Schlanke, wunderschöne Finger glitten über die Seiten einer Epigoneion. Mit jeder Erzitterung der Seiten entlockten diese Finger, deren Haut sanft und golden gebräunt war, dem Instrument, der Harfe, melodische und ätherisch klingende Töne. Schön waren die Hände, gepflegt die festen und halbmondförmigen Fingernägel, schlank die Finger geformt. Aber nicht zu einem schönen jungen Mann gehörten die Hände. Schon die Arme zeugten von einer Missgestalt. Der linke Arm war kürzer und etwas verkrümmt. Der Kopf wirkte größer als zum Körper passend, eine Narbe zierte sein Gesicht und seine Gestalt unter der dunkelbraunen Tunika wirkte auch sonst unnatürlich geformt. Dunkelgraue Augen sahen auf die Seiten des Instrumentes und die schönen, schlanken Hände zauberten die Wohlklänge in den Raum. Doch das bunte und muntere Treiben um ihn herum, schien der Musiker nicht zu bemerken, selbst wenn so manch ein Augenpaar zu dem Musikanten wanderte. Auch Hannibal streifte den Musiker, den er schon einige Male bei ähnlichen Feiern gesehen hatte, mit den Augen. Doch schon betrachtete Hannibal ebenfalls die Statue. Ein Nicken entlockten die Worte von Faustus dem flavischen Sklaven. "Ja, Fidenas ist schon begabt!" Einige der Statuen des Fidenas hatte Hannibal in den letzten Monaten gesehen und zu jeder Statue gab es immer ein Fest, das Fidenas veranstaltete. Ehe die Statue dann an den Käufer ging, der sie in Auftrag gegeben hatte. Hannibal sah sich nach freien Klinen um, wo sie sich nieder legen konnten. "Den Künstler...Fidenas?" Hannibal sah sich suchend in der Werkstatt um, die für heute Nacht auch als Ort des vergnüglichen Feierns dienen sollte. "Sicher.", meinte Hannibal gerade als er meinte, den Bildhauer erspäht zu haben. Doch weit gefehlt, Hannibal kam nicht mehr dazu, Faustus' Wunsch nach zukommen und ihn zu dem Pulk zu ziehen, in dem sich Fidenas mit sichtlichem Vergnügen suhlte, mehr in der Aufmerksamkeit, die ihm für den heutigen Abend zuteil wurde.
Schwer, aber lautlos, in sich hinein seufzend wandte er sich dem Neuankömmling zu, bekam ein mehr reserviertes Lächeln auf den Lippen zustande. Erneut sah sich Hannibal suchend nach einer Kline um. Schon hatte er auch freie Plätze entdeckt ehe erneut der Name fiel, den Hannibal an dem heutigen Abend lieber ganz, ganz weit weg verbannen wollte. Es zuckte ganz kurz um Hannibals linkes Augen. Aber er konnte sich selber nur einen Dummkopf schimpfen, schließlich hätte er Faustus nicht gerade zu einer Feier in jene Kreisen schleppen dürfen. "Salve, Lucan!", grüßte Hannibal zurück. "Bestens, bestens!", antwortete er mehr einsilbig und ging langsamen Schrittes und nur mit halben Ohr lauschend auf die Klinengruppe zu, um sich dort auf die Polster zu setzen. Hannibal ließ Wein heran bringen. Ein hellhäutiger Sklave schenkte ihnen ein. Nach einer Weile von diesem Rederegen war es Hannibal dann doch zu viel. In seinem Geist ratterte es, er überlegte, dann schossen schon mehrere Pläne in seine Gedanken.
Plan Eins wurde gleich voll führt: "Lucan, hast Du schon Mancinus gesehen? Ich hörte, er ist wieder auf der Suche nach neuen Talenten!" Erstunken und gelogen war das, aber Mancinus war für sein Mätzenentum mehr als bekannt, außerdem, dass er durchaus auch das Geld dafür besaß. Hannibal deutete mit seinem Kinn auf den kopulenten Mann neben der neu erschaffenen Statue, die an dem heutigen Abend gefeiert wurde. Hannibal hoffte, dass Nerv-Fisch Lucan den Köder biss und sich in Richtung des reichen Mannes trollte, um sich bei diesem anzubiedern.
Plan Zwei oder nennen wir es lieber Phase Beta wurde ebenso gestartet: Hannibal erhob sich und griff nach Faustus Arm, um diesen sogleich mit sich zu ziehen. "Du wolltest doch Fidenas kennen lernen.", erklärte Hannibal und ließ Lucan einfach zurück. Schon drängte sich Hannibal ebenfalls in den Kreis, der sich munter schwatzend und lachend um einige andere Statuen und einen ausgesprochen gut aussehenden, goldblonden Mann tummelte. Der Mann trug eine weiße Tunika mit einem goldenen Überwurf und goldene Armreifen, die ihn sehr gut zu schmücken wussten. Sah man jenen Schönen länger an, so war die Ähnlichkeit zu der Statue durchaus frappierend. Um Hannibals Mundwinkel zuckte es kurz, als er den Mann ansah. "Faustus, wenn ich Dir vorstellen darf? Fidenas!" Hannibals Augen ruhten noch einen Moment auf dem Blonden ehe er sich dem mehr unscheinbaren Mann daneben zu wandte, der im Schatten des lebendig schönen Apolls kaum auffiel. Er war mehr durchschnittlich von der Größe, ein klein wenig untersetzt und hatte eine Halbglatze. "Fidenas!", sprach Hannibal den Untersetzten an. "Wenn ich Dir einen Helden aus dem fernen Parthia vorstellen darf? Das ist Faustus. Er ist ein Soldat der Prima und kürzlich aus dem Krieg heim gekehrt. Und ein Bewunderer Deiner Kunst!" Fidenas Aufmerksamkeit wanderte geschmeichelt von einem Gast zu Serapio. "Oh, welche Freude!", gab er von sich und lächelte erfreut. "Gefällt er Dir? Mein Apollon?"