sich um wohl andere Dinge kümmerten, mit ihren Fesseln am rauen Stein hinter ihr.

    Mit Erleichterung im Gesicht starrte die ältere Frau im Nachthemd den Männern der städtischen Einheit hinter her, schloss schnell die Tür und verriegelte sie. Widerwillig ließ sich jedoch die verhaftete Frau zwischen den Soldaten mit zum Lupanar führen, wo sie die, mit groben Sackleinen bedeckten, Leichen keines Blickes würdigte, sondern nur weiter ging. Immer wieder taumelte die Frau und stolperte einmal, doch durch ein grobes nach oben ziehen war sie wieder auf ihren Beinen und folgte den Männern weiter.


    Und so endet das Kapitel: Aedilischer Kontrollgang und Tod im Lupanar.

    Während in der Stadt fröhliche Feiern auflebten, Akrobaten und Tänzer ihre Künste den lebelustigen Römern oder auch den Fremden der Stadt darboten, schien es um den alten Tempel herum von jeglicher Fröhlichkeit verlassen zu sein. Ein schwarz glänzender Käfer krabbelte langsam mit seinen filigranen Beinchen über den staubigen und dreckigen Steinboden im Tempel und schlug einen Bogen um die beiden Männer, die im Halbdunkel des Tempels standen. Zwar ahnte Hannibal noch nicht das Herannahen des kleinen Trosses, dennoch zog er Serapio noch ein wenig tiefer in den Tempel und zu einer, von Schatten umfangenen, Mauer, lauschte dabei seinen Worten und hob nur skeptisch die Augenbrauen als Serapio von der blasierten Gesellschaft sprach. Doch in dieser Hinsicht verkniff sich Hannibal die Worte, die ihm auf der Zunge lagen und auch jegliche weiteren Versuche Serapio von einem anderen Lebensweg zu überzeugen. Hannibal hielt sich auch nicht für einen, der die Menschen auf den "rechten" Pfad zurück führen sollte oder wollte.


    „Mhm…“, murmelte Hannibal auf Serapios Frage hin und lehnte sich ein wenig stärker an ihn heran, atmete genussvoll als er Serapios Kuss beim Ohr spürte. Doch schon im selben Moment zuckte eine heftige Ermahnung durch seinen Geist- Nadia. Gerade wollte Hannibal Serapio sanft, aber dennoch bestimmt von sich schieben und weitere Annäherungen damit unterbinden, als dieser ihm die Summe ins Ohr raunte. Hannibal stockte und ließ seine Hände an Serapios Tunica, nein, seine Finger krallten sich fester in den Stoff hinein. Dann drückte Hannibal Serapio doch ein Stück von sich fort und sah ihm fest in die Augen. „Flosculus! Wie kommst Du dazu, so viele Schulden anzuhäufen? Bei den Furien, was hast Du nur getrieben? So viel Zeug kannst doch selbst Du nicht zu Dir nehmen, das würde Dich doch umbringen…“ Hannibal musterte ihn genau, etwas blass und kränklich sah Serapio durchaus aus.


    ~Ein kurzer Blick nach draußen: Lautlos stellten die dunkelhäutigen Sklaven die schneeweiße Sänfte vor dem Tempel ab. Gerade wollte Scaurus aufspringen und Hannibal warnen als ihn eine Hand packte und einer der bulligen Leibwächter ihm den Mund zudrückte. Eine weiße Hand teilte den Vorhang zur Seite…~


    Hannibal ließ Flosculus los und wandte sich um, ging eine Schritte hin und zurück. Dabei kreisten seine Gedanken um jene unverschämt hohe Summe. Woher nehmen? In Gedanken griff sich Hannibal an die Schläfe und rieb diese mit Zeige und Mittelfinger. Einen großen Teil der Summe würde er auch an jenem Tag zusammen bekommen. Und mit genug schmeichlerische Worte, vielleicht ein paar Drohungen konnte man auch noch den Rest des Geldes erst einige Tage später bezahlen. Schließlich war Callistus, wie er gehört hat, kein Dummkopf, sondern ihm war mit Sicherheit mehr daran gelegen das Geld auch zu bekommen. Abrupt wandte sich Hannibal um und sah zu Serapio. „Also gut…wenn das Treffen hier vorbei ist, dann kommst Du einfach mit und wir kümmern uns um das mit dem Geld. Du musst Dir keine Sorgen machen, Flosculus.“


    Doch es kam alles ein wenig anders. Ein erstickter Schrei tönte draußen von Scaurus, doch schon standen in der Tür zwei massive Schränke, zwei Leibwächter, die hinein traten und Hannibal und Serapio mit finsteren Blicken taxierten. Hinter den beiden Männern folgte ein etwas vollschlanker Mann in einer weißen, langen Seidenpaenula. Der Mann in Weiß trat an den Leibwächtern vorbei und in das Halbdunkel des Tempels. „Was höre ich von Geld?“ , gab der Mann mit einer weichen Stimme von sich.


    Einst ein schöner Mann, war er deutlich gealtert, und selbst im Halbdunkel war das Rouge auf seinem intelligenten, wachen, aber verlebten Gesicht deutlich zu sehen. Selbst das wenige Licht konnte den Zahn der Zeit nicht verbergen, die leicht aufgedunsene blasse Haut und angedeutete Tränensäcke unter den dunkelgrauen, kalt blickenden Augen. An seinen Fingern prangten einige goldene Ringe, die im letzten Sonnenlicht im Tempel funkelten. „Hannibal.“, grüßte der Fremde und sah dann mit einer trägen Bewegung zu Serapio. Seine Augen streiften ihn von oben bis unten, ehe sich seine schmale gezupfte Augenbraue in die Höhe wölbte. „Wer bist Du?“, fragte der Mann mit kalter, schneidender Stimme.

    Zaghaft begannen einige Grillen am Rande des Tempels in den, seit Tagen nach Regen dürstenden, Gräsern zu zirpen, doch die Stimmen aus dem Inneren des verlassenen Tempels, was nur mehr ein Skelett seiner Selbst war, ließ sie schnell wieder verstummen. Im Gebälk des Tempels raschelte es und ein undefiniertes Kratzen war auszumachen. Mehr verdutzt, denn ablehnend erstarrte Hannibal als sich Serapio an ihn warf und sein Schluchzen an Hannibals Schulter zu spüren war. Einen Atemzug später hob Hannibal, mehr oder minder zögernd, eine Hand und legte sie sachte auf den Rücken von dem, den er immer noch nur als Flosculus kannte. „Aber, aber…“ murmelte Hannibal leise und wollte schon nach dem Grund all dieser Verzweiflung fragen. Die Gründe einer solchen Misere konnten bei Flosculus zahlreich sein, doch Hannibals noch nicht gestellte Frage wurde schon im nächsten Moment beantwortet.


    'Callistus?' Ein Sonnenstrahl verirrte sich in Hannibals dunklen Augen als er den Kopf hob und nachdenklich auf den hell erstrahlten Ausgang des Tempels sah. Natürlich kannte er Callistus, mehr vom Hörensagen. Ein kleiner Ganove, nicht bedeutend genug, um groß Ärger zu machen, aber dennoch nicht ohne Einfluss, besonders auf dem Aventin. Und Hannibal hatte eigentlich genug Probleme im Moment. Mit Nerva, der schon seit langem bemüht war, der Vogelmaske das Wasser in der Subura abzudrehen. Ein leises Seufzen kam von Hannibals Lippen. Erneut sah er zum Eingang, schließlich erwartete er einen von Nervas Leuten. Hannibals Hand strich Serapio abwesend über die Schulter und wanderte wieder zu seinem Nacken hoch. Erst als Serapio sie ergriff, wandte Hannibal den Blick von der Tür. Scaurus würde ihn schon rechtzeitig warnen.


    Blaue Augen, sie hatten es Hannibal schon immer angetan. Hannibal hob seine andere Hand, strich mit den Fingerspitzen an Serapios Schläfen entlang und fuhr sanft mit seinem Daumen über seine Wange, wischte einige der Tränen fort. „Flosculus, Du hast nicht das Zeug dafür, Dich in dem Sumpf dieser Männer zu bewegen.“ Wie oft hatte Hannibal ihm das schon gesagt? Ihm versucht, klar zu machen, er solle das Ganze sein lassen, da es ihn nur noch tiefer hinein ziehen und ihn in jungen Jahren sterben lassen würde. ’Die Schönen sterben früh!’, der Gedanke irrte in Hannibals wirre Geistwindungen, das Bild einer toten und schönen jungen Frau, gestorben durch seine Hand, irrte in seine Gedankengänge. Hannibals Nasenflügel bebten als sein Atem heftig durch seine Nase stob. Doch schließlich nickte er langsam. „Also gut, wie viel schuldest Du ihnen denn?“ , fragte er, dachte sich dabei: ’Es kann höchstens um die hundert Sesterces sein.’ Für ihn eine Summe, die eine Lappalie war, für Serapio bestimmt nicht.


    Angespannt spähte Scaurus hinaus in die grellen Sonnenstrahlen, die zu dieser Stunde die Stadt zu lähmen schien. Doch noch ahnte der kleine Junge nicht, was für ein Tross sich dem Tempel näherte, die in der Mitte eine schneeweiße Sänfte führte…